Ratsprotokoll vom 22. März 1918

err Bürgermeister entgegnet, daß dem allerdings die Erklärung des Herrn Landeshauptmannes gegenüberstehe, nach velcher nur im Einvernehmen der Gemeinden, welche durch die beantragte Gebietsabtretung betroffen werden, der Landesaus schuß einer Gebietsabtretung zustimmen kann. Ich werde des¬ halb mit dem Herrn Landeshauptmann Rücksprache pflegen. Herr Bürgermeister erstattet nunmehr folgenden Bericht: Ich gestatte mir zu berichten, daß ich Seiner Exzellenz den Herrn Landeshauptmann anläßlich seiner Ernennung zum wirklichen Geheimen Rote die Glückwünsche der Stadt Steyr entbot und sofort hierauf den Dank drahtlich erhielt Die Fleischversorgung hat in der letzten Zeit mancherlei Schwierigkeiten begegnet, und mußten deshalb die bezüglichen Vorschriften wegen Verteilung des Fleisches an Wirte und Pri ale wieder streng gehandhabt werden Die Versorgung lediglich aus dem Bezirke Steyr Land vird auf die Dauer unhaltbar werden, da dieser Bezirk, der schon so stark hergenommen ist, nicht mehr im Stande sein wird unseren Fleischbedarf zu decken, soll nicht durch Schlagen von Milchkühen die Milchversorgung unserer Stadt auf das schwerste gefährdet werden. Ich werde mich deshalb bemühen, die neuerliche Zuweisung des Bezirkes Kirchdorf, der ja schon früher Vieh nach Steyr lieferte, zu erreichen. Gleich anschließend an meinen Bericht über die Fleisch¬ versorgung möchte ich den Amtsbericht des Herrn Stadttierarztes zur Kenntnis bringen: Dieser lautet Amtsbericht über den Stand der Fleischversorgung der Stadt Steyr. Steyr, am 22. März 1918. In Stadt Steyr ist mit dem heutigen Stand an zu ver¬ pflegender Bevölkerung in Bezug auf Fleisch für 28.440 Per¬ onen, abzüglich 800 Kinder unter einem Jahre somit für 27.640 Personen vorzusorgen. Das ergibt bei einem Durchschnitts¬ 10 dkg=Konsum per Tag einen Fleischbedarf von 13.820 kg per Woche zu 5 Fleischtagen, beziehungsweise in Lebendgewicht ausgedrückt 30.680·4 kg Lebendgewicht. Da für diese Versor¬ gungswoche infolge Auflassung eines fleischlosen Tages für sechs Tage vorzusorgen ist, sind 36.816 kg erforderlich Die Anlieferungsziffer betrug bis 21. März 1918 30.045 kg, Nachtragslieferungen bis zum 22. März 1918 34.606 kg. durch Falls auf die Wursterzeugung nicht ganz verzichtet werden soll, sind 39.000 kg Lebendgewicht erforderlich. Es muß daher eit den letzten Wochen ein Ausfall von 5000 bis 6000 Kilo estgestellt werden, bei einem gleichzeitigen Tiefstand der Mehl¬ ilchversorgung. und 2 Ursachen dieses Zustandes sind in erster Linie in der Er¬ schöpfung des Viehstandes in dem zur Versorgung der Stadt zugewiesenen Bezirke Steyr=Land, wo der Viehstand von 19.751 Kühen auf 14.699, von 3979 Kalbinnen auf 2389, von 3633 Ochsen auf 3032, von 1289 Stiere auf 301 Stück gesunken ist, in einem Zeitraume vom Oktober 1916 bis zum heutigen Tage. Ganz besonders aber muß auch festgestellt werden, daß seitens der Stadtgemeinde=Vorstehung sowie seitens der k. k. Be¬ zirkshauptmannschaft nichts unterlassen wurde, bei der k. k. Statt¬ halterei in Linz auf diese Verhältnisse aufmerksam zu machen, erners, daß entgegen dem gegebenen Versprechen, aus dem Be¬ zirke Steyr=Land zu anderen Versorgungszwecken als für den Eigenbedarf von Steyr=Stadt und Land kein Vieh abzuziehen, dennoch größere Mengen nach der Viehsammelstelle Urfahr ab¬ geliefert werden mußten. Die Stadtgemeinde=Vorstehung hatte in Voraussicht der kommenden Verhältnisse zur Zeit eines höheren Angebotes an Schlachtvieh auf dieses zu gunsten der gleichmäßigen nach den nun bestehenden Einführungen genau kontrollierten Versorgung verzichtet, um sich dadurch eine lebende Schlachtviehreserve zu schaffen, entgegen viel unrationellerer und kostspieliger Konser¬ vierungsverfahren. Als jedoch seitens der k. k. o.=ö. Statthalterei zuf Grund der allmonatlichen Ausweise festgestellt wurde, daß die vorgeschriebene Stückzahl nicht zum Verbrauche kommt, wurde, wie erwähnt, das Vieh nach Linz abgezogen und damit die ge¬ troffene Vorsichtsnahme der Stadt Steyr ausgeschaltet Ein weiterer Grund für den rapiden Verbrauch und Ver¬ fall des Viehstandes ist auch die Anlieferung nach Stückzahl und nicht nach Gewicht, was eine Schädigung sowohl für den Kon¬ umenten in Bezug auf Qualilät, als auch eine solche für den Piehhälter bedeutet. So zum Beispiel liefert eine Gemeinde zehn Stück Jungvieh mit einem Gesamtlebendgewicht von nicht ganz 2000 kg, um ihrem Auftrage nachzukommen, während sie mit ein paar Ochsen von je 850 kg und einer Kuh von 500 kg der Pflicht gegenüber den Konsumenten besser entsprochen hätte zur Behebung des gegenwärtigen Zustandes erscheint die Herabsetzung der Fleischquote nach der Fleischkarte auf 12 dkg oro Kopf und Fleischlag unbedingt geboten und erscheint für diese Verbrauchsmenge der Zuschub gesichert. Zur Sicherung iner dauernden Versorgung der Stadt Steyr müssen folgende Forderungen genauest eingehalten werden: Die Reservierung des Bezirkes Steyr=Land ausschließ 1. lich für die Versorgung des Bezirkes selbst und der Stadt Steyr. 2. Ergänzungszuschübe aus and ren Bezirken zur Wurst erzeugung 3. Die vorläufige Herabsetzung der Fleischquote auf 12 dkg für Haushaltungen und 15 dkg für Gastwirtschaften, was einem Durchschnittskonsum von 9 dkg ent prechen wird und 4. die Anlieferungsorganisation eingestellt auf Gewichts¬ ablieferungsaufträge an die einzelnen Gemeinden, wodurch bei leichzeitiger Qualitätsverbesserung eine Schonung der Vieh¬ bestände im Interesse der Milch= und Buttererzeugung möglich ist, andererseits eine Anregung zur Produktion von Fleisch ge¬ geben wird. Alfred Schopper Amtstierarzt der Stadt Steyr Ich muß leider mitteilen, daß auf Grund der Beratungen über diese Frage im städtischen Wirtschaftsrate und auf Grund dieses Amtsberichtes die Fleischquote entsprechend gekürzt werden muß; es ist dies umso peinlicher, als gerade die Österfeiertage or der Tür stehen, an welchen Tagen seitens der Bevölkerung eine vollkommene Ausnützung der zugestandenen Fleischquote zu erwarten steht. Wir werden aber trachten, hoffentlich doch wieder auf 15 dkg pro Kopf und Fleischtag hinaufzukommen. Herr G.=R Prof Erb ersucht, die Debatte über diesen Amtsbericht auf die Tagesordnung zu setzen und erwidert Herr Bürgermeister, daß er eben vorschlagen wollte, diesen Punkt der Beratung nach Beendigung der Tagesordnung vorzubehalten. Wird zur Kenntnis genommen. Ferner gestatte ich mir mitzuteilen: Unsere Kartoffel haben gut überwintert und konnte nun¬ mehr an diejenigen Personen, die Karloffel von den städtischen Ausgabestellen beziehen, die letzte Rate mit 20 kg per Person ausgegeben werden, mit welcher Menge das Auslangen bis zur nächsten Ernte gefunden werden muß Ausländische Eierteigwaren wurden als Zubuße mit ½ kg für die Person ausgegeben In der Milchversorgung waren in letzter Zeit viele Klagen über Sauerwerden von Milch zu verzeichnen. Dieser unangenehme mstand trat lediglich bei der aus Frankenmarkt angelieferten Nilch zu Tage, da dort dermalen noch keine Einrichtungen für asteurisierung bestehen. Viel Schuld trägt hieran auch die äußerst langsame Beförderung mit der Bahn, die es mit sich brachte, daß Milchsendungen, die zeitlich früh einlangen sollten, rst spät abends ankamen. Laut Mitteilung der aus dieser Gegend Milch liefernden Firma Wild in Neumarkt—Kalham, soll jedoch auch in Franken markt eine Pasteurisierungsanlage errichtet werden, so daß das Sauerwerden der Milch in Hinkunft wohl zu den Seltenheiten gehören dürfte. Da in erster Linie unbedingt zu trachten ist, daß kleine kinder nur süße Milch erhalten, habe ich im Einverständnisse tit dem städtischen Wirtschaftsrate verfügt, daß die von den städtischen Ausgabestellen Milch beziehenden Parteien Legitima¬ tionen erhalten, aus denen die Menge der auf Kinder bis zu wei Jahren entfallenden Milch ersichtlich ist. Die Milchabgabe¬ stellen haben strenge Weisung. für diese Kinder unbedingt nur ollwertige gute Milch zu verabfolgen In letzter Zeit waren — scheinbar von Prag ausgehend Gerüchte über eine neuerliche Herabsetzung der Mehl= und Zuckerquote verbreitet, die lebhafte Beunruhigung in der Bevöl¬ terung erregten. Ich habe mich diesbezüglich erkundigt, und kann auf Grund der erhaltenen Auskünfte mitteilen, daß solche Kürzungen nicht zu befürchten sind. Die städtische Kehrrichtabfuhr, die sich in der inneren Stadt bereits recht gut eingeführt hat, wurde auf Ennsdorf ausge¬ ehnt. Ende der Woche wird sie in der Vorstadt Ort durchge¬ ührt und hierauf auch in Steyrdorf eingerichtet werden Der Ennskai, der früher allgemein trotz erlassener Verbote zur Kehrrichtablagerung benützt wurde und daher ein unsauberes örendes Bild bot, wurde gereinigt und ist seitdem mit Aus¬ nahme eines Falles, der die gebührende Strafe erhielt, keine kehrrichtablagerung dort vorgekommen Ueber Beschluß der Bausektion soll dort der Versuch ge¬ macht werden, unter Wahrung des Floßländerechtes und der Zufahrtsmöglichkeit zu den Häusern Bäume zu pflanzen und war sollen vorläufig 3 bis 4 Probebäume gesetzt werden, um zu erfohren, ob eine alleegemäße Bepflanzung trotz der mehr¬ mals im Jahre auftretenden Hochwässer möglich ist. Im Falle des Gelingens würde dadurch eine bedeutende Verschönerung des heute vollständig kahlen Ennskai's erreicht verdet Die Wassermessungen für die geplante allgemeine Wasser¬ leitung wurden eifrigst fortgesetzt und soll in nächster Zeit unser Sachverständiger Herr Bauinspektor Schneider hieherkommen die Ergebnisse dieser Untersuchungen fachmännisch beurteilen ind Die Telephon=Hausvermittlungsstelle im Rathause hat ihren Betrieb begonnen. Es ist somit jetzt möglich, daß sowohl alle Kanzleien des Rathauses untereinander sprechen können, als auch von sämtlichen auswärtigen Telephonstellen mit jedem einzelnen Referate unmittelbar verkehrt werden kann, was gewiß im In¬ eresse der raschen Abwicklung der Stadtamisgeschäfte liegt Die Stadtbuchhaltung hat einen längeren Bericht über¬ reicht, worin sie sagt, daß eine Fertigstellung des Jahresberichtes für das Jahr 1917 bis 31. März 1918 nicht möglich sein kann Ich teile diesen Bericht der II. Sektion zu. Ferner liegt folgender Dringlichkeitsantrag des Herrn G.=R. Prof. Erb vor: Dringlichkeitsantrag Wie verlautet, besteht die Absicht, in der der Stadtgemeinde Steyr gehörigen Kopalkaserne eine Heilstätte für tuberkulöse 3

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