Ratsprotokoll vom 28. August 1918

Tatsache maßgebend, daß Herr Klukatschek, ein großer Gemüse bauer bei Kronstorf, mit der genannten Wirtschaftsstelle der Statt haltereiangestellten einen Vertrag abgeschlossen hat, zufolge welchem erselbe verpflichtet ist, Gemüse an diese Stelle nach Linz zu liefern ab Ladestation Steyr. Die Stadt Linz hat aber in seiner Umgebung ein reiches Gebiet von Gärten und Aecker, so die Gebiete von Waizenkirchen, Efferding bis hinauf nach Aschach a. d. Donau, das Mühlviertel usw., so daß es nicht einzusehen ist, daß knapp vor den Toren unserer Stadt gezogenes Gemüse nach Linz geht, wobei noch vorgesehen wird, daß das Gemü in unserer Station verladen werden muß; das hört sich wie ein Hohn an. Der Herr Bürgermeister ist, soviel ich weiß, wegen dieser Verhältnisse bereits in Linz vorstellig geworden. Wo sollen vir unser Gemüse bekommen, wenn man uns das nächstliegende Gebiet noch absperrt. In Sierning sind drei Ersatzbatterien von Artillerieregimentern, in Gleink und Dietach sind noch Flücht¬ inge, in Steyr selbst haben wir keinen Gemüsebau, am wenigsten inen, der im Stande wäre, mehr als 30.000 Personen zu ver¬ orgen, und die Gegend, wo vielleicht etwas zu haben ist, wird uins von den Linzern abgesperrt, dadurch, daß die Wirtschafts stelle der Statthalterei Linz mit dem Auto zu Herrn Klukatschek den Herrn Referenten schickt, um dort Gemüselieferungsverträge zu schließen. Das beruht auf Gegenseitigkeit zwischen Herrr Klukatschek und der Wirtschaftsstelle der Statthalterei: Her Klukatschek ist nämlich zu dem Zwecke vom Militärdienste ent¬ hoben, damit er Gemüse für Oberösterreich baut und dieses Ge¬ nüse nur nach Oberösterreich liefert, das ist der Grund seine Enthebung, dessenungeachtet liefert aber Herr Klukatschek nac Niederösterreich und soll solches auch in großen Mengen nach Spitz a. d. Donau gegangen sein Demgegenüber muß man die Worte des Herrn G.=R. Tri brunner berücksichtigen, der auf die fleischlosen Wochen hinwies Wenn dieser Fall wirklich eintreten sollte, ist es schleierhaft, wo¬ von die Bevölkerung leben soll; das Mehl ist ohnehin zu wenig, mit den Kartoffeln ist es geradezu ein Skandal. Die letzte Liefe¬ rung derselben ist bis zu einem Drittel kaum zu verwenden, vas nur wiederum auf die alten Fehler in der Wirtschafts¬ führung zurückzuführen ist. Ich will niemanden verdächtigen, kann aber gewiß ruhig sagen, daß kaum mehr jemand sein wird der nicht Kartoffel hamsterte, was durch Verordnungen nicht verhindert wurde, im Gegenteile, es wurde nichts anderes er¬ reicht, als daß ein großer Teil der Frühkartoffeln der Vernich¬ ung preisgegeben wurde. Hätte man die Frühkartoffel wenigsten bis 15. August oder 1. September zum Kaufe freigegeben, wären eine Kartoffel zugrunde gegangen. Bezeichnend ist auch der Zeitungsartikel, der sagt, daß den Bauern waggonweise Mengen von Kartoffeln aus den Aeckern ausgegraben wurden, obwohl je erst im Oktober reif werden. Es besteht auch der starke Ver¬ dacht, daß unsere Kartoffel nach Böhmen gehen und wir die böhmischen Kartoffel erhalten, also eine ganz verkehrte Wirtschaft. Die Herren, die die Bewirtschaftung über haben, lassen sich ein¬ fach nicht belehren und ich befürchte, daß es mit dem Getreid der neuen Ernte genau wieder so geht, oder noch schlechter, wis bei den Kartoffeln. Dazu kommt noch das Lächerlichste von allem, daß unsere Kriegsgetreideverkehrsanstalt auf die Idee kam, dem Landwirt vorzuhalten, wie man das Getreide und den Raps behandelt. (Heiterkeit.) — Herr G.=R. Tribrunner hat ganz recht, wenn er sagt, es sollten unbedingt ernste Vorstellungen gemacht werden, was der Bevölkerung als Ersatz für einen dauernden Fleischentfall geboten werden wird. In Deutschland hat man reichlichen Ersatz teils an Mehl, teils an Kartoffeln und teils an Hülsenfrüchten und anderen Bodenprodukten gesichert und wir haben nichts; was soll der Bevölkerung gegeben werden, wenn uns nun auch noch das in der Nähe der Stadt gebaute Gemüse weggeführt wird? Und trotzdem geht die sinnlose Wirtschaft auch m fünften Kriegsjahre so fort. Es müssen also die Zustände, n denen sich die Stadt Steyr befindet, dem Ernährungsminister elbst in eingehender Weise geschildert werden, damit noch ir etzter Stunde Abhilfe getroffen wird. Die Gemeinde kann für alle diese Zustände nichts. Sie sieht die Zustände, kann aber icht helfen. Deutsches Kapital hat mit 20 Millionen Kronen zar die Ukraine Industrie=Unternehmungen zum Tausche ge¬ haffen; wir werden wahrscheinlich durch die Saumseligkeit un ner Wirtschaftsführung wieder das Nachsehen haben. Freilich hat uns Deutschland wieder mit seinen Vorräten ausgeholfen, ob aber Deutschland auch im nächsten Jahre in der Lage sein wird, seine rettende Hand zu bieten, ist sehr fraglich. Es erfüllt einem mit Ingrimm, wenn man alle diese Sachen besprechen nuß err G.=R. Wokral: „Die Ausführungen des Herrn Vorredners sind vollständig zu unterstreichen und zu bestätigen. Es ist wirklich eine Katastrophe zu erwarten, wenn nicht ge nügender Ersatz durch Zubußen und Vergrößerung der Mehl¬ cationen bei Einführung der fleischlosen Wochen geschaffen werde. Wir mußten in der letzten Sitzung erfahren, daß bedauerlicher¬ weise die Gemüseanbau=Aktion, wozu die Gemeinde bereits einen Betrag von 50.000 K zeichnete, ins Wasser (gefallen ist. Nun ind wir auf das Gemüse angewiesen, das in der Nähe der Stadt gebaut wurde, welches nun aber ausgeführt wird. Es muß unter allen Umständen gefordert werden, daß bei Ein¬ ührung von fleischlosen Wochen eine größere Menge Mehl, zu¬ mindestens die doppelte, gegeben werden muß. Aber auch für die jetzige Zeit ist es schon dringend notwendig, Zubußen zu erhalten. Allerdings ist es von Herrn Bürgermeister nicht zu verlangen, das alles zu beschaffen, es ist ihm nur die Möglich keit geboten, durch fortwährende Vorstellungen auf die Erlan¬ 7 ung von Zubußen hinzuwirken, wir alle müssen aber durch Klarlegung der Verhältnisse in unserer Stadt mit allem Nach¬ drucke mithelfen. Vielleicht wäre es doch möglich, daß wir be¬ züglich des Gemüses einen bestimmten Bezirk zugewiesen er¬ halten, welcher verpflichtet werden würde, ausschließlich der Stadt Steyr anzuliefern. Es darf ja nicht vergessen werden, daß un¬ ere Bevölkerungszahl stets im Wachsen begriffen ist. Es darf ber nicht mehr vorkommen, daß die Gemeinde zu Vertrags¬ bschlüssen mit Landwirten amtlich angeregt wird und hinter¬ er, wie es bei den Kartoffeln im Vorjahre der Fall war, die Behörde die Beschlagnahme der vertraglich gesicherten Kartoffel ausspricht. Ganz besonders möge darauf hingewirkt werden, daß Hülsenfrüchte hieherkommen. Es ist geradezu sonderbar, wo die Hülsenfrüchte überhaupt hin verschwinden, früher hatte doch jedes aus genügend Hülsenfrüchte. Glaublich braucht das Militär ie Hülsenfrüchte; wenn man aber Soldaten frägt, swas sie zu ssen erhalten, so erfährt man, daß auch sie keine solchen er¬ alten. Wenn es so weiter geht, gehen wir einer gefährlichen Interernährung entgegen und wenn man sich in der Stadt um¬ ieht, so kann man beobachten, daß auf jedem Menschen die Last er Unterernährung haftet. Ich möchte daher Herrn Bürger¬ meister ersuchen, mit allen Mitteln auf die Erlangung von ent¬ prechenden Zubußen hinzuwirken. Wir haben alles getan, was möglich war, wir haben gebeten, haben gewarnt und müssen ns nun mit der Frage beschäftigen, was zu tun ist, wenn nsere Rufe kein Gehör finden. Die Gemeindeverwaltung ist erjenige Körper, mit dem die Bevölkerung in den Verpflegs¬ ragen am ersten in Berührung kommt; alles kommt zu ihr und verlangt die Mittel zur Fristung des Lebens. Wenn uns nun alles nichts nützt und wir immer nur den Sündenbock für ie Landes= und Staatsbehörden abgeben sollen und man nur auf uns die Verantwortung wälzen will, wird uns nichts anderes ibrig bleiben, als der Regierung unsere Sitze im Wirtschafts¬ rate zur Verfügung zu stellen; sie soll sich die Geschichte selbst nachen, denn wenn die Zuweisungen an Lebensmitteln so weiter gehen, ist es unmöglich, die Verantwortung weiter zu tragen Was Herr G.=R. Prof. Erb bezüglich der Einigung der ober österreichischen Städte sagte, ist eine altbekannte Tatsache. Be richtigend muß ich darauf verweisen, daß die Waffenfabriks¬ arbeiter mit Kartoffeln derzeit nicht so gut versorgt sind, wie allgemein angenommen wird, ebenso ist es beim Fleisch, wovon sie nur 4 dkg Mittags erhalten. Der größte Teil der Arbeiter ist auf das Gasthaus angewiesen, um satt zu werden, freilich wird dadurch wieder die Stadt belastet, allein es ist den Leuten nicht zu verdenken, wenn sie satt werden wollen herr Bürgermeister: „Ich kann mitteilen, daß ich in Verfolg der Beschlüsse der letzten Wirtschaftsratssitzung vom 26. August sechs Eingaben an die Statthalterei abgeschickt habe wobei ich die Forderung stellte, daß die Statthalterei den Guts¬ besitzer Klukatschek anweisen solle, der Stadtgemeinde entsprechende Mengen von Gemüse zu denselben Preisen zu überweisen, wie sie von der Wirtschaftsstelle der Statthalterei mit dem Guts besitzer vereinbart wurden.“ Herr G.=R. k. k. Prof. Erb: „Herr G.=R. Wokral hat ganz recht, wenn wir so ungeduldig werden und sagen, wir tun nicht mehr mit. Wir wälzen wie ein Sysiphus den schweren Stein der Lebensversorgung schon so oft hinauf und glauben, daß er durch die von der Statthalterei gemachten Versprechungen oben bleibt; kaum sind wir wieder zu Hause, fällt er mit un eingehaltenen Versprechungen wieder auf uns zurück. Es wär gar nicht von der Hand zu weisen, wenn die Gemeinderäte, die als Vertreter der Stadt im Wirtschaftsrate sitzen, sweil sie doch nur zum Narren gehalten werden und nichts erreichen, aus dem Virtschaftsrate austreten. Wozu sitzen wir uns eigentlich noch zusammen, wenn wir nichts zur Verteilung bekommen; bishen sind alle Wirtschaftsratssitzungen erfolglos geblieben. Dabe müssen wir noch die ganze Verantwortung tragen und in den Augen der Bevölkerung sind wir es, die nichts tun, trotz aller Nühe, die wir uns stets überall geben. Solche Vorwürfe der Bevölkerung isind aber vollkommen ungerecht. Der Herr Bürgermeister müht sich ab, wir fahren überall herum, führen stundenlange Konferenzen, haben unlängst beim „Grauen Hechten“ an einem Sonntag von ½10 Uhr vor nittags bis 2 Uhr nachmittags zur Lösung der Fleischversor ung der Stadt mit dem ganzen Bezirkswirtschaftsrate von Steyr Land und Stadt einer eingehenden Besprechung beige¬ vohnt und doch haben wir heute noch nicht mehr Fleisch. Diesen Fragen schließen sich aber noch zwei wichtige Fragen an. Erstens die Mostfrage. Es gingen in letzter Zeit sehr große Mengen aus Oberösterreich hinaus. Fremde Leute kaufen den ganzen Most zusammen und trotz der staatlichen sehr teueren Einrich tungen, die die Ausfuhr von Most an Transportscheinen binden, st die Sache schon so weit gediehen, daß wir bald ohne Most ein werden Weiters ist es ganz unmöglich, Schweinefleisch zu erhalten. Wer kauft das ganze Schweinefleisch zusammen? Das Militär. Für das Militär gibt es keine Richtpreise, sie kauft das Schweine¬ leisch zu 45 K und 50 K das Kilogramm. Sollte es ein anderer wagen, Schweinefleisch notgedrungen um 25 K zu kaufen würde er schwer bestraft werden. In Oberösterreich existieren Schweine nur für das Militär. Auch diese Herrschaften hätten ch aber an die Höchstpreise zu halten. Das Schweinefleisch is etzt für uns von besonderer Bedeutung, weil die Zeit heran¬ ommt, wo man sich Schweine für den Winter ankaufen soll Nach den bestehenden Verhältnissen ist es ein direkter Zwang

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