Ratsprotokoll vom 16. November 1917

X. Sitzung. Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. I. f. Stadt Sleyr am Freitag den 16. November 1917 um 3 Uhr nachmittags. Tages=Ordnung: I. Sektion. (Sektionssitzung am Freitag den 16. November 1917 um 10 Uhr vormittags.) 1. Beschlußfassung über den Antrag wegen Errichtung einer zweiklassigen Handelsschule für Knaben und Mädchen in Steyr. 2. Beschlußfassung über das Statut für das öffentliche Krankenhaus in Steyr. II. Sektion. (Sektionssitzung am Mittwoch den 14. November 1917 um 2 Uhr nachmittags.) 1. Zeichnung auf die VII. österreichische Kriegsanleihe. Gegenwärtig: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Julius Gschaider; Vorsitzender=Stellvertreter: Herr Vizebürgermeister Fer¬ dinand Gründler; die Herren Gemeinderäte: Heinrich Ammerstorfer, Heinrich Bachmayr, Ludwig Binderberger, Otto Dunkl, Gottlieb Dantlgraber, Prof. Leopold Erb, Leo¬ pold Haller, Josef Haidenthaller, Dr. Karl Harant jun., Ing. Josef Huber, Franz Kattner, Franz Kirchberger, August Mitter, Franz Schwertfelner, Franz Tribrunner, Karl Wöhrer und Josef Wokral. Seitens des Stadtamtes: Stadtamtsrat Herr Doktor Franz Habl. Als Schriftführer fungiert der städtische Protokoll¬ führer Karl Riedler. Entschuldigt abwesend: Herr GR. Franz Aigner aus Anlaß des Hinscheidens seiner Frau. Zur militärischen Dienstleistung eingerückt sind die Herren Gemeinderäte: Vizebürgermeister Paul Fendt, Anton Kurz, Josef Langoth und Anton Sighart. Als Verifikatoren für dieses Protokoll werden die Herren GR. Franz Tribrunner und Karl Wöhrer gewählt. Herr Bürgermeister stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und eröffnet mit Begrüßung der erschienenen Herren Gemeinderäte die Sitzung. Mitteilungen. Herr Bürgermeister: Letzten Sonntag hat sich ein Unglücksfall zugetragen (die Gemeinderäte erheben sich von den Sitzen), der die schwersten Folgen hätte haben können. Seine Majestät der Kaiser ist durch Zusammen¬ wirken unglückseliger Umstände bei einer Autofahrt durch sogenannte Torrenten im Gebiete des hochgehenden Isonzo¬ flusses bei Görz von den Fluten weggerissen worden und der Ertrinkungsgefahr nahe gewesen. Durch eine glückliche Fügung wurde Seine Majestät unversehrt gerettet. Ich habe noch am selben Vormittage an die Kabinetts¬ kanzlei Seiner Majestät eine Drahtung gerichtet, in der ich der Freude der Stadtgemeinde=Vorstehung und des Ge¬ meinderates über den glücklichen Ausgang dieses gefährlichen Ereignisses Ausdruck gegeben habe. Ich erachte, daß sich der löbliche Gemeinderat dieser meiner freudigen Kund¬ gebung anschließt. Die Herren haben sich zum Zeichen der Zustimmung von den Sitzen erhoben und werde ich Sorge tragen, daß diese einmütige Kundgebung des Gemeinderates dem Protokolle einverleibt werde. Ferner muß ich Ihnen die betrübende Mitteilung machen, daß nach einem eigenen Briefe unseres Ehren¬ bürgers Seiner Exzellenz General der Infanterie Ignaz Freiherr von Trollmann, lebensgefährlich an Brechdurchfall, welche Krankheit er sich während seiner letzten längeren An¬ wesenheit an der albanischen Front zugezogen hatte, erkrankt gewesen ist und Seine Exzellenz sich gegenwärtig im Offiziersheim in Abbazia zur Erholung befindet. Die Besserung macht glücklicherweise günstige Fortschritte und ist die Krankheit im Schwinden begriffen. Ich werde heute an Seine Exzellenz die Grüße des Gemeinderates und dessen wärmsten Wünsche auf eine baldige und dauernde Genesung telegraphisch bekanntgeben. (Beifall.) Herr Gemeinderat Aigner hat durch das Hinscheiden seiner Frau Gemahlin einen schweren Schicksalsschlag er¬ litten. Ich bringe von dieser Stelle aus Herrn Gemeinderat Aigner das herzlichste Beileid zum Ausdrucke. Die Herren Gemeinderäte erheben sich zum Zeichen der Teilnahme von den Sitzen. Hierauf geht der Herr Vorsitzende zur Tages¬ ordnung über. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr GR. Dr. Karl Harant. 1. Beschlußfassung über den Antrag wegen Errich¬ tung einer zweiklassigen Handelsschule für Knaben und Mädchen in Steyr. Herr Referent GR. Dr. Harant: Wie bekannt, hat Herr Vizebürgermeister Gründler in der Gemeinderatssitzung am 24. Juli folgenden Antrag eingebracht: Antrag des Vizebürgermeisters Ferdinand Gründler. Die fortschreitende Entwicklung unserer Stadt und das stete Anwachsen der Bevölkerungsziffer derselben macht es zur Aufgabe, für die Ausgestaltung unseres Schulwesens Sorge zu tragen. Vor allem fehlt es in Steyr an einer Schule, an der Knaben und Mädchen Gelegenheit haben, sich eine gründliche Vorbildung für den Handels= und Gewerbestand und für den Kontordienst anzueignen. In vielen anderen, teilweise kleineren Städten be¬ stehen schon seit Jahren solche Handelsschulen und auch in Steyr ist die Errichtung einer Anstalt, welche dafür sorgt, daß dem Kaufmanns= und Gewerbestande sowie der In¬ dustrie ein entsprechend vorgebildeter Nachwuchs gesichert erscheint, sehr notwendig und wünschenswert. Ich stelle daher den Antrag: Der Herr Bürgermeister wird ersucht, im Einvernehmen mit der I. und IV. Sektion diese Frage zu studieren und die nötigen Schritte zur Er¬ richtung einer Handelsschule für Knaben und Mädchen ein¬ zuleiten. Steyr, 24. Juli 1917. F. Gründler. Dieser Antrag wurde der I. und IV. Sektion zur weiteren Behandlung abgetreten, und habe ich heute die Ehre, Ihnen die Anträge der beiden Sektionen zu unter¬ breiten. In der Sache selbst habe ich nur kurz zu erwähnen, daß der Antrag sowohl in den Kreisen des Gemeinderates, alch auch der Bevölkerung begrüßt wurde. Es läßt sich gewiß nicht verhehlen, daß die in Aussicht genommene Handelsschule für Steyr bedeutende Vorteile haben wird, und daß dadurch dem Handels= und Gewerbestande ein kaufmännisch durchgebildeter Nachwuchs gesichert werden wird. Es wird eine solche Schule eine Reihe von Vor¬ teilen für die Frequentanten selbst zur Folge haben und hat der Herr Bürgermeister, um die Angelegenheit in Fluß zu bringen, eine Reihe von Persönlichkeiten zu einer am 3. November l. J. stattgehabten Vorbesprechung eingeladen. Diese Einladung ist an die Herren Vizebürgermeister Gründler als Antragsteller, die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Ludwig Binderberger, Heinrich Bachmayr, Prof. Leopold Erb, Ing. Josef Huber und Franz Kirch¬ berger, k. k. Oberrealschul=Direktor Rudolf Glas, die Handelskammerräte Hermann Seidl und Rudolf Sommer¬ huber,, Gremialvorstand Hans Wohlfahrtsberger, kaiser¬ licher Rat Josef Reithoffer und Fr. Lanosiedl für die öster¬ reichische Waffenfabrik ergangen in der Erwägung, daß diese ein besonderes Interesse dem Gegenstande entgegen¬ bringen, anderseits aber wegen ihrer Berufsstellung be¬ sonders berufen erscheinen, in der Frage ihre reichen Er¬ fahrungen dem Gemeinderate zur Verfügung zu stellen. Die Aeußerungen der vorgedachten Herren sind in dem Pro¬

2 tokolle vom 3. November l. J. niedergelegt, welche im all¬ meinen dahin gehen, daß sämtliche die Errichtung der ge¬ lanten Handelsschule befürworten und das Versprechen ab¬ gaben, in ihren Kreisen für die Errichtung und Ausgestaltung ieses Unternehmens nach Kräften beitragen zu wollen. herr Professor Erb hat in dankenswerter Weise be¬ reits im Unterrichts=Ministerium die entsprechenden Schritte getan und in Erfahrung gebracht, welche Bedingungen an die Gründung eines solchen Unternehmens gebunden sind. Uebrigens wird Herr Professor Erb auch späterhin Gelegen¬ heit haben, seine Erfahrungen dem Gemeinderate zur Ver ügung zu stellen. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß ielleicht schon früher Herr Oberrealschul=Direktor Glas ähn¬ liche Anregungen gegeben hat, wie sie Herr Vizebürger¬ meister Gründler in seinem Antrage formulierte und deckt sich der Gedankengang des Herrn Direktors Glas vollständig nit dem des Herrn Antragstellers. Auch Herr Direktor Glas hat sich bereit erklärt, seine reichen Erfahrungen als Schulmann zur Verfügung zu stellen In den letzten Tagen ist von Herr Lyzealdirektor Pillewizer eine direkte Aeußerung eingelangt, in welcher der Gedanke geltend gemacht wird, daß sich die Errichtung der Handelsschule in der Ausdehnung, daß dieselbe auch für Mädchen errichtet werde, nicht empfehlen dürfte und angeregt wird, daß statt der Mädchenhandelsschule eine Haushaltungsschule in Steyr errichtet werden möge Obwohl es sich nicht in Abrede stellen lassen wird, daß der Standpunkt des Herrn Lyzealdirektors etwas für sich hat, glauben die vereinigten Sektionen doch, daß es nicht raktisch wäre, von dem Gedanken, den der Herr Vize¬ bürgermeister Gründler in seinem Antrage niedergelegt hat, Umgang zu nehmen. Die Schaffung einer Haushaltungsschule dürfte be¬ onders jetzt während der Kriegszeit besonderen Schwierig¬ keiten unterliegen. Wenn vielleicht daran gedacht würde, daß dem Mädchenlyzeum durch diese neue Handelsschule Eintrag getan wird, so muß wohl in Erwägung gezogen werden, daß die Lehrziele dieser genannten Schulen weit auseinander liegen und die Lehrziele des Mädchenlyzeums wohl in keiner Weise beeinträchtigt werden können. Privathandels Es bestehen in Steyr wohl einige urse; anderseits ist es aber wünschenswert, daß Mädchen, sich dem Kontordienst widmen wollen, einen mehr die wirklichen fundamentalen Unterricht mitmachen können als einen bloßen Handelskurs Nachdem ich Ihnen dies vorausgeschickt habe, bringe ich den Sektionsantrag zur Verlesung: „Der Gemeinderat beschließe grundsätzlich die Errich¬ lung einer städtischen Handelsschule für Knaben und Mäd¬ hen. Es sei ein Kuratorium zu bestellen, welches mit der Durchführung der Vorarbeiten betraut wird und sohir dem Gemeinderat zur Beschlußfassung Bericht zu erstatten haben wird. In das Kuratorium seien zu entsenden: die Herren ürgermeister Gschaider, Vizebürgermeister Gründler, Ge¬ meinderäte Aigner, Binderberger, Bachmayr, Prof. Erb, Ing. Huber, Franz Kirchberger; die Herren Oberrealschul¬ Direktor Glas, Handelskammerräte kaiserl. Rat Seidl, Sommerhuber, Gremialvorstand Wohlfahrtsberger, kaiser¬ licher Rat Josef Reithoffer und zwei Vertreter der öster¬ reichischen Waffenfabriks=Gesellsthaft, die von dieser zu iominieren wären.“ Herr Vizebürgermeister Gründler: Meine Herren! Wie Sie gehört haben, wurde von mir in der Juli=Sitzung des Gemeinderates ein Antrag auf Errichtung einer Handelsschule für Knaben und Mädchen in Steyr einge¬ bracht. Diese für Steyr so wichtige Schulfrage beschäftigt heute den Gemeinderat. Ich glaube die Wichtigkeit des Antrages nicht ausführlich begründen zu müssen, sondern mich kurz fassen zu können, um so mehr, als der Herr Reserent die Notwendigkeit und Bedeutung ausführlich be tont hat, und weil ich annehme, daß der löbliche Gemeinde at von dem Werte und der Notwendigkeit der Errichtung einer solchen Schule in unserer Stadt voll und ganz über¬ ist zeug Wie ich bereits in meinem Antrage selbst sagte, lieg demselben die Zunahme unserer Einwohnerzahl und die Erweiterung der Stadt zugrunde, so daß es zur Pflicht wird, im Gemeinderate für die Ausgestaltung unseres Schulwesens Sorge zu tragen. Wenn ich von der Aus gestaltung des Schulwesens gesprochen habe, so habe ich wohl in erster Linie die Errichtung einer Handelsschule für Knaben und Mädchen ins Auge gefaßt, einer Handelsschule wie sie bereits in vielen größeren und kleineren Städter estehen. Es soll der männlichen und weiblichen Jugend welche Lust und Liebe für den kommerziellen Dienst hat, Gelegenheit gegeben werden, sich vollkommen kaufmännisch auszubilden, was heutzutage selbst für kleinere Betriebe notwendig ist, um vorwärts zu kommen. Gerade aber in Steyr erscheint mir die Errichtun einer solchen Handelsschule besonders wichtig, da hier zu Betätigung in kommerziellen Betrieben ein günstiger Boden ist. Wir haben hier die große Waffenfabrik, die Reithoffer¬ schen Gummiwerke, zahlreiche andere industrielle Unter iehmungen, Aemter, Anstalten, Banken und Sparkassen, in deren Kontors eine Reihe von Hilfskräften beschäftigt werden, und wird es auch diesen Anstalten und Instituten vom Vorteile sein, wirklich kommerziell vorgebildete Hilfskräfte zur Verfügung zu erhalten. Ebenso wird es die Handels¬ velt und der Gewerbestand auf das lebhafteste begrüßen, wenn diesen durch die Gründung dieser Handelsschule ein durchwegs gut ausgebildeten Nachwuchs gesichert und dem lebelstande abgeholfen wird, der besonders in der letzten Zeit in dem Mangel an dem wirklichen Wissen und Können ausgestatteten Hilfskräften schwer empfunden wurde. Aber nicht bloß vom Standpunkte des Arbeitgebers allein ist die Errichtung einer Handelsschule auf das lebhafteste zu be¬ rüßen. Die Gründung der Handelsschule liegt auch ganz besonders im Interesse der heranwachsenden Jugend selbst, die sich sodann speziellen Berufsfächern in vollkommener Ausbildung wiomen kann. Es wird in kurzer Zeit und mit verhältnismäßig geringen finanziellen Opfern möglich sein, eine ganze Reihe von jungen Leuten der kommerziellen Laufbahn zuzuführen, einer Laufbahn, die gewiß keine schlechtere Aussichten hat, als viele jener überfüllten Be¬ rufe, die erst nach Absolvierung der Mittel= oder gar der hochschule dem jungen Manne eine Lebensstellung und bringen. Brot Die Errichtung dieser Handelsschule liegt somit im allgemeinen Interesse und ich begrüße den Antrag der I. und IV. Sektion dahin gehend, daß die Gemeinde die Errichtung der Handelsschule selbst in die Hand nimmt, und ich hoffe, daß alle Interessenten diesen Schritt tatkräftigst unterstützen und insbesondere in inanzieller Hinsicht ördern werden. Ich hoffe, daß die Vorarbeiten recht bald m günstigen Sinne durchgeführt werden, um schon im nächsten September des Jahres 1918 die geplante Schule eröffnen zu können. Ich bitte um die einstimmige Annahme des Sektionsantrages. Herr GR. Tribrunner: Wenn sich der Antrag ausschließlich damit beschäftigte, nur für Knaben eine Handelsschule zu errichten, so hätte ich diesem Antrage zu¬ gestimmt. Nun muß ich aber schon sagen, daß die Be¬ enken des Herrn Lyzealdirekors gewiß stichhältig sind, und zwar schon deshalb, weil wir zurzeit die Erfahrung machen, daß die gegenwärtigen Privathandelsschulen eine derartige Ueberfüllung an weiblichen Hilfskräften geschaffen aben, daß schon jetzt alle Stellen von Mädchen besetzt sind und es sehr zu befürchten steht, daß männliche Hilfskräfte iberhaupt keine Posten mehr bekommen können, weil die weiblichen Hilfskräfte auch billiger sind. In dieser Hinsicht besteht weiter die Gefahr, daß die aus dem Felde zurück¬ kehrenden Kanzleikräfte wegen Ueberflutung aller kauf¬ nännischen Betriebe und Aemter mit weiblichen Kräften, eine Posten erhalten können. Anderseits ist aber auch die kostenfrage zu bedenken, welche sich durchaus nicht so billig tellt, da zwei Lehrkräfte, die nur für ihre Spezialfächen verwendet werden können, zu bestellen sind und die Aus¬ aben hiefür durch die Einhebung von Schulgeld nicht ge¬ eckt werden könnten, so daß bedeutende Kosten erwachsen würden. Es würde sich empfehlen, von der Handelsschule ür Mädchen abzusehen und anderseits die schon längst ge¬ lante Errichtung einer Haushaltungsschule ins Leben zu rufen. Anderseits ließe sich dem Antrage des Herrn Vize¬ bürgermeisters dadurch Rechnung tragen, ddaß man die heute bestehende Gremialschule zu dem Zwecke erweitert, a auch mit der Lokalfrage für die neue Handelsschule zu rechnen wäre und vielleicht in absehbarer Zeit die Er¬ bauung eines eigenen Gebäudes notwendig würde. Als as Bedenklichste halte ich aber, daß durch die Errichtung einer Mädchenhandelsschule den aus dem Felde Heim¬ kehrenden jeder Posten und Verdienst weggenommen würde herr GR. Prof. Erb: Die Bedenken des Herrn Ge¬ neinderates Tribrunner kann ich nicht teilen. Wenn er von einer Ueberflutung von Arbeitskräften spricht, so ist diese leberflutung nur scheinbar vorhanden. Man darf nur an das Wörtchen „brauchbar“ denken. Ich möchte dem Ge¬ neinderate alle jene vorführen, die sich um Stellung be¬ werben und Sie werden bei Prüfung sehen, wie wenig ut verwendbar sind; davon wird Ihnen der Herr Bürger¬ neister am besten erzählen können Was soll an einer Handelsschule außer den Fächern elernt werden: ordentlich Deutsch schreiben und fremden ind eigenen Gedanken entsprechend Ausdruck geben können. Leider ist es wahr, daß die Schulbildung unserer heutigen Jugend infolge der Kriegsverhältnisse ungemein inkt. Die Schulen sind zum Teile gesperrt; wir haben eider Gottes oft nur Halbtagsunterricht. Die Vollkraft nserer Lehrer ist im Felde und infolge der miserablen, Zahlung schandbaren (man entschuldige den Ausdruck) welche die Lehrerschaft heute noch bezieht, gibt es auch licht gerode eine Auslese von für den Lehrberuf fähigen euten. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Da¬ er mangelt schon die erste Vorbildung. Eine Handelsschule hat auf Grund des ordentlichen Unterrichtes für die einzelnen gewerblichen und kaufmänni¬ chen Berufe verwendbare tüchtige Kräfte heranzuziehen. Damit lassen sich Privathandelskurse gar nicht vergleichen. Die zweiklassige Handelsschule ist eine Tagesschule und ein Privathandelskurs ist nur ein Abendkurs, der bloß ein halbes oder drei Vierteljahre dauert. Bei der geringen Stundenzahl in den Privatkursen und mit Lehrern, die

selbst keinen ordentlichen Handelsschulunterricht genossen aben, kann sich dieser Unterricht, wie gesagt, mit einen Handelsschule gar nicht in eine. Parallele stellen. Wir wollen eine ordentliche zweiklassige städtische Handelsschule nach staatlich vorgeschriebenem Statut und was aus dieser Schule kommt, muß gründlich ausgebilde ein und infolgedessen Tüchtiges leisten können. Es gib heute eine große Zahl von Mädchen, die Handelskurse be¬ ucht haben. Ich bitte, sich nur einmal umzusehen, wie viele von diesen Mädchen gut verwendbar sind. Ich kenne eine hiesige Firma, die ein halbes Hundert Mädchen be schäftigt. Diese Firma hat eine eigene Prüfung für die Aufnahme weiblicher Hilfskräfte vorgeschrieben. Wenn Si¬ ören würden, wie viele aber als unbrauchbar zurück¬ ewiesen werden müssen, weil sie nicht einmal imstande ind, richtig orthographisch schreiben zu können, so würden Sie staunen, was für ein Material sich als für den kommerziellen Kontordienst als geeignet ausgibt. Solche Bedenken fallen beim Besuche einer Handelsschule weg. Hier nuß eine Ausbildung Platz greifen, welche die Absolventen in den Stand setzt, ordentlich schreiben, verläßlich rechner und die Korrespondenz auch selbständig führen zu können; die Stenographie gehört ebenfalls hiezu; es muß so steno¬ graphiert werden, daß die Hilfskräfte ihr Stenogramm auch lesen und richtig sinngemäß übersetzen können; ferner aben sie eine außerordentliche Ausbildung im Maschin¬ schreiben zu genießen, weiter zumindest die einfache Buch¬ haltung, die Kenntnis der Kalkulationsrechnung und des aufmännischen Rechnens überhaupt und als Nebenfächer Geographie und vielleicht das Eisenbahnwesen zu erlernen. Das sino die Aufgaben einer Handelsschule und das Min deste, was man verlangen kann. Die Privathandelslehr¬ sind Autodidakten, die sich selbst gelernt haben räfte Die Leute, die am wenigsten gelernt haben, sind auch am wenigsten auffassungsfähig; erst durch die Schule be daß sie kommen die Leute gesunden Menschenverstand, auch das begreifen, was von ihnen verlangt und ihnen an¬ geschafft wird Was weiter die Aeußerung des Herrn Lyzeal=Direk¬ tors betrifft, so kann man das Lyzeum mit einer Handels¬ chule nicht vergleichen. Das Lyzeum ist eine Schule für höhere Ausbildung, gewiß aber für keine Berufsausbildung m Sinne der mittleren Handelsschulen. Manche Lyzeistinnen streben wiederum Lehrstellen an Lyzeen an. Das Lyzeun bezweckt vielfach den Ersatz des Gymnasiums für Mädcher und erreicht vielfach auch dieses Lehrziel. Das har aber mit einer Handelsschule, wo Leute herangezogen werden, die ich alle Erwerb suchen und ihr Leben selbst erhalten müssen nichts gemeinsam. Deshalb ist auch die Mädchenhandels¬ schule gar nicht an ein Lyzeum anzugliedern, am wenig¬ ten an ein privates Vor allem anderen stellt aber der Staat die Be¬ dingung, daß nur dann die städtische Handelsschule be¬ willigt und subventioniert wird, wenn für die einzelnen Fächer mindestens ein gevrüfter Lehrer der Handels¬ vissenschaften angestellt wird. Dies ist eine selbstverständ¬ iche Forderung des Staates. Im ersten Jahre soll die Handelsschule an die Oberrealschule schon wegen der Lokal¬ rage angegliedert werden. Das Realschulgebäude ist das einzige, wo Lehrzimmer frei sind. Ferner wird die Handelsschule vom Staate nur dann bewilligt und sub¬ entioniert werden, wenn die Realschule ihre reichen Lehr¬ mittel zur Verfügung stellt. Das Lyzeum hat diese Lehr¬ mittel nicht, daher sich diese letztere Frage nach keiner Richtung im Sinne des Herrn Kollegen Tribrunner lösen läßt. Ebenso wenig ist eine Analiederung an die bestehende Gremial=Fortbildungsschule tunlich, da diese eine Abend¬ ist. chule Redner schildert sohin die Schwierigkeit des Unter¬ richtes an dieser Schule, an der er selbst als Lehrkraft wirkte ind resumiert schließlich nochmals seine Ausführungen Zum Schlusse bemerkt Herr GR. Prof Erb, daß dei Gemeinderat zu der Kostenfrage erst Stellung nehmen nüsse, glaubt aber, daß für ein fortschrittliches Gemein vesen, wie es Steyr ist, und mit Rücksicht auf die Einwohner zahl von nahezu 35.000, der Kostenpunkt gewiß kein unüber¬ windlicher sein werde, nachdem jedenfalls vom Staate, vom Lande, von der Handelskammer und anderen Faktoren Subventionen gegeben werden und außerdem ein Schul¬ geld eingehoben werden wird Die Schule wird gewiß der Stadt zum Segen ge¬ reichen und mit der Errichtung der zweiklassigen städtischen Handelsschule auch dem Mädchenlyzeum nicht im gering¬ ten weh getan werden Der Herr Vorsitzende schreitet nunmehr über den Antrag der I. und IV. Sektion zur Abstimmung und wird der Antrag einstimmig angenommen. 2. Beschlußfassung über das Statut für das öffent¬ liche Krankenhaus in Steyr. Herr Referent GR. Dr. Karl Harant: Die Spitals¬ kommission hat das Statut für das neue Krankenhaus in Steyr in der letzten Gemeinderatssitzung vorgelegt, welches aber nicht zum Beschlusse erhoben, sondern der I. Sektion als Verwaltungskommission zur weiteren Beratung und Antragstellung übermittelt wurde. Die Sektion glaubt Ihnen zu den §§ 1, 2 und 3 Abänderungsvorschläge erstatten zu sollen, während gegen die Fassung der übrigen Para¬ graphen nichts einzuwenden ist Der § 1 alter Fassung lautet: „Das Krankenhaus ist Eigentum der Stadt Steyr und steht unter unmittelbarer Leitung der Gemeindevertretung und als Gemeindeanstalt unter der gesetzlichen Aufsicht des Landesausschusses Es besitzt den Charakter eines Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses und untersteht im Sinne des Ministerial Erlasses vom 4. Dezember 1856, Zl. 26.641, der Ueber wachung der politischen Behörde. Umkehrung der Ab¬ hier empfiehlt die Sektion eine ätze und solle der § 1 wie folgt lauten: „§ 1. Allgemeines. Das Krankenhaus in Steyr besitzt den Charakter eines All¬ gemeinen öffentlichen Krankenhauses und untersteht im Sinne des Ministerial=Erlasses vom 4. Dezember 1856, Zl. 26.641, der Ueberwachung der politischen Behörde Es ist Eigentum der Stadt Steyr und steht unter un¬ mittelbarer Leitung der Gemeindevertretung und als Ge¬ meindeanstalt unter der gesetzlichen Ausicht des Landes¬ ausschusses. Zum § 2 „Oberaufsicht“ schlägt die Sektion folgende enderung vor: Die frühere Fassung lautet: „Der Gemeinderat mit dem Bürgermeister leitet das Krankenhaus durch die Ver¬ mittlung der Spitalskommission. Der Obmann derselben überwacht als Referent des Krankenhauses die wirtschaftliche Bebarung und die gesamte Führungen desselben Die neue Fassung lautet: „Der Gemeinderat mit dem Bürgermeister führt die Oberaufsicht über das Krankenhaus Vermittlung der Spitalskommission. urch Es hätte also der zweite Absatz des § 2 zu entfallen, weil aus der Fassung des folgenden § 3 eine gewisse Schwierigkeit in der Richtung entstünde, als die Ueber wachung der wirtschaftlichen Gebarung und der gesamten Führung des Krankenhauses, wie sie in der früheren Fassung des § 3 festgelegt wurde, den zukünftigen Verhält¬ nissen, welche in der Verwaltungsform noch nicht geklärt rscheinen, nicht recht angepaßt sind Die Fassung des früheren § 3 lautete: „Die ökonomi¬ sche und administrative Leitung wird einem vom Gemeinde rate bestellten Direktor übertragen, welcher Mitglied der Spitalskommission ist. Der Krankenhausdirektor ist für eine Amtsführung dem Bürgermeister und dem Gemeinde rate verantwortlich. Er bezieht für seine Tätigkeit eine Funktionsgebühr, deren Höhe vom Gemeinderat jeweils bestimmt wird. Mit der administrativen Leitung kann auc ine außerhalb des Gemeinderates stehende Persönlichkeit betraut werden. In diesem Falle werden die Rechte, Pflichten und Bezüge derselben durch besondere Bestimmun¬ jen geregelt. Aus den früher angeführten Erwägungen wird die Fassung des § 3 „Leitung wie folgt empfohlen: Insolange kein eigener Verwaltungsbeamter für das Krankenhaus bestellt ist, wird die Leitung der wirtschaft¬ lichen und Kanzlei=Angelegenheiten einem Gemeinderate ibertragen. Dieser ist für seine Amtsführung dem Bürger¬ meister und dem Gemeinderate verantwortlich Die Frage der Entschädigung für seine Mühewaltung, des Titels und des Umfanges und der Dauer seiner Amts¬ führung wird vom Gemeinderate durch besondere Be¬ stimmungen geregelt. Wird mit der Leitung ein eigener Verwaltungs¬ beamter betraut, so sind hinsichtlich seiner Bezüge. Rechte und Pflichten gleichfalls besondere Bestimmungen zu reffen Die §§ 4 bis 11 werden in bestehender Fassung wie folg als richtig erkannt: § 4 Bestellung der Aerzte und Beamten. die Bestellung der Aerzte und Beamten ist Sache des Bemeinderates Die Pflichten derselben sind durch eigene Instruktionen ind die Dienstespragmatik für die Gemeindebeamten der Stadt Steyr geregelt. § 5. Aufnahme der Kranken. Die Aufnahme der Kranken erfolgt im Sinne des Ministerial=Erlasses vom 4. Dezember 1856, Z. 26.641, und zwar 1. In den allgemeinen öffentlichen Krankenheil¬ anstalten sind alle Kranken ohne Unterschied aufzunehmen, welche entweder mit einem, die Notwenoigkeit der Spitals¬ pflege nachweisenden ärztlichen Zeugnisse in dasselbe gebracht werden, oder sich zur Aufnahme selbst melden und von dem Anstaltsarzte zur Aufnahme geeignet befunden werden Unheilbare oder chronisch Kranke sind nur dann zur Aufnahme zuzulassen, wenn durch den Spitalsaufenthalt wenigstens eine wesentliche Besserung erzielt werden kann oder wenn der Zustand des Kranken ein solcher ist, daß er eine besondere, außerhalb des Spitales nicht mögliche Behandlung erfordert Geisteskranke dürfen nur zur Beobachtung ihres Geisteszustandes und unter Beachtung des Erlasses des

4 berösterreichischen Landesausschusses vom 18. Oktober 1900 ausgenommen werden und sind möglichst bald in eine An¬ talt für Geisteskranke abzugeben, nabweisbar sind a) Kranke, welche von einem Gerichte, einer Verwaltungs¬ der Polizeibehörde amtlich überbracht werden 5) alle Kranken, welche mit akuten fieberhaften Leiden oder mit ansteckenden Krankheiten behaftet sind c) Kranke, welche sich in plötzlicher Lebensgefahr befinden Wegen Mangel der die Zuständigkeit oder Zahlungs¬ ähigkeit nachweisenden Dokumente ist keinem Kranken die Aufnahme zu verweigern 2. Die Abgabe eines Kranken in eine solche Kranken¬ anstalt hat, wo es immer tunlich und ausführbar ist, mit einem regelmäßigen, das Nationale, die Zuständigkeits= und Zahlungsfähigkeits=Verhältnisse des Kranken und der zur Zahlung der für ihn erlaufenden Verpflegskosten gesetzlich berufenen Personen, Körperschaften, Innungen 2c. genau nachweisenden Aufnahmsdokumente zu geschehen. 3. Dieses Aufnahmsdokument hat insbesondere Bei Selbstzahlenden außer obigen Daten noch den a) Erlag oder die Sicherstellung der einmonatlichen Ver¬ pflegsgebühr zu enthalten; bei Dienstboten und Arbeitern, welche nicht Taglöhner b) sind, besteht dasselbe in einem von dem Dienstheren oder Arbeitgeber vollständig auszufüllenden Dienst¬ oder Arbeitszeugnisse; ei Mitgliedern der Krankenkassen in der Spitals¬ c) anweisung des Kassenvorstandes, eventuell Kassenarztes; 1) bei den von einer Behörde Uebergebenen in der amt¬ lichen Anweisung, welche außer den sub 2 angedeuteten Daten noch die Bestimmung, was mit dem Kranken nach der Genesung geschehen soll, und falls dies be¬ reits ausgemittelt ist, auch die Namhaftmachung der Person, welche die Zahlungspflicht trifft, enthalten¬ oder andeuten soll; e) bei allen, nicht in eine frühere Kategorie Gehörigen, in der polizeilichen oder ortsbehördlichen Anweisung. 4. Bei Kranken, welche ohne Aufnahmsdokumente in die Anstalt gebracht werden, „oder selbst sich zur Aufnahme melden, hat die Anstalt die nachträgliche Beibringung der über deren Zuständigkeits¬und Zahlungspflichtigkeits¬ Verhältnisse und die für sie zahlungspflichtigen Personen Körperschaften 2c. Aufschluß gebenden Dokumente einzu¬ leiten und sich nötigenfalls an die betreffende Behörde zu wenden. 5. In dem sub 4 erörterten Falle und in allen Fällen, wo hinsichtlich der in dem Aufnahmsdokumente enthaltenen Daten über das Nationale und Zahlungsfähigkeit des Kranken oder der für ihn zur Zahlung gesetzlich Verpflich¬ teten irgend ein Zweifel besteht, ist von der Anstalt mit dem Kranken, insoweit es sein Zustand erlaubt, sogleich, be¬ ziehungsweise sobalo es sein Zustand erlaubt, ein umständ¬ liches, und insbesondere die Zahlungs und Zuständigkeits verhältnisse, sowie alle bisher maßgebenden Umstände ent¬ haltenes Protokoll nach beiliegendem Formulare aufzu¬ nehmen, und sind über diese Daten auch die allfällig den Kranken begleitenden Personen zu vernehmen und die in den Händen desselben befindlichen Legitimationspapiere, als: Pässe, Wanderbücher. Heimatscheine 2c. einzusehen und hie¬ von die geeigneten Anmerkungen zu machen. 6. Zur Erwahrung der durch die beigebrachten Belege in beruhigender Weise nicht konstatierten Angaben der zu Protokoll vernommenen Kranken, insoweit diese dem In¬ lande angehören, hat die Krankenhausverwaltung sich un¬ mittelbar an das der angeblichen Zuständigkeitsgemeinde des Kranken vorgesetzte Amt längstens binnen acht Tagen nach der Aufnahme desselben unter Anschluß einer Abschrift des Aufnahmeprotokolls zu wenden. Ebenso sind die Behörden, welche Kranke in eine solche Anstalt abgeben, zur gewissenhaften Erhebung in kürzester Frist der sub 2 angedeuteten Verhältnisse verpflichtet. 7. Wenn von den unmittelbar angegangenen Be¬ hörden eine baldige oder eine sachgemäße Auskunft nicht egeben wird, so ist dieserwegen die Vermittlung der der Krankenanstalt vorgesetzten politischen Behörde (Stadt¬ gemeinde=Vorstehung Steyr) in Anspruch zu nehmen. § 6. Verpflegskostenersatz. Die Kosten des Krankenhauses werden, sofern sie nicht durch die eigenen Zuflüsse desselben auf Grund von Stiftungen und Widmungen gedeckt werden, von der Stadt¬ gemeinde Steyr bestritten Der Ersatz der Verpflegsgebühren der aufgenommenen Kranken wird geleistet: a) Aus dem Vermögen der zahlungsfähigen Aufge iommenen; b) von den gesetzlich zahlungspflichtigen Verwandten der selben; von Gemeinden, anderen Korporationen, Kassen und c) Parteien, insofern dieselben nach den bestehenden Ge¬ etzen oder infolge besonderen Rechtsgrundes zahlungs¬ flichtig erscheinen; von dem Landesfonds des Heimatlandes, wenn keiner d) der hier aufgeführten Fälle einrritt; von dem oberösterreichischen Landesfonds, wenn die ) Verpflegskosten uneinbringlich sind. (Ministerial=Erlaß vom 6. März 1855, Z. 6382 ex 1854 und 4. Dezember 856, Z. 26.641. S. 7. Ueber die Zahlungsfähigkeit des Kranken oder seiner ahlungspflichtigen Angehörigen, über das Ansuchen um ganze oder teilweise Nachsicht der Verpflegskosten und um andere Zahlungserleichterungen entscheidet der Landes¬ ausschuß desjenigen Landes, dessen Landesfonds die hienach nicht einbringlichen Verpflegskosten zu bezahlen hat §. 8 Verpflegsgebühr. Für die Verpflegung und Behandlung der Kranken wird eine fixe, nach Verpflegstaxen bemessene, nach be¬ stimmten Zeitabschnitten regulierte Gebühr eingehoben. (Ministerial=Erlaß vom 4. Dezember 1856. Z. 26.641.) Der Tag der Aufnahme und Entlassung wird in die Zahl der anrechenbaren Verpflegstage einbezogen. (Mini¬ terial=Erlaß vom 10. April 1857, Z. 10.946 ex 1856. Den Vorgang bei Ermittlung der Verpflegsgebühren regelt der Ministerial=Erlaß vom 10. April 1857, Z. 10.946 ex 1856 § 9. Sonstige Gebühren. Thirurgische Appacate, Bandagen 2c., welche Kranken zur Erleichterung ihres Leidens oder Fortkommens als so¬ enannte therapeutische Behelfe beigestellt werden, sind nach dem Anschaffungspreise zu bezahlen und bei Zahlungs¬ unfähigkeit von der Zuständigkeitsgemeinde, event. anderen Zahlungsverpflichteten, Krankenkassen 2c. zu ersetzen Die Beerdigungskosten nach Mitgliedern von Kranken¬ assen sind von letzterer bis zur statutenmäßigen Höhe zu bestreiten. War der Verstorbene nicht Mitglied einer Kran¬ enkasse, so sind die Beerdigungskosten für Nichtarme aus deren Vermögen, eventuell aus jenem der zur Bezahlung privatrechtlich Verpflichteten zu begleichen, bei Armen in die Regiekosten einzurechnen und kein Gegenstand der Ver¬ gütung. § 10. Enklassung der Kranken. Bezüglich der Entlassung der in die Anstalt Aufge¬ nommenen gelten folgende Bestimmungen: P. Jeder der als genesen erkannte Pflegling ist aus er Anstalt zu entlassen 2. Den vor gänzlicher Heilung sich zum Austritte meldenden Kranken ist der Austritt auf Verlangen zu ge¬ tatten, insoweit sanitätspolizeiliche Rücksichten dies nich verbieten. 3. Kranke, deren Uebel als unheilbar oder nicht zu weiterer Spitalsbehandlung geeignet erkannt wird, sind der Verwaltung anzuzeigen, welche die Abholung und weitere Versorgung derselben zu veranlassen hat. 4. Kranke, deren Verpflegung in der Anstalt die Normaldauer der Spitalsbehandlung von drei Monaten beziehungsweise sechs Wochen voraussichtlich übersteigen ird, sind bei der Verwaltung unter Anschluß des vorge¬ chriebenen ärztlichen Gutachtens zur weiteren, rechtzeitigen Inzeige an den betreffenden Landesausschuß namhaft zu nachen S 11 Transportkosten. Für die Ueberbringung der Kranken in die Anstalt so¬ wvie für die Abholung derselben im Falle der Entlassung haben diejenigen zu sorgen, welche deren Aufnahme veran¬ assen. Die Transportkosten Zahlungsunfähiger trägt die Zu¬ ständigkeitsgemeinde. Erfolgt die Abholung nicht binnen der mit der Ver¬ ständigung anberaumten, angemessenen Frist, sind die weiteren Verpflegskosten von der zahlungsfähigen Zu¬ tändigkeitsgemeinde zu tragen. Zu der Aenderung in der Fassung des § 3 ist besonders zu erwähnen, daß die Sektion glaubt, daß möglicherweise in der Zukunft bei Ausgestaltung des Krankenhauses ein eigener Beamter mit der Leitung zu betrauen sein wird (Herr GR. Kirchberger: Ganz richtig.) Der gegenwärtige Zustand, daß ein Gemeinderat die Leitung des Kranken¬ auses persönlich führt. kann in der Zukunft nicht haltbar ein und kann sich die Gemeinde nicht an die heute bestehen¬ den Zufallsumstände binden, in welchen Herr Gemeinderat Kirchberger mit besonderem Eifer und Geschick das Kranken¬ haus leitet. In der weiteren Zukunft wissen wir nicht, wie ich die Verhältnisse gestalten werden, und ob nicht die Be¬ stellung eines eigenen Beamten notwendig sein werde.

Die Sektion stellt daher folgenden Antrag: Der Gemeinderat beschließe, den vorgelegten Ent¬ wurf eines Statutes für das Allgemeine öffentliche Kranken¬ haus der l. f. Stadt Steyr mit den vorstehend niedergeleg ten Abänderungen der §§ 1 bis 3 zu genehmigen. Herr GR. Kirchberger erklärt sich mit den von der I. Sektion zu den §§ 1 bis 3 beantragten Abänderungen vollkommen einverstanden und sei der von der Spitals¬ kommission unverbindlich vorgelegte Entwurf nur einem Muster anderer Krankenhäuser entnommen. Es sei höchste Zeit, daß in der Zukunft eine Aufsicht bestellt werde; leider habe auch das städtische Bauamt ausgelassen, es war nie etwas zu erreichen. Es sind draußen kolossale Rückstände vorhanden. Fünf Vierteljahre ist keine Rechnung ge¬ chrieben worden, was jedenfalls auch dem Amte nicht be¬ kannt war. Ich bitte daher um Annahme des Sektions¬ antrages. err Dr. Harant bemerkt, daß auch noch Entwürfe über eine Haus= und Krankenordnung, einer Dienstesvor¬ schrift für das Pflegepersonal, eine solche für den Torwart und für den Leichenwächter vorliegen, welche aber, da es der Sektion bisher unmöglich war, über dieselben zu be¬ zur nächsten Sitzung zurückgelegt werden wollen raten, Der Gemeinderat stimmt der Vertagung über die Be¬ handlung dieser Entwürfe zu er Herr Vorsitzende bringt sohin den Sektions¬ zur Abstimmung und wird derselbe vom Gemeinde antrag ate einstimmig zum Beschlusse erhoben I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr GR. Kirchberger. Franz 1. Zeichnung auf die VII. österreichische Kriegsanleihe. Herr Referent GR. Kirchberger: Ich glaube, es würde der guten Sache abträglich sein, wenn ich die Not¬ wendigkeit der Teilnahme an dieser Kriegsanleihe seitene der Stadt begründen würde Die Sektion empfiehlt dem löblichen Gemeinderate mit Rücksicht auf die errungenen Erfolge unsere chon Truppen, die nunmehr tief in das Land unseres Erbfeindes Italien eingedrungen sind, und als eine kleine Dankes¬ abstattung für unsere braven im Felde stehenden Truppen ur VII. österreichischen Kriegsanleihe einen Betrag von 2,000.000 K 5½prozentiger amortisabler Staatsanleihe zu zeichnen. Die hiezu erforderlichen Mittel sind zu den an¬ gebotenen Bedingungen bei der oberösterreichischen Landes¬ Hypothekenanstalt in Linz zu beschaffen, wobei die Artillerie¬ kaserne als Pfandobjekt zu dienen hat. Die Zeichnung dieser Kriegsanleihe hat zu gleichen Teilen bei den hiesigen Filialen der Bank für Oberösterreich und Salzburg, bezw. der Allge¬ meinen Depositenbank zu erfolgen, wobei letzterer zur Be¬ ingung gemacht wird, daß diese Zeichnung von der Depo¬ sitenbank ausdrücklich als in Steyr aufgebracht, auszuweisen Mit der weiteren Durchführung der Kriegsanleihe¬ ist. zeinchung wird der Herr Bürgermeister und die Finanz¬ ektion betraut. herr GR. Wokral: Es ist nun das siebtemal, daß der Staat an uns heraantritt, ihm die Mittel zur Weiter führung des Krieges zur Verfügung zu stellen. Die Stadt¬ gemeinde Steyr hat regelmäßig zu den Kriegsanleihen des Staates beigetragen und ist auch diesmal wieder im Be¬ griffe, dies zu tun. Die Stadtgemeinde muß Geld auf¬ nehmen, Schulden machen, um dem Staate Opfer zu bringen. Wenn der Staat dies verlangt und die Bevölkerung durch ihre berufene Körperschaft die Begebung dieser neuen Kriegsanleihe beschließt, um dem Staat die Mittel zu geben den Krieg weiter zu führen. so kann ich doch nicht umhin, zu fragen. wohin das noch führen soll, wohin wir eigentlich gehen. Der Krieg dauert das vierte Jahr, noch ist kein Ende abzusehen und niemand weiß. wohin er uns führen wvird. Die Reden des Herrn Ministers des Aeußern bei privaten Festen können uns nicht als öffentliche Kund¬ gebungen gelten. Auch im Parlament hat man sich noch nicht dazu aufgerafft, zu sagen, welche Kriegsziele man an¬ trebt. Ich glaube, daß der Staat sich aufraffen muß, uns zu sagen, wie lange noch und bis zu welchem Ziele er den Krieg zu führen gedenkt. Wenn wir bedenken, wie weit wir schon gekommen sind, muß wohl die bange Frage auf¬ teigen, werden wir noch imstande sein, durchzuhalten und wenn ja, wie lange noch und wofür eigentlich Vom persönlichen und Parteistandpunkte erkläre ich er Auffassung zu sein, wenn schon der Gemeinderat es als seine Pflicht erachtet, sich an der neuerlichen Kriegsanleihe zu beteiligen, dennoch bitten zu müssen, darauf hinzu¬ wirken, daß die Regierung aufgefordert werde, alles daran¬ zusetzen, daß einmal Schluß gemacht werde und die Re¬ gierung offen bekannt gibt, wohin und welchen Zielen sie sich zuwenden will. Wenn es tunlich und durchführbar wäre, müßte man sagen, daß der Gemeinderat nur unte den vorausgesagten Bedingungen eine Anleihe zeichnen sollte; nun ist aber dies undurchführbar. Vom Parteistand¬ unkte möchte ich auch ausdrücklich erklären, daß wir füs Eroberungen kein Interesse haben. Wir hatten mit unseren Eroberungen stets großes Pech, sie werden uns auch dies nal weiter kein Glück bringen. Aber nicht bloß vom Standpunkte der sozialdemokratischen Partei bin ich da 5 gegen, daß sich der Staat mit Eroberungen beschäftigt, auch als Deutsche haben wir kein Interesse daran, daß vielleicht unsere vielsprachigen Länder im Staate noch vermehrt und uns als Deutsche dadurch unsere Existenz noch mehr rschwert wird, weil neue fremdsprachige Länder dem Staate angegliedert werden, so daß niemals eine gewisse Ordnung in unser Staatsleben gebracht wird Ich glaube, alle anwesenden Herren und auch die ge¬ samte Bevölkerung wird zugeben und sagen müssen, daß vir nahe am Ende unserer Kräfte sind und wir, wenn wir chon die patriotische Pflicht haben, Kriegsanleihe auf¬ bringen zu müssen, auch die Regierung ihrer Pflicht bewuß ein muß, uns zu sagen, wohin wir gehen und welches iel wir haben, sonst wird ein Ende mit Schrecken besser ein, als diesen Schrecken ohne Ende fortzusetzen Ich hoffe, daß die Regierung jede Gelegenheit wahr¬ immt und benützt. um dem Krieg ein Ende zu machen und ersuche ich daher, die Regierung aufzufordern, ihre Kriegs¬ ziele offen bekanntzugeben, damit der Frieden endlich er¬ eicht werden kann Herr GR. Prof. Erb: Vor allem möchte ich einen Ausdruck des Herrn GR. Wokral richtig stellen: wir nachen Schulden zum Zwecke der Kriegsanleihe. Ich glaube, in dieser allgemein gesprochenen Form ist der Antrag des Herrn GR. Wokral unrichtig, denn wir machen keine Schul¬ en zur Zeichnung der Kriegsanleihe, sondern der Staat macht bei der Gemeinde Schulden und diese Schulden wer¬ en eben weiter übertragen; wir sind nur ein Zwischen¬ glied, denn wir bekommen ja für das Geld die Kriegs¬ anleihe=Obligationen und diese verzinsen sich solange, als ie Kriegsanleihen verzinst werden. Es ist doch etwas inderes, wenn wir Geld aufnehmen, daß die Stadt selbst erzinsen muß, als die Begebung einer Kriegsanleihe, wo¬ von die Gemeinde die Zinsen bekomml. Wie Sie aus den Darlegungen des Antrages der Finanzsektion gehört haben, bedeutet die Zeichnung auf die Kriegsanleihe für die Gemeinde ein Geschäft. Es ist also, ch wiederhole es, ganz was anderes. als wenn die Ge¬ neinde etwa für Kanalisierung oder Wasserleitung Gelden aufnehmen und diese verzinsen muß. Dies muß hier auch deswegen gesagt werden, weil in der Bevölkerung die Meinung geäußert wurde, als wenn aus Gemeindemitteln die Zinsen für diese Anleihe zu decken wären. Die Zinsen Toupons der Obligationen werden eingelöst und daher die Leistungen der Gemeinde an die vorstreckenden Banken durch die Zinseneingänge gedeckt. Nun zum Kapitel „Frieden“. Ich weiß keinen Men¬ schen in der ganzen Welt, der uns sagen kann, wann der Krieg aufhört und unter welchen Bedingungen der Friede eschlossen werden wird. Ich weiß, daß die ganze Welt riedensbedürftig ist. Doch ist die Sache so: Wenn zwei miteinander raufen und einer will aufhören und der andere agt, nein, ich will dich umbringen und unschädlich machen so wird der Bedrohte sich so lange verteidigen. so lange es ihm möglich ist. Das geht nun im großen Maßstabe jetzt vor, wo so viele Staaten gegen und miteinander kämpfen. Einfacher war die Sache, wie 1870/71 nur zwei Staaten niteinander aus iraend einem Grunde Krieg führten. Nun führen aber heute über 17 oder noch mehr Siaaten Krieg gegen uns, und zwar um Zwecke. um die kaum jemals in der Welt Krieg geführt wurde, Krieg um wirtschaftliche Inter¬ essen auf Jahrhunderte hinaus. dazu um Ländererwerb und Kriegsentschädigungen. Der Kriea dreht sich darum, eine Gruppe von Staaten, die Zentralmächte, von der Konkurrenz am Weltmarkte vollständig auszuschalten und die Zentral¬ nächte gänzlich abhängig zu machen. Vorläufig sind Eng¬ and und Amerika die tonangebenden: alle anderen haben iberhaupt nichts mehr zu sagen und sind Heloten von Eng land, und wenn wir noch soviel vom Frieden reden und noch so sanftmütige, um nicht zu sagen demütige Bedingun¬ gen stellen, England wird nicht nachgeben und um so weniger nachgeben, je ängstlicher wir selbst die Lage darstellen. Ein olches Beginnen kann den Feinden nur dazu dienen, ihre Kräfte anzuspannen, um uns niederzuringen, und muß daher kriegsverlängernd wirken. Alle diese Fragen treffen schwer den Mittelstand. vor allem aber den deutschen Arbeiter. Ihre sozialdemokratischen Parteigenossen im Deutschen Reiche wissen ganz genau, daß mit dem Niederringen und Niedergange des Deutschen Reiches auch die Verelendung des deutschen Arbeiters folgt, des wegen stimmen sie alle den budgetären Anforderungen der Regierung zu: anders, entgegengesekzt verhalten sich die deutschen Sozialdemokraten in Oesterreich Der Regierung aber für die Zeichnung der Kriegs¬ anleihe eine Bedingung über Frieden zu stellen, ist ganz inmöglich. Ich habe schon am Beginne meiner Aus¬ führungen dargelegt, daß heute kein Mensch weiß, wie der Friede geschlossen werden wird; es kennt sich noch nie¬ mand in dieser Frage aus. Ich bin gewiß für den Frieden, ber für einen Frieden, in dem wir hernach existieren können, inabhängig sind und nicht vielleicht in kurzer Zeit nach den Friedensschluß unter viel schlechteren Bedingungen wieder überfallen werden. Friede, ja, aber unter Sicherstellung der Existenzbedingungen und weil wir alle Deutsche sind, vor allem der Deutschen in Oesterreich und des Deutschen Reiches. Unter diesen Bedingungen sind wir jederzeir zum

Frieden bereit. Daß aber der Gemeinderat von Steyr den Frieden verlangen und Einfluß nehmen kann, ist wohl nicht gut denkbar. Ja, wenn der Gemeinderat von London und die dortigen englischen Machthaber Frieden schließen wollen, dann wird er in kurzer Zeit da sein, vorausgesetzt, daß Lloyd George nachgibt. Wir aber, die wir ja keinen Er¬ oberungsfeldzug führen und mit unseren Truppen heute überall siegreich in den feindlichen Landen stehen, würden es bei der freiwilligen Rückziehung unserer Truppen an unsere Grenzen erleben müssen, daß uns die Feinde inner¬ halb unserer Grenzen sofort wieder nachkommen. Ich bitte also, alle diese Verhältnisse so zu nehmen wie sie sind. Herr Kollege Wokral wird mir gewiß recht geben, daß die Deutschen in der allergrößten Gefahr stehen, ihr selbständiges Bestimmungsrecht vollständig zu verlieren. Ein Kampf um die Existenz des deutschen Volkes und um seine Unabhängigkeit ist entbrannt. Furchtbar und gräßlich. Anders geht es nicht, als uns die Sicherung unserer künf¬ tagen Existenzbedingungen zu erkämpfen. Gewiß wird diese Sicherung nicht darin bestehen, daß wir uns schwach zeigen, daß wir immer nachgeben und winseln, sondern daß wir weiterkämpfen, bis die Feinde zur Einsicht ge¬ langen, wir sind nicht niederzuringen. Diese Zeit wird und muß kommen. Wir müssen daher den Feinden durch die Zeichnung der Kriegsanleihe zeigen, wie wir auch finanziell ungebrochen und wohl imstande sind. den Kampf auch finanziell erfolgreich fortzusetzen. Die Kriegsanleihe ist somit für uns ein Friedensmittel. Ich wiederhole noch¬ mals: Wir sind für den Frieden, aber nicht für einen Frieden, wo wir die Unterliegenden sind, sondern für einen Frieden, in dem wir für ein Jahrhundert unsere Existenz und unseren Anteil unbehelligt am Weltmarkt sichern. Heute ist aber die Lage bestimmt so, wie ich sie geschildert habe. Ich bitte daher, auf den Antrag der Finanzsektion einzu¬ gehen. (Beifall.) Herr GR. Wokral: Ich muß hier etwas klarstellen. Selbstverständlich weiß heute niemand, wann und wie der Krieg endet. Aber eines müssen wir wissen, wie lange es noch gelingen wird, den Kampf auch mit Anspannung aller unserer Kräfte fortzusetzen. Darüber müssen wir uns klar werden. Wir müssen unsere Kräfte abzuschätzen wissen. Es hat gar keinen Zweck, dem Gegner zu drohen, wenn wir unsere Kräfte nicht abzuschätzen wissen. Ich glaube, wenn wir es wissen, wie es mit uns steht, daß dies den Krieg durchaus nicht verlängern kann. Daß der gegenwärtige Kampf einen Kampf um die Existenz bedeutet, wird nie¬ mand bestreiten können, jeder Tag zeigt uns dies ja aufs deutlichste. Unsere Auffassung als Deutsche geht dahin, daß unsere Existenz dadurch nicht erleichtert wird, daß wir immer neue fremdsprachige Völker unserem Staate an¬ schließen; wir haben daher für Eroberungen kein Interesse. Ich möchte auch noch betonen, daß Herr Professor Erb es unrichtig aufgefaßt hat, wenn er meint, daß die Sozial¬ demokraten Oesterreichs eine andere Stellung einnehmen, als die Sozialdemokraten Deutschlands. Auch diese vertreten den Standpunkt, daß aus Eroberungen fremder Länder keine Sicherheit für die Existenz des Deutschtums erwächst. Wir wollen nichts anderes, als daß die von uns gebrachten Opfer zur Verteidigung. nicht aber zu Eroberungen gebracht werden. Das ist unser Ziel und dies solle der Gemeinderat heute bei der Zeichnung seiner Kriegsanleihe der Re¬ gierung gegenüber zum Ausdrucke bringen. Wir erblicken unsere Sicherheit für die fernere Existenz des Staates in der Verteidigung der Grenzen und Fernhaltung der An¬ gliederung fremdsprachiger Völker, die das Deutschtum im Staate zu erdrücken drohen. Ich möchte nichts anderes als den Verteidigungskampf und daß alles getan werde, um diesem schrecklichen Kriege so rasch als möglich ein Ende zu machen. Dies aber möge der Gemeinderat der Re¬ gierung gegenüber auch zum Ausdrucke bringen. Herr GR. Prof Erb: Ich möchte dazu bemerken, daß sich Kriegsanleihen nicht auf Kriegsziele beziehen. Die reichsdeutschen Sozialdemokraten haben für die Anleihen des Staates und die Budgets fortwährend mit Ausnahme einer kleinen Gruppe geschlossen gestimmt, während die Sozialdemokraten Oesterreichs mit Ausnahme der polnischen Sozialisten gegen jede Anleihe gestimmt haben. Das ist also doch ein wesentlicher Unterschied. Nun dreht sichs aber im Deutschen Reiche um den Besitz von Elsaß=Lothringen. Schuld daran trägt der größte Fehler Metternichs, der im Jahre 1815 aus Eifersüchtelei gegenüber Preußen, damit dieses und Deutschland Elsaß=Lothringen nicht bekommen soll, es durch den französischen Minister Tayllerand dahin gebracht hat, daß Elsaß=Lothringen an Frankreich abge¬ treten wurde. Dies zeigt, wie gefährlich in der Zukunft olche Länderteilungen wirken können, da sie stets neue Kriege heraufbeschwören. Wenn nun auch das Abgeordnetenhaus Friedens¬ vorschläge ausarbeiten und Kriegsziele festsetzen würde, so hätte es doch keinen Wert, weil die Phasen des Krieges außerordentlich rasch wechseln. Seinerzeit wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die deutschen Sozialdemokraten sich an den verantwortlichen Stellen unseres Staates beteiligen und in die Regierung eintreten sollen. Warum ist das nicht geschehen? Da hätten die deutschen Sozialdemokraten ihren Einfluß geltend machen können. Wenn Herr Reichsrats=Ageordneter Doktor Renner in die Regierung eingetreten wäre, hätten wir heute schon ein Koalitions=Ministerium, das auf ihre Parteien fußend, durch diese zu irgend einer Stellungnahme hätte gezwungen werden können. Die Herren Sozialdemokraten sagten aber, sie tun nicht mit, um keine Verantwortung tragen zu müssen. Daraufhin erklärten die Christlich¬ sozialen, da die Sozialdemokraten nicht in das Ministerium eintreten und Abg. Dr. Renner das Ministerium für soziale Fürsorge nicht annehme, können sie auch nicht Minister¬ posten annehmen. Die Sozialdemokraten übernehmen keine Verantwortung, sie auch nicht. So scheiterte nach vielen Verhandlungen das geplante Koalitions=Ministerium an dem „Nein, das heißt an der Ablehnung der Beteiligung durch die sozialdemokratische Partei und ihne Weigerung an der parlamentarischen Mitarbeit und Uebernahme einer wirklichen Verantwortung. Sie bleibt in fortgesetzter Opposition und im Kampfe gegen alle anderen aus agitatori¬ schen und taktischen Gründen. Selbst will sie nicht regieren oder an der Regierung teilnehmen, obwohl sie dann besser Gelegenheit hätte, das zu tun, was sie oft so ungestüm von der Regierung und von den Parteien verlangt, die sie bekämpft. Das ist freilich schön und bequem, anderen die Ver¬ antwortung zu lassen, um selbst fortwährend angreifen zu können: das ist der herrliche Zustand der unverantwortlichen Opposition. Wie ich im Gemeinderate in der Opposition war, habe ich diese Lage kennen gelernt. Das wird natür¬ lich anders, wenn die Opposition an die verantwortliche Stelle kommt. Ein Koalitions=Ministerium wäre der beste Schritt zu Friedensvorschlägen gewesen. Die Verhältnisse sind nun heute so. daß es unmöglich erscheint, im Parlament mit bestimmten Friedensvorschlägen durchzukommen. (Beifall.) Nachdem sich zum Gegenstande niemand mehr zum Worte meldet. schreitet der Herr Vorsitzende über den Antrag der Finanzsektion zur Abstimmung und ersucht die Zustimmung zum Antrage durch Erheben von den Sitzen zum Ausdrucke zu bringen. Der Antrag der Finanzsektion wird sohin mit allen gegen eine Stimme zum Beschlusse erhoben. Herr Bürgermeister: Ich stelle fest, daß die Annahme des Antrages in Anwesenheit von mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Gemeinderates und mit großer Mehrheit stattgefunden hat Herr GR. August Mitter dankt dem Gemeinderare ür die bewiesene Teilnahme anläßlich des Heldentodes eines Sohnes Herrn August Mitter jun. Hierauf schließt der Herr Vocsitzende um ¾5 Uhr nachmittags mit Dankesworten die Sitzung.

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