Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

6 Hunderttausende deutsche Arbeiter gibt es in der Sozialdemokratie, die ein deutsches Herz haben, deutsch fühlen und denken, die deutsch handeln möchten und erlöst und be¬ friedigt aufatmen würden, wenn sie sich zu ihrem deutschen Volke offen und stolz bekennen könnten, ohne geschmäht und verspotte u werden befürchten müßten. Die unheilvolle Führung volks¬ fremder Elemente in der deutschen Sozialdemokratie verhindert bis heute deutsches Fühlen und Denken, aber auch in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie wird der Umschwung kommen, wie auch andere Parteien, die völkisches Denken seitwärts gestellt hatten, heute völkisch denken müssen. Die völkische Not und der Druck der schweren Zeit wird auch die Hunderttausende deutscher Sozialdemokraten ihrem deutschen Volke wieder zuführen, dem sie leider künstlich so entfremdet wurden. Venn wir einmal soweit wären, daß alle deutschen Parteien zusammengehen, auch die deutschen Sozialdemokraten, dann werden auch die Deutschen in diesem Staate ruhig leben können und dann wird es viel eher möglich sein, mit den an deren Völkerschaften zu einem gerechten Ausgleich zu kommen, den auch wir wünschen würden. (Bravo= und Heilrufe. Herr G.=R. Wokral: Es fällt mir gar nicht ein, Sie meine Herren, über mein Gewissen als Parteimann überzeugen zu wollen. Ich will nur das, was ich sagte, klar stellen und welche Auffassung ich habe, nach welcher ich gewissen Teilen der Entschließung nicht zustimmen kann. Gerade der Herr Vorredner hat selbst ausgeführt, daß sich das Nationalbewußtsein der Tschechen so entwickelt hat, daß sie der deutschen Kultur schon im nächsten stehen und dies hat mich zur Ueberzeugung ge¬ bracht, daß es nicht angehen wird, die deutsche Sprache als Staatssprache zu begehren. Es scheint mir dies eine Wortklaubrei u sein. Eine Verständigungssprache wird es sein müssen, unbe kümmert darum, welche es ist. Ich möchte hier die kleine Schweiz anführen, die in ihrem Staate drei Völker, deutsch, französisch und italienisch, vereinigt und doch ganz in Ruhe und Frieden miteinander leben; ich möchte wünschen, daß es bei uns ebenso geht, wie in der Schweiz. Keines der Völker darf mit Gewalt gewisse Vorrechte an sich reißen. Mit den Staatsrechten könnte ich mich nur in dem Sinne einverstanden erklären, daß den be treffenden Völkern nur wirklich jene Gebiete einverleibt werden, die ihnen sprachlich zukommen müssen. Die Rechte aller Völker müssen gleichmäßig verteilt sein und keines darf nach einer Vor¬ herrschaft streben. Das Argument, daß tschechische Fabriksbesitzer keine deutschen Arbeiter anstellen, kommt für die nationale Sache nicht in Frage, für den Fabrikanten ist nur der Geldsack ma߬ gebend; was wir bekämpfen müssen, sind die Uebervorteilungen der Volksgenossen gegenüber seinen Nachbarn, die ein berech¬ igtes Mißtrauen zeitigt. Die Entschließung befaßt sich nur mit dem deutschen Standpunkt und deshald kann ich auch mit der elben nicht einverstanden sein. Ich möchte aber noch betonen, daß ich nicht unter allen Umständen dagegen stimmen werde, da ich mit einem Teile der Entschließung einverstanden bin, mit dem anderen Teile kann ich nicht einverstanden sein, nachdem diese Kundgebung in allen deutschen Städten beantragt und be¬ chlossen werden soll. Herr G.=R. k. k. Prof. Erh: Auf die Ausführungen des Herrn Gemeinderates Wokral muß ich auf ein Wort des einstigen Landeshauptmannes Abg. Dr. Ebenhoch erinnern, der im Jahre 1896 den bezeichneten Ausspruch tat: „Jetzt müssen die Deutschen endlich an sich selber denken.“ Schon da¬ mals hat dessen Partei das Bedürfnis empfunden, die Deutschen zu sammeln und wer die Kundgebungen aller deutschen Volks¬ tage gelesen hat und bei dem letzten großen Wiener Volkstag dabei war und die Stimmung in demselben richtig erfaßte, konnte deutlich wahrnehmen, daß jeder Satz der Entschließung, der von der gemeinsamen Verteidigung gegen die anstürmenden Feinde in dieser oder jener Form gesprochen wurde, außerordentlich be¬ jubelt wurde. Nichts hat mehr gezogen als wie die Schilderung er Gefahren und der dadurch aufgezwungene gemeinsame Kampf Ich will damit sagen, wie tief das Bewußtsein der Kränkungen und Beleidigungen angesichts der ungeheueren Opfer des deut¬ schen Volkes in dieses gedrungen ist, daß es diesen Notschrei und Kampfruf ertönen ließ. Man muß nur verstehen, warum diese Volkstage gemacht wurden, nun aus dem einfachen und begreif¬ lichen Grunde, weil es höchste Zeit ist, daß alles, was deutsch denkt und fühlt, zusammenhilft. Deshalb ist es umso bitterer daß ein Teil unserer verführten Volksgenossen nicht mittun will oder abgehalten wird mitzutun, in der Notwehr für das eigene eutsche Volk. Das ist bitter und beklagenswert, wenn Teile eines Volkes in seinem Erhaltungskampfe so ferne stehen. Ich möchte da auf Kärnten verweisen, wo ein schönes Bei spiel für alle übrigen deutschbewußten Städte und Orte gegeben wurde. Dort steht auch der weitaus größte Teil der Slovenen u den Deutschen, ein slovenischer Reichsratsabgeordneter gehör der deutschen agrarischen Partei im Abgeordnetenhause an; auch in Südsteiermark gibt es eine deutschfreundliche slovenische Partei, die sich nicht verhetzen und in den Staatsverrat treiben läßt Ich kann Herrn G.=R. Wokral noch sagen, daß wir, wenn uns die Vertreter seiner Partei zum gemeinsamen Kampf gegen jenes Großkapital rufen, das den Mittelstand vernichten will enau so mitzun würden, weil es zu bekannt ist, daß manche Broßbanken darauf eingerichtet sind und arbeiten, unser ganzes deutsches Volk auszusaugen und wirtschaftlich gänzlich zu ruinieren. In der heutigen späteren Ernährungsdebatte werden wir viel¬ eicht auch auf dieses Kapitel zu sprechen kommen Es freut mich, daß Herr Gemeinderat Tribrunner, trotz¬ dem er seine Beurteilung vom Parteistandpunkte aus vertreten muß, erklärt hat, für die Entschließung zu stimmen und freut es mich außerdem, daß Herr Gemeinderat Wokral durchblicken ließ, er werde nicht gegen die ganze Entschließung stimmen, wo durch es möglich sein wird, daß unsere Abstimmung in der eutschen Stadt Steyr für das Deutschtum in Oesterreich ein¬ mütig sich den Volkstagen anschließt. Ich möchte die Herren itten, für die Entschließung zu stimmen; wir tun nichts anderes, als was Millionen in diesem Staate getan haben. Wir gehen nit und verteidigen das deutsche Volk gegen alle unsere Feinde, welche auch den Staat zerstören wollen. Wir sind die wahrhaften Verteidiger dieses Staates heute ebenso, wie die Deutschen dies durch mehr als 1000 Jahre vorher schon gewesen sind. Die Ent¬ wicklung der anderen Volksstämme im Schoße unseres Staates hat deutlich gezeigt, daß es denselben in Oesterreich stets gut gegangen ist und sie sich nicht so entwickeln hätten können, wenn ie anderen Staaten angehört hätten. Diese Entwicklung ver¬ anken sie nur den jetzt so wütend gehaßten Deutschen. Ich itte daher, für die Entschließung zu stimmen. (Bravo=Rufe.) Herr Bürgermeister: Ich bringe nun den Dringlich¬ keitsantrag zur Abstimmung. Der Dringlichkeitsantrag erscheint vollkommen einmütig an¬ genommen. Herr Bürgermeister: Ich gehe nun zur Tagesordnung über Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Karl Harant jun. 1. Amtsangelegenheiten. 2. Ansuchen um Bürgerrechtsverleihungen. 3. Ansuchen um Aufnahme in den Gemeindeber¬ and Die Punkte 1, 2 und 3 werden der vertraulichen Behand¬ lung am Schlusse dieser Sitzung vorbehalten 4. Aenderungsvorschläge für die Hausordnung des teuen Krankenhauses Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Wie bekannt, hat derr Gemeinderat Wokral in der Sitzung des Gemeinderates vom 20. Dezember 1917 Abänderungsvorschläge für die Haus¬ rdnung des allgem. Krankenhauses gestellt. Die 1. Sektion hat ich mit diesen Abänderungsvorschlägen beschäftigt und ist zu em Entschlusse gekommen, sich vor Erstattung eines Antrages an den Gemeinderat mit dem Primarius des allgem. Kranken¬ auses ins Einvernehmen zu setzen. Der Sektionsantrag geht dahin, diesen Punkt vor läufig zur Einholung der Aeußerung der Krankenhausleitung zurückzustellen der Antrag wird nach Abstimmung vom Gemeinderate einhellig angenommen 5. Erhöhung des Fiakertarifes auf Kriegsdauer. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Eine Erhöhung des Fiakertarifes um 100 % hat den Gemeinderat in der Sitzung: vom 13. Dezember 1917 beschäftigt und liegt uns heute die Forderung nach Erhöhung des Tarifes insgesamt auf 250 % or, begründet damit, daß die Futtermittel und alle mit dem Betriebe eines Fuhrwerkes verbundenen Regieauslagen derart gestiegen sind, daß nur mit diesem Zuschlage das Auslangen ge¬ unden werden könnte. Die Sektion hat über das neuerliche Be¬ gehren beraten und ist zu folgendem Antrag gekommen Ein Teuerungszuschlag von 250 % zu dem in Vorschlag gebrachten Normaltarife scheint der Sektion allzu hoch gegriffen zu sein, ohne daß die Sektion zu einem abschließenden Urteile über die Angemessenheit eines Tarifes gelangen könnte. Die Sektion beantragt, der löbliche Gemeinderat wolle die k. k. Statt¬ alterei ersuchen, bei entsprechenden Stellen ein Gutachten über ie Angemessenheit eines solchen Tarifes einzuleiten.“ — Der Antrag wird vom Gemeinderate angenommen. Z. 15.063 6. Abänderungen der Satzungen für das h. o. Ar¬ eitsvermittlungsamt Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Zufolge erst in letzter Zeit eingelangter Erlässe des Mini steriums für soziale Fürsorge und nach Mitteilungen des erst kürzlich hier anwesend gewesenen Inspektors für die o.=ö. Arbeits¬ vermittlungsstellen erscheint es, um die Oeffentlichkeitserklärung der Arbeitsnachweisstolle zu erwirken, notwendig, die bereits be¬ chlossenen Satzungen in einigen Punkten abzuändern Zunächst ist zu ergänzen § 2, welcher über die Zusammen¬ setzung des mit der Aufsicht über die Arbeitsnachweisstelle be¬ rauten Ausschusses handelt, und zwar dahin, daß diesem Aus¬ chusse auch je ein Vertreter der landwirtschaftlichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als vollberechtigte Mitglieder zugezogen wer¬ den; das genannte Ministerium legt mit Rücksicht darauf, als die Wirksamkeit der Arbeitsvermittlungsstelle sich auf den ganzen reisgerichtssprengel Steyr erstreckt und alle Berufszweige zu. umfassen hat, ein besonderes Gewicht darauf, daß auch der land¬ virtschaftliche Beruf entsprechend im Ausschusse weptreten ist

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