Euer Hochwohlgeboren! Hochgeehrter Herr Bürgermeister! Ich danke ergebenst für die mir zur kaiserlichen Auszeich nung übermittelten Glückwünsche und bitte, diesen meinen Dan auch dem wohllöblichen Gemeinderate der l. f. Stadt Steyr zur Kenntnis bringen zu wollen Ich ergreife die Gelegenheit, meiner großen Freude darübe Ausdruck zu geben, daß die Barmherzigen Schwestern die Spitals zu übernehmen sich bereit erklärt haben. pflege enehmigen Herr Bürgermeister den Ausdruck meiner vor¬ züglichen Hochachtung! Linz, 19. Mai 1914, 1 Rudolph.“ Beifall.) Ferner erlaube ich mir mitzuteilen, daß das Arbeiter¬ wohnhaus in der Haratzmüllerstraße fast fertiggestellt ist und zum vorgeschriebenen Termin bezogen werden kann. Ich werde mir gestatten, vor der Beziehung die Herren Gemeinderäte zur Besichtigung einzuladen. Ebenso bin ich in der Lage bekanntzugeben, daß der Krankenhausbau — beim Anhalten günstiger Witterung — in der nächsten Woche bis zur Dachgleiche gediehen sein wird ich werde mir erlauben, die Herren Gemeinderäte zur Besichti¬ gung einzuladen. err G.=R. Wokral hat folgenden Antrag zur Errich ung einer Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenversicherung eingebracht Löbl. Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr! Die gegenwärtige gute Konjunktur in der Waffenfabrik, welche auch einen vorübergehenden Aufschwung der Stadt Steyr im Gefolge hat, wird in absehbarer Zeit wieder abslauen, die dann zahlreich entlassenen Arbeiter allen Uebeln der Wirtschafts¬ kriese preisgegeben. Die soziale Pflicht der Gemeinde ist es, ihre Angehörigen im Falle der Arbeitslosigkeit durch eine entsprechende Arbeits¬ losenfürsorge vor dem vollständigen wirtschaftlichen Ruin zu schützen. Die von der Gemeinde in solchen Fällen bisher ge¬ währte Armenunterstützung beraubt den Arbeiter seiner politi¬ schen Rechte, ohne auch das Elend zu lindern. In der Vorsorge der Gemeinde für die Arbeitslosen er¬ blicken wir als vorläufiges Mittel die Einführung der Arbeits¬ losenversicherung nach dem Genter System; nach dem Genter System deshalb, weil es nach den Erfahrungen in anderen Staaten und ausländischen Städten verwaltungstechnisch das beste System ist. Im Hinblicke auf das vorher Gesagte stellen die Gefertigten folgende Anträge auf Einführung kommunaler Zuschüsse zu der Arbeitslosenunterstützung der Gewerkschaften § 1. In Steyr wohnhafte Arbeiter und Angestellte beiderlei Ge¬ schlechtes haben im Falle der Arbeits= oder Stellenlosigkeit Anspruck auf Gemeindeunterstützung aus Gemeindemitteln, wenn sie: . am Tage der eingetretenen Arbeits=(Stellen=) losigkeit min¬ a) destens ein Jahr ununterbrochen im Gebiete der Stadt Steyr wohnen ür die gleiche Arbeits=(Stellen=) losigkeit Unterstützung von einem Verein der Arbeiter (Angestellten) ihres Berufes auf Grund ihrer Mitgliedschaft erhalten § 2. Die Höhe der Gemeindeunterstützung beträgt die Hälfte der in § 1 b) genannten Vereinsunterstützung Die Gemeindeunterstützung wird von jenem Tage der Ab¬ beits=(Stellen=)losigkeit an und für so lange gewährt, als sie der Urbeits=(Stellen=)lose von dem im § 1 b) genannten Verein er¬ ält; im Höchstausmaße jedoch für 90 Tage während eines kalenderjahres. § 3 Jeder auf die Gemeindeunterstützung Anspruch erhebende Arbeits=(Stellen=)lose ist verpflichtet, sich sofort nach eintretender Arbeits=(Stellen=)losigkeit bei der von der Gemeinde oder von den im § 1 b) genannten Verein errichteten Arbeitsvermittlung eintragen zu lassen, deren Kontrollvorschriften zu beachten und einen ihm von dieser Vermittlungsstelle zu angemessenen Ar¬ beits=(Anstellungs=)bedingungen vermittelten Posten anzunehmen. Als angemessene Arbeits=(Anstellungs-) bedingungen sind solche zu betrachten, die etwaigen Lohntarifverträgen entsprechen, die zwischen den im § 1 b) genannten Vereinen, eventuell den genossenschaftlichen Gehilfenversammlungen einerseits und den Unternehmern, eventuell deren Genossenschaftsversammlungen oder sonstigen Vereinigungen anderseits abgeschlossen wurden Wo derartige Lohntarifverträge nicht bestehen, gelten als ange¬ messen die in Steyr im Berufe des Arbeits=(Stellen=)losen üb¬ lichen Arbeits=(Anstellungs-)bedingungen Jeder ledige männliche Arbeits=(Stellen=)lose ist verpflichtet, uuch einen ihm von der Arbeitsvermittlung zu angemessenen Arbeitsbedingungen zugewiesenen Arbeitsplatz seines Berufes ußerhalb Steyr anzunehmen, falls er nicht nachgewiesenermaßen ür Angehörige (Kinder, Vater, Mutter, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister), die im Gebiet der Stadt Steyr mit ihm gemeinsan wohnen, zu sorgen hat. Im gemeinsamen Haushalt Lebende sind Verheirateten gleichzuhalten. Durch die Annahme einer derartig vermittelten Arbeitsstelle erfolgt jedoch keine Unterbrechung der im § 1 a) genannten Karenzfrist, wenn der Betreffende im Falle neuer¬ licher eintretender Arbeits=(Stellen=) losigkeit seinen Wohnsitz vieder nach Steyr verlegt Hingegen kann kein Arbeits=(Stellen=) loser verpflichtet verden, während eines Ausstandes oder einer Aussperrung einen Arbeitsplatz anzunehmen, der durch einen dieser Umstände frei wurde. § 4 Die Gemeindeunterstützung wird nicht gewährt: ) wenn die Arbeits=(Stellen=)losigkeit durch einen Ausstand oder eine Aussperrung hervorgerufen wird b) venn die Arbeitslosigkeit die Folge dauernder Arbeits unfähigkeit (Invalidität) ist c) ür jene Tage während der Arbeits (Stellen=)losigkeit, für welche der Arbeitslose krank war und Krankengeld von einer nach dem Gesetze vom 30. März 1888, R.=G.=Bl. Nr. 33, eingerichteten Krankenkasse bezog d) bei Nichtbeachtung der im § 3 festgestellten Bestimmungen. § 5 Der Anspruch auf die Gemeindeunterstützung kann nur durch den im § 1 b) genannten Verein erhoben werden, welchem der Unterstützungswerber angehört. Doch muß sich der Verein verpflichten, den Unterstützungsbetrag der Gemeinde vorschuß weise dem Unterstützungswerber in einwöchentlichen Raten im nachhinein gemeinsam mit der Vereinsunterstützung auszuzahlen. Zu diesem Zwecke haben die Vereine ein laufendes Re¬ ister zu führen, in das einzutragen sind: a) Name, Vorname, Wohnung und Beruf aller Mitglieder, die lrbeits=(Stellen=)losenunterstützung erhalten haben; b) die Beträge der Vereins= und der Gemeindennterstützung per Tag und in Summe; der Tag des Beginnes der Arbeits=(Stellen=)losigkeit und c) des Beginnes der Unterstützungsberechtigung; die Zahl der Tage der Arbeits=(Stellen=)losigkeit und der Tage, für die ein Unterstützungsanspruch besteht; die Krankenkasse, der die unterstützten Arbeits=(Stellen=)losen 6) angehören; die Angabe, ob der Arbeits=(Stellen=)lose während der Dauer der Arbeitslosigkeit Krankengeld bezogen hat und für wie viele Tage; die Arbeitsvermittlungsanstalt, bei der der Arbeitslose im Sinne des § 3, 1. Satz, eingetragen war die Angabe, ob der Arbeits=(Stellen=)lose während der Zeit, 8) in der er die Arbeits=(Stellen=)losenunterstützung bezog, an einem Ausstand oder einer Aussperrung beteiligt war. Das Gemeindeamt ist berechtigt, in dieses Register Ein¬ icht zu nehmen und die Vorlegung der von den unterstützten Arbeits=(Stellen=) losen unterzeichneten Quittungen über den Empfang der vom Verein gewährten Vereins= und Gemeinde unterstützungen zu verlangen. § 6. Die Vereine haben monatlich eine Abschrift des Registers, ind zwar für die in jedem Kalendermonate ausbezahlten Unter ützungsbeiträge, bis spätestens zum Ende des folgenden Kalender monates dem Gemeindeamt zu überreichen. Sobald das Gemeinde¬ mt im Besitze des Nachweises ist, hat es die Gemeindeunter lützung zuzuerkennen und binnen 14 Tagen dem Vereine aus¬ zubezahlen 8 7. Ueber Streitigkeiten, die aus dem Unterstützungsanspruch entstehen, entscheidet eine aus 7 Mitgliedern bestehende Kom¬ mission, die vom Gemeinderate der Stadt Steyr gewählt wird. Mitglieder sind aus der Mitte des Gemeinderates zu nomi¬ tieren, 3 (die dem Gemeinderate nicht angehören dürfen) sind aus der Mitte jener Vereine zu bestimmen, deren Mitglieder auf Grund der Vereinseinrichtungen befugt sind, den Anspruch auf Gemeindeunterstützungen zu erheben. Wegen Ernennung des 7. Mitgliedes, welches als Vorsitzender zu fungieren hat, ist an die politische Behörde II. Instanz heranzutreten. Die Entschei dungen dieser Kommission werden mit absoluter Stimmenmehr¬ heit gefaßt und ist eine Berufung dagegen nicht zulässig. § 8. Die Gemeindeunterstützung für Arbeits=(Stellen=) lose ist als Armenunterstützung nicht anzusehen und kann wegen deren Bezug niemand im Genuß seiner öffentlichen Rechte beschränkt werden. § 9. Die Uebertragung des Anspruches auf Gemeindeunter¬ stützung an Dritte, dessen Pfändung oder Verpfändung ist un¬ zulässig In den Voranschlag der Stadt Steyr sind zum Zwecke der Arbeitslosenfürsorge vorläufig 3000 K für das Jahr 1919 einzustellen. 3. Dantlgraber m. p. Ludw. Binderberger m. I“ J. Wokral m. p. Tribrunner F. m. P. Z. 18.681. Ich weise diesen Antrag der I. Sektion zur weiteren Be¬ handlung zu.“ Hierauf wird in die Tagesordnung eingegangen.
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