Ratsprotokoll vom 2. November 1918

gewehre aufgestellt und dafür gesorgt werden, daß die Ueber¬ wachung von wichtigen Objekten gesichert ist. Für die Volks¬ wehr ist bereits ein Organisationsstatut ausgearbeitet, in welchem auch vorgesorgt ist, daß Familien der Angehörigen der Volks¬ wehr oder die einzelnen Mitglieder entschädigt werden. Vor¬ läufig tritt die Stadtgemeinde, gegen seinerzeitigen Ersatz vom Staate Deutsch=Oesterreich, der ja selber eine Nationalgarde er¬ richtet, für die Volkswehr ein. Was also vorbereitet werden konnte, ist geschehen und es gereicht mir zu einer besonderen Freude, daß die Schaffung der Volkswehr in der Bürgerschaft und in der Arbeiterschaft nach jeder Parteirichtung hin auf das tatkräftigste unterstützt wird, daß die Waffenfabrik sich in den Dienst dieser Volkswehr stellt und die Waffen und Geschosse für dieselbe beistellt. Karabiner, Pistolen und Revolver werden zur Verfügung gestellt und ist bereits heute ein Transport solcher Waffen eingetroffen. Es gereicht mir auch zur Freude, daß sich der gesamte Offiziersstand, soweit er hier in Urlaub ist oder sonst sich hier in Steyr befindet, zur Verfügung gestellt hat, um die Mannschaft entsprechend vorzubereiten und daß auch Teile des Offizierskorps der Kaiserjäger sich zur tätigen Mithilfe bereit erklärt haben. Wir stehen weiter in vollständiger Verbindung mit dem Soldatenrate und dem Arbeiterrate und den Führern der Par¬ teien, soweit sie überhaupt in Betracht kommen. Wir stehen auch schon in Verbindung mit dem Soldatenrate von Sierning und dem dortigen Arbeiterrate, und zwar durch die hiesige sozialdemokratische Organisation. Es ist also nichts übersehen worden, was zur Sicherheit der Stadt Steyr möglich ist. Wir sitzen heute seit 7 Uhr früh in der Sitzung des Nationalrates der Stadt und möchte ich dem Herrn G.=R. Mitter zum Schlusse meiner Ausführungen versichern, daß seitens des Nationalrates¬ der Stadt, der Gemeindevertretung und des Herrn Bürger¬ meisters gar nichts übersehen und rechtzeitig der etwa bestehen¬ den Gefahr entgegengearbeitet wurde. Natürlich für eine Massen¬ invasion, wo geschultes Militär mit Panzerautos kommen würde, könnten wir uns nicht schützen, was aber möglich war, ist zum Schutze der Stadt geschehen. Es ist ganz richtig, daß diese Frage hier gestellt wurde, denn es liegt ja allen die Sicherheit am Herzen und dürfen wir uns daher freuen, daß wir sowohl bei der Bevölkerung, als auch bei den Soldaten und der Arbeiter¬ schaft auf ein großes Entgegenkommen getroffen sind. Herr G.=R. Mitter: Ich danke Herrn G.=R. Prof. Erb für seine Ausführungen und wollte nur ein Beispiel für eine Maßnahme angeführt wissen, wenn einige Engländer mit Autos bis nach Steyr kämen. — Herr G.=R. Dr. Harant: Zu den Ausführungen des Herrn G.=R. Erb möchte ich bemerken, daß die gegründete Volks¬ wehr nur dazu bestimmt ist, Unruhen im Innern und so weit es sich um äußere Feinde handelt, durch die Kriegsgefangenen verursachte zu bekämpfen. Nach verläßlichen Nachrichten soll es unrichtig sein, daß sich Ententetruppen in Laibach befinden und dürften auch zahlreiche andere Gerüchte, die in letzter Zeit die Luft durchschwirrten, nicht richtig sein. Wenn aber Entente¬ truppen hieher kommen sollten, so könne man heute allerdings nicht sagen, welche Vorkehrungen die richtigen wären. Das ist wohl eine Frage der Entscheidung nach der Sachlage. Es wird ganz davon abhängen, wie sich solche Truppen verhalten würden, mit welchen Waffen sie kommen 2c. Es könnte daher nur eine Augenblicksentscheidung möglich sein und glaube bestimmt, daß heute eine allfällige Richtschnur hiefür nicht gegeben werden kann. Herr G.=R. Ortler: Nachdem ich in der Zusammensetzung des Organisationsstatutes für die Volkswehr tätig war, möchte ich einen auf eine Interpellation gegründeten Vorschlag zur An¬ nahme empfehlen, daß bezüglich der Invalidenversorgung für diese Volkswehr der Gemeinderat seine Zustimmung erteilt, daß derselbe einstweilen, bis die staatliche Invalidenversorgung durch¬ geführt wird, diese übernimmt. Die Waffenfabrik und das Eta¬ blissement Reithoffer haben sich bereit erklärt, daß ihren Be¬ diensteten, die sich der Volkswehr widmen, für die Zeit ihrer Dienstleistung in derselben ihre Bezüge in derselben Weise fort¬ bezahlt werden, als wenn sie ihrem zivilen Dienste nachgingen. Aber bezüglich der Invalidität soll eine eventuelle Vorsorge ge¬ roffen werden. Man kann nicht wissen, unter welchen Verhält¬ nissen die Volkswehr einzuschreiten hat und welche Invalidität bei Einzelnen eintreten kann. Ich möchte daher beantragen, daß die Gemeinde bis zum Inkrafttreten der staatlichen Invaliden¬ vorsorge die Sache übernimmt. Herr Vorsitzender: Ich glaube, der Gemeinderat kann auf den Vorschlag des Herrn G.=R. Ortler sofort eingehen, umso¬ mehr als die Stadt einen Invalidenfond besitzt, welcher für diese Zwecke herangezogen werden könnte. Herr G.=R. Wokral: Ich möchte bitten, daß in dieser Hinsicht unter allen Umständen etwas geschaffen wird, wenn auch der Gemeinderat heute noch nicht das Ausmaß des In¬ alidenfondes oder einer Entschädigung bestimmen kann. Der Gemeinderat möge heute grundsätzlich dem Antrage des Herrn G.=R. Ortler zustimmen. Die näheren Ausarbeitungen sind dem Gemeinderate nachträglich zur Genehmigung vorzulegen. Herr G.=R. Prof. Erb: Ich habe gegen die Anregungen an sich nichts einzuwenden, nur ist die Form zur Durchführung der Sache außerordentlich schwierig. Das Organisationsstatut ist nämlich vom Nationalrate der Stadt Steyr noch nicht ange¬ nommen worden. Es kann daher der Gemeinderat nur grund¬ sätzlich seine Zustimmung zu dem Antrage des Herrn G.=R. Ortler geben. Ist das Organisationsstatut der Volkswehr vom National¬ rate der Stadt angenommen, so ist dieser Antrag der Sektion zuzuweisen, über deren Vorschlag dann der Gemeinderat erst einen Beschluß fassen kann. Daß der Gemeinderat für jene Leute eintritt, die für die Sicherheit der Stadt ihre Person zur Verfügung stellen, ist gewiß selbstverständlich. Herr Vorsitzender: Es ist über den Antrag des Herrn G.=R. Ortler, daß die Invalidenversorgung für Angehörige der Volkswehr die Stadtgemeinde bis zum Inkrafttreten einer dies¬ bezüglichen staatlichen Verordnung übernimmt und über den Zusatzantrag des Herrn G.=R. Prof. Erb, daß sich der Gemeinde¬ rat grundsätzlich für diese einstweilige Uebernahme der Invaliden¬ versorgung aus der Volkswehr ausspricht, abzustimmen. Dem Antrag des Herrn G.=R. Ortler und dem Zusatzantrag des Herrn G.=R. Prof. Erb wird vom Gemeinderate einhellig zugestimmt. Herr G.=R. Kirchberger: Zum Schlusse möchte ich nur das eine hervorheben, daß die Gründung und Ausgestaltung des neuen Staates Deutsch=Oesterreich nur mit möglichster Ruhe vor sich gehen könne und erlaube mir zu wünschen, daß der neue Staat Deutsch=Oesterreich zum Nutzen seiner Insassen wachsen, blühen und gedeihen möge. Heil Deutsch=Oesterreich! (Bravorufe.) Herr Vorsitzender: Wünscht einer der Herren Ge¬ meinderäte noch das Wort? Es ist nicht der Fall. Ich gestatte mir namens des Gemeinderates den sehr ge¬ ehrten Herren des Nationalrates den besten und verbindlichsten Dank für ihre rasche und zielbewußte Arbeit in den letzten Tagen auszusprechen und bitte alle Herren, getreulich zusammen¬ zuhalten. Ich appelliere an die ganze Bevölkerung, daß sie uns in allen Dingen auf das eifrigste unterstützt, ich appelliere an ie, daß sie die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten möge, denn nur durch Ruhe und Ordnung wird jener Frieden eintreten, den wir alle so sehnlichst wünschen. Heil Deutsch=Oesterreich! (Bravorufe.) Hierauf schließt der Herr Vorsitzende um 3 Uhr 55 Min. nachmittags die Sitzung.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2