Ratsprotokoll vom 22. März 1918

4 Krieger zu errichten. So außerordentlich wichtig und von höchster Bedeutung derartige Heilstätten sind, so muß dennoch getrachtet werden, deren Errichtung in Gegenden zu verlegen, die die Ge¬ für Heilung oder doch Besserung der Kranken bieten. währ Die Stadt Steyr mit ihrer Umgebung gehört gewiß nicht zu jenen Gegenden, die für Lungenkranke Heilung oder Linde rung versprechen. Steyr eignet sich weder klimatisch für eine Lungenheilstätte, noch weniger aber dadurch, daß sie eine Fabriks¬ tadt geworden ist. Dazu reichen bis Steyr die Donau= und Ennsnebel und gerade die Schlüsselhofgründe, auf denen die Jägerkaserne errichtet wurde, sind der nebeligste Teil der Stadt. Man sollte meinen, daß Lungenheilstätten vor allem draußen, in staubfreien, von größeren Wäldern umgebenen, onnigen Höhenlagen errichtet werden, die möglichst geschützt vor rauhen Nord= und Ostwinden gegen Süden gelagert sind. Die Jägerkaserne ist dem direkten Nord= und Ostwinde ausgesetzt, ist der tiefste Punkt der Stadt Steyr und eignet sich deshalb in keinerlei Weise für eine Lungenheilstätte Der Transport der Tuberkulosen in die Jägerkaserne muß durch die ganze Stadt erfolgen und bedeutet somit auch eine große Gefahr für die Bewohner unserer Stadt und insbesondere auch der Arbeiterschaft der Waffenfabrik. Befremdend muß noch insbesondere die Tatsache wirken, daß die Errichtung dieser Tuberkulosenheilstätte ohne jedes Be fragen und ohne jede Mitteilung gegenüber der Stadtgemeinde¬ Vorstehung und des Gemeinderates der Stadt Steyr erfolgt ist. Man sollte ferner meinen, daß in einer derart wichtigen ie sanitären Verhältnisse der Stadt Steyr betreffenden Frage nicht nur das Physikat der Stadt Steyr zur Beratung heran jezogen, sondern auch die maßgebenden Vertretungen der Stadt nicht rücksichtslos übergangen werden dürfen Steyr Die Angelegenheit hat deshalb unter der Bevölkerung der Stadt große Besorgnis und eine tiefe Mißstimmung auch über die Art und Weise, wie dabei vorgegangen wurde, hervorgerufen Die Unterzeichneten beantragen daher: der Herr Bürger¬ meister werde dringendst ersucht und aufgefordert, bei den maß ebenden Stellen in Anbetracht der gegen die Errichtung der Lungenheilstätte in der Jägerkaserne geäußerten außerordentlich begründeten Bedenken vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß die Lungenheilstätte nicht in Stadt Steyr, sondern dort er richtet werde, wo sie hinpaßt, an einen sonnigen, staubfreien, windstillen Höhenplatz draußen am Lande Steyr, am 22. März 1918 Leopold Erb m. p. Franz Schwertfelner m. p Heinrich Bachmayr m. p Karl Wöhrer m. p. Franz Kattner m. p. erd. Gründler m. p. Dr. Karl Harant m. p. Viktor Ortler m. P. August Mitter m. p Franz Tribrunner m. p. Leopold Haller m. p. Ing. Josef Huber m. Franz Kirchberger m. p. p der Antrag ist mit einer großen Zahl von Unterschriften unterstützt. Ich bitte Herrn G.=R. Prof. Erb zur Dringlichkeit des Antrages das Wort zu ergreifen Herr G.=R. Prof. Erb: Die Dringlichkeit des Antrages ergibt sich von selbst, da bereits ein Teil von lungentuberkulösen Kriegern in Steyr eingetroffen und in der Kopalkaserne unter¬ gebracht ist. Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen. Zum Antrage selbst führt Herr G.=R. Prof. Erb aus: Die wichtigsten Umstände, die gegen die Errichtung einer Tuber kulosenheilstätte in der der Stadtgemeinde Steyr gehörigen Kopalkaserne sprechen, sind im Antrage selbst schon niedergelegt und sind die Bevölkerung sowie die Aerzte darüber einig, das eine Tuberkuloseheilstätte nicht in eine Fabriksstadt gehört; solch Heilstätten gehören in sonnige Höhenlagen, in die reine Luft, n die Nähe eines Waldes, wo auch eine bessere Verpflegung für die Kranken gesichert werden kann. Das sonderbarste aber ist, daß sich die verschiedenen Militärbehörden und damit verbunden indere Kreise um die Meinung der Stadtvertretung einfach gan nicht kümmern und die Gemeinde=Vorstehung, den Gemeinderat sowie das Physikat unserer Stadt einfach übergehen, unbekümmert, ob die Stadt hiedurch einen Schaden erleidet. Gegen dieses Vorgehen muß sich der Gemeinderat energisch wenden; es be¬ deutet eine Zurücksetzung und Kränkung, wenn man mit der Ge¬ meinde=Vorstehung und dem Gemeinderate so herumspringt. Dies muß hier öffentlich zum Ausdrucke gebracht werden und insbe¬ sondere gegen Personen ausgesprochen werden, die sich ohne jede Berechtigung immer wieder in die Rechte der Stadt einmischen Ich ersuche daher um Annahme des Dringlichkeitsantrages. Herr Bürgermeister leitet die Abstimmung ein und der Dringlichkeitsantrag einstimmig zum Beschlusse erhoben wird Herr Bürgermeister geht nunmehr zur Tagesordnung über. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Karl Harant jun Dr. 1. Personalansuchen Wird der vertraulichen Sitzung vorbehalten. 2. Beschlußfassungen über die Satzungen der städt. Arbeitsvermittlungsstelle Hiezu berichtet der Herr Vorsitzende, daß bereits die Drucklegung der beratenen Satzungen, die von der I. Sektion beschlossen wurden, im Gange war. Plötzlich ist nun von der Regierung eine Pflichtsatzung herabgelangt, nach welcher der Gemeinde jeglicher Einfluß auf diese Arbeitsvermittlungsstelle entzogen würde. Nachdem aber die Stadtgemeinde zumindestens die Hälfte der Kosten zu tragen haben wird, habe ich das An innen der Regierung für ungerechtfertigt befunden und veran laßt, daß eine Besprechung zwischen den leitenden Beamten der Städte Linz, Steyr, Wels und Ried bei der Statthalterei statt¬ inde, in welcher sich auch die Statthalterei geneigt zeigte, darau einzugehen, daß der Stadtgemeinde ein Einfluß auf die Arbeits¬ vermittlungsstelle gewahrt bleibe. Es werden aber noch einige Verhandlungen notwendig sein und wird nach Beendigung der¬ selben dieser Punkt neuerlich dem Gemeinderate vorgelegt werden Für heute setze ich die Beratung hierüber von der Tages¬ ordnung ab. Wird zur Kenntnis genommen. 3. Aenderungsanträge für die Hausordnung für das Allgem. Krankenhaus Herr Bürgermeister: Auf die Anregung des Herrn G.=R. Wokral wurden diese Anträge auf die heutige Tages¬ ordnung gesetzt. Nachdem jedoch die von Herrn G.=R. Wokral versprochenen schriftlichen Anträge von demselben noch nicht ein¬ gebracht wurden und Herr G.=R. Wokral selbst heute beruflich verhindert ist, an der Sitzung teilzunehmen, setze ich auch diesen Punkt von der Tagesordnung ab. Wird zur Kenntnis genommen 4. Beschlußfassung wegen Weitereinhebung der be¬ tehenden Mautgebühr am Gehstege bei der Eisenbahn¬ brücke nächst Garsten Herr Referent G.=R. Dr. Harant bringt nachstehenden Amtsbericht zur Kenntnis: Mit Beschluß des o.=ö. Landtages vom 26. Februar 1914 wurde den Gemeinden Steyr, Garsten und St. Ulrich die Be¬ billigung zur Weitereinhebung der bestehenden Mautgebühr am ehstege bei der Eisenbahnbrücke nächst Garsten auf 5 Jahre as ist bis 31. Dezember, 1918 erteilt. Das Amt stellt mit Rücksicht auf den bevorstehenden Ablauf dieser Bewilligung an den löblichen Gemeinderat das Ansuchen, um Beschlußfassung ob beim o.=ö. Landtage in Gemeinschaft mit den beteiligten Ge¬ meinden Garsten und St. Ulrich um die Genehmigung der Fort¬ einhebung dieser Mautgebühren eingeschritten werden soll Steyr, am 28. Februar 1918 500 Der Stadtamtsrat: Dr. Habl m. p. Die Sektion stellt den Antrag: Der Gemeinderat beschließe, es sei beim o.=ö. Landesaus¬ chusse im Einvernehmen mit den Gemeinden Garsten und Sankt Ulrich um Weitereinhebung der gegenständlichen Brückenmaut inzuschreiten.“ Der Sektionsantrag wird einstimmig angenommen. Z. 7609. 5. Feststellung eines neuen Theatervertrages. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Die I. Sektion wurde mit der Ausarbeitung eines neuen Theatervertrages beauftragt, welcher dem Gemeinderate zur Beschlußfassung vorzulegen ist. Ein solcher Entwurf, welcher nach Beratung die Genehmigung der 1. Sektion gefunden hat, liegt Ihnen heute im Abzuge vor und ist derselbe im allgemeinen den bestehenden Verträgen anderer größerer Theater gleichgehalten und trägt auch den modernen Anforderungen für die Führung eines Theaters voll¬ ommen Rechnung 3244 J% Die Sektion stellt den Antrag: „Der Gemeinderat geruhe den vorliegenden Theatervertrag zu genehmigen. Derselbe lautet Vertrag ibgeschlossen zwischen der Stadtgemeinde Steyr einerseits und Herrn Josef Sergl, Opernsänger in Zuaim, andererseits I. Gegenstände der Pachtung Die Stadtgemeinde Steyr überläßt auf Grund des Be¬ chlusses des Gemeinderates der l. f. Stadt Steyr vom 25. Jänner 918 Herrn Josef Sergl das Stadttheater Steyr samt allem zubehör zur Veranstaltung von Theatervorstellungen für die eit vom 1. Oktober 1918 bis Palmsonntag 1919. Desgleichen überläßt die Stadtgemeinde die ihr gehörigen Dokorations- und Einrichtungsgegenstände dem Unternehmer während der Ver¬ ragsdauer zur Benützung. Die Stadtgemeinde behält sich das Recht vor, im Vorhause des Theatergebäudes zwei Zuckerbäcker¬ tände zur Aufstellung bringen zu lassen II. Uebergabe. Die Uebergabe der von der Stadtgemeinde beigestellten Dekorationen, Bühnen= und sonstigen Gebrauchsgegenstände hat mindestens 14 Tage vor Beginn der Spielzeit auf Grundlage des Sachbestandsverzeichnisses zu erfolgen Hierüber ist gleichzeitig ein genaues, jede Post des Sach¬ bestandsverzeichnisses enthaltendes Uebergabsprotokoll anzufertigen, as von der Bausektion und dem Unternehmer eigenhändig zu interfertigen ist und im Besitze der Stadtgemeinde zu ver bleiben hat.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2