Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

4 wie gesagt, auf irgend eine Vorherrschaft bestehen sollen. Wir werden über die schwierige Lage nicht hinwegkommen, wenn die Deutschen nicht auf eine Vorherrschaft verzichten und sich für eine Gleichstellung der Nationen in unserem Staate aussprechen Der Standpunkt der Deutschen bildet auch eine bequeme Hand¬ habe der Regierung für den Absolutismus. Ohne Parlament wird eine Einigung niemals zu erreichen sein und sehe ich lieber einen Streit im eigenen Hause als den Ausschluß der Volks vertretung zur Lösung dieser Fragen. Das sind die Gründe warum ich für die Entschließung nicht stimmen werde. Herr G.=R. Tribrunner: Als ich gestern die Ent¬ chließung gelesen habe, habe ich mir selbst gedacht, daß sie eine Reihe von Punkten enthält, die sich nicht gerade mit unseren Parteiansichten decken; nichtsdestoweniger enthält die Entschlie¬ zung so viele wichtige Punkte, daß ich es meiner persönlichen Ueberzeugung schuldig war, den Antrag mitzuunterschreiben insbesondere, was die Sachen auf wirtschaftlichem Gebiet und die politischen Fragen berührte. Richtig ist aber, daß eine Reihe von Fragen existiert, die mit den tatsächlichen Verhältnissen im Widerspruche stehen. Ich würde wünschen, daß man trachtet, die Gegensätze zu mildern, um auf einen versöhnlichen Standpunkt zu kommen; dann wird auf beiden Seiten das Möglichste er¬ reicht werden können. Im Allgemeinen möchte ich sagen, daß ich mit einem großen Teile der Entschließung einverstanden bin und deshalb auch dafür stimmen werde derr G.=R. k. k. Prof. Erb: Ich muß vor allem mein wirklich aufrichtiges persönliches Bedauern Ausdruck geben, daß sich Herr G.=R. Wokral nicht herbeigelassen hat, für die gewiß außerordentlich ruhige und sachliche Entschließung des Wiener Volkstages, wie sie auch in einer ganzen Reihe anderer Volks¬ tage ähnlich gefaßt wurde zu stimmen. Nichts steht meiner An¬ sicht nach in der Entschließung, das irgendwie einen Deutschen und mag er welcher Partei immer angehören, widerlich seir oder seinen Ansichten widerstreiten könnte; niemand wird ge¬ kränkt. Doch muß auf den Ursprung dieser Volkstage zurückge¬ kommen werden. Was ist eigentlich die Ursache der großen Ver¬ timmung, man könnte viel besser noch sagen der Empörung des deutschen Volkes in Oesterreich? Die Zurückdrängung durch ein halbes Jahrhundert der Deutschen Oesterreichs. Seit der Zeit Schmerlings, 1861, als zuerst der Gedanke eines einheit¬ lichen österreichisch= ungarischen Staates durchzusetzen versucht wvurde, ist es rückwärts und gegen die Deutschen trotz aller Opfer der Deutschen für diesen namenlosen Staat gegangen Erinnern wir uns nur an das Jahr 1866, damals schon hat sich die deutsche Staatstreue gezeigt; gegen das eigene Brudervolk sind die Deutschen Oesterreichs vorgegangen, als ob es der Todfeind wäre; sie haben keine Rücksicht genommen, daß es Deutsche sind, gegen die sie kämpfen, sie haben Oesterreich verteidigt gegenüber den Deutschen im Reiche draußen. Damals ist ein Musterbeispiel für alle Zeiten aufgestellt worden, wie die Deutschen Oesterreichs die Treue zum Reiche und zum Herrscher¬ hause halten; kaum vier Jahre darauf kam schon der kraffeste Undank gegenüber den Deutschen Oesterreichs. Das Ministeriun Hohenwart wurde ernannt, das die Grundfesten des Staates und die Deutschen so ungemein schwer bedrohte. Hohenwart wollte das selbständige böhmische Staatsrecht, die sogenannten Fundamentalartikel; er wollte damit einen Keil hineintreiben, aus dem Dualismus einen Trialismus schaffen und was be¬ deutet dieses nebelhafte böhmische Staatsrecht für die Deutschen? Es bedeutete für die Deutschen die Unterjochung unter das Tschechentum, Knebelung und Unterdrückung und die schließliche Ausmerzung der Deutschen in jenen Gebieten, daß die Tschechen als Wenzelskrone bezeichnen, ausgedehnt auf ganz Böhmen und Mähren, auf das Gebiet der Lausitz in Sachsen, auf Schlesien und neuerlich auf die Slovakei und Ungarn. Nur der Wider¬ pruch und das Eingreifen des damaligen Ministers des Aeußern Grafen Andrassy machte diesen deutschfeindlichen Plan zunichte und stürzte den Grafen Hohenwart Wie die Tschechen die Deutschen behandeln, sehen wir an einer ganzen Reihe dem Deutschtum verloren gegangenen Städten n den Sudetenländern, wo in kurzer Zeit das Deutschtum aus¬ gemerzt wurde Wir sahen also nach dem Jahre 1870, wie die Gefahr über die Deutschen Oesterreichs hereingebrochen wäre, wenn hnen nicht ein Retter im Grafen Andrassy erstanden wäre In den Jahren 1879, 1880 und die weiteren Jahre geh die Bedrückung und Zurückdrängung der Deutschen Oesterreichs durch mehr als 14 Jahre des Ministeriums seitens des Grafen Taffee weiter. Dieser hat durch 14 Jahre die Stellung der Deutschen durch Anstellung slavischer Beamten und ausschließ licher Ernennung von solchen in gemischtsprachigen Gebieten ntergraben, es slavisierte die Handelskammern, die Ministerier und lieferte Stück für Stück des politischen und wirtschaftlichen Besitzstandes der Deutschen den Slaven aus Eine wichtige Frage: Wie geht es den Tschechen in Oester reich? Wieso schlagen sie Lärm, daß sie ein unterdrücktes Volk eien? Was waren die Tschechen im Jahre 1866 und was sind sie, die sich unterdrückt nennen, jetzt nach 50 Jahren? Damals varen die Tschechen ein armes Volk, das eine Sprache hatte, die nur von wenig Leuten, Bauern, Arbeitern und Dienstleuten gesprochen wurde, die keine andere Sprache kannten; die gebil¬ deten Tschechen bedienten sich fast ausschließlich der deutschen Sprache. Innerhalb der letzten 50 Jahre sind sie aber ein kulturell hochstehendes reiches Volk geworden, so daß sie dem deutschen Volke bereits sehr nahe stehen und das zweite Volk n Oesterreich geworden sind. So sieht die Unterdrückung in diesem Staate für die Tschechen aus Inlängst stand in einem tschechischen Blatte zu lesen, daß ie Tschechen über 1000 Millionäre verfügen und daß dies 1000 Millionäre den Kampf für das Tschechentum und dessen Ausbreitung durch ihre reiche Unterstützung fortsetzen werden, is zur Erreichung aller ihrer Ansprüche. Heute haben sich die Tschechen vollständig selbständig gemacht; sie haben eigene Mittel¬ und Hochschulen, ihre Kunstinstitute ausgebildet; sie haben ulturell alles erreicht, was sie nur erreichen konnten. Sie haben eine Reihe tschechische Minister erhalten, die rücksichtslos überall tschechisieren. Fast die ganze Beamtenschaft der Statthalterei in Prag und des Landesausschusses ist tschechisch, in den Ministerien Slaven vom Sektionschef bis zum Aushilfsdiener; trotzdem rufen die Tschechen noch der Entente und uns zu, sie seien das unter¬ rückte Volk. Dies ist nichts anderes als die größte Heuchelei! Ich erinnere an die von Dr. Benesch in Paris heraus gegebene österreichsfeindlichste Literatur, an die Agitationen Masariks und ähnlicher-Leute, die eine förmliche Revue des trotzendsten Hochverrates in Paris herausgaben, die insbesondere Kramarsch mit Liebe stets in seiner Rocktasche herumtrug; ich erinnere an die tschechischen Bataillone in Feindesländern. Ich gebe zu, daß gewiß nicht das ganze Volk schuld ist, sondern nur eren Führer, die von Haß gegen alles Deutsche triefen, sie haben aber nun auch die Massen mitgerissen und reden dabei noch von einer Unterdrückung der Tschechen. Umgekehrt ist es richtig, die Tschechen unterdrücken das deutsche Volk bei jeder Gelegenheit in allen Gebieten von Böhmen und Mähren, wo die Tschechen die Mehrheit haben, und da sagt G.=R. Wokral, die Deutschen streben nach der Vorherrschaft! Von einer Vor¬ herrschaft der Deutschen ist seit Taffees Zeiten, seit fast fünfzig Jahren, überhaupt keine Rede mehr. Wie müßte es den Deut¬ chen ergehen, wenn wirklich die böhmische Krone so gebildet werden sollte, wie die Tschechen sie auf ihr Programm geschrieben haben. Rücksichtslos und mit eiserner Faust würden die Deut¬ schen in Böhmen und Mähren nach dem böhmischen Staatsrecht entnationalisiert, unterdrückt und mißhandelt werden. Die drei Millionen Deutsche würden einfach in kürzester Zeit vernichtet werden. Die dortigen Deutschen empfinden das jeden Tag. Ich kann aus Erfahrung sprechen; ich habe es vier Jahre lang in Reichenberg und Rosenthal mitgemacht ich war durch zwei Jahre in Olmütz. Ich kenne die gegen die Deutschen wutent¬ brannte tschechische Arbeiterschaft in Proßnitz und Prerau und weiß von den Moldauer= und Elbeflößern, die bei tschechischen rawallen und Zerstörungen deutschen Eigentums nach Prag hereingezogen wurden, um gegen die Deutschen in unglaublicher Rohheit und Wut vorzugehen. Kann unter diesen Umständen ein Deutscher überhaupt daran denken, daß das böhmische Staatsrecht durchgeführt wird, ohne daß das Deutschtum in den gemischtsprachigen Gebieten total vernichtet wird, oder fortgesetzt einen furchtbaren Kampf um seine Existenz auszuhalten hat, dem es einmal unterliegen müßte? Darum Widerstand und Kampf aller Deutschen Oester¬ gegen die Aufrichtung eines tschechisch=slovenischen Staates! reichs Von einer Vorherrschaft der Deutschen in Oesterreich ist also keine Rede mehr, im Gegenteile, wir können leider zu deut¬ lich sehen, wie in unserem Staate Ortschaften um Ortschaften durch die Vorherrschaft der Tschechen dem Deutschtum verloren gehen, weil das Deutschtum ständig und unaufhaltsam bis heute und jahrelang unter Duldung und Mithilfe der maßgebenden Faktoren im Staate untergraben wird Wir brauchen gar nicht weit zu gehen; schauen wir hier in Steyr in unserer eigenen Heimat die Verhältnisse an. Ist der deutsche Arbeiter in Steyr besser daran, wie der schechische? Unsere deutschen Arbeiter klagen stets darüber, daß den tschechischen Arbeitern außerordentliche Begünstigungen n der hiesigen Waffenfabrik zufallen. Die hiesige Waffenfabri ist ein sprechendes Beispiel dafür, wie die Tschechen für ihre Volksgenossen eintreten. Ich verarge es ihnen nicht, sie haber vollständig recht. Mit dem gleichen Recht, mit dem wir ver angen, daß das deutsche Volk für seine Volksgenossen eintritt muß es gewiß jedem Volke möglich sein, sich seiner Genossen nzunehmen. Was aber nicht genug mißbilligt werden kann, ist der Eintritt deutscher Volksgenossen für die Tschechen; das ver¬ tragen wir nicht und das sollte niemals vorkommen und ist beraus traurig für jedes deutsche Empfinden Was wir hier in Steyr sehen, spielt sich hundertfältig auf llen Gebieten im öffentlichen Leben ab. Wo ein tschechischer Minister sitzt, wandern die tschechischen Beamten und Diener ins Ministerium und so ist es bei allen Aemtern, wo tschechi¬ sche Amtsvorstände sitzen. Ein tschechischer Fabriksbesitzer, ein abtrünniger Adeliger oder ein tschechischer Millionär wird keinen deutschen Verwalter oder Beamten aufnehmen. Wo die Tschechen herrschen, gibt es keinen Deutschen mehr. So steht die Sache ind deshalb darf man nicht sagen, die Deutschen streben zum Schaden der Tschechen nach der Vorherrschaft im Staate, sondern die Deutschen wollen nichts anderes, als die Erhaltung des Staates und ihres Besitzstandes. Der Deutsche hat durch eine aufendjährige Geschichte diesen Staat erhalten und bis zum eutigen Tage haben sich die Deutschen fest und treu mit Gut und Blut für diesen Staat geopfert und sie wissen es auch, daß er Mörtel, der diesen Staat zusammengehalten hat und bis heute noch zusammenhält, die Deutschen in Oesterreich, das deutsche Gut und Blut ist. Die Entente und die Slaven wollen die Quadern des Staates sprengen, das Deutschtum vernichten.

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