Ratsprotokoll vom 28. August 1918

2 wie den Verkehr zum Friedhofe und zur Artilleriekaserne unge¬ mein erleichtern würde Ferner habe ich angeregt, daß als Ersatz für eine Straßen¬ bahn, die infolge unserer engen Straßen und der ungünstigen Steigerungsverhältnisse undurchführbar ist, ein Elektromobilver¬ kehr eingerichtet werde. Dieser Gedanke wurde vom Elektrizitäts¬ verke als durchführbar bezeichnet. Die Fahrten sollen sich vom Staatsbahnhofe bis zum Allgemeinen Kranken¬ ause erstrecken und würde eine solche Einrichtung eine große Verkehrserleichterung für weite Bevölkerungskreise bedeuten Diese beiden Pläne werden nun studiert und werde ich mir erlauben, den löblichen Gemeinderat über den Stand der im Laufenden zu erhallen Sache Endlich erlaube ich mir mitzuteilen, daß heute drei Ver¬ treter der Wiener Fiakergenossenschaft bei mir wegen Einführung Standfuhrwerk vorsprachen. Die bezügliche Besprechung von rgab ie Inaussichtnahme von Autotaxametern, deren vier vor¬ läufig ier eingeführt werden sollen. Die Verhandlungen mit der Fi akergenossenschaft werden weiter geführt werden. Bitte diese Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen. Der Gemeinderat nimmt dieselben mit Befriedigung zur Kenntnis. Derr Bürgermeister: „Es dürfte in der heutigen Sitzung des Gemeinderates zweifellos auch über Verpflegsfragen gesprochen werden; ich ersuche, die Verhandlungen hierüber für den allgemeinen öffentlichen Teil der Sitzung nach Erschöpfung der Tagesordnung vorzubehalten. Es liegt mir folgender Dringlichkeitsantrag vor: Die in den hiesigen Tagesblättern erfolgte Ausschreibung der Schankstelle in der Industriehalle beweist, daß im Septem¬ ber wieder die Abhaltung des Steyrer Marktes geplant ist. Mit Rücksicht auf die außerordentlichen Verhältnisse, ins¬ besondere auf dem Gebiete der Lebensmittelversorgung für die einheimische Bevölkerung stelle ich den Antrag Die Abhaltung der Märkte, gleichwie es in anderen Orten bereits schon in früheren Jahren geschehen, auf Kriegsdauer, bezw. bis zum Eintritte besserer Versorgungsverhältnisse einzu¬ stellen Steyr, am 27. August 1918. Franz Kirchberger m. p. Dr. Karl Harant m. p. Otto Dunkl m. p. Franz Tribrunner m. p. Heinrich Bachmayr m. p Leopold Haller m. p. Franz Kattner m. p. Leopold Erb m. p. Ferdinand Gründler m. p. Franz Schwertfelner m. p. Karl Wöhrer m. p. Gottlieb Dantlgraber m. p. Der Antrag ist durch genügende Unterschriften gestützt; ich erteile Herrn Gemeinderat Kirchberger zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages das Wort.“ Herr G.=R. Kirchberger: „Die Dringlichkeit des An¬ trages ergibt sich aus dem Umstande, daß die Ausschreibung der Schankstelle in den Tagesblättern bereits erfolgt ist und dahen die Verschiebung und Behandlung des Antrages für eine spätere Sitzung des Gemeinderates untunlich erscheint. Herr Bürgermeister: „Wird zur Dringlichkeit des Antrages das Wort gewünscht? Es ist nicht der Fall; ersuche zum Antrage selbst zu sprechen.“ Herr G.=R. Kirchberger: „Die allgemein ungünstigen Verpflegsverhältnisse lassen diesen Antrag als begründet er scheinen. Ich verweise insbesondere daraus, daß die Marktleute die heute hieher kommen, sehr wenige Artikel führen, die als Verpflegsmittel in Betracht kommen; hingegen sind diese Wenigen nur als Ersatzmittel zu bezeichnen, die als Marktartikel keines¬ wegs als wertvoll bezeichnet werden können. Bei den Märkten vielen hauptsächlich Belustigungsmittel die Hauptrolle, durch velche jedoch keinerlei Nutzen, den die Jahrmärkte bringen sollten für die Allgemeinheit entsteht, so daß die Abhaltung von Jahr¬ märkten zumindest während der Kriegszeit keine Bedeutung hat. Ich bitte, diesen Dringlichkeitsantrag aus den angeführten Gründen annehmen zu wollen. Herr Bürgermeister: „Wünscht einer der Herren zum Antrage das Wort? derr G.=R. k. k. Prof. Erb: „Ich bin gewiß kein Gegner des Antrages. Diese Frage wird aber doch noch über egt werden müssen, da es sich um zwei Gruppen handelt, die an der Abhaltung oder Einstellung der Märkte interessiert sind Die eine Gruppe ist die der Gewerbetreibenden, die an der Ab¬ haltung des Marktes ein wirtschaftliches Interesse haben, gegen über der zweiten Gruppe, für die die Märkte unbedingt eine große Schädigung bedeutet, das sind die Kaufleute und was mit hnen zusammenhängt, während die erste Gruppe, die Fleisch¬ hauer, Wirte, Bäcker u. s. w. durch ihren Gewerbebetrieb mit Verpflegsartikeln wiederum an der Abhaltung der Märkte fest¬ halten und schon seinerzeit die größten Gegner der Aufhebung der Märkte gewesen sind. Neben diesen beiden Gegensätzen drängt ich aber auch die Befürchtung auf, daß durch eine Beschluß assung im Sinne des Antrages ein Recht der Stadtgemeinde beeinflußt werden könnte, das ist das Marktrecht der Stadt¬ gemeinde als solche. Dieses Recht darf die Gemeinde unter keinen Umständen aus der Hand geben. Für die Aufhebung der Märkte auf Kriegsdauer sprechen andererseits wieder Gründe politischer Natur. Der Markt bringt uns eine Reihe von sehr zweifelhaften Existenzen her; man weiß nicht, woher ein Teil dieser Leute kommt, woher sie stammen und wohin sie gehen; sie sind also um Teile für die öffentliche Sicherheit bedenklich begen den Antrag spricht noch neben der wichtigen Wah rung des Marktrechtes der Gemeinde noch ein Umstand. Durch die Aufhebung der Märkte würde eine weitere durch den Krieg hnedies schon sehr bedeutende Ablenkung der Beziehungen zwischen Stadt und Land erfolgen. Für die heutigen Stadtver¬ hältnisse ist es aber geradezu wichtig, den Zuzug vom Lande in die Stadt auf jede nur tunliche Art zu fördern. Wie man sieht, liegen in der Angelegenheit soviele für und wider, daß es an¬ gezeigt erscheint, die Frage der Aufhebung der Märkte, wenn uch nur auf Kriegsdauer, noch einmal reiflich durch eine Vor¬ beratung in der Rechtssektion zu überlegen.“ Herr G.=R. Kirchberger: „Hierauf möchte ich nur er widern, daß von einer Aufhebung des Marktrechtes der Ge¬ meinde selbstverständlich keine Rede sein darf; der Antrag lautet usdrücklich auf Aufhebung des Marktes auf Kriegsdauer, bezw. bis zum Eintritte besserer Verpflegsverhältnisse, womit ja schon gesagt ist, daß der Gemeinderat auf sein Recht der Abhaltung on Märkten nicht verzichtet und nicht verzichten kann. Was die Interessen der Gewerbetreibenden anbelangt, so könnte wohl angenommen werden, daß der Nutzen und Schaden nach den heutigen Verhältnissen nicht so bedeutend sein kann, weil ja tirgends Waren vorhanden sind, aus denen ein wesentlicher Ge¬ winn zu erzielen ist und andererseits am Markt keine solchen Artikel feilgeboten werden, die eine Benachteiligung oder Kon urrenz unserer Gewerbetreibenden bedeuten können. Was die Zuziehung der Landbevölkerung in die Stadt anbelangt, so ist hievon schon lange keine Rede mehr, da heute die umgekehrten Verhältnisse eingetreten sind und die Städter bemüssigt sind, em Lande zuzuströmen, woselbst eine Aufhäufung aller in der Stadt gangbar gewesenen Artikel stattgefunden hat. Die Land¬ bevölkerung ist heute mit allen Verpflegsartikeln reichlich ver¬ orgt und wird daher die Abhaltung der Märkte kaum den Zu¬ zug der Landbevölkerung fördern.“ Herr G.=R. k. k. Prof. Erb: „Ich kann die letzten Worte nicht unwidersprochen lassen. Ich betrachte den Zwang des Hinauswanderns der Städter auf das Land zu den bekannten Zwecken als ein Unglück. Dadurch sind wirklich die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Durch das Hinauswandern der Städter auf das Land wird der Verkehr der Landbevölkerung in die Stadt direkt unterbunden und bedeutet es eine ganz eminente Schädigung jener Städter, die keine Gelegenheit haben, sich am Lande das Nötige zusammenzuhamstern; das sind die Festbesol¬ deten, ein Teil der Arbeiterschaft und ein Teil der Gewerbe¬ treibenden; diese haben am Lande keine Verbindungen und können daher draußen nichts erhalten. Für diese Verbraucher gruppen ist die Unterbindung der Zuziehung der Landbevölke rung in die Stadt eine sehr böse Sache. Durch diese Zustände ind wir in einen gewissen Wirbel geraten und werden diese Zustände später auf die Gemeinde sehr schwer lasten und be¬ enklich werden. Die Stadt ist heute von dem Verkehr mit dem Lande vollständig abgeschnürt und würde eine Aufhebung der Märkte diese Zustände nur noch verschlimmern. Wenn auch der Antrag auf Kriegsdauer lautet, so wird damit nicht viel ge wonnen sein, da es auch nach dem Kriege lange dauern wird, is nach den heutigen Verhältnissen wieder ein leidlich guter Verkehr des Landbevölkerung und seiner Produkte aufleben wird. derr Bürgermeister: „Ich möchte vorschlagen, den Antrage im Sinne der Ausführungen des Herrn G.=R. Erb einzufügen „unter völliger Wahrung des Marktrechtes der Stadt.“ derr G.=R. k. k. Prof. Erb: „Das genügt mir nicht s müßte unbedingt bei der Statthalterei angefragt werden, ob durch eine zeitweilige Einstellung der Märkte nicht ein Verlust des Marktrechtes der Gemeinde nach sich gezogen wird. Es ist ine gefährliche Sache, ein derartiges Recht zu sistieren. Der Antrag könnte nur angenommen werden, daß das Marktrecht der Gemeinde vollinhaltlich aufrecht bleibt und nicht irgend ein Verzicht angenommen wird, so daß am Ende gesagt würde, die Gemeinde hat selbst auf die Märkte verzichtet und haben sich aher einfach aufgehört. Es wäre daher der Antrag der 1. Sektion zuzuweisen. Der Gemeinderat könnte sich die schwersten Vorwürfe ufhalsen, wenn eine Beschränkung des Marktrechtes der Ge¬ neinde die Folge des heutigen Antrages und der Beschluß hier¬ iber wäre. Ich erinnere, daß schon seinerzeit eine Beschränkung es Jahrmarktes von 14 Tage auf Stägige Dauer erfolgt ist, wodurch ein Jahrhundert altes Privilegium schwer getroffen wurde. Man weiß daher nicht, was kommen würde, wenn heute ar eine Sistierung der Märkte erfolgen sollte. Ich ersuche da¬ her, den Antrag nochmals zur Beratung zu stellen. err Bürgermeister: „Der Markt findet erst anfangs Oktober statt und könnte sich daher die 1. Sektion noch zeitgerecht nit der Vorbereitung des Antrages befassen.“ Herr G. R. Wokral: „Ich erinnere daran, daß die Aus¬ schreibung bereits erfolgt ist und glaube, daß es gut wäre wenn dem Antrage der Zusatz angehängt würde: „vorausgesetzt die

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