Ratsprotokoll vom 1. Juli 1914

Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am Mittwoch den 1. Juli 1914. Tages=Ordnung: Trauerkundgebung anläßlich der Ermordung des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Gegenwärtig: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Julius Gschaider. Vorsitzender= Stellvertreter: Herr Vizebürgermeister Paul Fendt. Die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Heinrich Ammerstorfer, Gottlieb Dautlgraber, Leopold Erb, Fer¬ dinand Gründler, Josef Haidenthaller, Leopold Haller, Dr. Karl Harant, Josef Huber, Franz Kirchberger, Anton Kurz, August Mitter, Viktor Ortler, Franz Schwert¬ felner, Anton Sighart, Karl Wöhrer, Josef Wokral. Als Schriftführer fungiert Herr Alfred Edelmayer, städt. Konzeptspraktikant. Entschuldigt abwesend sind die Herren Gemeinde¬ räte: Heinrich Bachmayr, Ludwig Binderberger, Wilhelm Denkmayr, Otto Dunkl, Franz Hofer, Franz Kattner, Josef Langoth und Franz Tribrunner. Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Herren Gemeinderäte und erklärt die Sitzung um 11 Uhr vormittags für eröffnet. Zu Verifikatoren dieses Protokolles werden die Herren Gemeinderäte Franz Kirchberger und Anton Kurz gewählt. Darauf beginnt der Herr Vorsitzende: (Der Gemeinderat erhebt sich von den Sitzen!) „Meine hochgeehrten Herren! Ein großes und namenloses Verbrechen ist begangen worden. Seine kaiserl. Hoheit Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ist einem Anschlage zum Opfer gefallen. Nicht die Tat eines Wahnsiunigen oder eines irre¬ geführten Fanatikers, der die Mordwaffe erhoben hat, war es, es war eine wohlvorbereitete Mordtat, ausge¬ führt von Angehörigen jenes südslawischen Stammes, dem es gefällt, seit einer Reihe von Jahren unseren Staat nicht zur Ruhe kommen zu lassen. In unsere Empörznig über die Greueltat mischt sich das Mitgefühl mit den Kindern des ermordeten hohen Paares, insbesondere das Mitgefühl für die Person un¬ seres erhabenen, greisen Kaisers, dem auch diese Schick¬ salsfügung nicht erspart bleiben sollte. Wir hoffen, daß er auch diesen Schlag überwinden und uns noch recht lange erhalten bleiben möge zum Wohle des Reiches! Mit Ihrer Zustimmung, meine sehr geehrten Herren, wird folgendes Telegramm an die Kabinettskanzlei Seiner kais. u. kön. Majestät abgesendet werden: An die Kabinettskanzlei Sr. kais. u. kön. Majestät in Wien. Der heute anläßlich des verabschenungswürdigen Attentates zur Trauerkundgebung versammelte Gemeinde¬ rat der landesfürstlichen autonomen Stadt Steyr spricht seine tiefe Entrüstung aus über das frevelhafte Ver¬ brechen, dem der Thronfolger des Reiches Erzherzog Franz Ferdinand zum Opfer fiel. Er bittet, Sr. Majestät die Versicherung der ehr¬ furchtsvollsten Anteilnahme der Bevölkerung Steyrs unter¬ breiten zu wollen. Für den Gemeinderat der Stadt Steyr: Der Bügermeister: Julius Gschaider. Wünscht einer der Herren Gemeinderäte zu meinem Antrage das Wort? Da dies nicht der Fall ist, erkläre ich den Antrag für angenommen. Ich danke den Herren für das Erscheinen und schließe die heutige Sitzung.“ (Sitzungsschluß um 11 Uhr 10 Min.)

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