Ratsprotokoll vom 19. Februar 1917

2 Linz, am 14. Februar 1917 An den Herrn Bürgermeister der l. f. Stadt Steyr Seine k. u. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 13. Jänner l. J. mich zum Statthalter im Erzherzogtume Oesterreich ob der Enns Allergnädigst zu ernennen geruht. Indem ich Euer Hochwohlgeboren von meinem heute erfolgten Dienstantritte in Kenntnis setze, gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß der Herr Bürgermeister so¬ wie die Stadtgemeindevertretung mich in allen dienstlichen Beziehungen tatkräftig unterstützen und bei Lösung unsere gemeinsamen Aufgaben ein williges Entgegenkommen be¬ tätigen werden. Anderseits wollen der Herr Bürgermeister und die Stadtgemeindevertretung auch auf meine stete Be¬ reitwilligkeit zur tunlichsten Förderung der städtischen In¬ teressen zählen. Der k. k. Statthalter: Meran. Er habe nicht verfehlt, dem Herrn Statthalter seine Aufwartung zu machen. Diese war selbstverständlich nur auf einen ganz kurzen Raum gebunden, da sehr viele zur Vorstellung anwesend waren, dauerte aber immerhin eine sei außerordentlich Viertelstunde. Der Herr Statthalter liebenswürdig gewesen und habe sein Wohlwollen für Steyr etont. Er versprach, ihn sofort, wenn die Uebernahmsge¬ chäfte erledigt seien, zu einer eingehenden Besprechung ein¬ zuladen und stellte auch seinen Besuch in Steyr in Aussicht. Der Herr Vorsitzende äußert sich weiter, daß er mit dem neuen Präsidenten der österreichischen Waffen¬ abrik in Telegrammwechsel gekommen sei. Auf seine Blückwunschdepesche: Präsident Günther Wien, Teinfaltstraße. Von einer Reise zurückgekehrt wird mir die Nachricht Ihrer Wahl lebermittle herzlichste Wünsche für vollen Erfolg Ihrer Tätigkeit mit der Bitte, Sie mögen der Stadt Steyr, dem Sitze der Waffen= und Autoindustrie, wohlwollend gegen überstehen. Bürgermeister Gschaider. abe dieser mit folgendem Telegramm geantwortet Bürgermeister Gschaider! Besten Dank für Ihre freundlichen Wünsche. Der Stadt Steyr werde ich jederzeit mit größtem Wohlwollen gegenüberstehen. Georg Günther. Präsident Günther habe ihm erst vor einigen Tagen einen Besuch gemacht und habe er mit ihm verschiedene Steyrer Angelegenheiten besprochen. Herr Präsident Günther ersprach sein möglichstes für Steyr tun zu wollen. Herr Bürgermeister gibt ferner, bekannt, daß der städtische Polier Thurner mit der kleinen Silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde und entbiete er ihm hiezu seine Glückwünsche Folgendes Schreiben ist eingelangt vom Fürsorge¬ ausschuß für rückgebliebene Angehörige eingerückter Waffen¬ abriksarbeiter Steyr: An den löblichen Gemeinderat Steyr! Von der allge¬ meinen Arbeiter=Kranken= und Unterstützungskasse in Steyr wurden wir in Kenntnis gesetzt, daß dem hiesigen städtischen Krankenhaus Apparate zur Verabfolgung von örtlichen Heißluftbädern fehlen. Wir sind der Ansicht, daß in einer modernen Krankenanstalt den Kranken alles das¬ enige geboten werden soll, was eine frühere und voll¬ tändigere Heilung herbeiführt und daß dadurch die Erkrankten durch die schnellere Genesung eher zu ihrem Berufe zurückzukehren in der Lage sind. Von der Not¬ wendigkeit der Anschaffung solcher Apparate und von der heilenden Wirkung der Heißluftbäder überzeugt, hat der Fürsorgeausschuß beschlossen, dem städtischen Krankenhause heißluftkästen System „Tyrnauer“ zu stiften. Da diese Stif¬ tung als Spende von der Arbeiterschaft der österreichischen Waffenfabriks=Gesellschaft anzusehen ist, ersuchen wir, die Verwaltung des städtischen Krankenhauses beauftragen zu wollen, daß die erkrankten Arbeiter und Arbeiterinnen der österreichischen Waffenfabrik in erster Linie mit diesen Hei߬ uftbädern zu behandeln sind. Indem wir Sie von dieser Spende hiemit in Kenntnis setzen, ersuchen wir, uns nackh Einlangen der Apparate die Originalrechnung zur Beglei¬ hung zuzusenden und zeichnen hochachtungsvoll: Fürsorge¬ ausschuß ür zurückgebliebene Angehörige eingerückter Waffenfabriksarbeiter Steyr herr Bürgermeister bringt dem Ausschuß seinen besten Dank zum Ausdrucke mit der Versicherung, dem in dieser Zu¬ enthaltenen Wunsche Rechnung zu tragen schrift herr Bürgermeister berichtet weiter: Ich gestatte mir mitzuteilen, daß ich anfangs Jänner an der Tagung des Bundes deutscher Städte teilnahm, die hauptsächlich der Besprechung von städtischen Versorgungs¬ fragen gewidmet war. Auch ich fand Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Ich wies auf die bestehende Brennstoffnot hin, machte auf die vielen tausend Festmeter aufmerksam, die in Form von durch Stürme geworfenen Bäumen in Oberösterreich zur Verfügung stehen und verlangte ein Einschreiten bei der Regierung, damit durch Beistellung von Arbeitskräften und Zugtieren für die Ausarbeitung dieser Holzmassen gesorg verde. Ferner beschwerte ich mich über den Umstand, daß nan Oberösterreich scheinbar für ein unerschöpfliches Land halte, aus dem man alles nehmen könne, dem man aber nichts zu geben brauche. Die verschiedenen Redner besprachen eine Reihe von Mängeln in der Versorgung, insbesondere wurden allgemein Klagen über den fast überall herrschenden kartoffelmangel geführt; nur die böhmischen Städte scheinen besser mit diesem Nahrungsmittel versorgt zu sein. Zum Schlusse wurde eine Entschließung angenommen, die ver¬ chiedene Forderungen an die Regierung stellt; ihr Inhal ist ohnehin durch die Presse allgemein bekanntgemacht worden. Gelegentlich meines Wiener Aufenthaltes sprach ich auch im neuen Ernährungs=Ministerium vor, doch waren die Auskünfte, die ich in betreff Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Hirse usw. erhielt, nicht gerade günstig und eine schriftliche Er¬ ledigung, die ich auf verschiedene Eingaben erhielt, besagte geradezu, daß diese Lebensmittel nur an Kriegsindustrien, in unserem Falle an die Waffenfabrik, abgegeben würden. Herr Bürgermeister bringt hiebei Zuschriften der Approvisionierungs=Abteilung bei der Statthalterei Linz ind der Kriegsgetreide=Verkehrsanstalt in Linz zur Ver¬ lesung, welche die herrschenden Erschwernisse bei der Kar¬ toffel= und Hirsebrein=Zuweisung dartun.) Ferner nahm ich an der in Linz stattgehabten Be¬ sprechung über die Eierversorgung teil. Wenn auch die Ver¬ ammlung ihrer Größe halber zu keinen endgültigen Be¬ chlüssen gelangte, so glaube ich doch, eine Besserung in inserer Eierversorgung erhoffen zu dürfen. In letzter Zeit gelang es, 32 Säcke und 80 Kisten Dörrpflaumen zu er¬ halten, die teils dem Handelsgremium, teils der Handels¬ genossenschaft sowie Konsumenten=Vereinigungen und einigen Anstalten zugewiesen wurden. Ferner trafen 2000 Kilo¬ gramm abgezogene Schweine ein, die durch die Fleisch¬ hauer abgegeben werden, auch wurden 1500 Kilogramm ingesalzener Rohspeck beschafft, die bei den Butter=Ausgabe tellen in der Weise zur Ausgabe gelangen, daß für 12 Deka¬ gramm Fettmarken 15 Dekagramm Speck gegeben wird. Bestellt wurde ein Waggon Schweineschmalz durch den Bund deutscher Städte, ferner sechs Waggon Wruken und eine bedeutende Menge in Salz eingelegtes Gemüse, sowie Dörrgemüse, darunter hauptsächlichRotkraut, Gurken Julienne und Karfiol. Seife hoffe ich auch in ziemlicher Menge erhalten zu können Die Seefischzufuhr ist teils durch den holländischen Fischerstreik, teils durch die Seesperre gänzlich unterbunden ind die Lieferung von Donaufischen seitens eines für die Stadtgemeinde enthobenen Fischers dermalen wegen starken Eisganges unmöglich. Der Linzer Selchwarenfabrikant Glöckler, der stets be¬ eutende Mengen Wurst= und Selchware hieher geliefert hatte, stellte infolge einer Bestrafung die Steyrer Lieferungen in. Ich wurde sofort telephonisch und schriftlich bei der Statthalterei vorstellig, die mir auch gleich ihr Einschreiten zusagte. Die Lieferungen sind nun wieder ungestört im Gange. Um die Eindeckung der hiesigen Fleischhauer mit Eis daß wie im vorigen zu ereichen und zu verhindern, Sommer der Bevölkerung nur zähes, frischgeschlagenes oder nicht mehr frisches Fleisch geliefert werde, gab ich an die Fleischhauer=Genossenschaft einen Erlaß hinaus, in dem ich mir vorbehielt, nur jenen Fleischhauern Vieh zuzuteilen, die entsprechend Vorsorge getroffen haben, um der Bevölkerung einwandfreies Fleisch zuzuführen der Umstand, daß sehr viel Fleisch nach auswärts ing und dadurch trotz ziemlich genügender Viehanlieferung Fleischknappheit eintraf, veranlaßte mich, den Fleischbezug nur gegen hiesigen Ausweis, beziehungsweise gegen von der Stadtgemeinde bestätigte Ausweise der Gemeinde Ulrich zu gestatten Da das hiesige Gaswerk an Kohlenknappheit zu leiden begann und der Fortbetrieb der öffentlichen Beleuchtung n Frage gestellt wurde, wendete ich mich drahtlich an das Reichskriegs=Ministerium und sicherte mir auch die Mit¬ virkung der Waffenfabrik in dieser sehr wichtigen Frage, von deren Lösung nicht nur die Gasbeleuchtung, sondern auch die Versorgung der Bevölkerung mit Koks abhängt. Endlich beehre ich mich zu berichten, daß ich die An¬ wesenheit Seiner Exzellenz des Herrn Militärkommandanten FML. Daniel benutzte, um ihm meine Aufwartung zu machen. Ich bat ihn, die militärischen Wünsche der Stadt insbesondere die Bitte um Hieherverlegung eines Infanterie¬ Regimentes zu unterstützen, was er in freundlichster Weise zusagte. Mit Herrn Staatsbahndirektor Hofrat Scheikl hatte ich eine längere Unterredung bezüglich der Steyrer Bahnhof¬ verhältnisse. Es scheint nun doch, als wollte man höheren¬ rts die Unzulänglichkeit unserer Bahnhofanlagen einseher ind hoffe ich nach Eintritt geordneter Verhältnisse eine günstige Lösung dieser für uns so wichtigen Frage. Der Herr Bürgermeister berichtet ferner In nachstehenden Ausführungen gestatte ich mir, ein Bild über die Versorgungstätigkeit der Stadt¬ emeinde Steyr im Laufe des Jahres 1916 zu entwerfen. Die Mannigfaltigkeit der beschafften Lebens¬ nittel, sowie deren Menge lassen schon ersehen, auf welch veitverzweigte Gebiete sich diese erstrecken mußte, schwerer ersichtlich zu machen sind die vielen Schwierigkeiten und Ent¬

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