Ratsprotokoll vom 2. Oktober 1918

Der Gemeinderat schließt sich dem Danke mit Beifall an. Schließlich erlaube ich mir mitzuteilen, daß durch die gegenwärtigen Bauten auf der Ennsleiten eine Inkorporierung us dem Gebiete der Gemeinde St. Ulrich dadurch notwendig wird, daß eines der zu erbauenden Häuser mit einem Teile in Gebiete der Gemeinde St. Ulrich stünde — im vorliegenden Falle somit in zwei verschiedenen politischen Bezirken. Ich bin deshalb an die Gemeinde St. Ulrich wegen Abtretung eines Ge¬ bietsteiles (es handelt sich um die Leiten beim Märzenkeller herangetreten. Laut Mitteilung der Gemeinde St. Ulrich hat sich deren Gemeindeausschuß zustimmend zu der Einverleibung des be¬ treffenden Grundes in das Gebiet der Stadt Steyr ausgesprochen ind wird die Behandlung dieser Einverleibung Gegenstand der lächsten Gemeinderatssitzung sein. Seitens des Herrn Gemeinderates Mag. ph. Otto Dunkl ist mir folgender Dringlichkeitsantrag zugekommen: Dringlichkeitsantrag des Gemeinderates Otto Dunkl die stets sich verschlechternde Versorgung mit Fleisch, Mehl, Fett und anderen Nahrungsmitteln macht es der Gemeinde zur Pflicht, ihr besonderes Augenmerk auf die Gemüseversorgung zu richten. Steyr war schon in Friedenszeiten im Vergleiche zu anderen Städten mangelhaft mit Gemüse versehen. Im Kriege ist die Zufuhr noch bedeutend zurückgegangen. Ein Mittel zur Verbesserung der Gemüseversorgung besteht in der Anlage von Schrebergärten, kleinen Grundstücken, die von einzelnen Familien elbst bebaut und bewirtschaftet werden. Diese Art der Durch¬ ührung hat sich in anderen Städten vielfach bewährt und würde auch in Steyr zweifellos wohltätig wirken. Ich stelle daher den Antrag, der Gemeinderat bevoll¬ mächtige die III. Sektion, Unterhandlungen mit Gutsbesitzern in der Nähe der Stadt zwecks Pachtung von zehn Joch Brund für Schrebergärtenzwecke einzuleiten und dem Gemeinderate ehestens hierüber Bericht zu erstatter Sollten die Unterhandlungen ergebnislos verlaufen, so ist der seitens der Stadtgemeinde angekaufte, von der Radiostation nicht in Anspruch genommene Grund auf dem Tabor für diese Zwecke zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wird die III. Sektion beauftragt, geeignete Vorschläge zwecks Verteilung des Grundes an die einzelnen Familien zu erstatten Steyr, am 30. September 1918 Mag. ph. Otto Dunkl Bachmayr F. Kirchberger H. Dr. Harant. F. Gründler L. Haller. Aug. Mitter Tribrunner. Josef Huber. Ing. Wokral. Fr. Aigner. Der Antrag ist durch Unterschriften genügend gestützt und ersuche ich Herrn Gemeinderat Dunkl zur Dringlichkeit des An¬ trages das Wort zu ergreifen. err G.=R. Dunkl: „Die Dringkichkeit des Antrages er¬ ich mir mit der vorgeschrittenen Jahreszeit und der da¬ laube durch bedingten raschen Inangriffnahme der Sache zu begründen.“ Herr Bürgermeister: „Wird zur Dringlichkeit weiter das Wort gewünscht? Es ist nicht der Fall. Die Dringlichkeit des Antrages erscheint somit angenommen. Ich ersuche den Herrn Antragsteller zum Antrage selbst zu sprechen. derr G.=R. Dunkl: „Wie schon aus dem Antrage selbst zu ersehen ist, ist für eine Reihe von Jahren, nicht nur für das kommende Jahr, eine bleibende Einschränkung in allen not wendigen Lebensmitteln zu erwarten, wie auch keine Zufuhr überseeischer Produkte zu erwarten steht. Außerdem macht sich ein großer Mangel an Gemüse wahrnehmbar, da die Bauern¬ schaft jede Zufuhr in die Stadt einstellt. Weiters haben unsere Bauern, von welchen wenige im Hinterlande verblieben sind, keine Hilfskräfte, um Gemüse im anzufordernden Maße zu ziehen und ist auch die große Gemüseaktion, an welcher sich die Ge¬ meinde mit einem Kapitale von 50.000 K beteiligt hätte, in Wasser gefallen. Wenn Schrebergärten errichtet werden, werden die Leute im kommenden Jahre die Gemüseartikel sich leicht selbst beschaffen und wird kaum ein Mangel an Grundstücken hiefür sein, als bekanntlich der Viehstand um mehr als die Hälfte abgenommen hat und daher genügend Wiesen zur Be¬ arbeitung für Schrebergärten zur Verfügung stehen. Die be¬ stehende Futternot ist nur der ganz unrichtigen Bewirtschaftung er Futtermittelzentralen zuzuschreiben. Für die Einrichtung von Schrebergärten werden vielleicht auch staatliche und Landes¬ unterstützungen zu erreichen sein, da der Staat ja auch die großen Konservenfabriken mit außerordentlichen Zuckerzuweisungen 2c., wie man weiß, ausgiebig unterstützt, warum sollte der Staat nicht auch für die Unbemittelten für Zwecke von Schrebergärten Unterstützungen gewähren. Aber auch vom gesundheitlichen Standpunkte aus verspreche ich mir für die Bevölkerung Vor¬ teile, da die meisten unbemittelten Leute in ungesunden Woh¬ nungen sind und es diesen von großem Vorteile wäre, sich bei Bearbeitung ihrer Schrebergärten in der frischen Luft bewegen zu können. Für die Durchführung wäre auch an die Oester¬ reichische Waffenfabrik sowie an die Firma Reithoffer heranzu¬ treten, welche in der Lage wären, größere Grundkomplexe für die gedachten Zwecke zur Verfügung zu stellen, wodurch sich durch die Nähe der Anlagen auch die Bearbeitung und Ueber¬ wachung derselben erleichtern würde. Ich bitte die III. Sektion, die Sache raschestens in Angriff zu nehmen, damit die nötigen Vorarbeiten in kürzester Zeit durchgeführt werden. Herr Bürgermeister: „Ich lasse über den Dringlich¬ eitsantrag abstimmen und ersuche, die Annahme des Antrages durch Erheben der Hände auszudrücken. Der Dringlichkeitsantrag wird einstimmig angenommen. 3 Herr Bürgermeister: Von Seite der I Sektion liegt in Dringlichkeitsantrag betreffend Stellungnahme des Gemeinde¬ ates zur Entschließung der Versammlung des Deutschen Volks¬ vereines am 26. September 1918 vor und ersuche Herrn Ge¬ neinderat Dr. Harant hiezu das Wort zu ergreifen. Herr G.=R. Dr. Harant: „Am 26. September hat in en Brauhaussälen eine Versammlung des Deutschen Volks¬ vereines stattgefunden, in welcher eine Entschließung einstimmig angenommen und diese dem Gemeinderate zur Stellungnahme im 27. September vorgelegt wurde. Nachdem die Zuschrift ein¬ elangt ist, als die Tagesordnung für die gegenwärtige Ge meinderatssitzung bereits ausgegeben war, ist nur mehr die Stellungnahme zur Entschließung im Wege der Dringlichkeit zulässig. Die Entschließung selbst betrifft Verpflegsfragen, also einen Gegenstand, der zur großen Dringlichkeit der Behandlung an sich zwingt. Ich bitte daher, der Dringlichkeit zuzustimmen da dieselbe durch den Gegenstand hinreichend begründet erscheint. Herr Bürgermeister: „Wird zur Dringlichkeit des Antrages das Wort gewünscht?“ Nachdem dies nicht der Fall st, ersuche ich Herrn Gemeinderat Dr. Harant, zur Entschließung elbst zu sprechen. Herr G.=R. Dr. Harant: „Die überaus traurigen und m Argen liegenden Verpflegsverhältnisse von Steyr und die zurücksetzungen, welche die Stadt Steyr in Verpflegsfragen seit Langem zu erdulden hatte, haben den Deutschen Volksverein ekanntlich veranlaßt, am 26. September l. J. eine Versamm¬ ung einzuberufen. Diese Versammlung ist von allen Schichten der Bevölkerung zahlreich besucht gewesen und wurden hiebei ie überaus traurigen, um nicht zu sagen himmelschreienden Verpflegsverhältnisse in Stadt Steyr eingehend und von vielen Seiten erörtert. Diese Erörterungen haben zu einer Entschießung eführt, die Ihnen im allgemeinen wohl bereits bekannt ist, nir aber dennoch erlaube, Ihnen dieselbe vorzulesen: Entschließung. Die durch die Versammlung im August 1917 eingetretene hwache Verbesserung der auf einen bedenklichen Tiefstand ge¬ unken gewesenen Versorgung der Stadt Steyr hielt leider nur ehr kurze Zeit an. Bald darauf trat die alte Leidensgeschichte der Bevölkerung der Stadt Steyr wieder ein. Zahlreiche Eingaben und Fahrten zur Statthalterei seitens der Vertreter des Wirtschaftsrates und des Gemeinderates der Stadt Steyr brachten zwar verschiedenartige Zusagen der dor¬ igen Landeswirtschaftsstellen, keine einzige wurde jedoch einge¬ halten, so daß im Wirtschaftsrate der Stadt Steyr eine An¬ regung lebhafte Zustimmung fand, dahin gehend, sämtliche Mit¬ lieder desselben sollen ihre Stellen niederlegen, da ohnehin jede Beratung und Beschlußfassung überflüssig sei und der Statt alterei die volle weitere Verantwortung überlassen. Infolge der passiven Resistenz der Statthalterei gegenüber den bescheidensten Anforderungen für eine entsprechende Versor¬ ung der Stadt Steyr ist der Mangel an Nahrungsmitteln aller Art und sonstiger Bedarfsartikel unerträglich geworden. Die Fleischversorgung wurde immer schlechter, die Kartoffelversorgung ersagt gänzlich, Ersatzmittel kommen überhaupt nicht und die Teuerung steigt ins Fabelhafte. Dabei sieht die Statthalterei ruhig zu, daß eine unbeschränkte Massenausfuhr aller möglichen Nahrungsmittel und Bedarfsartikel aus Oberösterreich stattfindet während die benachbarte Bezirkshauptmannschaft Amstetten, au die die Versorgung sder Stadt Steyr und insbesondere die in Ennsdorf wohnende Waffenfabriksarbeiterschaft unbedingt ange¬ wiesen ist, sich vollständig absperrt Das Elend an Brennstoffen und Bekleidungsartikeln ist nicht mehr zu ertragen und mit zunehmendem Bangen sieht die Bevölkerung von Stadt Steyr dem kommenden Winter entgegen. Deshalb wendet sich die Versammlung mit aller Ent¬ schiedenheit gegen die unverständliche und unbegreifliche Gleich¬ iltigkeit, mit welcher die verantwortlichen Stellen in der ober¬ österreichischen Statthalterei die bösen Zustände in Steyr be¬ handeln Durch vier volle Jahre hat der Wirtschaftsrat und Ge neinderat der Stadt Steyr das Unverständnis und die geradezu indliche Haltung seitens der Referenten in der Statthaltere gegenüber der Stadt Steyr abzuwehren versucht. Vergebens! es scheint dort auch an gutem Willen zu fehlen, der Stadt Steyr zu helfen. Daher fordert die Versammlung die k. k. oberösterreichische Statthalterei in letzter Stunde dringendst auf, diesen unhaltbar ewordenen Zuständen schleunigst ein rasches Ende zu bereiten. Es hat aber auch den Anschein, als ob die Statthalterei und der Landesausschuß in Linz es an jedem hartnäckigen Widerstand gegen die allseitige unerhörte Ausbeutung von Ober¬ österreich fehlen lassen, so daß bei einer weiteren Fortdauer dieses Ausbeutungssystems von Oberösterreich durch die Zentral¬ stellen und eine Unmasse von Zuwanderern unser Kronland völlig verelenden muß Deshalb fordern wir von diesen so verantwortungsvollen Stellen des Landes mehr Nackensteifheit gegenübrr den Zentral tellen in Wien sowie auch gegenüber den anderen massenhaft zugewanderten Ausbeutern, wie solche Widerstände erfolgreich in anderen Kronländern durchgeführt werden Für die Stadtgemeinde Steyr verlangt aber die Versamm lung mit allem Nachdrucke unbedingt und unverzüglich ein essere, verständnisvollere Auffassung der eigenartigen, durch die weierlei durchgeführte Versorgung ihrer Bevölkerung bedingten Lage und ein Aufgeben der absichtlichen oder unabsichtlichen Verwechslung dieser Versorgungsverhältnisse zum Schaden der Bevölkerung Sollte die Statthalterei die Bevölkerung der Stadt Steyr weiter in dieser bösartigen und geradezu feinblichen Weise ver¬

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