Ratsprotokoll vom 10. Juni 1915

2 mit Mischmehl lasse leider viel zu wünschen übrig; er hoffe doch, in nächster Zeit eine entsprechende Menge Gerste und Reis zu erhalten. Auch die Fleischversorgung bereite ziemliche Schwierig¬ eiten. Der Versuch mit der Einfuhr von dänischem Fleische hab sich glänzend bewährt. Dieses auswärtige Fleisch konnte von den Fleischhauern zu einem bedeutend billigeren Preise als das hiesige Rindfleisch verkauft werden und hat allgemein befriedigt. Er abe sofort eine neuerliche Bestellung gemacht. Schließlich gibt der Herr Vorsitzende bekannt, daß das Elektrizitätswerk in Steyr auf eigene Kosten auf die Dauer von zwei Monaten in der Enge und auf den Roten Brunnen=Platz ie elektrische Straßenbeleuchtung probeweise einführen wird und daß dabei 400: kerzige Lampen zur Verwendung gelangen verden Diese Mitteilungen des Herrn Bürgermeisters werden mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Sodann gibt der Herr Bürgermeister bekannnt, daß seitens des Herrn GR. Prof. Erb folgender Dringlichkeitsantrag ingebracht worden sei: Dringlichkeitsantrag des GR. Abg. Prof. Erb und Ge¬ nossen betreffend den Zuckermangel und die befürchtete Zuckerverteuerung. Sehr geehrter Gemeinderat! Immer fühlbarer wird der Zuckermangel, trotzdem ein Ueberfluß an Zucker vorhanden ist, wie bestimmt versicher wird. Allem Anscheine nach wird wiederum ein Angriff seitens reicher Leute, welche großen Einfluß besitzen, auf die Taschen de Verbraucher, auf die Allgemeinheit des Volkes vorbereitet. Die Berichte, welche den Zuckermangel dem Fehlen von Eisenbahn¬ wägen zuzuschieben versuchen, werden von der Staatsbahnver¬ waltung selbst als unrichtig und unhaltbar bezeichnet, folglich muß die Ursache des Zuckermangels mit vollem Rechte in den Zuckerfabriken und deren Besitzern gesucht werden. Die Vertretung der Bevölkerung, welche dermalen leiden nur mehr in den Gemeindevertretungen noch zu Worte kommen und aus dem Volke heraus als allein beste Kennerin der wirk¬ lichen und wahren Verhältnisse nur da ihre warnende Stimme erheben kann, muß mit aller Entschiedenheit jede Preistreiberei bekämpfen. Höchste Zeit scheint es zu sein. Entschieden ist gegen jeden Versuch, auch den im Ueberflusse vorhandenen Zucker zu verteuern, welcher von der k. k. Regierung selbst oftmals mit Recht als außerordentlich hervorragendes Nahrungsmittel ge¬ kennzeichnet und empfohlen wurde, Stellung zu nehmen. Die k. k Regierung möge rechtzeitig eingreifen und das Volk schützen nicht zu spät und dadurch erfolglos Deshalb wird beantragt, folgende Eingabe (Petition) an die hohe k. k. Regierung zu richten: „Die k. k. Regierung wird dringendst ersucht und aufge¬ fordert, auch gegenüber den Versuchen, den Zucker zu verteuern, um auf Kosten des verbrauchenden Volkes hohe Gewinste zu er¬ ielen, sofort die tatkräftigste Gegenstellung einzunehmen, un¬ entwegt, unbeirrt und ungehemmt von den Personen und Ver¬ einigungen, denen die Zuckerfabriken und Zuckerraffinerien und deren Aktien gehören. Das Volk würde nicht verstehen können wenn die hohe k. k. Regierung gegenüber diesen Herren und Herrschaften eine andere Haltung einnehmen würde, als gegen¬ über den Gewerbetreibenden und kleineren Landwirten, welche ei kleinen Ueberschreitungen überaus empfindlich gestraft wurden. Diese Eingabe ist Sr. Exzellenz dem Herrn k. k. Minister¬ präsidenten, den Exzellenzen k. k. Handelsminister, k. k. Minister des Innern, des Ackerbaues und dem k. k. Eisenbahnminister zu überreichen. Eine Abschrift hievon ist der oberösterr. Handels¬ und Gewerbekammer, dem oberösterr. und niederösterr. Gewerbe¬ verein, den Städten Linz, Wels, Urfahr, Ried, sowie den alpen ändischen autonomen Siädten und dem Stadtrate der Reichs haupt= und Residenzstadt Wien zu übermitteln Die Dringlichkeit sei damit begründet, daß sich der Mangel an Zucker in unserer Stabt bereits außerordentlich fühlbar nacht Der Antrag auf dringliche Behandlung des Gegen¬ tandes wird einstimmig angenommen Zum Gegenstande selbst spricht Herr GR. Prof. Erb und begründet in Kürze seinen Antrag. Es sei Gefahr vorhanden, daß auch beim Zucker, so wie bei anderen Artikeln, die Fabrikanten Ueberverdienste infolge es Krieges für sich in Anspruch nehmen wollen. Das hintan¬ uhalten sei die Sache der Allgemeinheit. Die Zuckerfabrikanter aben sich nur bis 1. September dieses Jahres zur Herstellung des Zuckers zu den jetzigen Preisen verpflichtet; nach dem 1. Sep tember aber sind sie vollständig frei. Es steht also zu befürchten, daß die Fabrikanten jetzt den Zucker in den Fabriken zurück halten, um dann nach dem 1. September noch höhere Gewinne zu erzielen. Es gehe aber wohl nicht an, daß von irgendwelcher Seite Lebensmittel zu dem Zwecke zurückbehalten werden, um dann durch dieses Anhäufen höhere Preise zu erzielen. Es müsse sowohl im Interesse der Konsumenten, als im Interesse dei Kaufmannschaft darauf gedrungen werden, daß von Seite der Regierung gegenüber den Zuckerfabrikanten dieselbe Strenge an¬ ewendet werde, wie gegenüber den Kleingewerbetreibenden und kleinen Landwirten. Er bitte daher um Annahme des gestellten Antrages. Herr GR. Haidenthaller betont, daß es sehr am Platze wäre, wenn auch gegenüber den Preistreibereien des Seifen= und Lederkartells seitens der Regierung vorgegangen würde. ierauf wird der Dringlichkeitsantrag des Herrn Prof. Erb zur Abstimmung gebracht und einstimmig an¬ jenommen Ferner liegt folgender Bericht des Herrn Bürgermeisters or: Bericht. Da Vizebürgermeister Paul Fendt freiwillig eingerückt ist die Stelle aber auf die Dauer nicht unbesetzt bleiben darf, habe ich über diese Sachlage mit Sr. Exzellenz dem Herrn Statt¬ halter gesprochen und von ihm die Auskunft erhalten, es sei nicht möglich, gemäß den Bestimmungen des neuen Statuts inen zweiten Bürgermeisterstellvertreter zu wählen, da das neue Statut noch nicht sanktioniert sei, wohl aber könne man einen Vizebürgermeister auf die Dauer der Einrückung des Vizebürger¬ neisters Paul Fendt wählen. Ich übergebe diese Angelegenheit der I. Sektion mit den Ersuchen, um dringliche Behandlung in der Gemeinderatssitzung am 10. Juni 1915. Steyr, am 7. Juni 1915. Julius Gschaider m. p. Bürgermeister. Der Herr Bürgermeister verweist auf die Notwendig¬ keit, für die Dauer der Einrückung des Herrn Vizebürgermeisters Fendt eine Ersatzwahl vorzunehmen, da es ihm infolge der roßen Arbeitshäufung unmöglich sei, allein allen an ihn heran¬ tretenden Aufgaben nachkommen zu können. Herr GR. Dr. Harant, als Obmann der Rechtssektion, bringt hierauf folgenden Dringlichkeitsantrag ein: „Infolge des Umstandes, daß Herr Vizebürgermeister Paul Fendt als freiwilliger Schütze zur Kriegsdienstleistung eingerückt ist, ist die Stelle eines Vizebürgermeisters verwaist. Es wird eantragt, für die Dauer der Einrückung des Herrn Vizebürger meisters Fendt aus dem Gemeinderate einen anderen Vizebürger¬ meister zu wählen. Die Funktionsgebühr des Herrn Vizebürger¬ neisters Fendt wolle bis zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit eingestellt und im entsprechenden Betrage dem zu wählenden Herrn Vizebürgermeister überwiesen werden. Die Dringlichkeit der Behandlung des Gegenstandes wird vom Gemeinderate beschlossen. Ebenso wird der Dringlich¬ eitsantrag selbst einstimmig zum Beschluß er¬ hoben Darauf wird der Wahlakt mit Stimmzettel vollzogen. Als Stimmzähler fungieren die Herren GR. Bachmayr und Tri¬ brunner. Wahlergebnis: Von 18 abgegebenen gültigen Stimmen entfallen 17 Stimmen auf den Herrn GR. Gründler und eine Stimme auf Herrn GR. Prof. Erb Der Herr Vorsitzende stellt fest, daß mithin Herr GR. Fer¬ dinand Gründler zum Vizebürgermeister der l. f. Stadt Steyr vährend der Dauer der Abwesenheit des eingerückten Herrn Vizebürgermeisters Paul Fendt gewählt erscheint. Der Herr Bürgermeister beglückwünscht den neuen Herrn Vizebürgermeister und richtet an ihn die Bitte, ihn in seinem mte in der gegenwärtigen sorgenreichen Zeit nach besten Kräften u unterstützen. Er sei davon überzeugt, daß Herr Vizebürger¬ meister Ferdinand Gründler der richtige Mann sei, um die Ge¬ schäfte der Stadt zu besorgen Der neugewählte Herr Vizebürgermeister dankt für das ihm durch die Wahl zum Ausdrucke gebrachte Vertrauen und erklärt, daß er sich bemühen werde, das in ihm gesetzte Vertrauen auch zu verdienen. Er nehme als geborener Steyrer an dem Geschicke seiner Vaterstadt regen und innigen Antei und sei gerne bereit, alle seine Kräfte für das Wohl und Ge¬ eihen der Stadt Steyr einzusetzen. Insbesondere gereiche es ihm ur größten Freude und Ehre, an der Seite eines so trefflichen Bürgermeisters wirken zu können. (Beifall.) Darauf wird in die Erledigung der Tagesordnung einge¬ jangen. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr GR. Doktor karl Harant. Die Punkte 1, 2 und 3 der Tagesordnung werden in der vertraulichen Sitzung behandelt. 4. Beschlußfassung wegen Annahme und Berwal¬ tun des Viktor Stiglerschen Legates Der Herr Referent führt aus Wie bereits bekannt, hat der verstorbene Altbürgermeister derr Viktor Stigler der Stadtgemeinde zum Erweiterungsbau¬ fond des Armenverpflegshauses in Aichet 15.000 K vermacht Ueber Auftrag der k. k. oberösterr. Statthalterei hat nun der hemeinderat darüber einen Beschluß zu fassen, ob das Viktor Stiglersche Legat angenommen wird Sektionsantrag Der löbl. Gemeinderat bechließe, das Legat des verstor denen Herrn Viktor Stigler anzunehmen und das Amt zum Ausarbeitung und Vorlage des Stiftbriefentwurfes zu beauf tragen Beschluß nach Antrag. — Z. 9987

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