Ratsprotokoll vom 19. Februar 1917

täuschungen, die die Vorsorge für eine möglichst gute Ver¬ pflegung Steyrs mit sich brachte. So mancher gute Gedanke konnte wegen unüberwindlicher Hindernisse nicht in die Tat umgesetzt werden, manche scheinbar sichere Bestellung war infolge Nichterfüllens der Lieferung oder geänderter Ver¬ hältnisse halber nicht durchführbar. Ich werde mir erlauber bei den einzelnen Waren und Sorten auf die besonderen Verhältnisse hinzuweisen und beginne mit einer der wichtig¬ sten Aufgaben, der Brot= und Mehlversorgung. Zu Beginn des Jahres war diese Versorgung im all¬ gemeinen zufriedenstellend. Auch die Güte des Brotes gab zu keinen Klagen Anlaß. Unangenehm für die Bevölkerung war bloß der Umstand, daß die Mehlausgabestellen nur einen verhältnismäßig kleinen Teil weißes Mehl abgeber durften, während die übrige Menge aus schwarzem Mehl bestand. Im Frühjahr war dann wieder die Beimischung von Maismehl vorgeschrieben, an die sich unsere Bevölkerung nur sehr widerwillig gewöhnt. Um bei Schwankungen in der Zufuhr keine Anstände zu haben, war es mein Be¬ treben, ein Lager, einen sogenannten „eisernen Vorrat hier haben zu können. Leider wurde dem nie Rechnung getragen, trotz aller Hinweise auf die Wichtigkeit Steyrs, auf die Versorgung der Waffenfabrik und auf die stets an¬ schwellende Bevölkerungszahl. Dieser letzte Umstand bot überhaupt unglaubliche Schwierigkeiten, da es außerordent¬ lich schwer war, die vorgesetzten Behörden von der Tatsache dieses Anwachsens zu überzeugen. Häufig wurde dem zu ät durch erhöhte Zuweisungen Rechnung getragen, so daß öfter Knappheit an Brot und Mehl eintrat und das Aus¬ bleiben einzelner Waggons häufig Stockungen herbeiführte Dies und das Fehlen des vorerwähnten Vorrates führte zu den unliebsamen Ereignissen des 14. September. In der Folge wurde die Versorgung etwas besser. Im November wurde die Brot= und Mehlversorgung der Waf¬ fenfabrik von jener der Stadt getrennt, wobei leider trotz aller meiner Vorstellungen die hiesigen Bäcker schwer ge¬ schädigt wurden. Augenblicklich ist an Brot und Mehl kein Mangel zu verzeichnen, nur über die geringe Güte der zur Verfügung gestellten Mehle und des daraus erzeugten Bro¬ tes wird allgemein Klage geführt. Insbesondere führte der augenfällige, sehr große Unterschied zwischen dem Ausseher und der Güte des Brotes, das die Waffenfabrik aus der Kunstmühle und Brotfabrik Reder bezieht und dem des hier erzeugten Brotes zu großen, nicht unberechtigten Mißstim¬ mungen in den Kreisen der nicht in Waffenfabrikversor¬ gung stehenden Bevölkerung. Die hauptsächliche Schuld hieran dürfte der Umstand sein, daß die uns zugewiesenen Mehlsorten häufig aus dem heuer besonders schlecht aus¬ gefallenen Mühlviertler Getreide erzeugt sind und noch dazu n kleinen Mühlen, die naturgemäß keine so klaglose Ver¬ mahlung haben, wie die großen, gut eingerichteten. Hoffent¬ lich wird sich in dieser Hinsicht im heurigen Jahre eine Besserung zeigen, jedenfalls wird es meine Aufgabe sein, unausgesetzt darauf hinzuwirken. Im Laufe des Jahres 1916 wurden nachstehende Mehlmengen und Mehlsorten geliefert und in Steyr ver¬ braucht 82.155 kg das ist 3.69 0 Weizenbackmehl „ 11.25% Weizenkochmehl 250.231 „ „ „ 26.89 % Weizenbrotmehl 596.171 „ * Weizengrieß 1.15 25.594 „ * * „ „ 1.48 % 32.946 Berstenkochmehl „ 15.04 0 Berstenbrotmehl 334.544 „ 32.99 % 733.823 „ Roggengleichmehl 5.33 % 118.604 Maismehl 1.41 % 33.509 „ Maisgrieß * * „ * * * * * 0.77 % 17.039 * * * „ „ * * * * Haferbrotmehl 357.980 kg oder omit 2,224.616 kg Mehl, von welchen 16.09 Prozent Weißmehl und Grieß, 1,329.994 kg oden 59.88 Prozent Brotmehl und 536.642 kg oder 24.03 Prozent urrogatmehle sind. In diesen Mehlmengen sind die im September zum Erhöhung des Brotvorrates seitens des k. u. k. Verpflegs¬ magazins Linz und der Brotfabrik Reder gelieferter 060 Stück Wecken im Brotgewichte von 12.684 kg ent¬ halten. Um Ersatz für das fehlende Knödelbrot zu schaffen ind um das stets knappe Weißmehl zu strecken, wurden auch 8357 kg Mazzes beschafft und zum Verkaufe ge¬ bracht. Auch gelang es, 8000 kg Kartoffel=Stärke¬ mehl in Verkehr zu bringen Ebenso war es möglich, 2570 kg Eierteigwaren zu erlangen. Der Preis dieser Ware war noch ein ver¬ hältnismäßig niedriger, doch wurde gegen Ende des Jahres die Beschaffung immer schwieriger und ist dermalen fast unmöglich. Von Reis, dieser nun so seltenen Ware, konn¬ en 8970 kg zur Verteilung gelangen, doch war der größte Teil laut behördlicher Anordnung den hiesigen Kranken¬ äusern und sonstigen Anstalten vorbehalten An Erbsen wurden 5017 kg geliefert, doch war in letzter Zeit nichts mehr erhältlich und müssen in diesem Ar¬ tikel die Neulieferungen abgewartet werden. Dagegen konnte Speisehirse in einer Menge von 17.849 kg in Verkehr gebracht werden An Bohnen wurden 7760 kg verkauft. Ein weiterer sehr einschneidender Teil der städtischen Versorgung ist die mit Fleisch. Diese hatte im Laufe der Zeit verschiedene Schwankungen mitzumachen. Zu Beginn des Jahres war im allgemeinen noch der freihän¬ dige Vieheinkauf der Fleischhauer üblich. Da jedoch die Ver hältnisse immer schlechtere wurden, schritt die Regierung zur zwangsweisen Zuteilung, eine Einführung, die sich beim ind= und Kalbfleisch bestens bewährte, während der Er olg beim Schweinefleisch auszubleiben scheint, ja die Ver¬ orgung wahrscheinlich ungünstiger werden dürfte, wie bis her. Aus dem nachfolgenden Verzeichnisse ist deutlich er¬ chtlich, daß beim Rindfleisch im April und Mai, beim kalbfleisch im Juli und August der Tiefstand der Anlie rung erreicht war, und daß die im Juni, beziehungsweise September einsetzende geregelte Versorgung sofort eine wesentliche Besserung schuf. Der Preis dieser Fleischsorten onnte trotz gestiegener Viehpreise auf gleicher Höhe er¬ halten werden, wie bisher, da den Fleischhauern Ver¬ gütungen gewährt wurden, die der Stadtgemeinde durch die oberösterreichische Viehverwertungs=Kommission der Statthalterei rückersetzt wurden. Diese an die Steyrer Fleischhauer geleisteten Vergütungen beliefen sich allein auf 696.221 K. Die im Jahre 1916 bei den Fleischhauern geschlach¬ teten Tiere und die zu Markt gebrachten gestochenen Schweine verteilen sich wie folgt: kleir= Schwei= Markt¬ Stie¬ Kal¬ Kälber Ochsen Kühe hinnen schweine vieh re ne 35 475 36 315 196 06 3 Jänner 208 548 16 310 38 26 12 Februar 80 443 227 4 230 139 8 März 331 13 10 39 98 3 111 302 April 39 50 285 112 17 31 25 Ma 01 64 14 204 22 17 Juni 60 13 204 15 59 56 121 Juli 59 208 11 63 10 210 August 30 23 304 58 12 202 22 September 95 85 101 51 26 420 186 53 Oktober 135 409 52 83 99 154 142 8 November 87 99 67 81 127 8 397 63 Dezember 870 1736 1864 Zusammen 481 1842 108 681 3656 Bei den Wirten wurden beschaut: 4 Ochsen, 47 Kühe 13 Stiere, 134 Kälber, 19 Stück Kleinvieh und 147 Schweine. Außerdem wurden 14.910 kg Fleisch eingeführt. Ge¬ gen das Jahr 1915 wurden somit um 159 Ochsen, 520 Käl¬ er, 220 Stück Kleinvieh und 2427 Schweine weniger, da¬ egen um 891 Kühe, 82 Kalbinnen und 312 Stiere mehr verbraucht. Auf den Markt wurden um 133 Schweine ehr gebracht. Fleisch wurde im Gewichte von I. 23.562 kg, I. 15.783 kg, das sind 39.345 kg, eingeführt. Verglichen mit dem ersten Halbjahre 1916 ist der Ver¬ brauch im zweiten Halbjahre um 90 Stück Kleinvieh und 07 Schweine geringer, dagegen um 217 Ochsen, 300 Kühe, 86 Kalbinnen, 201 Stiere und 72 Kälber höher gewesen. Die im zweiten Halbjahre zu Markt gebrachten Schweine wurden fast ausschließlich seitens der Stadtgemeinde be¬ schafft, und zwar wurden 247 Stück im Gewichte von 17.781 kg abgegeben. Die Stadtgemeinde beschaffte außerdem 70 Stück lebende Schafe und 13 Stück Ziegen, von denen bis Ende des Jahres 17 Stück Schafe abverkauft wurden. Auch wurde ein Versuch mit Gänsen gemacht und trafen 100 Stück polnische Fleischgänse ein, von welchen 95 Stück zum Verkauf gelangten, während 5 Stück ein¬ gingen. Da die Güte der Gänse eine mindere war, er¬ cheint dieser Versuch nicht glücklich ausgefallen und werden venn sich nicht andere, bessere Bezugsquellen finden, keine Gänse mehr gekauft werden. Renntiere wurden anfangs des Jahres 90 Stück verkauft, leider ist der Bezug dieses sehr nahrhaften und verhältnismäßig billigen Fleisches durch die seitens der iordischen Regierungen erlassenen Ausfuhrverboteun¬ nöglich gemacht worden. Nun komme ich zu einem ganz neuen Abschnitt, der Tätigkeit der Stadtgemeinde als Wildsammelstelle. Wie ich in der Juli=Sitzung mitteilte, war schon da¬ nals für Oberösterreich eine derartige Regelung in der Wildversorgung geplant, doch mußte ich schon im Septem¬ ber berichten, daß diese Regelung seitens des Ministeriums wieder aufgehoben worden sei. Schließlich hat aber dieser GBedanke doch auch bei der Regierung Anklang gefunden, vorauf dann die Einführung der zwangsweisen Wildab¬ lieferung an die Konsumorte für ganz Oesterreich angeord¬ net wurde. Diese Verordnung fußte fast ganz genau auf dem berösterreichischen Entwurfe, hatte jedoch zwei Nachteile Die Preise waren gegenüber den von der Linzer Statt¬ halterei auf Grund einer eingehenden Besprechung zwischen Jagdbesitzern und Vertretern der Städte vorgeschlagenen ganz bedeutend erhöht, so daß das Wildfleisch weit über den gewöhnlichen hiesigen Marktpreis stieg, während die bsicht, durch die Preisfestsetzung die unerschwinglich hohen Wiener Wildpreise zu drücken, doch nicht erreicht wurde. Außerdem kam sie zu spät. Die Jagden waren schon in 3

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2