Ratsprotokoll vom 30. April 1913

2 lich mit Rücksicht auf die starken Interessen, welche die Stadt Steyr an einem weiteren Verbleiben der Fabrik in ihrem Stadtgebiete besitzt, entschlossen, die obenerwähnten Vorteile auf¬ zugeben und die gesamte, gegenwärtig in Steyr und Letten be¬ indliche Fabrik, zuzüglich der vorgenannten Erweiterung auf enen Gründen, welche gemäß Zuschrift * * * * " * * dem Stadtgebiete von Steyr desinitiv inkorporiert werden, suk¬ zessive aufzubauen, und die einzelnen heute vorhandenen alten Fabriksobjekte allmählich, je nachdem es der Grad der Beschäf tigung gestattet, eben dahin zu verlegen Dagegen verpflichtet sich die Stadtgemeinde Steyr, indem sie den dankenswerten Entschluß der Gesellschaft, welcher somit ein weiteres dauerndes Verbleiben der Fabrik im Stadtgebiete von Steyr ermöglicht, im Namen der gesamten Bevölkerung der Stadt in entsprechender Weise würdigt, zu nachstehendem Kauf¬ vertrage und zu den im folgenden § 3 stipulierten Maßnahmen § 2. Die Stadtgemeinde Steyr verkauft zu dem im § 1 er¬ wähnten Behufe, und die Oesterr. Wassenfabriks=Gesellschaft kauft von der Stadtgemeinde Steyr das der Stadtgemeinde gehörige Schacherlehnergut, inneliegend im Grundbuche E.=Z. 70, 114 und 148 der Katastralgemeinde Jägerberg, Bezirksgericht Steyr, amt allen auf diesem Grundstücke befindlichen Baulichkeiten und Zubehör, mit Ausnahme des lebenden und toten Inventars im den gesamten Betrag von K 78.320•—, welcher sofort nach grundbücherlicher Durchführung des Eigentumsüberganges von der Oesterr. Wassenfabriks=Gesellschaft an die Stadtgemeinde Steyr in barem ausbezahlt werden wird. Die Kosten der Eigentumsübertragung, sowie die hiemit verbundene Uebertra¬ gungsgebühr trägt die Käuferin. Die Stadtgemeinde Steyr wird sofort in Gemäßheit des § 50, Punkt 1, des Gemeindestatutes um Genehmigung dieser Veräußerung eines Gemeindegutes im Werte von mehr als 0.000 A durch ein Landesgesetz einschreiten und wird alles aufbieten, um dieses Landesgesetz ehestens zu erwirken, dami die Oesterr. Wassenfabriks=Gesellschaft mit dem Beginne des Baues nicht aufgehalten ist Hierüber wird ein selbständiger Vertrag abgeschlossen. 3 Weiters verpflichtet sich die Stadtgemeinde Steyr in rechts¬ verbindlicher Weise der Oesterr. Wassenfabriks=Gesellschaft gegen über zu folgenden Maßnahmen: a), Für die Dauer des Verbleibens der Fabrik im Stadt¬ gebiete verzichtet die Stadtgemeinde darauf, bei den zur Einhebung gelangenden Gemeindeumlagen auf die direkten Staatssteuern irgend eine „Differenzierung zu gunsten oder zu Lasten einer bestimmten Klasse von Steuerträgern eintreten zu assen, es haben vielmehr die Umlagen — den Fall einer aus nahmsweisen Bewilligung von Seite der Oesterr Waffenfabriks¬ Gesellschaft ausgenommen — so wie bisher auf sämtliche Staats¬ teuern in durchhaus gleicher Höhe eingehoben zu werden b) Gemäß § 50, Punkt 2, des Gemeindestatutes steht es inläßlich des Aufliegens des alljährlichen Voranschlages der Einnahmen und Ausgaben der Stadtgemeinde zur öffentlichen Einsicht jedem Gemeindemitgliede frei, dagegen Erinnerungen u machen. Die Stadtgemeinde Steyr verpflichtet sich für die Dauer von 20 Jahren, vom heutigen Tage an gerechnet, derartige Erinnerungen der Oesterr. Wassenfabriks=Gesellschaft, wenn sie ich auf irgend eine seitens der Stadigemeinde neu zu errichtende Investition beziehen, dann zu berücksichtigen, wenn der Gesamt ostenbetrag dieser Investition mehr als 100.000 K ausmacht, d. h. eine derartige Investition ohne Zustimmung der Oesterr. Waffenfabriks=Gesellschaft nicht auszuführen. Selbst im Falle der Zustimmung der Oesterr. Waffen fabriks=Gesellschaft zu solchen Investitionen, darf die Tilgung der hiedurch entstandenen Kosten keinesfalls kurzfristig, sondern nu in auf mindestens 20 Jahre verteilten Annnitäten erfolgen. Die mit der Inkorporierung und der Verlegung der Fabriksgebände auf die inkorporierten Gründe in Zusammen¬ hang stehenden Neuauslagen der Stadtgemeinde für Straßen, Kanalisierung, Beleuchtung und Schulen fallen nicht unter die vorstehende Bestimmung Sollte die Stadtgemeinde Sieyr den in den Punkten a) und b) übernommenen Vertragsverpflichtungen aus irgend einem Grunde nicht nachkommen, dann ist sie verpflichtet, der Oester¬ eichischen Wassenjabrits=Gesellschaft jenen Mehrbetrag an Ge neindeumlagen, welcher infolge dieses Zuwiderhandelns bei der Oesterr. Waffenfabriks=Gesellschaft zur Einhebung gelangt, der¬ selben jeweils sofort zu vergüten. Beide Vertragsteile unterwerfen sich bedingungslos speziel in allen aus diesen Puntten a4 a) und v) etwa in Zukunft hervorgehenden Streitigkeiten der Entscheidung der ordentlichen Gerichte Die bisherige Erwerbsteuertangente, welche behufs Ein¬ c) hebung der Gemeindeumlagen in Steyr zur Vorschreibung ge¬ angt ist, betrug 80 % von jenem Staatssteuerbetrage, welcher nach Abzug der für Wien als Sitz des Unternehmens entfallen¬ den 20 % verblieb Im Juli 1911 wurde die kommerzielle Direktion der Oesterr. Waffenfabriks=Gesellschaft samt Korrespondenz und Buch¬ haltung nach Wien verlegt, und es ist dieser Umstand zum rstenmal bei dem jetzt zur Ueberreichung gelangenden Erwerb steuerbekenntnisse der Gesellschaft zu berücksichtigen. Die Stadtgemeinde Steyr erklärt sich damit einverstanden, daß mit Rücksicht auf die oben angeführte Verlegung der kommerziellen Direktion nach Wien die in Steyr zur Vorschreibung jelangende Erwerbsteuertangente von den oben erwähnten 80 % auf 55 % herabgesetzt und von jenem Zeitpunkte an, in welchem die Lettener Fabrik gleichfalls nach Steyr übertragen sein wird, auf den Betrag von 60 % erhöht werde Dagegen erklärt sich die Oesterr. Waffenfabriks=Gesellschaft bereit, ihren ganzen Einfluß dahin aufzubieten, daß von der Steuerbemessungsbehörde bei Bemessung der Erwerbsteuer die bezeichneten Erwerbsteuertangenten der Stadtgemeinde Steyr zu¬ geteilt werden Beide Vertragsteile verzichten bezüglich aller in diesen Vertrage geordneten Angelegenheiten auf die Einwendung der Verletzung über die Hälfte und erklären des weiteren, für die Einhaltung der in diesem Vertrage übernommenen Verbindlich¬ keiten mit ihrem ganzen Vermögen zu haften. § 4. Diese Vertragsvereinbarungen treten außer Kraft, wenn die Inkorporierung nicht bis 20. Mai l. J. seitens des Landes¬ ausschusses definitiv genehmigt ist Bis zum Inkrafttreten des Landesgesetzes betreffend den Verkauf des Schacherlehner=Grundstückes hat der beigeschlossene Pachtvertrag Giltigkeit. Steyr, am Zu diesem Vertrage gab der Referent folgende Er¬ klärungen: Der Betrag von 78.320 K entspricht jener Summe, welche die Stadtgemeinde und der Spitalsbaufond für diese Gründe ausgegeben haben Ebenso werden die Kosten der vorgenommenen Tief¬ bohrungen und die Kosten der Neueindeckung des Schuppens eparat vergütet, daher die Stadtgemeinde nichts gewinnt und nlichts verliert Zu § 3 gibt der Reserent bekannt, daß die Stadtgemeinde das Recht habe, einer der öffentlichen Rechnungslegung unter¬ liegenden Körperschaft einen höheren Umlagensatz zu berechnen, als den übrigen Steuerzahlern. Die Stadtgemeinde habe aber von diesem Rechte niemals Gebrauch gemacht. Um aber jedem Irrtume vorzubeugen, erkläre er, daß dieser Punkt sich nicht auf die Höhe der Umlage bezieht. Die Waffenfabrik sagt damit nicht, daß sie nicht mehr als 80 Prozent Umlagen zahlen will, ondern sie erklärt, daß sie nicht mehr Umlagen im Prozentsatze leisten will, als alle übrigen Steuerzahler. Die Umlagenprozente der Waffenfabrik bleiben daher die gleichen, wie die der übrigen Steuerzahler. Bezüglich der Behinderung von Investitionen bemerkt Redner weiters, daß dies ein allerdings moralisch sehr bitter zu empfindender Punkt sei, weil sich derselbe gegen die Stadt¬ emeinde wendet. Er gibt zur Aufklärung bekannt, daß die Bodenkreditanstalt in dieser Hinsicht bei einer ihr gehörigen Fabrik in einer mährischen Gemeinde sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe. Dort sei die Fabrik gegenüber der Stadt noch größer als die Waffenfabrik in Steyr und die Gemeinde be¬ nützte dies zu kurzfristigen Anleihen und hat zur Abzahlung derselben die Gemeindenmlagen in unerhörter Weise hinaufge¬ schraubt, was natürlich die Fabrik sofort allein tragen mußte Vor solchen Zuständen will eben die Waffenfabrik geschützt sein. Die Unterhändler haben sich stark gesträubt, konnten aber leider nichts erreichen, nachdem die Waffenfabrik erklärte, daß, wenn der Punkt in dieser oder anderer Form nicht angenommen wird ihr ein Verbleiben in Steyr unmöglich sei. Dieser Punkt habe anfangs noch schrecklicher ausgesehen. Es war nicht nur für die Dauer von 20, sondern von 30 Jahren bestimmt und hätten die Investitionen nicht über 50.000 K betragen dürfen; außer¬ dem wären in diesem Punkte auch die Investitionen anläßlich des Neubaues der Waffenfabrik eingeschlossen. Die Bindung der Stadt wurde um 10 Jahre heruntergesetzt, der sixe Betrag um 0.000 K erhöht. Im übrigen bezieht sich dieser Passus nur auf unfruchtbare Investitionen, nicht aber auf erträgnisreiche. Nun komme er auf einen Punkt, der in diesem Vertrage aufgenommen ist, der aber eigentlich mit der Verlegung der Waffenfabrik nicht zusammenhängt. Wie bekannt ist, wurde vor zwei Jahren trotz Protestes der Stadtgemeinde die kommerzielle Direktion der Waffenfabrik nach Wien verlegt. Das hat natürlich eine Aenderung in der Imlagenvorschreibung zur Folge, weil die Stadt Wien dadurch berechtigt ist, für sich eine höhere Steuertangente in Anspruch zu nehmen. Das Mehr, das Wien bekommt, muß von Steyl und von Letten getragen werden und dadurch entsteht ein sehr bedeutender Ausfall an Umlagen für Steyr Wie sich aus den Vertragspunkten herausstellt, wird die Steuertangente von 80 Prozent auf 55 Prozent herabgesetzt Leider ist diese Herabsetzung nicht in der Zukunft zu er¬ warten, sondern ist dieselbe bereits am 1. Jänner eingetreten. Dasselbe wäre auch der Fall gewesen, wenn die Waffenfabrik dort geblieben wäre, wo sie jetzt ist. Für die Stadt Steyr ist dies eine sehr empfindliche Belastung, welche sich jedoch voraus chtlich bessern wird, wenn die Waffenfabrik neu errichtet, meh¬ Steuern zahlt und ihre alten Werke mit neuen Industrien de iedelt sind. Diese Angelegenheit ist für die Unterhändler eine ses¬ peinliche gewesen und haben dieselben getrachtet, diese schwere

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