Ratsprotokoll vom 16. November 1917

Die Sektion stellt daher folgenden Antrag: Der Gemeinderat beschließe, den vorgelegten Ent¬ wurf eines Statutes für das Allgemeine öffentliche Kranken¬ haus der l. f. Stadt Steyr mit den vorstehend niedergeleg ten Abänderungen der §§ 1 bis 3 zu genehmigen. Herr GR. Kirchberger erklärt sich mit den von der I. Sektion zu den §§ 1 bis 3 beantragten Abänderungen vollkommen einverstanden und sei der von der Spitals¬ kommission unverbindlich vorgelegte Entwurf nur einem Muster anderer Krankenhäuser entnommen. Es sei höchste Zeit, daß in der Zukunft eine Aufsicht bestellt werde; leider habe auch das städtische Bauamt ausgelassen, es war nie etwas zu erreichen. Es sind draußen kolossale Rückstände vorhanden. Fünf Vierteljahre ist keine Rechnung ge¬ chrieben worden, was jedenfalls auch dem Amte nicht be¬ kannt war. Ich bitte daher um Annahme des Sektions¬ antrages. err Dr. Harant bemerkt, daß auch noch Entwürfe über eine Haus= und Krankenordnung, einer Dienstesvor¬ schrift für das Pflegepersonal, eine solche für den Torwart und für den Leichenwächter vorliegen, welche aber, da es der Sektion bisher unmöglich war, über dieselben zu be¬ zur nächsten Sitzung zurückgelegt werden wollen raten, Der Gemeinderat stimmt der Vertagung über die Be¬ handlung dieser Entwürfe zu er Herr Vorsitzende bringt sohin den Sektions¬ zur Abstimmung und wird derselbe vom Gemeinde antrag ate einstimmig zum Beschlusse erhoben I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr GR. Kirchberger. Franz 1. Zeichnung auf die VII. österreichische Kriegsanleihe. Herr Referent GR. Kirchberger: Ich glaube, es würde der guten Sache abträglich sein, wenn ich die Not¬ wendigkeit der Teilnahme an dieser Kriegsanleihe seitene der Stadt begründen würde Die Sektion empfiehlt dem löblichen Gemeinderate mit Rücksicht auf die errungenen Erfolge unsere chon Truppen, die nunmehr tief in das Land unseres Erbfeindes Italien eingedrungen sind, und als eine kleine Dankes¬ abstattung für unsere braven im Felde stehenden Truppen ur VII. österreichischen Kriegsanleihe einen Betrag von 2,000.000 K 5½prozentiger amortisabler Staatsanleihe zu zeichnen. Die hiezu erforderlichen Mittel sind zu den an¬ gebotenen Bedingungen bei der oberösterreichischen Landes¬ Hypothekenanstalt in Linz zu beschaffen, wobei die Artillerie¬ kaserne als Pfandobjekt zu dienen hat. Die Zeichnung dieser Kriegsanleihe hat zu gleichen Teilen bei den hiesigen Filialen der Bank für Oberösterreich und Salzburg, bezw. der Allge¬ meinen Depositenbank zu erfolgen, wobei letzterer zur Be¬ ingung gemacht wird, daß diese Zeichnung von der Depo¬ sitenbank ausdrücklich als in Steyr aufgebracht, auszuweisen Mit der weiteren Durchführung der Kriegsanleihe¬ ist. zeinchung wird der Herr Bürgermeister und die Finanz¬ ektion betraut. herr GR. Wokral: Es ist nun das siebtemal, daß der Staat an uns heraantritt, ihm die Mittel zur Weiter führung des Krieges zur Verfügung zu stellen. Die Stadt¬ gemeinde Steyr hat regelmäßig zu den Kriegsanleihen des Staates beigetragen und ist auch diesmal wieder im Be¬ griffe, dies zu tun. Die Stadtgemeinde muß Geld auf¬ nehmen, Schulden machen, um dem Staate Opfer zu bringen. Wenn der Staat dies verlangt und die Bevölkerung durch ihre berufene Körperschaft die Begebung dieser neuen Kriegsanleihe beschließt, um dem Staat die Mittel zu geben den Krieg weiter zu führen. so kann ich doch nicht umhin, zu fragen. wohin das noch führen soll, wohin wir eigentlich gehen. Der Krieg dauert das vierte Jahr, noch ist kein Ende abzusehen und niemand weiß. wohin er uns führen wvird. Die Reden des Herrn Ministers des Aeußern bei privaten Festen können uns nicht als öffentliche Kund¬ gebungen gelten. Auch im Parlament hat man sich noch nicht dazu aufgerafft, zu sagen, welche Kriegsziele man an¬ trebt. Ich glaube, daß der Staat sich aufraffen muß, uns zu sagen, wie lange noch und bis zu welchem Ziele er den Krieg zu führen gedenkt. Wenn wir bedenken, wie weit wir schon gekommen sind, muß wohl die bange Frage auf¬ teigen, werden wir noch imstande sein, durchzuhalten und wenn ja, wie lange noch und wofür eigentlich Vom persönlichen und Parteistandpunkte erkläre ich er Auffassung zu sein, wenn schon der Gemeinderat es als seine Pflicht erachtet, sich an der neuerlichen Kriegsanleihe zu beteiligen, dennoch bitten zu müssen, darauf hinzu¬ wirken, daß die Regierung aufgefordert werde, alles daran¬ zusetzen, daß einmal Schluß gemacht werde und die Re¬ gierung offen bekannt gibt, wohin und welchen Zielen sie sich zuwenden will. Wenn es tunlich und durchführbar wäre, müßte man sagen, daß der Gemeinderat nur unte den vorausgesagten Bedingungen eine Anleihe zeichnen sollte; nun ist aber dies undurchführbar. Vom Parteistand¬ unkte möchte ich auch ausdrücklich erklären, daß wir füs Eroberungen kein Interesse haben. Wir hatten mit unseren Eroberungen stets großes Pech, sie werden uns auch dies nal weiter kein Glück bringen. Aber nicht bloß vom Standpunkte der sozialdemokratischen Partei bin ich da 5 gegen, daß sich der Staat mit Eroberungen beschäftigt, auch als Deutsche haben wir kein Interesse daran, daß vielleicht unsere vielsprachigen Länder im Staate noch vermehrt und uns als Deutsche dadurch unsere Existenz noch mehr rschwert wird, weil neue fremdsprachige Länder dem Staate angegliedert werden, so daß niemals eine gewisse Ordnung in unser Staatsleben gebracht wird Ich glaube, alle anwesenden Herren und auch die ge¬ samte Bevölkerung wird zugeben und sagen müssen, daß vir nahe am Ende unserer Kräfte sind und wir, wenn wir chon die patriotische Pflicht haben, Kriegsanleihe auf¬ bringen zu müssen, auch die Regierung ihrer Pflicht bewuß ein muß, uns zu sagen, wohin wir gehen und welches iel wir haben, sonst wird ein Ende mit Schrecken besser ein, als diesen Schrecken ohne Ende fortzusetzen Ich hoffe, daß die Regierung jede Gelegenheit wahr¬ immt und benützt. um dem Krieg ein Ende zu machen und ersuche ich daher, die Regierung aufzufordern, ihre Kriegs¬ ziele offen bekanntzugeben, damit der Frieden endlich er¬ eicht werden kann Herr GR. Prof. Erb: Vor allem möchte ich einen Ausdruck des Herrn GR. Wokral richtig stellen: wir nachen Schulden zum Zwecke der Kriegsanleihe. Ich glaube, in dieser allgemein gesprochenen Form ist der Antrag des Herrn GR. Wokral unrichtig, denn wir machen keine Schul¬ en zur Zeichnung der Kriegsanleihe, sondern der Staat macht bei der Gemeinde Schulden und diese Schulden wer¬ en eben weiter übertragen; wir sind nur ein Zwischen¬ glied, denn wir bekommen ja für das Geld die Kriegs¬ anleihe=Obligationen und diese verzinsen sich solange, als ie Kriegsanleihen verzinst werden. Es ist doch etwas inderes, wenn wir Geld aufnehmen, daß die Stadt selbst erzinsen muß, als die Begebung einer Kriegsanleihe, wo¬ von die Gemeinde die Zinsen bekomml. Wie Sie aus den Darlegungen des Antrages der Finanzsektion gehört haben, bedeutet die Zeichnung auf die Kriegsanleihe für die Gemeinde ein Geschäft. Es ist also, ch wiederhole es, ganz was anderes. als wenn die Ge¬ neinde etwa für Kanalisierung oder Wasserleitung Gelden aufnehmen und diese verzinsen muß. Dies muß hier auch deswegen gesagt werden, weil in der Bevölkerung die Meinung geäußert wurde, als wenn aus Gemeindemitteln die Zinsen für diese Anleihe zu decken wären. Die Zinsen Toupons der Obligationen werden eingelöst und daher die Leistungen der Gemeinde an die vorstreckenden Banken durch die Zinseneingänge gedeckt. Nun zum Kapitel „Frieden“. Ich weiß keinen Men¬ schen in der ganzen Welt, der uns sagen kann, wann der Krieg aufhört und unter welchen Bedingungen der Friede eschlossen werden wird. Ich weiß, daß die ganze Welt riedensbedürftig ist. Doch ist die Sache so: Wenn zwei miteinander raufen und einer will aufhören und der andere agt, nein, ich will dich umbringen und unschädlich machen so wird der Bedrohte sich so lange verteidigen. so lange es ihm möglich ist. Das geht nun im großen Maßstabe jetzt vor, wo so viele Staaten gegen und miteinander kämpfen. Einfacher war die Sache, wie 1870/71 nur zwei Staaten niteinander aus iraend einem Grunde Krieg führten. Nun führen aber heute über 17 oder noch mehr Siaaten Krieg gegen uns, und zwar um Zwecke. um die kaum jemals in der Welt Krieg geführt wurde, Krieg um wirtschaftliche Inter¬ essen auf Jahrhunderte hinaus. dazu um Ländererwerb und Kriegsentschädigungen. Der Kriea dreht sich darum, eine Gruppe von Staaten, die Zentralmächte, von der Konkurrenz am Weltmarkte vollständig auszuschalten und die Zentral¬ nächte gänzlich abhängig zu machen. Vorläufig sind Eng¬ and und Amerika die tonangebenden: alle anderen haben iberhaupt nichts mehr zu sagen und sind Heloten von Eng land, und wenn wir noch soviel vom Frieden reden und noch so sanftmütige, um nicht zu sagen demütige Bedingun¬ gen stellen, England wird nicht nachgeben und um so weniger nachgeben, je ängstlicher wir selbst die Lage darstellen. Ein olches Beginnen kann den Feinden nur dazu dienen, ihre Kräfte anzuspannen, um uns niederzuringen, und muß daher kriegsverlängernd wirken. Alle diese Fragen treffen schwer den Mittelstand. vor allem aber den deutschen Arbeiter. Ihre sozialdemokratischen Parteigenossen im Deutschen Reiche wissen ganz genau, daß mit dem Niederringen und Niedergange des Deutschen Reiches auch die Verelendung des deutschen Arbeiters folgt, des wegen stimmen sie alle den budgetären Anforderungen der Regierung zu: anders, entgegengesekzt verhalten sich die deutschen Sozialdemokraten in Oesterreich Der Regierung aber für die Zeichnung der Kriegs¬ anleihe eine Bedingung über Frieden zu stellen, ist ganz inmöglich. Ich habe schon am Beginne meiner Aus¬ führungen dargelegt, daß heute kein Mensch weiß, wie der Friede geschlossen werden wird; es kennt sich noch nie¬ mand in dieser Frage aus. Ich bin gewiß für den Frieden, ber für einen Frieden, in dem wir hernach existieren können, inabhängig sind und nicht vielleicht in kurzer Zeit nach den Friedensschluß unter viel schlechteren Bedingungen wieder überfallen werden. Friede, ja, aber unter Sicherstellung der Existenzbedingungen und weil wir alle Deutsche sind, vor allem der Deutschen in Oesterreich und des Deutschen Reiches. Unter diesen Bedingungen sind wir jederzeir zum

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