Ratsprotokoll vom 19. Juli 1915

angewiesen ist, so bildet doch das unregelmäßige Eintreffen des Getreides und des Maises, für deren Vermahlung die Stadt¬ gemeinde erst zu sorgen hat, eine stete Quelle von Unzukömm¬ ichkeiten, die sich noch mehren, wenn, wie dies in der letzten Zeit mehrfach der Fall war, Störungen im Mühlenbetriebe eintreten. Dazu kommt noch, daß die Bevölkerung stetig anwächst. Ein Hauptursache der Schwierigkeiten liegt jedoch in den Mehlein¬ läufen von Personen, deren Wohnsitz außerhalb des Stadtgebietes iegt. Solange in der Stadt Mehlmarken, im Bezirke jedoch Anweisungen eingeführt waren, deckte die zugewiesene Getreide¬ nenge den städtischen Bedarf vollkommen, da kein Auswärtiger ier Mehl erhalten konnte. Seit Einführung der Brotkarten hat ich aber der Verkehr in Mehl wieder belebt, d. h. die Be¬ wohner der engeren und weiteren Umgebung der Stadt decken ihren Bedarf in altgewohnter Weise bei ihren früheren Be¬ zugsquellen, den Steyrer Geschäften. Da nun auch das frühere Gegengewicht der Broteinfuhr von auswärts fast gänzlich fehlt, macht sich jede nach auswärts abgehende Mehlmenge hier als lusfall fühlbar. Durch diese auswärtigen Einkäufe erhöht sich ben die Zahl der aus Steyr versorgten Personen bedeutend, so daß man nicht 23.000, sondern mindestens 30.000 zu ver¬ orgende Personen rechnen muß. Ich habe auf diese Umstände bei der Statthalterei und Kriegsgetreideverkehrsanstalt schon oft hingewiesen, bisher ohne Erfolg und will nur hossen, daß diesen Vorstellungen bei Ver orgung aus neuer Ernte Rechnung getragen wird, oder daß mein Vorschlag, aus den Bezirken Steyr Stadt und Steyr Land sowie aus den im Steyrtale liegenden Gemeinden des Bezirkes kirchdorf ein Versorgungsgebiet zu bilden, Annahme findet Da die dermalige Vermahlungsvorschrift die Erzeugung von Weizengries unmöglich macht und daher in diesem Artikel Mangel eintrat, habe ich eine größere Menge Maiswei߬ zries bestellt, da dieser einen guten Ersatz für Weizengries bildet. Reis. Um dieses so wichtige Nahrungsmittel zu beschaffen, habe ich einen günstigen Abschluß bewirkt und wurden nach Rück¬ prache mit der hiesigen Kaufmannschaft 27.200 Kilogramm be¬ tellt, die bereits in zwei Sendungen zu 14.800 und 12.400 tilogramm ankamen. Der Preis ist für die dermaligen Ver¬ hältnisse ein sehr niedriger zu nennen und ist insbesondere die zweite Sendung sehr schön ausgefallen. Leider ist seit dem die Beschaffung von Reis schwierig geworden Ersahfuttermittel Da die für Pferde vorgesehene Hafermenge von 1 Kilo¬ gramm pro Tag nicht genügt, wurde Defektmais und Rohzucker als Ersatz bestellt. Leider sind beide Sorten sehr schwer zu er¬ halten, doch sind immerhin einige Waggons bereits eingelangt. Zucker. Die Zuckerversorgung der Stadt drohte zu versagen, wes¬ halb die Vermittlung der Regierung in Anspruch genommen wurde. Das Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung des Appro¬ isionierungsausschusses und der hiesigen Kaufmannschaft war die Bestellung von 30 Waggons im Wege des Handels ministeriums. Leider wurden uns nur 7 Waggon zugewiesen. Ich habe daher san die Kaufmannschaft das Ersuchen gerichtet in erster Linie auf die Versorgung der Stadt zu sehen, damit nicht Zucker nach auswärts geht, während wir hier Mangel leiden. Milch Der in diesem Artikel sich fühlbar machende Mangel be¬ schäftigte den Approvisionierungsausschuß in einer vor 8 Tagen bgehaltenen Sitzung. Ueber dessen Beschluß habe ich an ver¬ schiedene in der Nähe Steyrs gelegene Gemeinden die Bitte ge¬ tellt, dahin zu wirken, es möge mehr Milch als bisher in die Stadt geliefert werden. Der Erfolg dieses Ersuchens bleibt ab zuwarten Fleisch Um einerseits die heimischen Viehbestände möglichst zu schonen und andererseits der Bevölkerung ein verhältnismäßig billiges Fleisch zur Verfügung zu stellen, wurden Einkäufe in auswärtigem Fleisch gemacht. Bisher sind 7 Waggons auge¬ kommen, die Fleisch von 125 Stück Rindern im Gesamtgewichte von 30.771 Kilogramm enthielten. Das Fleisch ist hier sehr gut an gekommen und hat allseitigen Beifall gefunden. Die Bestellungen werden deshalb fortgesetzt. Es lag auch in meiner Absicht, einen größeren Ankauf von auswärtigem Lebendvieh zu machen. Dies konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da solches nur in Städte eingeführt werden darf, die Schlachthäuser besitzen; wieder ein Beweis, wie notwendig die Erbauung eines Schlachthauses für Steyr ist. Eier und Butter. Im die stetig steigenden Preise dieser Artikel zu regeln, wurde ein städtischer Verkaufsstand errichtet, der an Donners¬ tagen geöffnet war und sich bis jetzt gut bewährte. Abgesetzt wurden bis heute 24.280 Stück Eier und 1361 Kilogramn Butter. Die wohltätige Wirkung blieb auch nicht aus; die Butter reise zeigten keine weitere Erhöhung, während die Eier, deren Preis schon 16 bis 20 Heller betrug, auf 14 Heller zurückge gangen sind. Kartoffel. Da für die auf den Markt gebrachten Frühkartoffel der außerordentlich hohe Preis von 36 bis 50 Heller verlangt wurde, andererseits die Vorräte an alten Kartoffeln zu Ende gehen und die alte Ware auch nicht mehr gut eßbar ist, wurde ein jünstiges Anbot benützt und vorläufig 10.000 Kilogramm un¬ garische Rosenkartoffel heuriger Ernte angeschafft. Die Kar¬ toffel sind sehr schön ausgefallen. Der Verkaufspreis stellt sich im Kleinen auf 24 Heller, was eine bedeutende Verbilligung ieses Hauptnahrungsmittels darstellt. Weitere Bestellungen werden folgen. Anschließend an diesen Bericht teilt der Herr Bürger¬ meister mit, daß der Approvisionierungsausschuß neuerlich eschlossen hat, die schwierigen Versorgungsverhältnisse der Stadt mit Lebensmitteln der Staatsregierung abermals in einem aus ührlichen Berichte zu schildern und sie um ihre tatkräftigste Unterstützung bei der Approvisionierung der Stadt Steyr zu itten Es wurde deshalb eine Petition entworfen, welche der Ge¬ meinderat in der heutigen Sitzung beschließen wolle und die dann der k. k. Regierung unterbreitet werden solle Die Petition lautet: Hohe k. k. Regierung Die Beschaffung der notwendigsten Mittel des täglichen Bedarfes verursacht immer größere Schwierigkeiten. Für eine Stadt mit ungefähr 25.000 Einwohnern und einer Umgebung on weiteren 20.000 Einwohnern, welche viele Nahrungsmittel on der Stadt beziehen, ist die Sorge für ihre Versorgung mit en wichtigsten Lebensmitteln mit einer Unsumme von Arbeit verbunden, von der Nichteingeweihte sich keine Vorstellung zu nachen vermögen Die Gemeinde=Vorstehung der Stadt Steyr — als die po¬ itische und Gemeinde=Behörde — wird von allen Seiten als ene Stelle angesehen, die berufen und verpflichtet ist, durch ihre Vermittelung selbst unter den obwaltenden außerordentlichen Verhältnissen die Bedingungen für ein erträgliches Sein zu ge vährleisten. Man sollte glauben, daß die Gemeinde in diesem hren pflichtgemäßen Streben bei allen Stellen die möglichst weit¬ gehende Unterstützung findet. Dem ist aber nicht so Ich greife beispielsweise aus den der Gemeinde obliegen¬ en Amtsgeschäften die Versorgung der Stadt mit Mehl heraus Bekanntlich ist die Kriegsgetreideverkehrsanstalt zu dem zwecke gegründet worden, um die Bevölkerung während der Kriegszeit mit Mehl zu versorgen. Dieser Verpflichtung ist diese Anstalt bezüglich der Stadt Steyr nie nachgekommen. Anstatt des Mehles wurde Getreide und dieses immer erst nach lang¬ wierigen Verhandlungen rücksichtlich der Feststellung des unbe¬ dingten Bedarfes und sodann nach ebenso langwierigen und er¬ müdenden Verhandlungen über die Einschränkung dieses achgewiesenen Bedarfes zugewiesen Einmal trat Mangel an Edelmehl, ein anderes Mal Mangel an Mischmehl ein und trotz eifrigsten Bestrebens konnt hierin keine den Bedürfnissen entsprechende Ordnung geschaffen verden Die Kriegsgetreideverkehrsanstalt war stets fruchtbar ar Mitteilungen aller Art, die die Vollziehung gemachter Bestel¬ lungen hinansschob, stets aber auch unfruchtbar hinsichtlich der notwendigen raschen Vollziehung von Bestellungen Erst nach langem Bemühen und nachdem schon ein Teil des im Landbezirke Steyr von der Kriegsgetreideverkehrsanstalt aufgekauften Getreides anderswohin versendet worden war, gelang s den Vorstellungen der Stadtgemeinde=Vorstehung die Kriegs¬ etreideverkehrsanstalt davon zu überzeugen, daß es widersinni sei, das in der Nähe befindliche Edelgetreide wegzuschicken und en Bedarf der Stadt Steyr eventuell aus weit entfernten Ge¬ enden zu decken und dadurch eine ungerechtfertigte Erhöhung der Mehlpreise durch die Frachtspesen hervorzurufen. Es wurde endlich der Kommissionär der Anstalt Herr Johann Grillenberger n Steyr beauftragt, in erster Linie den Bedarf der Stadt Steyr an Weizen und Roggen zu decken Aber kaum war dieser Erfolg erzielt, fand die Kriegsge¬ treideverkehrsanstalt schon wieder, daß uns der Kommissionär weit über den Bedarf mit Weizen und Roggen versorge und sie fing hinsichtlich dieses Bedarfes neuerlich zu mäkeln an. Es mußte eitens der Stadt ins Treffen geführt werden, daß die Bevöl¬ erung der Stadt durch den Vollbetrieb der Oesterreichischer Waffenfabrik, durch die Einmietung von Arbeiterfamilien un rbeitern in den erbauten 13 großen Wohnbaracken der Waffen¬ abrik und durch den verhältnismäßig guten Geschäftsgang in den übrigen industriellen und gewerblichm Unternehmungen der Stadt — Waffenfabrik usw. — um mindestens 3000 Personer zugenommen hat, um eine dem Bedarfes Steyrs angemessene Zu¬ Um aber diese weisung an Roggen und Weizen zu erhalten. Zuweisung zu erlangen, verlangte die Kriegsgetreideverkehrsan¬ alt die Zusicherung, daß an die Konsumenten nur ¼ Roggen. der Weizenmehl und gleichzeitig ¾ Mais= oder Gerstenmehl verkauft werden müßte. Nur dem persönlichen mündlichen Ein¬ greifen des Herrn Bürgermeisters bei der Anstalt in Wien ist es gelungen, daß sich die Anstalt endlich damit zufrieden gab, an die Zuweisung des Bedarfes an Roggen und Weizen die bedingung zu knüpfen, daß beim Verkaufe stets 1/8 Edelmehl gleichzeitig mit ¾ Mischmehl abgegeben werde Freilich konnte diese Bedingung seitens der Stadtgemeinde. Vorstehung Steyr durch längere Zeit nicht beachtet werden, wei die Kriegsgetreideverkehrsanstalt schon zweimal die Bestellungen auf Mais nicht rechtzeitig ausgeführt hat und die Stadige¬ meinde dadurch in die Lage brachte, über Mischmehl nicht zu verfügen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2