Rats=Protokoll aufgenommen über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am Freitag den 28. Mai 1915. Tages=Ordnung: Zeichnung der II. österreichischen Kriegsanleihe. Gegenwärtig: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Julius Gschaider: Vor¬ sitzender=Stellvertreter: Herr Vizebürgermeister Paul Fendt; die Herren Gemeinderäte: Heinrich Ammerstorfer, Heinrich Bach¬ mayr, Ferdinand Gründler, Josef Haidenthaller, Leopold Haller, Dr. Karl Harant, Josef Huber, Anton Kurz, Franz Kattner, August Mitter, Viktor Ortler, Franz Schwertfelner, Franz Tri¬ brunner, Karl Wöhrer. Als Schriftführer fungiert Herr Konzeptspraktikant Alfred Edelmayer. Ihr Fernbleiben haben entschuldigt die Herren GR. Franz Aigner, Gottlieb Dautlgraber, Prof. Leopold Erb. Zur Kriegsdienstleistung sind eingerückt die Herren GR. Wilhelm Denkmayr, Franz Kirchcherger, Josef Langoth, Anton Sighart, Josef Wokral. Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Herren Ge¬ meinderäte, stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und erklärt die Sitzung um 3 Uhr nachmittags für eröffnet. Zu Verifikatoren dieses Protokolles werden über Antrag des Herrn GR. August Mitter die Herren GR. Ferd. Gründler und Josef Haidenthaller gewählt. Darauf beginnt der Herr Bürgermeister: „Meine sehr geehrten Herren! Seit August des vorigen Jahres stehen unsere Monarchie und das mit ihr verbündete Deutsche Reich im Kampfe gegen eine Ueberzahl von Staaten. Die Gegner haben nichts unversucht gelassen, um die beiden Zentralmächte, deren Aufblühen ihnen ein Dorn ihm Auge war, niederzuringen. Aber an der Festigkeit der treuverbündeten Heere sind alle Versuche zu Schanden ge¬ worden. In letzterer Zeit bestand die begründete Aussicht, die Feinde in absehbarer Zeit vollständig niederzuwerfen. Das ist ein glän¬ zendes Beispiel für die Tüchtigkeit unserer Armee und den Geist, der sie beseelt. Mitten in diesem aussichtsvollen Kampfe kam ein Ereignis, das beispiellos in der Weltgeschichte dasteht. Sie hat ja viele Fälle von Untreue und Verrat aufzuweisen. Aber eine derartige Schandtat, wie sie jetzt geschehen ist, war noch nie da. Ein Bundesgenosse, mit dem wir und das Deutsche Reich seit 33 Jahren im Vertrage lebten, ein Land, das wiederholt besiegt worden ist, das aber niemals auch die geringste Kränkung durch territoriale Einbußen erlitten hat, ist, nachdem es schon im August des Vorjahres seiner Bündnispflicht nicht voll nachgekommen ist, von seiner wohlwollenden Neutralität immer mehr und mehr abge¬ gangen, bis es, eine ganze Reihe von Lügen und Ausflüchten gebrauchend, zur offenen Feindschaft gegen Oesterreich über¬ gegangen ist. Wir haben mit einem neuen nicht zu unterschätzenden Gegner zu rechnen. Wir vertrauen nun von neuem felsenfest auf unsere kampferprobten Truppen, sie werden auch dem neuen Feinde die Stirn zu bieten wissen. Unsere Pflicht ist es, dem Staate die nötigen Mittel an die Hand zu geben, welche er braucht, um der neuen Gefahr be¬ gegnen zu können Ich habe mir deshalb erlaubt, die Herren für heute zu einer außerordentlichen Gemeinderatssitzung einzuladen, um über die Zeichnung der II. österreichischen Kriegsanleihe zu beraten und zu beschließen. Viele Städte sind uns beispielgebend vorausgegangen und erfreulich ist die Tatsache, daß die Kriegserklärung Italiens nicht etwa ein Abflauen der Kriegsanleihezeichnung bewirkt, sondern vielmehr den Erfolg gehabt hat, daß die meisten Stellen noch weit mehr zeichnen, als sie ursprünglich beabsichtigt hatten. Ich ersuche den Herrn Obmannstellvertreter der II. Sektion GR. Bachmayr über den einzigen Punkt der Tagesordnung, Zeichnung der Kriegsanleihe, zu referieren.“ Darauf führt Herr Referent GR. Heinrich Bachmayr sol¬ gendes aus: „Wie der Herr Bürgermeister betont hat, ist es, wenn jeder Soldat im Felde seinen letzten Blutstropfen für sein Vaterland hergibt, für uns im Hinterlande die heiligste Pflicht, alles zu opfern, um den Staat in seinem schweren Ringen nach besten Kräften zu unterstützen. Von größter Bedeutung für den Erfolg dieses Kampfes ist die sinanzielle Beihilfe. Nachdem sich zu den vielen Feinden noch ein neuer hinzugesellt hat, wodurch bedeutend höhere Anforderungen an unsere Armee und an unseren Staat gestellt werden, haben wir noch umsomehr die Pflicht, uns in erhöhtem Maße an der Zeichnung der II. österr. Kriegsanleihung zu beteiligen. Die Sektion hatte ursprünglich die Absicht, die Zeichnung eines gleich hohen Betrages, wie bei der ersten Kriegsanleihe¬ zeichnung, vorzuschlagen. Mit Rücksicht auf die mittlerweile er¬ folgte Kriegserklärung Italiens aber ist die Sektion zu dem Entschlusse gekommen, die Zeichnung eines noch höheren Betrages für die II. Kriegsanleihe zu beantragen. Die lI. Sektion erlaubt sich mithin folgende Anträge zu stellen: 1. Der Gemeinderat ermächtige den Herrn Bürgermeister, für die 1I. Kriegsanleihe einen Betrag von 150.000 K zu zeichnen. Die Mittel zu dieser Zeichnung sind wie folgt zu beschaffen: 100.000 K sind laut Anbotes der Sparkasse Steyr zum Zinfuße von 5% mit einer ½ %igen Tilgung bei dieser Anstalt aufzu¬ nehmen. Ferner sind 15.000 K aus dem Legate des Altbürger¬ meisters Viktor Stigler und 5000 K aus dem Armenverpflegs¬ fonde zu verwenden. Der Rest von gegen 30.000 K ist durch Lombardierung der im Besitze der Stadtgemeinde befindlichen Kriegsanleihe bei der öst.=ung. Bank oder bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg, wenn diese gleiche Bedingungen stellt, zu beschaffen. 2. Der Gemeinderat beschließe, sich den vom Gemeinde¬ rate der Stadt Salzburg am 17. Mai und vom Gemeinderate der Stadt Linz am 26. Mai gefaßten Beschlüssen mit aller Ent¬
schiedenheit anzuschließen und beauftragt demnach den Herrn Bürgermeister, der k. k. Regierung zur Kenntnis zu bringen, daß es der einheitliche Wille und Wunsch der Gemeindevertretung der Stadt Steyr sei, daß eine angemessene Steuer auf die durch Kriegslieferungen erzielten Gewinne in Bälde in Oesterreich ein¬ geführt werde. 3. Da jedenfalls eine Verlängerung der Zeichnungsfrist in Aussicht steht, wird der Herr Bürgermeister ersucht, auf die Be¬ völkerung, insbesondere auf die wohlhabenden Kreise sowie auf die Vereine und Körperschaften einzuwirken, damit der in Steyr gezeichnete Betrag ein dem Ansehen und der Größe der Stadt entsprechender werde. Der Punkt 2 wurde, führt der Herr Referent aus, deshalb in den Sektionsantrag aufgenommen, weil bekanntermaßen viele Einzelpersonen und Firmen aus den Kriegslieferungen Gewinne in einer Höhe erzielen, welche mit dem bürgerlichen Gewinne gar nicht im Einklange stehen. Die Sektion hat daher beschlossen zu beantragen, daß sich auch der Gemeinderat der Stadt Steyr einer von den Gemeinderäten der Städte Linz und Salzburg bereits eingeleiteten Aktion, betreffend der Erwirkung einer höheren Besteuerung des aus den Kriegslieferungen erzielten Ge¬ winnes anschließe. Für die Aufnahme des Punktes 3 in den Sektionsantrag war die Erwägung maßgebend, daß sich auf Grund eines be¬ onderen Aufrufes durch den Herrn Bürgermeister gewiß viele, velche dies bisher versäumt haben, noch an der Zeichnung der Kriegsanleihe beteiligen werden, so daß der in Steyr ge¬ zeichnete Betrag ein der Größe der Stadt entsprechender und würdiger sei.“ Der Herr Vorsitzende bringt darauf die Anträge der Sektion zur Abstimmung. Die Anträge der Sektion werden vom Ge¬ meinderate mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. Der Herr Vorsitzende stellt die einstimmige Annahme der Sektionsanträge fest und führt aus: „Ich danke Ihnen, meine Herren, für die einstimmige An¬ nahme der Sektionsanträge, Sie haben wieder einmütig Ihrer patriotischen Gesinnung Ausdruck gegeben. Ich werde nun sofort aran gehen, um die Zeichnung der Kriegsanleihe durchzuführen ind werde sofort die nötige Bewilligung seitens der Statt¬ alterei und des Landesausschusses einholen, damit das Dar¬ lehen von der Sparkasse ohne weiters aufgenommen werden kann. Ich erkläre die heutige Sitzung für geschlossen.“ Schluß der Sitzung um 3 Uhr 25 Min. nachmittags.
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