Ratsprotokoll vom 30. Dezember 1916

Bei der Vorsprache wegen Käse wurde Herrn Ge¬ meinderat Prof. Erb bedeutet, daß in Bälde eine größere Sendung erwartet wird. Diese scheint jedoch nicht eingetroffen zu sein, da trotz sofortiger Bestellung keine Ware ankam. Auch die seitens der Zentraleinkaufsstelle angeordnete Ver¬ teilung der vorhandenen Käsemengen durch die Landesstel¬ len hat ebenfalls nicht günstig auf die Versorgung unserer Stadt eingewirkt, ebenso kann die Futtermittelzentrale trotz vielfacher Vorstellungen den an sie gestellten Anforderungen nur teilweise nachkommen. Bezüglich Butter bewirkten meine oftmaligen Vor¬ prachen im Ernährungsamte eine Erhöhung der Zuweisung, die anfangs nur 950 Kilogramm betrug, auf 1600 Kilo gramm in dieser Woche. Da Klagen über schlechte Butter vorgebracht wurden, bin ich deshalb ebenfalls beim Ernäh¬ rungsamte in Linz vorstellig geworden. Wegen der Milch¬ versorgung sprach ich ebenfalls öfter im Ernährungsamte or und erhielt nunmehr die Zusage einer Erhöhung der Zu¬ chußmilch um mehrere hundert Liter. Da auch dies noch zu wenig zu einer entsprechenden Milchversorgung ist, werde ich natürlich trachten, noch mehr zu erhalten Nachdem die Zentraleinkaufsstelle ihr Versprechen, billige Seefische zu liefern, nicht eingehalten hat, habe ich mich anderweitig umgesehen und wird am nächsten Montag die erste, allerdings kleine Probesendung von Seefischen ie sich für ein Kilogramm nicht höher als K 3.50 stellen verden, hier eintreffen. Ueber weitere Verpflegsfragen werde ich in der Jänner¬ Sitzung sprechen, in der ich auch einen Bericht über Be¬ schaffung von Lebensmitteln im Verlaufe des Jahres 1916 erstatten werde. Durch Vorsprache bei der k. k. Staatsbahndirektion in Linz erfuhr ich, daß für den Bahnhof Steyr größere Ver¬ änderungen geplant seien, die sich aber erst im Erhebungs¬ stadium befinden Ferner teile ich mit, daß durch die Erhebung des Milchbedarfes eine genaue Uebersicht über die Bevölkerung Steyrs ermöglicht wurde. Es leben hier Kinder bis zu 2 Jahren 786 Weibliche Personen bis 16 Jahre 2.516 * * Männliche Personen bis 16 Jahre 2.466 .507 Weibliche Personen von über 16 Jahren 3.470 Männliche Personen von über 16 Jahren 27.745 zusammen 2.699 Hiezu Garnison 30.44 Außerdem 1.078 Kriegsgefangene, somit zusammen .. 31.522 Personen. Erfreulicherweise kann ich auch mitteilen, daß über des Herrn Gemeinderates Kirchberger die öster¬ Ersuchen reichische Waffenfabriks=Gesellschaft sich bereit erklärt hat, für den Infektionspavillon gewidmeten Betrag schon en etzt flüssig zu machen. Ich erlaube mir hiefür den besten ank auszusprechen. Wird mit Beifall zur Kenntnis genommen. Darauf nimmt Herr Vizebürgermeister Gründler das Wort und beglückwünscht den Herrn Bürgermeister im Namen des Gemeinderates zu dessen Allerhöchster Aus¬ eichnung. Er führt aus: „Meine sehr verehrten Herren! Wie Sie wissen, ist unserem hochverehrten Herrn Bürger¬ meister kürzlich das Kriegskreuz für Zivilverdienste 2. Klasse von Seiner Majestät dem Kaiser verliehen worden. Diese Ehrung des Stadtoberhauptes hat in allen Kreisen der Stadt reudige Aufnahme gefunden und auch ich erlaube mir im Namen des Gemeinderates den Herrn Bürgermeister zur Allerhöchsten Auszeichnung auf das herzlichste zu beglück¬ wünschen. Gerade so wie die Truppen draußen im Felde ines tüchtigen Führers bedürfen, brauchen auch wir im Hinterlande ganze und tüchtige Männer, welche uns das Durchhalten ermöglichen und erleichtern. Groß und verant¬ wortungsvoll sind die Aufgaben, welche in dieser ernsten eit ein Bürgermeister zu leisten hat und insbesondere ein Bürgermeister unserer Stadt, welche sich gerade in den Kriegsjahren einer besonderen Entwicklung erfreut und eren Bewohnerzahl bedeutend gestiegen ist. Große An¬ orderungen sind während der Kriegszeit an den Herrn Bürgermeister und an den Verwaltungsapparat der Stadt¬ gemeinde gestellt worden; ich erinnere nur an die schwie¬ rigen Aufgaben der Approvisionierung und Kriegsfürsorge, mit welchen sich unser Herr Bürgermeister mit voller Tat¬ raft und bestmöglichem Erfolge beschäftigt hat. Wir alle wissen es ja aus eigener Erfahrung, aus unserer Tätigkeit im Gemeinderate, aus den mannigfachen Sitzungen, Kom¬ missionen und Berichten, was der Herr Bürgermeister für das Wohl der Stadtgemeinde bisher geleistet hat. Die Aus zeichnung des Herrn Bürgermeisters ist eine wohlverdiente und es freut uns alle herzlich, daß die Verdienste des Herrn Bürgermeisters an Allerhöchster Stelle volle Anerkennung efunden haben. Wir freuen uns über diese Allerhöchste Auszeichnung des Herrn Bürgermeisters aber auch deshalb, weil die Auszeichnung des Stadtoberhauptes zugleich auch ine Allerhöchste Anerkennung für die ganze Stadt bedeutet So beglückwünsche ich denn den Herrn Bürgermeister noch¬ nals im Namen des Gemeinderates herzlichst zur Aller höchsten Auszeichnung und gebe dem Wunsche Ausdruck daß sich unser hochverehrter Herr Bürgermeister dieser Aller¬ öchsten Auszeichnung noch viele Jahre erfreuen und das Kriegskreuz noch viele Jahre an seiner Brust tragen möge zum Wohle der Gemeinde und zur Freude seiner Mit¬ bürger. Heil!“ In die Heilrufe stimmt der Gemeinderat begeistert ein Der Herr Bürgermeister dankt hierauf bestens für die liebenswürdigen Glückwünsche des Gemeinderates zur Aller¬ öchsten Auszeichnung und betont hiebei, daß diese Aller höchste Auszeichnung gewiß auch eine Ehrung für die ganze Stadt und deren Bevölkerung bedeute und daß er sie in erster inie auch als solche betrachte. Der einzelne bedeute in dem gegenwärtigen großen Betriebe der Kriegszeit nichts, aller Erfolg werde nur durch das einträchtige und unermüdliche Zusammenwirken aller ermöglicht. Ohne die Mitwirkung ind Unterstützung des Gemeinderates und der städtischen Zeamtenschaft wäre es auch für ihn ausgeschlossen gewesen irgendwie Bedeutendes zu leisten. Er unterziehe sich gern ll den oft schwierigen Aufgaben seines Amtes aus Liebe zu seinem Vaterlande und zu seiner Heimatstadt. (Beifall.) Der Vorsitzende bringt sodann einen von sämt¬ ichen in Steyr anwesenden Gemeinderäten unterzeichneten Dringlichkeitsantrag vor, der folgenden Wortlaut hat: „Dringlichkeitsantrag: Herr k. k. Professor Leopold Erb hat seit einer langen Reihe von Jahren für das öffentliche Wohl der Stadt Steyr gewirkt und sich außerordentliche Verdienste um diese er¬ worben In den Jahren 1895 bis 1901 und 1902 bis heute, alsc durch über zwanzig Jahre, hat er die Stadt mit bestem Er¬ olge im Reichsrate vertreten und allgemein ist bekannt, daß niemand, gleichviel ob arm, ob reich, auch unbeschadet seinen politischen Gesinnung, sich an ihn gewendet hat, ohne von ihm mit Rat und Tat unterstützt zu werden Auch in seiner Eigenschaft als Mitglied des oberöster¬ reichischen Landtages, dem er nun durch über 21 Jahre an¬ gehört, hat er sein Möglichstes getan, um den Vorteil der Stadt Steyr zu wahren. Als Mitglied des Gemeinderates der Stadt Steyr hat er verdienstvoll und eifrig gewirkt. Groß sind seine Verdienste um die Hebung des vor Jahren ganz daniederliegenden Zugsverkehres der Stadt Außerordentliches hat er für die Förderung des Wirtschafts¬ lebens geleistet und insbesondere dem Gewerbestande war er ein unermüdlicher Berater. Zahlreiche gewerbliche Ver¬ einigungen und Genossenschaften haben dies in Zuschriften und Diplomen dankbarst anerkannt Auch das Post= und Gerichtswesen unserer Stadt ver¬ dankt ihm viele Verbesserungen. Als Gemeinderat hat er bei den so schwierigen Ver¬ handlungen des Jahres 1913 kräftig mitgewirkt und ins¬ esondere in der Inkorporierungsfrage erfolgreich gearbeitet. ährend des Krieges war er im Approvisionierungsaus¬ schusse fleißig tätig und viel ist seinem Einflusse bei den maßgebenden Stellen der Regierung zu verdanken. Auch hat er bei den in letzter Zeit geführten Verhandlungen in Betreff der künftigen Versorgung der Stadt mit elektrischen Strom und mit Gas eifrig mitgearbeitet, kurz auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens der Stadt Steyr eine emsige und ersprießliche Tätigkeit entfaltet und außerordent¬ ich viel zur Hebung des Deutschbewußtseins in Steyr und dessen Umgebung beigetragen, ein Umstand, der gerade unter den heutigen Verhältnissen besonders wichtig erscheint. Es erscheint nur recht und billig, wenn so vielen Ver¬ diensten eine Belohnung zuteil wird, deshalb beantragen die Gefertigten Der Gemeinderat beschließe auf Grund des § 9 des Bemeindestatutes Herrn Reichsrats= und Landtags=Abge¬ rdneten Gemeinderat Professor Leopold Erb in dankbarer Anerkennung seiner großen Verdienste um die Stadt Steyr as Ehrenbürgerrecht zu verleihen Steyr, am 30. Dezember 1916. Julius Gschaider m. p. F. Gründler m. 1 B. Ortler m. p F. Kattner m. p. I. Haidenthaller m. p. Tribrunner m. p. H. Ammerstorfer m. p. O. Dunkl m. p Franz Aigner m. p. K. Wöhrer m. p. F. Kirchberger m. p. W. Denkmayr m. p. F. Schwertfelner m. p. Dantlgraber m. p. L. Binderberger m. p. August Mitter m. p. Dr. K. Harant m. p. Leopold Haller m. p. H. Bachmayr m. p. Josef Huber jun. m. p. Die Dringlichkeit des Gegenstandes und dessen dring¬ liche — die geschäftsordnungsmäßige Erledi¬ Behandlung gung der Sache scheint mit Rücksicht auf deren Art nicht assend — wird vom Gemeinderate einstimmig anerkannt ei der darauf erfolgenden Abstimmung wird der Dringlich¬ eitsantrag selbst einstimmig zum Beschlusse erhoben.

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