Ratsprotokoll vom 24. Juli 1917

4 Bäume, plündern die Fluren und gefährden den Landwirt ind seine Leute körperlich, falls er sich diese abscheulichen Plündereien nicht gefallen lassen will, die ihn so schwer chädigen. Täglich sind Raufereien mit blutigem Ausgange zu erwarten. Die wenigen Marktgeherinnen, welche es noch wagen, in die Stadt Lebensmittel bringen zu wollen, werden au den Straßen vor den Toren der Stadt überfallen, die Le¬ bensmittel weggerissen, ein großer Teil davon gestohlen se daß niemand mehr in der Zukunft sich finden wird, die Stadt mit Lébensmitteln zu beschicken Die Versorgung der Stadt leidet schwer darunter. Den bersten Landes= und Staatsbehörden scheinen diese be¬ orgniserregenden Zustände nicht bekannt zu sein, zum min¬ desten nicht in ihrer vollen Schwere, denn von Gegenma߬ regeln hört man noch immer nichts. Während im benachbarten Bayern rechtzeitig strenge Flurschutz=Verordnungen erlassen wurden, harren wir in Oberösterreich noch immer vergebens auf solche, sie werden, alls sie erscheinen sollten, viel zu spät kommen. Mit großer Besorgnis erfüllen den Gemeinderat der Stadt Steyr und die anständige Bevölkerung diese uner¬ hörten Zustände. Die aufgebrachte, mißmutige Landwirt¬ schaft will nichts mehr in die Stadt bringen, sie will nur das für ihren Betrieb Notwendigste setzen und pflegen, weil ihr so viel gestohlen und vernichtet wird. Dadurch wird nichts mehr in die Stadt kommen, was sonst die Bauernschaft brachte. Der Haß der Landwirtschaft gegen die städtisch Bevölkerung steigert sich, wenn der Besitz und die Ernte der Landwirte als herrenloses Gut gar keinen Schutz findet, worunter besonders die anständige Bevölkerung leiden muß. Diesem wüsten Treiben können die staatlichen Behörden och nicht mehr länger tatenlos zusehen Mit Ausnahme der Diebe und Plünderer ist bereits die gesamte Bevölkerung aufs äußerste darüber empört, daß nirgends Schutz zu finden ist, um diesem skandalösen Treiben ein rasches, scharfes Ende zu bereiten Daher wird beantragt Der Gemeinderat der Stadt Steyr beschließe: Die k. k. Regierung werde sofort auf diese allgemein o schädlichen Vorkommnisse mit allem Ernste aufmerksam gemacht und ersucht, ebenso strenge Flurschutz=Verordnungen zu erlassen, wie sie vor längerer Zeit im Königreiche Bayern erfolgt sind; das Militärkommando werde ersucht, möglichst viele Patrouillen zu bilden, welche auch spät nachts rücksichtslos gegen die Diebe und Plünderer vorgehen, sie verhaften und zur Anzeige bringen, und damit die Marktgeherinnen geschützt werden, um ihre Lebensmittel — die oft von Bauersfrauen, Kindern ind alten Leuten mühsam gezogen wurden, weil der Mann und die Söhne im Felde stehen — ohne überfallen zu werden, in die Stadt bringen können. Brund und Boden sind ebenso wenig herrenloses Gut, vie die Uhr und die Brieftasche im Sacke des Städters. Die Stadtgemeinde Steyr muß zum Schutze der Ver¬ sorgung ihrer Bevölkerung gegen diese Räubereien Stellung nehmen. Der Reichsrats=Abgeordnete der Stadt Steyr, k. k. Pro¬ fessor Leopold Erb ist zu ersuchen, dem Herrn k. k. Mi¬ iisterpräsidenten, dem k. k. Justizminister, dem k. k. Minister des Innern, dem k. k. Ackerbauminister, dem k. k. Minister und Leiter des Volksernährungsamtes, dem k. u. k. Kriegs¬ minister und dem k. k. Minister für Landesverteidigung iesen Beschluß befürwortend zu übermitteln. Der Bürgermeister wird ersucht, diesen Beschluß der k. k Statthalterei und dem k. u. k. Siationskommandanten von Steyr zuzusenden. Steyr, am 24. Juli 1917. Josef Haidenthaller, Gemeinderat. Erb, Mitter, Fr. Kattner, Aigner, Schwertfelner, Gründler. Ich bitte Herrn GR. Haidenthaller, die Dringlichkeit des Antrages zu begründen Herr GR. Haidenthaller: Die Dringlichkeit be gründe ich damit, daß bisher in dieser Hinsicht noch keine Maßregeln ergriffen wurden, obwohl dieselben nach den gemachten Erfahrungen unaufschiebbar sind. Der Herr Bürgermeister läßt über die Dring¬ lichkeit des Antrages abstimmen. Die Abstimmung ergibt die Annahme der Dringlichkeit des Antrages herr Bürgermeister: Ich erteile Herrn GR. Hai¬ denthaller zum Antrage das Wort. herr GR. Haidenthaller: Dem Antrage selbst habe ich weiter nichts beizufügen, weil der Inhalt des An¬ trages auf Tatsachen gestellt ist. Herr GR. Prof. Erb: Es handelt sich hier um eine Menge kleine Leute, die von den Bauern kleine Aecker ge¬ pachtet haben, um sich dort ihren Bedarf an Kartoffeln und Gemüse zu ziehen. Man kann an Sonntagen diese Leute hinausziehen sehen, um die Aecker mühsam zu bearbeiten und diesen Leuten wird das angebaute Gut weggenommen. Es ist begreiflich, wenn sich diese Leute dagegen wehren. Zum Schutze dieser Anbauflächen ist aber bisher noch gar lichts geschehen. obwohl schon bei der Verteidigung dieses nühsam gezogenen Anbaues Prügeleien vorgekommen sind. Herr GR. Aigner: Dieser Antrag ist gerade auch peziell im Interesse der Gewerbetreibenden aufzufassen, weil unter diesen Mißständen der Gewerbestand in der Er¬ jährung seiner Arbeitskräfte am schwersten getroffen ist. Um den Gewerbestand kümmert sich aber niemand, er wird anz seinem Schicksale überlassen. Wir werden mit keinem Rohmaterial versorgt; es wolle also auch im Approvisionie¬ rungs=Ausschuß Vorsorge getroffen werden, daß auch der ürgerliche Gewerbestand etwas bekommt. Herr GR. Denkmayr: gleichfalls sehr Ich bin dafür, daß in dieser Hinsicht so bald als möglich etwas geschieht. Wovon soll der Gewerbetreibende arbeiten, wenn hm keine Materialien zugestellt werden und alles beschlag¬ ahmt wird. Es wäre hoch an der Zeit, daß, wenn Herr eichsrats=Abgeordneter Professor Erb den Dringlichkeits¬ antrag bei den Ministerien überreicht, auch in dieser Hinsicht vorstellig wird, damit der Gewerbestand einen Schutz findet ind Rohmaterialien bekommt. err GR. Wokral: Ich glaube, wir sind über den Sinn und die Tendenz des Dringlichkeitsantrages hinaus¬ gekommen. Der Dringlichkeitsantrag kann sich nicht dami beschäftigen, die Fragen des Schutzes des Gewerbestandes zu behandeln, sondern der Antrag ist zum Schutze der All¬ emeinheit gestellt. Wir würden auch dem Antragsteller einen schlechten Dienst erweisen, wenn mit seinem Dring¬ lichkeitsantrag auch spezielle Fragen verquickt würden. Hien andelt es sich hauptsächlich um eine Ernährungsfrage und nicht um eine Gewerbeförderung. Diese im Dringlichkeits¬ intrage angeführten Tatsachen geben uns ein Zeugnis, daß der Krieg die Gemüter verwildert und verroht hat Der mit dem Dringlichkeitsantrag verlangte Schutz be trifft kleine Leute und soll verhindern, daß vor den Toren unserer Stadt Plünderungen hintangehalten werden. Aber auch in der Stadt selbst drängen sich die Leute um die Ver äuferinnen von Gemüsen und stehlen im Gedränge die Waren weg, so daß sich bald niemand mehr trauen wird in die Stadt überhaupt noch etwas zum Verkaufe zu ringen. Ich möchte daher heute wiederum auf meine einerzeitige Anregung zurückkommen und wünschen, daß ie Verkaufshalle, richtig Verkaufsstand, so bald als möglich ertiggestellt wird, damit die Leute nicht mehr so umring verden können und doch mit ruhigem Gewissen mit ihren Verkaufsartikeln in die Stadt kommen können und dort hre Waren auch richtig bezahlt erhalten Herr GR. Prof. Erb: Ich muß nochmals, und zwar zu den Ausführungen der Herren Vorredner GR. Aigner und Denkmayr zurückkommend, das Wort ergreifen. Der Antrag lautet für die Allgemeinheit. Ich bin bekannter¬ maßen im Reichsrate auch Mitglied des Gewerbeausschusses und habe bisher jede passende Gelegenheit benützt, mich für den Gewerbestand einzusetzen und auch jetzt gerade durch die nfolge des Krieges hervorgerufenen außerordentlichen Ver¬ hältnisse habe ich mir bei jeder passenden Gelegenheit Mühe gegeben und selbst hie und da aus eigener Initiative den Schutz der Gewerbetreibenden gesucht. Das gleiche wird ge¬ chehen, wenn sich bei Ueberreichung des Dringlichkeits¬ intrages die Gelegenheit hiezu ergibt. Herr GR. Aigner: Auf die Ausführungen der Her¬ ren Gemeinderäte Wokral und Prof. Erb fühle ich mich ochmals verpflichtet, das Wort zu nehmen. Herr Professor Erb hat erklärt, „wenn sich eine passende Gelegenheit gibt, als bei diesem Dringlichkeitsantrag“. Ich konstatiere und veise nach, daß gerade jetzt sich diese passende Gelegenheit ergibt, um das Wort zu ergreifen. Der Bauer schützt seine Fluren und wir sollen sie schützen helfen, damit sie was hereinbringen. Wenn Sie glauben, wir hätten eine andere assende Gelegenheit, so ist dies nicht der Fall, denn wenr die Sache so weit ist, daß man 2 Dekagramm Butter und ein Ei für 4 Köpfe in der Familie bekommt, gibt es gewiß Belegenheit, sich zum Worte zu melden. Da muß jede Belegenheit benützt werden, um dem Ausdruck zu geben und Schutz zu suchen. Wir Steyrer Gewerbetreibende nüssen überall zusehen, um uns kümmert sich kein Mensch uind kommt uns zu Hilfe. Für die Herrschaften gibt es Aushilfskräfte genug, für die Gewerbetreibenden und Hilfs¬ kräfte ist nicht einmal ein dreitägiger Urlaub zu erreichen. Wir müssen zusehen, wie bei den Bauten Auswärtige ar¬ beiten, aber die Steuern werden uns entsprechend hinauf¬ eschraubt. So steht die Lage; infolgedessen sind wir ver¬ pflichtet, bei jeder Gelegenheit das Wort zu ergreifen Be¬ Herr GR. Prof. Erb: Ich möchte eine tatsächliche daß richtigung vorbringen und dem Herrn Vorredner sagen, er mich vollständig mißverstanden hat. Ich habe gesagt, dab be¬ ch jede passende Gelegenheit im Abgeordnetenhause nützt habe, um für die Gewerbetreibenden einzutreten, und ür er hat gemeint, das wäre keine passende Gelegenhei hn, für den Gewerbestand einzutreten. Ich kann Ihnen nur nochmals sagen, daß ich noch bei jeder Gelegenheit, die sich im Abgeordnetenhause ergeben hat und ergibt, eintreten verde. Das ist genau das Gegenteil von dem, was ie gesagt haben soll.

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