Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

10 kleinen Leute aus dem Handels= und Gewerbe¬ stande, eine dringliche Eingabe zu richten, daß die Kontrolle bezüglich des Rucksackverkehres aufgehoben werde, statt desser scharfe Kontrolle des schweren Reisegepäckes ein aber eine zuführen zur Butterversorgung der Stadt braucht man nur auf die Umgebung der Stadt blicken. In der Nähe und in der weiteren Umgebung Steyrs liegt gegenwärtig außerordentlich viel Militär. In Sierning befinden sich drei Ersatzbatterien der Artillerie und jetzt wird sofort jeder wissen, wohin ein guter Teil dieser Butter kommt. Die Erfahrungen, die am Steyrer Bahnhofe ge¬ legen lich der letzten Kontrolle gemacht wurden, sprechen; hiefür die deutlichste Sprache. Es werden Unmengen von Butter zu außerordentlich hohen Preisen zusammengekauft und gehen sodann ach Wien. Weiters ist zu bedenken, daß Oberösterreich 17.000 Flüchtlinge beherbergt, von denen ein großer Teil mit be¬ hördlicher Erlaubnis eines Freigepäckes bis 500 kg alle mög¬ ichen Lebensmittel aufkauft und verschleppt. Dabei darf ebenfalls laut behördlicher Verfügung das Reisegepäck der Flüchtlinge nicht einmal geöffnet werden. Diese Flüchtlinge zahlen jede Preise und verlangen dann, an ihren B.stimmungsor wieder angelangt, das über den Höchstpreis gezahlte Geld zurück nit der Drohung, sonst die Anzeige wegen Preistreiberei zu machen Es ist also zum Schutze des für die Versorgung der Be¬ völkerung unumgänglich notwendigen Rucksackverkehres geboten aß der Gemeinderat den im Sinne der Ausführungen des Herrn G.=R. Huber formulierten Antrag zum Beschlusse erhebe. Herr Bürgermeister: Ich bringe nun den Antrag der Sektion samt den Zusatzantrag des Herrn G.=R. Huber auf Vor¬ lage einer Eingabe zur Aufhebung der Kontrolle über den Ruck¬ ackverkehr zur Abstimmung Die beiden Anträge werden vom Gemeinderate einstimmig ingenommen. Herr G.=R. k. k. Prof. Erb: Wir kommen nun zur Fleischfrage. Diese ist umso bitterer in der traurigen Zeit, wo wir ohne¬ hin mit der Brot= und Mehlverkürzung so furchtbar bedrängt verden. Auch hier hat die Stadtgemeinde in Verbindung mit den Beratungen des städtischen Wirtschaftsrates das Möglichste getan und möchte ich zum Beweise hiefür die Akten sprechen lassen Vor mir liegt ein Schreiben der Stadtgemeinde vom 8. Juni an die k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr, welches autet: Die Versorgung der Stadt Steyr mit Fleisch ist neuer¬ dings durch Unregelmäßigkeiten in der Abstellung von Schlacht¬ vieh gefährdet, was bei dem herrschenden Stand der Versorgung mit anderen Lebensmitteln sich besonders drückend fühlbar macht als selbst die derzeit auf 10 dkg herabgesetzte Fleischkopf quote nicht erfüllt werden kann. Auch h. a. sind die Schwierigkeiten der Aufbringung bei den stark verminderten Beständen wohl bekannt, aber auch andere Umstände tragen dazu bei, daß die Anlieferung unregelmäßig und in viel zu geringer Menge erfolgt. Es wird festgestellt, daß in den Land fleischhauereien viel¬ fach Qualitätsvieh zur Schlachtung kommt, was früher nie der Fall war, während nach Stadt Steyr nur untergewich¬ tiges Vieh zur Abstellung gelangt. Zu diesem Gegenstande wurde auch die h. Fleischhauergenossenschaft h. a. um Abstellung rsuchend vorstellig, mit besonderem Hinweise auf die Verhält isse in Großraming und Reichraming, welche Gemeinden von vornherein jedes bessere Viehstück für den Eigenbedarf reservieren Es wird daher ersucht, daß nur der leg. Einläufer Schön¬ auer den Einkauf in diesen beiden Gemeinden besorgt und den Eigenbedarf dieser beiden Gemeinden an die dortigen Fleisch¬ hauer zuweist Als ein weilerer Grund für die zu geringe Anlieferung wird das passive Verhalten einiger leg. Einkäufer aufzufassen sein, welche sich einfach das Vieh zuweisen lassen, ja sogar bei der Abwage nicht anwesend sein sollen. Von einem eigentlichen Ankauf oder Aufnahme von Schlachtvieh ist vielfach nicht mehr die Rede, sondern es bleibt dem Zufalle über¬ lassen, ob die Gemeinde Vorstehung Vieh zur Ablieferung an¬ weist, bezw. ob der zur Lieferung Aufgeforderte diesem Auftrage nachkommt. kur so ist es zu erklären, daß manche Einkäufer mit der hnen von der k. k Bezirkshauptmannschaft Steyr zur Aufstellung beauftragten Schlachtviehzahl vollständig ausbleiben oder roße Rückstände, die niemals nachgeliefert werden, aufweisen Gleichzeitig ergeht die Anfrage, ob die k. k. Bezirkshaupt¬ mannschaft eine Fleischpreiserhöhung als Folge der Gewichts bzugsänderung von 15 und 25 kg auf 3% beabsichtigt Die Fleischhauergenossenschaft wurde auch in dieser Ange¬ legenheit h. a. dringend bittlich. Der Bürgermeister: Gschaider m. p.“ Darauf lief von der Bezirkshauptmannschaft Steyr folgende Antwort ein: Steyr, am 12. Juni 1918. Zl. 30.396. An die Stadtgemeinde=Vorstehung in Steyr. Mit dem Belsügen rückgemittelt, daß die Schwierigkeiten bei der Schlachtviehaufbringung wohl ausnahmslos auf die außer ordentlich verminderten Viehbestände zurückzuführen sind Was die Schlachtung von Qualitätsvieh in den Land¬ gemeinden anbelangt, so wäre dieselbe nur sehr zu wünschen, da hiedurch an der Stückzahl der Schlachtrinder nicht gespart werden könnte; in Wirklichkeit ist jedoch das Gegenteil der Fall, da die besten Rinder nach Stadt Steyr (Allgemeines Gelächter!) wandern, während das minderwertige Vieh den Landgemeinden verbleibt, was schon darauf zurückzuführen ist, daß die legitimierten Schlacht¬ vieheinkäufer in Stadt Steyr eine wesentlich andere Einkaufs¬ rovision beziehen, als wie von der Viehverwertungs=Gesellschaft ür die im Landbezirke abgestellten Schlachtrinder Speziell in der Gemeinde Reichraming wird mit Rücksicht auf die zahlreiche Arbeiterschaft in dieser Gemeinde und mit Rück¬ icht darauf, als auch von Reichraming aus die in Stadt Steyn wohnhaften Eisenbahner sonderbarer Weise mit Fleisch versorgt werden müssen, Qualitätsvieh benötigt Einkäufer, welche sich um den Ankauf nicht selbst kümmern, a sogar bei der Abwage nicht anwesend sein sollen, wollen namentlich anher bekanntgegeben werden, um diese Einkäufer ent¬ ernen zu können Bezirkshauptmannschaft beabsichtigt keineswegs k. k. Die eine Fleischpreiserhöhung infolge der Gewichtsabzugsänderung da die Fleischhauer mit den dermalen bestehenden Preisen das Auslangen wohl finden können. Der Amtsleiter: Dr. Neuber m. p Herr G.=R. k. k. Prof. Erb fährt fort: Nun kommt das Interessanteste, das ist die Widerlegung dieser von der Bezirkshauptmannschaft Steyr eingelangten Zuschrift, die in dem mit den Fleischhauern der Stadt aufgenom¬ menen Protokolle vom 15. Juni am deutlichsten und aus der folgenden Zusammenstellung der Viehmenge und Güte desselben sich ergibt. Zl 19 457 Protokol aufgenommen am 16. Juni 1918 im Auftrage der Stadtgemeinde¬ Vorstehung Steyr vom 15. Juni 1918 Gegenstand: ist die Einvernahme der Fleischhauer der Stadt Steyr über die Qualitätsschlächterei bei den Landfleisch¬ hauern des Bezirkes Steyr=Land und das passive Verhalten der Schlachtviehaufbringungsorgane beim Einkauf Zum Gegenstande führt Herr Obmann der Fleischhauer¬ genossenschaft in Steyr Josef Maderböck im Namen der an¬ wesenden Fleischhauer aus Mir ist mit Bestimmtheit bekannt, daß in Reichraming or zirka 3 Wochen ein Stier mit 900 kg Lebendgewicht ge¬ schlachtet wurde, welcher bereits für die Stadt Steyr bestimm war. Aus den Häuteablieferungen von Großraming ist zu er¬ ehen, daß Fleischhauer Trautmann in Großraming durchwegs chweres Vieh schlägt, was aus den Häutegewichten, welche in Steyr festgestellt werden, hervorgeht. Fleischhauer Trautmann entnimmt ckus der Liste der zur Lieferung Beauftragten die besten Stücke, und bestimmt die Eigentümer, ihr Vieh unbedingt nicht zur Lieferung nach Steyr zu bringen Bei Fleischhauer Huber in Feld wurden vor zirka 6 Wochen 3 Rinder mit einem Lebendgewichte von über 600 kg per Stück an einem Tage geschlachtet Es kann unmöglich angenommen verden, daß in der Landgemeinde Gleink ein so hoher Bedarf an Fleisch besteht. Oekonom Simon Rogl in Gründberg beantragte in Steyr eine schwere Kuh zur Ablieferung, während der Vieheinkaufs¬ kommissär die Kuh nach Sierning abgeben ließ. Vor acht Tagen wurde von Hutsteiner, Zehentner zu Weinzierl, eine Kuh mit einem Lebendgewichte von zirka 600 kg an Huber in Sierninghofen abgegeben. Obwohl beide oben angeführten Rinder in Steyr zur Abwage gelangten, mußten diese den Weg durch die Stadt Steyr nach Sierning bezw. Sierninghofen nehmer Von Fleischhauer Kloiber in Kleinraming ist bekannt, daß er nur Qualitätsvieh schlachtet, wovon der größte Teil in Sankt Ulrich unbeschränkt konsumiert wird Bei Fleischhauer Diwoki in Garsten wurden vor 8 Tagen ine schwere Kuh vom Wirte in der Saaß, zirka 600 kg schwer und eine schwere Kalbenkuh, zirka 500 kg schwer, von Landsiedl in Christkindl geliefert, geschlachtet. Von Fleischhauer Hüthmays n Kremsmünster ist ebenfalls bekannt, daß er nur Qualitäts¬ ieh schlachtet Vom legitimierten Einkäufer Kloiber in Kleinraming ist benfalls bekannt, daß die aus Neustift angelieferten Rinder in Sulzbach ohne seinem Beisein gewogen werden und von hier u seinem Hause in Kleinraming getrieben, wo erst die Ein¬ Gegen die Schlachtung von chätzung und Uebernahme erfolgt. besserem Vieh haben wir nich's einzuwenden, wenn diesen Land¬ betrieben auch leichtere Stücke, so wie den städt. Fleischhauern zugewiesen werden. Unbedingt verwahren müssen wir uns jedoch egen die ausschließliche Schlachtung von Qualitätsware am Lande, während der städtische Fleischhauer nur Vieh schlechtester Qualität schlachten soll Bei der Anlieferung in der Woche nach Stadt Steyr vom 9. bis 15. Juni 1918 wurden 141 Stück mit einem Lebendge¬ wichte von 27.702 kg angewiesen, hievon 1 Stück über 500 kg, 7 Stück über 400 kg, 10 Stück über 300 kg, 32 Stück über 200 kg, 78 Stück über 100 kg und 13 Rinder unter 100 kg. Damit ist allerdings die aufgetragene Stückzahl nahezu erreicht, hingegen der Bedarf der Stadt bei einer 10 dkg Kopf¬ quote um 4000 kg zu wenig gedeckt

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