In der Sitzung vom 12. Februar 1915 berichtete k der Herr Bürgermeister, daß er neuerdings mit der Statthalterei wegen Versorgung der Stadt Steyr mit Mehl in Fühlung getreten sei, bis heute aber keine Antwort habe. Weiters berichtet der Herr Bürgermeister, daß er in Ent prechung des Beschlusses vom 5. d. M. bei der k. k. Statthalterei ür die hiesigen Händler 50 Waggon Mais angesprochen habe. Die Statthalterei hat jedoch mitgeteilt, daß das ganze Quantum über welches sie verfügt, nicht mehr als 50 Waggon beträgt veshalb sie an Steyr nur einen Teil abtreten könne. Mit Bezug auf die bei der letzten Sitzung erörterte Brot teilt der Herr Bürgermeister mit, daß der Dampf¬ frage äckereibesitzer von Garsten, Herr K. Reder, seinen Betrieb tatsächlich eingestellt hat, obwohl ihm von der k. k Statthalterei ein Waggon Mehl zur Verfügung gestellt wor den wäre Weitere Unterhandlungen hat der Herr Bürgermeister mit der k. k. Bezirkshauptmannschaft in Steyr gepflogen und dabei rreicht, daß das nach Feststellung des Bedarfes für den Land¬ bezirk noch überschüssige Quantum von 370 Meter¬ entner Korn und 600 Meterzentner Weizen der Stadt Steyr berlassen wird Auch mit der Direktion der Waffenfabrik in Wien ist der Herr Bürgermeister in Verbindung getreten, indem er sie auf die Schwierigkeiten aufmerksam machte, die sich in der Versor ung der Arbeiterschaft mit Mehl und Brot bemerkbar machen. Er habe deshalb der Wiener Direktion nahegelegt, sich nötigen¬ falls mit dem Kriegsministerium auseinander zu setzen, dami dieses das notwendige Mehlquantum für die Verproviantierung er in der Waffenfabrik beschäftigten Arbeiter requiriert. Es scheint, daß dieser Schritt von Erfolg begleitet ist Schließlich kündigte der Herr Bürgermeister an, daß sich mit Rücksicht auf den Mehlmangel die Notwendigkeit ergeben wvird, die Versorgung der einzelnen Familien mit Mehl mittels Bezugsscheinen durchzuführen, wie dies in Deutschland bereits durchgeführt ist. Ueber diesen Gegenstand entspinnt sich eine längere De¬ batte, in deren Verlauf Herr G.=R. Prof. Erb den Wunsch aus spricht, es möge mit dieser Zwangsmaßregel bis zum äußersten Momente gewartet und erst dann begonnen werden, wenn diese nvermeidlich ist. Zumindest müsse abgewartet werden, bis man weiß, welches Quantum Mehl und Getreide der Stadt Steyn vonseite der Regierung zugewiesen werde. Wegen Weizen solle getrachtet werden, daß solcher waggonweise von der k. k. Be irkshauptmannschaft Steyr zugewiesen wird. Eingehend bespricht Herr G.=R. Prof. Erb auch die Frage der Kartoffelernte und hält es für notwendig, daß für Frühkartoffel und Frühgemüse Vorsorge getroffen wird. Herr G.=R. Wokral hält es für notwendig, daß die Bevölkerung über die Wichtigkeit des Kochens mit Maismehl und Gries aufgeklärt werde, und empfiehlt die Hinausgabe von Kochrezepten Herr GR. Kattner beklagt das mangelhafte Gewichts¬ verhältnis beim Brot, welches sehr verschieden sei und mitunter en Vorschriften nicht entsprechen dürfte Herr G.=R. Mitter klagt über die willkürliche Verkaufs¬ zeit am Schweinemarkt in Steyr, die sich jetzt vom Dienstag bis zum Freitag hinausziehe, was jedenfalls den Zweck hat, rößere Angebote an einem und demselben Tag zu verhindern. err G.=R. Wokral bedauert, daß von der Schweine¬ zuchtanstalt in Garsten der Markt in Steyr nicht besser beschickt wird und meint, daß auch hier Maßnahmen getroffen werden ollten. Herr G.=R. Kattner regt die Errichtung einer Markt alle am Wieserfeldplatze an, was der Herr Bürgermeister aber für schwer durchführbar hält. Herr G.=R. Wöhrer gibt Anregungen über die Ver¬ wertung von Butter und regt die Förderung der Zufuhr an. err G.=R. Kurz spricht den Wunsch aus, es möge ge¬ trachtet werden, daß den Bäckermeistern genügend Mehl zur Verfügung gestellt wird, damit in der Brotversorgung keine Störung einteitt. Eine weitere Sitzung des Approvisionierungs=Ausschusses hat am 17. Februar stattgefunden, bei welcher neuerlich über die Mehl= und Brotversorgung unserer Stadt beraten wurde. In derselben berichtete der Herr Bürgermeister, daß das bei der Regierung angesprochene Mehl jedenfalls von der Gemeinde selbst übernommen und bezahlt werden muß. Andererseits ist es nicht aus¬ geschlossen, daß sich Gelegenheit bietet, ein größeres Quantum von Getreide, Mehl oder anderen Nahrungsmitteln momentan zu er¬ wverben. In beiden Fällen wird sich daher die Notwendigkeil rgeben, daß der Stadtgemeindevorstehung sofort Mittel zur Verfügung stehen, um derartige Bedarfsartikel ohne Aufschub rwerben zu können. Mit Rücksicht darauf hat der Approvi¬ sionierungs=Ausschuß beschlossen, bei der heutigen Sitzung des Gemeinderates einen Kredit anzusprechen und stellt nun fol¬ genden Antrag Der Gemeinderat der Stadt Steyr ermächtige den Herrn 1 Bürgermeister, jede Gelegenheit zu benützen, um Vorräte in Mehl oder anderen wichtigen Nahrungsmitteln für den Bedarf der Stadt Steyr zu beschaffen. Zu diesem Zwecke wird dem Herrn Bürgermeister 2 in Kredit von mindestens 500.000 Kronen sei¬ ens des Gemeinderates eingeräumt und wird der Herr Bürgermeister ermächtigt, wegen Gewährung eines solchen 5 Kredites mit der hiesigen Sparkasse oder den hiesigen Bank¬ instituten ins Vernehmen zu treten, damit auch Geld für eine den Reservefonds der Stadt überschreitende Summe ur Verfügung stehe Ueber diese Kreditverhandlungen sowie über jeden Ankau von Nahrungsmitteln hat der Herr Bürgermeister raschest dem Approvisionierungs=Ausschuß Bericht zu erstatten. Der Approvisionierung=Ausschuß hat in jeder Gemeinderats¬ Sitzung über die getroffenen Maßnahmen Bericht zu er¬ statten Ich erlaube mir zu bemerken, daß zunächst der städtische Reservefond herangezogen und erst dann, wenn dieser nicht aus¬ eichen sollte, ein Kredit von den Banken in Anspruch genommen werden soll. Ferner bitte ich zu bedenken, daß es sich nicht um ein Darlehen mit langfristigen Raten, sondern um einen Vor¬ huß handelt, da die bezüglichen Waren, sobald sse am Lager nd, gegen Barzahlung verkauft werden sollen. Der Bericht des Herrn GR. Tribrunner wird zur Kennt¬ genommen. nis Der Herr Bürgermeister bringt hterauf zuerst den Antrag des Approvisionierungsausschusses zur Wechselrede. Es meldet sich Herr GR. Wöhrer zum Worte, welcher die Notwendigkeit betont, daß die Stadt so rasch als möglich mit Getreide und Mehl versorgt werde und dringend ersucht, dem Antrage des Approvisionierungsausschusses zuzustimmen Es wird nun der Antrag des Approvisionierungsausschusses zur Abstimmung gebracht und einstimmig angenommen. Darauf richtet der Herr Bürgermeister an den Gemeinde rat die Frage, wer von den Herren zur Approvisionierungsfrage iberhaupt das Wort wünscht Es meldet sich Herr GR. Wokral, welcher ausführt: Wir müssen der Approvisionierung der Stadt mit Be¬ sorgnis entgegensehen, weil der Gemeinde nur sehr beschränkte Mittel bezüglich der Approvisionierung zur Verfügung stehen. Soweit die Gemeinde im Stande war, fur die Approvisionierung Ob dies für die er Stadt zu sorgen, ist es bisher gegangen zukunft möglich sein wird, das dürfte eine Frage sein, die man icht ohneweiters beantworten kann. Es ist uns mitgeteilt worden aß das Ministerium Getreide und Mehl veeschaffen wird. Es ist gewiß sehr lobenswert und begreiflich, wenn die Regierung nun daran geht, den Gemeinden etwas zur Verfügung zu stellen h vermisse aber dabei das eine: Es bleibt die Frage offen, unter welchen Umständen, von wo und zu welchem Preise die Stadtgemeinde Steyr das Getreide und Mehl erhalten wird Es ist zu befürchten, daß wir das Getreide unter ungünstigeren Bedingungen erhalten, als wenn wir es gleich selbst ankaufen würden. Wir dürfen uns auch nicht damit begnügen, daß uns die Regierung die Beschaffung von Mehl und Getreide zusichert; vir müssen, glaube ich, neuerdings an die Statthalterei mit dem Ersuchen herantreten, daß die festgestellten und beschlagnahmten Vorräte an Getreide und Mehl seitens der Regierung auch tat¬ ächlich an die Gemeinde zur Abgabe an die Konsumenten ver¬ eilt werden Die Gemeinde hat, soweit es ihr bei dem beschränkten Wirkungskreise möglich war, alles, was in ihren Kräften steht, getan. Wir haben leider die Erfahrung machen müssen, daß die egierung vielfach versagt hat. Sie hat uns z. B. aufgefordert, fort telegraphisch unseren Bedarf an Weizen, bezw. Weizenmehl ekanntzugeben, da es nicht ausgeschlossen sei, daß wir amerika¬ ischen Weizen erhalten. Seither ist schon lange Zeit verflossen, aber auf unsere Zuschrift haben wir nicht einmal eine Antwor bekommen. Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß doch die Regierung chon früher von den Absichten unserer Gegner unterichtet ge¬ wesen sein mußte; sie konnte doch die Absicht der Feinde, uns nicht nur mit ihren Soldaten, sondern auch durch den Hunger zu bekämpfen, nicht erst aus den Zeitungen erfahren haben; sie muß doch früher davon Kenntnis erhalten haben. Was hat sie dagegen getan? Sie verläßt sich auf die Gemeinden und die Be¬ irkshauptleute Es ist gewiß unser aller Wunsch, daß der Plan unserei Gegner, uns auszuhungern, zuschanden werden soll. Wir wollen durchhalten; aber die Vorbedingung ist, daß uns die Regierung ie Möglichkeit verschaffe, daß wir auch wirklich durchhalten können. Was seitens der Regierung bisher geschehen ist, war nur ögernd und halb, dazu noch vielfach zu spät Wir hatten z. B. schon längst im Vereine mit anderen Städten die Oeffnung der Grenzen, Festsetzung von Höchstpreisen sw. verlangt; als die Regierung endlich einen Schritt machte, war er bereits zu spät. Die Gemeinde ist tatsächlich vielfach auf sich selbst ange wiesen. Was der Herr Bürgermeister bezüglich der Beschlagnahme und Verteilung von Getreide= und Mehlvorräten mitgeteilt hat, ist nirgends gesetzlich begründet; und dennoch mußte es geschehen denn auf die Regierung können wir nicht warten. Ein Minister sagte einst, daß von den Zinuen seines Mi tisteriums die grüne Farbe der Agrarier wehe. Ja, weht denn etzt schon von den Zinnen aller Ministerien diese grüne Fahne? Wo ist der Minister des Aeußern, wo ist der Kriegsminister eren Wirken durch die zögernde Tätigkeit der Regierung in erster Linie in Frage gestellt wird? ich will noch auf eines hinweisen, nämlich auf den künf¬ tigen Bezug von Mehl mittels Bezugscheinen.
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