Ratsprotokoll vom 23. Juli 1918

Nach Erschöpfung der Tagesordnung stellt der Herr Vorsitzende die Anfrage, ob Anträge oder An¬ fragen vorliegen, und meldet sich Herr G.=R. Aigner zum Worte und führt aus, daß es notwendig ist, daß sich der Gemeinderat mit den heutigen furcht¬ baren Verhältnissen der Lebensmittelversorgung etwas beschäftige. Es ist als eine Rücksichtslosigkeit zu be¬ zeinen, daß die Angestellten der Kriegsindustrien mit Lebensmitteln gut versorgt werden, während die selbständigen Gewerbetreibenden, die heute wegen Personalmangel doppelt so schwer arbeiten müssen, i ihren Lebensmittelbezügen stets verkürzt werden. ch möchte den Herrn Ernährungsminister. fragen, ob es möglich ist, mit drei Kartoffeln in der Woche zu leben. Es möge daher der Herr Bürgermeister Schritte einleiten, daß hier eine Gleichberechtigung der Gewerbetreibenden mit den Beschäftigten in den Kriegsindustrien eintritt, damit es den Gewerbetrei¬ benden in der Zukunft möglich ist, ihrer schweren Ar¬ beit nachzukommen und die hohen Steuern auf¬ bringen zu können. Herr Bürgermeister entgegnet, daß es schon seinerzeit, als die Trennung in der Versorgung der Waffenfabrik und Stadt angestrebt wurde, sich gegen dieselbe aus dem Grunde wehrte, weil er voraus¬ sah, daß hiedurch die Stadtbevölkerung gegenüber der Kriegsindustriearbeiter zurückgesetzt werden wird. Als Antwort wurde ihm aber bedeutet, daß die Bevölkerung von Steyr nicht schlechter daran sei, als die von Linz und Wels und daß Beschäftigte der Kriegsindustrie eben besser zu versorgen seien, als die sonstige Stadtbevölkerung. Herr G.=R. Wokral schließt sich den Beschwer¬ den des Herr G.=R. Aigner an und bemerkt, daß in letzter Zeit Zustände eingerissen seien, die sich auf die Dauer nicht halten können. So werden in letzter Zeit die Leute von den Bäckermeistern in der Stunde der Brotausgabe zum besten gehalten, so daß es kein Wunder wäre, wenn sich unliebsame Dinge ereignen und sich die Leute einmal das Brot selbst aus den Geschäften holen. Es wolle daher der Herr Bürgermeister Vorsorge treffen, daß diesem unberechtigten Vorgehen einiger Bäckermeister ent¬ gegengetreten werde und werde er auch in der näch¬ sten Sitzung des Wirtschaftsrates einen Antrag ein¬ bringen, daß jenen Bäckern, welche schlechtes Brot erzeugen und die Ausgabe des Brotes nicht regel¬ recht vornehmen, das Gewerbe eingestellt werde. Herr Bürgermeister entgegnet, daß er diese Beschwerde erwartet habe; es müsse jedoch bemerkt werden, daß die heutige beschränkte Brotausgabe auf den Umstand zurückzuführen ist, als die Stadt wegen bereits durchgeführter Brotkartenausgabe die bei Er¬ scheinen der bezüglichen Verordnung aufgetragene Brotkürzung nicht sofort ausführen konnte und des¬ halb heute die Mehrausgabe einzubringen habe. Es handelt sich deshalb um ein Uebergangsstadium, das die neue Ernte wohl bald beheben wird. Herr G.=R. Haidenthaller ersucht auch da¬ rauf hinzuwirken, daß die Mehlmischung sorgfältiger vorgenommen werde; manchesmal erhalte man Brot, welches selbst den Schweinen zu schlicht sei; weiters müsse darauf hingewiesen werden, daß erst unlängst zu hören war, daß Spanferkel ausgeführt und aus¬ wärts zu horrenden Preisen verkauft wurden; ein olches Vorgehen könne den Fleischmarkt gewiß nicht heben. Herr Bürgermeister entgegnet, daß ihm die Klagen über die schlechte Güte des Brotes wohl bekannt seien und ersucht in allen konkreten Fällen mit Angabe aller genauen Daten die Anzeige zwecks Einschreitens durch die Stadtgemeinde zu machen; den Bäckern werde ganz gleiches Mehl zugewiesen, wenn also bei dem einen das Brot gut, bei dem andern edoch sehr schlecht sei, liege die Schuld wohl ledig¬ lich an der Verbackungsart. Was die Schweineausfuhr betrifft, so könne er mitteilen, daß mit 15. Juli l. J. bereits ein Ausfuhrverbot für Schweine unter 50 Kilo erschienen sei, welches die Verhältnisse hoffentlich zu bessern vermag. Herr G.=R. Mitter erinnert an seinen Antrag wegen Instandsetzung der Leichenhalle im hiesigen Friedhofe. Herr Bürgermeister entg'gnet, daß demnächst eine Sanitätskommission stattfinden und hiebei die nötigen Erhebungen machen werde. Herr G.=R. Tribrunner frägt an, was au; der großen Gemüsebauaktion, wozu die Gemeinde die Zeichnung von 50.000 Kr. beschlossen habe, ge¬ worden sei. Herr Bürgermeister entgegnet, daß sich nach Mitteilungen des Herrn Vizebürgermeister Sadleder n Linz, die Sache terschlagen habe; die Stadtgemeinde hatte hiezu noch nichts beigetragen und war es nur bei der Zeichnung eines Anteiles geblieben, weshalb kein Schaden erwachsen ist. Herr G.=R. Wokral frägt an, ob der Jahres¬ rechnungsbericht pro 1916 schon in Druck sei. Herr Bürgermeister bejaht dies und bemerlt, daß gegenwärtig die Drucklegung wegen Personal¬ mangel sehr langsam vor sich gehe. Herr G.=R. Kirchberger berichtet, daß in der letzten Sitzung des k. k. Stadtschulrates über Schul¬ räume außerhalb der Unterrichtszeit verfügt worden sei und ist der Meinung, daß hierüber nur der Ge¬ meinderat als Besitzer der Schulen verfügen könne. Die betreffende Angelegenheit wolle auf die Tages¬ ordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gestellt werden. Herr Bürgermeister entgegnet, daß seiner Information nach eine Entscheidung des Verwallungs¬ gerichtshofes vorliege, wornach Verfügung über Schul¬ räume nur im Einvernehmen von Gemeinderat und Stadtschulrat getroffen werden können. Die Angelegenheit wird selbstverständlich in der nächsten Gemeinderatssitzung behandelt und werden auch die nötigen Grundlagen hiezu beschafft werden, um in Hinkunft Kompetenzstreite zu vermeiden. Nachdem weitere Anträge oder Anfragen nicht vorliegen, schließt der Herr Vorsitzende um 5 Uhr 10 Minuten nachmittags die Sitzung.

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