Ratsprotokoll vom 8. Mai 1917

Schließlich erlaube ich mir noch zu berichten, daß ich an die österreichische Waffenfabriksgesellschaft mit der Bitte heran¬ getreten bin, einen Teil ihrer Kriegsanleihezeichnung bei einem hiesigen Geldinstitute vorzunehmen, da hiedurch nicht nur das Zeichnungsergebnis in Steyr, sondern auch in Oberösterreid ünstig beeinflußt würde. Die Antwort der Wassenfabrik enthält eider die Mitteilung, daß dies unmöglich sei, weil die Gesell¬ schaft sich verpflichtet habe, die ganzen Kriegsanleihezeichnungen bei der Bodenkreditanstalt vorzunehmen Nach einer heute eingelangten Mitteilung des Herrn Hof¬ rates van de Castel ist das Postamt für Ennsdorf bereits bewilligt, doch stehen der Errichtung noch Schwie¬ rigkeiten betreffs Unterbringung im Wege. Hoffentlich werden ich diese Schwierigkeiten in Bälde beheben lassen. Sämtliche Mitteilungen werden zur Kenntnis genommen. Der Herr Vorsitzende verliest sodann die folgende öffentliche Anfrage der sozialdemokratischen Gemeinderäte Gottlieb Dantlgraber, Ludwig Binderberger, Josef Wokral und Franz Tribrunner: Vom ersten Augenblick des Krieges an hat die Arbeiter¬ schaft ihre Pflicht gegenüber Staat, Land und Gemeinde ehrlick und gewissenhaft erfüllt, sowohl im Schützengraben wie als Sol¬ daten des Hinterlandes. Ihre Opferwilligkeit und Pflichtgefühl machten ihr die Leiden und Entbehrungen, welche in erster Linie ihr das Unglück des Krieges auferlegte, erträglich und befähigt ie, die Schmach politischer Rechtlosigkeit in Land und Gemeinde bisher zu ertragen. Das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung war es, welches sie unerschütterlich ausharren ließ Eines der angeblichen Kriegsziele unserer Gegner ist die Schassung demokratischer Zustände in unserem Heimatlande. So entschieden wir eine Demokratie, die uns auf den Spitzen der Bajonette mit Maschinengewehren und Kanonen durch die Gegner aufgezwungen würde, als mit dem Wesen der Demokratie und der Souveränität des Volkes unvereinbar, zurückweisen, so erfüll es uns mit unermeßlicher Bitterkeit, feststellen zu müssen, daß in den ruhmreichen Tagen der russischen Revolution, während die unterdrücktesten Völker Europas in Rußland mit einem Schlage voll= und gleichberechtigte Bürger wurden, während in Preußen das allgemeine, gleiche Wahlrecht für den Landtag feierlich verheißen und auch selbst unser Kaiser und sein Ministen des Aeußern „den Hut vor der Arbeiterschaft gezogen“ wir noch immer in Land und Gemeinde nicht volle und gleichberech¬ igte Bürger sind und unsere Frauen von jedem Einfluß auf Gesetzgebung und Verwaltung in Staat, Land und Gemeinde ausgeschlossen sind. Eine Aufrechterhaltung des bisherigen rechtlosen Zustandes erscheint uns nach drei Jahren Weltkrieg als völlig ausge chlossen. Auch die noch vor Kriegsbeginn beschlossene, aber nich in Kraft getretene Gemeindewahlreform entspricht nicht mehr den demokratischen Anforderungen der heutigen großen Zeit. Die gefertigten sozialdemokratischen Gemeinderäte stellen deshalb an Sie, Herr Bürgermeister, in öffentlicher Gemeinde¬ ratssitzung folgende Anfragen Sind Sie, Herr Bürgermeister, bereit, dem Gemeinderate in allerkürzester Frist einen Antrag auf Aenderung der bestehen den Gemeindewahlordnung, durch Einführung des allgemeinen ind gleichen Wahlrechtes für alle ein Jahr in der Gemeinde seßhaften, 24 Jahre alten österreichischen Staatsbürger, ohne Unterschied des Geschlechtes und unter Zugrundelegung der Ver¬ ältniswahl, zur Beschlußfassung zu unterbreiten? Sind Sie, Herr Bürgermeister, da Sie ja auch Abgeord¬ des oberösterreichischen Landtages find, bereit, für eine ieter sofortige Reform des Landtagswahlrechtes, unter Zugrunde¬ legung oben angeführter demokratischer Grundsätze, mit allen Nachdrucke zu wirken Was gedenken Sie, Herr Bürgermeister, überhaupt zu tun, um, dem demokratischen Zuge unserer großen Zeit folgend, die Bevölkerung zur weitgehendsten Mitarbeit in der Gemeinde eranzuziehen? Der Herr Vorsitzende erklärt in formeller Beziehung, daß derartige Anträge im Wege der 1. Sektion gestellt zu werden pflegen, weshalb er diese Anfrage der I. Sektion zuweise. Die in der Reihenfolge als zweite gestellte Anfrage sei eine reine Landessache und könne daher nie den Gegenstand einer Be¬ ratung oder Beschlußfassung des Gemeinderates der Stadt Steyr bilden. Die dritte Anfrage erledigt sich gleich der ersten. Der Herr Vorsitzende gibt bekannt, daß es ihm nicht mög. lich gewesen sei, bei dem letzten Städtetage in Wien teilzunehmen, weshalb er den G.=R. Professor Leopold Erb mit seiner Ver¬ retung hiebei betraut habe, den er hiemit auffordere, Bericht zu erstatten. Herr G.=R. Professor Leopold Erb berichtet: Bei dem Städtetage in Wien, an welchem ich die Ehre hatte, in Vertretung des Herrn Bürgermeisters teilzunehmen, vurden die verschiedensten Fragen eingehend behandelt. Die nächste Frage war die, wie sich die Gemeindewirtschaft in die allgemeine Wirtschaft einzufügen hat. Es wurde ein Ausschuß eingesetzt, der in beratender Art die verschiedensten Fragen vor¬ zubereiten hatte Im Ausschusse wurden vor allem Approvisionie¬ rungsfragen, bezw. =Sorgen behandelt. Es wurde bekannt ge¬ geben, daß der Bund der deutschen Städte mit den Bauern¬ vereinigungen der deutschen in Ungarn Vereinbarungen bezüglich der Lieferung von Kartoffeln angebahnt habe. Diese Angelegen¬ heit ist noch vertraulicher Natur. Viel besprochen war auch die Frage der speziellen Gemeinde¬ asten, welche bekanntlich immer größer werden. Wie wäre der Staat bei der Tragung der genannten Kosten in geeigneter Weise eranzuziehen? Der Staat hat nach und nach alle Finanzquellen die die Städte aufspürten und heranzogen, für sich in Anspruch jenommen; nur die Umlagen sind den Kommunen geblieben. Ein weiterer ungünstiger Umstand ist es, daß, während den Ländern die Bierumlage ohne Rücksicht auf die Größe des Konsums, nämlich kontingentiert, zufließt, den Gemeinden die Umlage nur nach Maßgabe des Konsums zukommt. Besonders ungünstig fällt es auch ins Gewicht, daß die Vertreter, bezw der Sitz großer Unternehmungen, deren Betriebe ganz oder rößtenteils im Gemeindegebiete liegen, in Wien sich befinden, was zur Folge hat, daß die Erwerbssteuerumlagen mit einem eträchtlichen Teile der Kommune Wien zufließen, während der Betrieb doch im ganzen Umfange der Gemeinde zur Last fällt, in welcher er sich befindet. Im einzelnen Falle kommt der Unter¬ nehmer unter Umständen viel besser dazu, da derselbe in Wien ine niederige Kommunalabgabe leistet, als anderswo, beispiels in Steyr weise Auch von der Tantiemensteuer fließt in dem geschilderten der betroffenen Gemeinde nichts zu Fall Bezüglich der Spitalskostenrückersätze sind wir in Ober¬ österreich besonders schlecht daran. Die Sätze für die Kranken¬ gebühr werden uns von der Statthalterei vorgeschrieben. Mit en jetzigen Gebühren kann unmöglich ein entsprechendes Aus¬ angen gefunden werden, dabei werden aber bei uns viele Fremde aus anderen Ländern verpflegt, und diesen Ländern nüssen wir bedeutend höhere Ersätze leisten. Ich habe bein Städtetage vorgebracht, daß nach dem Wortlaute und dem Geiste der bestehenden Gesetze die politische Landesbehörde nach An örung des Landesausschusses die Verpflegsgebühren zu be¬ timmen hat; also nicht der Landesausschuß allein bestimmt sie. Bei uns hat sich aber dieser vorgeschriebene Vorgang nach und ach ganz umgekehrt gestaltet, nämlich der Landesausschuß be¬ timmt gewissermaßen allein die Höhe der Verpflegsgebühr Der Ausschuß des Städtetages beschäftigte sich auch ein¬ jehend mit der Frage, wie man die heimkehrenden Krieger einstens bekleiden werde, ferner mit der Frage der Kohlenversorgung für en nächsten Winter, der Frage der Transportgewerbe, insbe¬ ondere betreffend die Beschaffung des Gespannes und des Futters. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, woher die Städte für aufzuführende Bauten das Geld hernehmen werden. Die Boden reditanstalt würde Darlehen zu 5¼% gewähren. Der Finanz¬ referent Dr. Jäger sprach sich entschieden gegen die Aufnahme von Darlehen bei dieser Anstalt aus, weil wir in Oberösterreid das Geld doch noch immer billiger bekommen könnten. Darlehen ind aber im allgemeinen überhaupt nicht zu empfehlen, weil das Defizit in den Gemeindeverwaltungen schon ein chronisches geworden ist Auch ein Antrag wegen Sprachreinigung wurde zur Dis¬ kussion gestellt. Der Herr Vorsitzende dankt dem Herrn Referenten für einen Bericht Hierauf wird zur Erledigung der Tageordnung geschritten. Da der Obmann der I. Sektion, Herr Dr. Karl Harant un., erst später erscheinen wird, werden die Punkte der 1. Sektion vorläufig zurückgestellt. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Kirchberger. Frau 7. Abfindungsanbote für die Verbrauchsumlage gebrannte geistige Flüssigkeiten auf Folgende Parteien: Gottfried Reis, Josef Peteler, Karl Scholz, Florian Reder, Anna Meditz, Michael Meditz und Anna Skalla haben mit Bezug auf den Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1916 der Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr betreffs der von ihnen im Jahre 1917 einzuführenden Menge gebrannter zeistiger Flüssigkeiten für die darauf entfallende Gemeinde=Ver rauchsumlage von 4 k per Liter nach der Reihenfolge die Ab¬ indungssumme von 320 K, 362 K, 160 K, 130 K, 60 K 50 K und 30 K angeboten. Sektionsantrag: Die Sektion beantragt, die Einhebung im angebotenen Ausmaße zu bewilligen Beschluß nach Antrag. — Z. 18.382 8. Unterstützungsansuchen. Ueber Antrag der II. Sektion wird vom Gemeinderate dem Oberösterr. Landeswohltätigkeitsverein zur Erhaltung der Idiotenanstalt Hartheim bei Alkoven in Linz 100 K, dem Unter¬ stützungsverein deutscher Hochschüler aus Oberösterreich in Wien 20 K bewilligt Das Spendengesuch des Bundeswehrmann=Ausschusses des Bundes der Deutschen in Böhmen in Prag wird über Antrag der Sektion mangels vorhandener Mittel, das Unterstützungs¬ gesuch des Vereines „Kriegsblinden=Heimstätten“ in Wien wird über Antrag der Sektion mangels vorhandener Mittel und mit Rücksicht auf die Unterstützung gleicher heimatlicher Bestrebungen abgewiesen Die Anschaffung des im Auftrage des k. u. k. Armee=Ober kommandos vom k. u. k. Kriegsarchive herausgegebenen Werkes 3

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