Ratsprotokoll vom 19. Juli 1915

So wurden in der zweiten Hälfte des Monates April 3 Waggon Mais bestellt. Davon langte 1 Waggon wirklich bald ein. Aber obwohl die Säcke und der Kaufpreis für die 2 weiteren Waggon Mais bereits eingesendet waren, kamen die 2 weiteren Waggon Mais erst Ende Mai hier an. Gleich darauf wurden 4 Waggon Mais bestellt, weil ja vorauszusehen war, daß das aus 20.000 ku Mais erzeugte Mehl kaum den Bedarf einer Woche deckt. Diese Bestellung wurde von Seite der Kriegsgetreide¬ verkehrsanstalt mit der umgehenden Mitteilung quittiert, daß sie eine große Maissendung mittels Schlepp auf der Fahrt nach Linz unterwegs habe, von welcher Steyrs Bedarf werde befrie¬ digt werden. Dieser Schlepp scheint untergegangen zu sein, denr trotz Betreibung sind wir erst Mitte Juni in dem Besitz des Maises gekommen und mußten deshalb einige Zeit ungemischtes Weizen= und Roggenmehl zum Verkaufe bringen. Nicht unerwähnt will ich lassen, daß die Kriegsgetreide¬ verkehrsanstalt nur sehr schwer davon zu überzengen war, daß die Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr politische Bevörde für das Stadtgebiet Steyr ist und immer und immer wieder verlangte, die Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr müsse ihre Anforderungen auf dem Umweg über die k. k. Bezirks¬ hauptmannschaft Steyr stellen, wodurch der Verkehr mit der An¬ stalt anfänglich sehr erschwert war Aber nicht nur die Mehl= auch die Fleischbeschaffung unter¬ lag immer größeren Schwierigkeiten. Die nicht zweckentsprechende Regelung der Deckung des Armeebedarfes an Fleisch trug in erster Linie dazu bei, die Fleischpreise in die Höhe zu treiben und lokalen Mangel an Schlachtvieh zu bewirken. Auch wurde viel zu früh eine bevorstehende 10 %ige Viehabgabe für Militär¬ wecke kundgemacht. Es konnte nicht verwundern, daß die Vieh¬ besitzer mit dem Abverkaufe von Schlachtvieh über Gebühr zurückhielten. Daß diese 10 %ige Abgabe schließlich nicht verlang worden ist, konnte an der Höhe der Fleischpreise leider keine Aenderung mehr bewirken Zu sprunghaftem Emporschnellen der Viehpreise trug im Viehversorgungsbezirke der Stadt Steyr der schwunghaft betriebene Vieheinkauf für die Militärkonservenfabriken (Bordes, Wien und andere) bei, die das Vieh um jeden Preis zu kaufen ohne eigene Schädigung leicht in der Lage waren Die einzelnen Bezirke suchten sich hiegegen durch rücksichts¬ los verhängte Sperren zu schützen. Diese Bezirkssperren wirkten aber wieder störend auf die Versorgung der Stadt Steyr mit Schlachtvieh zurück. Endlich wurden Schwierigkeiten bezüglich der Erlangung von Schlachtungsbewilligungen gemacht, die in allerletzter Zeit zu der Erscheinung geführt haben, daß die durch den für die Versorgung Steyrs mit Fleisch gewonnenen Viehhändler Ferdi¬ nand Jenner rechtsgiltig abgeschlossenen Ankäufe für Steyr ein¬ fach ungiltig erklärt worden sind, indem unter der Drohung daß den Viehbesitzern das Vieh abgenommen würde, das Vieh der Heeresversorgung zugeführt wurde, ohne daß auf den voll¬ zogenen Kauf Rücksicht genommen worden wäre Auch das Fehlen an geschulten Personal bei den Fleisch¬ hauern ist von großem Einfluß für die Schwierigkeit der Ver orgung mit Fleisch geworden Daß unter diesen Umständen die Fleischpreise die Neigung hatten, ins Unerschwingliche zu steigen, ist begreiflich und war es deshalb sehr notwendig und hoch an der Zeit, durch Einfuhr von ausländischen Fleisch die ungünstige Marktlage zu ent¬ pannen und die Preislage des Rindfleisches auch für den kleinen Haushalt auf einer noch erschwinglichen Höhe zu erhalten Aber nicht nur die Beschaffung der Nahrungsmittel für die Bevölkerung, sondern auch die Sorge für Futtermittel für as Vieh, insbsondere für die Pferde, beschäftigt die Stadige meinde=Vorstehung unausgesetzt und es ist ihr trotz Aufwendung vieler Mühe bisher nicht gelungen, in dieser Richtung entsprechende Abhilfe zu schaffen Als die Ministerial=Verordnung erschienen war, daß pro Tag und Pferd nur mehr 1 kg Hafer verfüttert werden dürfe ist die Gemeinde=Vorstehung sofort bedacht gewesen, Ersatzfutter mittel zu beschaffen. Sie schrieb an die Kriegsgetreideverkehrs¬ anstalt um Futtermais, setzte sich diesbezüglich auch mit den Maiszentrale des k. k. Ackerbauministeriums ins Vernehmen und bestellte bei der Viehverwertungsgesellschaft in Wien (St. Marx) enaturierten Zucker. Ueberall erhielt sie günstige Zusagen, es wurden Säcke zur Packung des Maises übermittelt und die Kosten des Maises und des denaturierten Zuckers überwiesen, aber trotz¬ dem bis jetzt 4 Wochen seit der Bestellung verstrichen sind, ist der Futtermais und denaturierter Zucker erst nach 6 bezw. 8 Wochen nach der Bestellung in Steyr eingelang Welche Folgen die ungenügende Ernährung der Pferde nit sich bringt, ist zwar leicht einzusehen, ich erlaube mir aber iuf einige besonders aufmerksam zu machen. doch Der Handel leidet unter den Schwierigkeiten, die die Ab fuhr der ankommenden und abzusendenden Güter verursacht und da die Kosten der Zu= und Abfuhr unverhältuismäßig hohe sind, sie ungünstig auf die Preise dieser Güter zurück. wirker Die Beschaffung eines dringend gebrauchten Wagens er¬ fordert heute ein oft studenlanges Bemühen. Die Versorgung der Stadt mit Brennholz, die sonst stets im Sommer vor sich ging, kann nicht bewirkt werden, weil die Pferde zu diesen anstrengenden Leistungen mangels genügenden Futters nicht verwendet werden können und die Stadt Steyn muß einer großen Not an Brennholz im künftigen Winter und damit einer großen Erhöhung der Brennholzpreise entgegensehen 3 Die Preise der Butter sind im Laufe der besseren Jahres¬ zeit ganz außerordentlich in die Höhe geschnellt, wofür der Grund hauptsächlich in dem großen Bedarfe Steyrs und in der licht ausreichenden Zufuhr gefunden werden müßte. Das Be¬ treben der Stadtgemeinde=Vorstehung mußte sich darauf richten, die Zufuhr von Butter dem Bedarfe anzupassen. Es gelang einzelne Händler zu bewegen, Butter an Wochenmarktstagen lach Steyr auf den Markt zu bringen. Die Stadtgemeinde stellte en Verkaufsstand und eine Verkäuferin auf ihre Kosten bei rat dem Verkaufe von Butter, bei dem das Kilogramm um mehr als 4 K geboten worden war, durch Preistreibereianzeigen entgegen und glaubte damit den Butterpreis auf einer erträg lichen Höhe erhalten zu können. Es gelang auch anfänglich den Verkaufspreis für Butter kurze Zeit zu drücken. In der allerletzten Zeit mußte jedoch die Stadtgemeinde¬ orstehung die Erfahrung machen, daß die Zufuhr von Butter nach Steyr immer mehr unter dem Bedarfe verblieben ist und aß deshalb der Verkaufspreis trotz der angewandten Gegen nittel auf 4 K 30 k stieg und wahrscheinlich noch weiter steigen wird, da zwischen den Preisen von künstlichen Fettstoffen und Schweineschmalz im Vergleiche zum Preise der Butter die richtige telation fehlt, weshalb die Bauern kein Geschäft mehr dabei machen, wenn sie die von ihnen erzeugte Butter zum Verkaufe bringen und dafür andere Fettstoffe einkaufen und deshalb die erzeugte Butter zum größten Teil im eigenen Haushalte ver¬ ehren. Auch die Eierpreise sind in der besten Zeit für diesen Artikel plötzlich ganz außerordemtlich gestiegen. Die Stadtge¬ neinde=Vorstehung war bestrebt, durch Einkauf von Eiern aus anderen Gegenden Oberösterreichs und Verkauf dieser einge¬ auften Ware am Markte zuerst um 13 k für das Stück, später um 14 k für das Stück den Preis des Eies, der bis zu 20 ro Stück gestiegen war, auf einer annehmbaren Höhe zu rhalten. Sie hatte hiemit vollen Erfolg, indem es ihr bis jetzt ge¬ lungen ist, den Eierpreis auf 14 k pro Stück festzuhalten. Die Versorgung der Stadt mit Reis ist der Stadtgemeinde orstehung nicht vollkommen gelungen, da es nicht möglich war so große Mengen von Reis zu erhalten, wie sie dem Bedarfe der Stadt Steyr gerade in dieser an Lebensmitteln armen Zei entsprochen hätten. Immerhin wurden noch ungefähr 30.000 kg Reis für die Stadt Steyr beschafft, die wenigstens vor gänzlichem Mangel schützten Bei der Beschaffung von Kartoffeln mußte die Stadtge¬ meinde=Vorstehung die überraschende Wahrnehmung machen, daß die für Oberösterreich festgesetzten Höchstpreise für diese Frucht ungeahndet unbeachtet geblieben ist. Die Kartoffeln wurden bis u 18 K per 100 kg verkauft und waren zum Höchstpreise von 0 K überhaupt nicht zu haben. Es ergaben sich auch sonst große Schwierigkeiten bei der Versorgung der Stadt mit diesem tahrungsmittel, weil die Landesbehörden der an Oberösterreich angrenzenden Länder eine Ausfuhr über die Landesgrenzen lange zeit nicht zuließen. Die Schwierigkeiten bei der Zuckerbeschaffung sind glänzend durch den vom Gemeinderate der Stadt Steyr in seiner Sitzung vom 10. Juni 1915 einstimmig angenommenen Dringlichkeits¬ antrag des Herrn Reichsrats= und Landtagsabgeordneten Ge¬ meiderates Prof. Erb dargetan. Der Zuckermangel in Steyr ist heute noch nicht behoben und ist die Gemeinde=Vorstehung noch etzt lebhaft damit beschäftigt, eine ihrer Bevölkerungszahl ent¬ Daß diese Zu¬ sprechende Zuweisung von Zucker zu erhalten. weisung nur nach Durchsetzung einer Preiserhöhung für Zucker möglich geworden ist, kann mit Rücksicht darauf, daß der Zucker heute zum wichtigsten Nahrungsmittel geworden ist, nur auf das Allerlebhafteste beklagt werden Schließlich muß noch auf den großen Mangel an Arbeits¬ kräften aufmerksam gemacht werden, der im Stadtgebiete herrscht. Was nur halbwegs dazu geeignet ist, wird in der Waffenfabri der in der Gummifabrik beschäftigt, alle sonst brauchbaren Leute sind zu Militärdiensten einberufen und zur Arbeitsleistung für indere Unternehmungen oder im Taglohne bleibt niemand mehr lbrig Die hohe Regierung wird gebeten, von diesen Darlegungen Kenntnis nehmen und dahin wirken zu wollen, daß die Ver¬ sorgung der größeren Gemeinwesen mit den wichtigsten Mitteln es täglichen Bedarfes künftighin leichter gemacht werde und aß diesen größeren Gemeinwesen bei ihren Bestreben, ihre Ge¬ neindemitglieder und Angehörigen mit Lebensmitteln zu ver¬ orgen, mehr Entgegenkommen als bisher zugewendet werde leber die Anfrage des Herrn Bürgermeisters, ob iner der Herren Gemeinderäte zu dieser Petition oder zu Approvisionierungsangelegenheiten überhaupt das Wort wünscht, sich zunächst Herr GR. Haidenthaller und weist meldet darauf hin, daß den Zeitungsberichten zufolge in Ungarn die Ernte sehr gut ausgefallen sei und daß in Ungarn Mischmehl ind Maismehl aufhören. Er ersuche den Herrn Bürgermeister, wenn es überhaupt möglich ist, zu veranlassen, daß zweimal wöchentlich Brot für Knödel, die eine wichtige und beliebte Speise seien, in Steyr erzeugt werde Herr GR. Prof. Erb bemerkt hiezu, daß die Berichte der Zeitungen vor wenigen Tagen die zukünftige Ernte tatsächlich ls ungemein reich schilderten, daß aber andererseits der un¬ garische Ministerpräsident das Gegenteil hievon behaupte Er wisse nicht, wem man da Glauben schenken solle. Diese entgegengesetzten Schilderungen verfolgen eben verschiedene

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