Vermehrung der Mandate im IV. Wahlkörper von 4 auf 8, das Proportionalwahlrecht 2c. wurden neu eingeführt. Das sind außerordentliche Fortschritte, auf die man gewiß noch lange hätte warten müssen, wenn nicht die deutschnationale Partei die Mehr¬ heit im Gemeinderate betommen hätte. Herr G.=R. Triebrunner: Ich würde wohl diesen Fortschritt lebhaft begrüßen, wenn nicht zwei Punkte in diesem Entwurfe enthalten wären, welche die Wähler des IV. Wahlkörpers schwer treffen. Das sind vor allem die Bestimmungen der §§ 19 und 20 bezüglich der Wahlkörper¬ einteilung. Es wird darüber Klage geführt, daß die Wähler des I., II. und III. Wahlkörpers im IV. Wahlkörper wieder wahl¬ berechtigt sind und wodurch der IV. Wahlkörper majorisiert wird. In der Oeffentlichkeit wird verlangt, daß die nationale Partei etwas besseres schaffen soll, als das bestehende, nicht aber, daß man auf halbem Wege stehen bleibt, indem man keinen reinen Arbeiter=Wahlkörper schafft. Wenn man sich dazu entschließen sollte, die drei anderen Wahlkörper im IV. Wahlkörper wahl¬ berechtigt zu machen, so kommt dies den Arbeiterwählern zweifel¬ los zu Schaden. Die Wähler der ersten drei Wahlkörper wählen für sich und so soll es auch im IV. Wahlkörper sein. Es ist ganz löblich, wenn die Zahl der Mandate im IV. Wahlkörper erhöht wird. Aber was nützen die acht Mandate, wenn wieder auf andere Weise Einfluß ausgeübt wird, indem man sagt, ihr Wähler der ersten drei Wahlkörper müßt auch im IV. Wahl¬ körper wählen, und die Partei der Minorität kann dann viel¬ leicht nur zwei Mandate gewinnen. Hier gibt man mit der einen Hand, um mit der anderen wieder etwas zu nehmen. Dasselbe gilt auch bei Festsetzung des Zensus. Wer im III. Wahlkörper ein Anrecht erworben hat zu wählen, dem nimmt man durch den hohen Zensus von 15 K 20 k das Wahlrecht für diesen Wahlkörper weg. Es gibt kleine Beamte und auch Fabrikarbeiter, welche zwischen 8 und 10 K Personaleinkommen¬ steuer zahlen. Diese Wähler scheiden dann im III. Wahlkörper gänzlich aus und kommen in den IV. Wahlkörper hinein. Der zweite Punkt, über den geklagt wird, sind die Wahl¬ orschläge. Es macht in der Oeffentlichkeit den Eindruck, daß die Wahlvorschläge nur zu dem Zwecke dienen, um im Vorhinein Einblick zu gewinnen, wer diese und jene Leute sind. Die meisten Klagen aber sind über die 100 Unterschriften auf einem gilltigen Wahlvorschlag, nachdem man sich dann die übrigen Wähler leicht zurechnen kann. Der Einwand, daß der Wahlvorschlag von allen Bählern vom I. bis zum IV. Wahlkörper unterschrieben werden kann, kommt nicht zur Geltung. Wer von den bürgerlichen Wählern würde wohl so gefällig sein, den Wahlvorschlag des IV. Wahlkörpers zu unterschreiben? Es wäre somit den Wählern des IV. Wahlkörpers nicht gedient, den Wahlvorschlag von Wählern aus allen vier Wahlkörpern unterschreiben zu lassen. Ich bin daher der Ansicht, daß die Zahl der Unterschriften für einen giltigen Wahlvorschlag auf 50 beschränkt werden sollte. Es wären dies so die zwei gravierendsten Punkte, die beseitigt werden sollten, und hoffe, daß diese Anträge angenommen werden, die ich in der Richtung bewegen, daß man den IV. Wahlkörper als reinen Arbeiter=Wahlkörper belaßt, und die Unterschriften, welche für einen giltigen Wahlvorschlag notwendig sind, von 100 auf 50 herabsetzt. Sie werden gewiß damit den Wählern des IV. Wahl¬ körpers einen großen Gefallen erweisen. Bezüglich § 21, wegen Frauenwahlrecht, ist es wohl sehr zu begrüßen, daß das Frauenvollmachtwesen abgeschafft wird. Nun befürchte ich aber, daß in kritischen Fällen ein Mißver¬ ständnis entstehen kann, nachdem im Entwurfe steht, daß das Wahlrecht einer in ehelichen Gemeinschaft lebenden Gattin der Mann auszuüben hat. Ich glaube, hier sollte für verschiedene Eventualitäten Vorsorge getroffen werden, und zwar darum, weil dieses „hat“ leicht als „muß“ aufgefaßt werden kann. Hier sollte stehen, die Frau „kann“ ihr Wahlrecht durch den Mann ausüben lassen. Mit dem Worte „hat“ könnte man leicht meinen, daß die Frau überhaupt ihr Wahlrecht nicht persönlich auszu¬ üben hat. Ich glaube daher, daß man sich damit gar nichts ver¬ geben würde, wenn man anstatt dem Worte „hat“ das Wort „kann“ einsetzt. Herr G.=R. Wokral: Herr G.=R. Erb hat davon gesprochen, daß der neue Ent¬ wurf ohne Vorbehalt von den gegnerischen Parteien anerkannt worden sei. Ich möchte das Eine sagen, daß die Verdienste einer Partei nur dann geschildert werden sollen und von einer An¬ erkennung nur dann die Rede sein soll, wenn ganze Arbeit ge¬ leistet wird; ich bin daher der Auffassung, daß die halbe Arbeit, die gemacht wurde, nicht als Anerkennung bezeichnet werden kann. Wenn wir uns mit unserer Kritik auf einzelne Punkte beschränkt haben, so kann man das nicht als besondere Verdienste preisen, und zwar aus dem Grunde, weil die deutschnationale Partei mit diesem Entwurfe nur einen Teil dessen einlöst, was sie selbst angestrebt und versprochen hat. Man kann daher nicht von besonderen Verdiensten und Anerkennung sprechen, weil sich diese Partei eines schweren Vergehens schuldig gemacht hätte, wenn sie ihr Versprechen nicht eingehalten hätte. Ich möchte noch betonen, daß ich bezüglich „deutsche Nationalität“ nicht gesagt habe, wer bestimmt die Nationalität, ondern daß ich gemeint habe, wie ist der Nachweis zu erbringen, wer deutscher Nationalität ist. Ich glaube, daß auch der Ge¬ neinderat sicherlich im Unklaren ist, wie man dies entscheiden soll, wer deutscher Nationalität ist. Es könnte dann leicht zu dem führen, daß das Bürgerrecht nur denjenigen Personen ver¬ liehen wird, welche sich in der deutschnationalen Partei betätigen. Diese Gefahr besteht und darum habe ich diese Frage gestellt. Bezüglich Reklamation befindet sich Herr G.=R. Erb im Irrtum. Mit meinen vorherigen Ausführungen habe ich die Reklamation des einzelnen Wählers wegen Nichteintragung in die Wählerlisten gemeint. Wenn der Wortlaut, wie er hier im Entwurfe ist, bestehen bleibt, so nützt keine Beschwerde, weil alle Eingaben abgelehnt werden, nachdem es heißt, daß der Ge¬ meinderat über eine Beschwerde endgiltig entscheidet, was so viel bedeutet, daß dann überhaupt keine Beschwerde mehr zulässig ist. Weiters möchte ich noch bemerken wegen die 100 Unter¬ chriften für einen giltigen Wahlvorschlag, daß das, was vom IV. Wahlkörper, wo 3000 Wähler sind, verlangt wird, nicht ür den III. Wahlkörper, wo bedeutend weniger Wähler sind, utrifft, und zwar aus dem Grunde, weil abwechslungsweise die beiden Wahlkörper zur Wahl gehen. Diejenigen, welche wahl¬ berechtigt sind im III. Wahlkörper, können den Wahlvorschlag ür den IV. Wahlkörper nicht unterzeichnen. Wo weist er nach, daß er im IV. Wahlkörper wahlberechtigt ist. Ebenso ist es auch umgekehrt der Fall; und auf Grund wessen kann denn über¬ aupt nachgewiesen werden, daß diejenigen, welche den Wahl¬ vorschlag unterschreiben, Wähler sind. Aus diesem Grunde kann ich mich mit dem Vorschlage nicht befreunden. Dazu kommt noch, daß der IV. Wahlkörper kein reiner Wahlkörper ist und es knapp möglich sein wird, 100 Unterschriften zu erlangen wenn derselbe aber ein reiner Wahlkörper wäre, so ist die Zahl für die notwendigen Unterschriften so hoch gegriffen, daß dies unbedingt als nicht praktisch angesehen werden muß. Es ist dies von einschneidender Bedeutung für den IV. Wahlkörper. Was den Zensus nochmals anbelangt, ist die Sache so, daß allerdings eine ganz geringe Anzahl von Arbeitern im III. Wahl¬ körper wahlberechtigt werden; aber weit größer wird die Zahl derjenigen sein, welche heute das Wahlrecht im III. Wahlkörper haben, und die auf Grund der jetzigen Bestimmungen es in diesem Wahlkörper verlieren und in den IV. Wahlkörper hinein¬ kommen. Ich bitte nochmals darum, daß der IV. Wahlkörper ein reiner Wahlkörper sein sollte, und daß bezüglich der Unter¬ schriften für den Wahlvorschlag noch im letzten Moment ent¬ gegengekommen werden möchte. Wenn eine Aenderung beschlossen werden sollte, so wäre es gut, den ganzen Entwurf nochmals an die 1. Sektion zurückzuleiten und bitte ich, diesen Antrag anzunehmen. Herr G.=R. Nothhaft: Auf die vorigen Ausführungen des Herrn Professors Erb erlaube ich mir, nur ganz kurz folgendes zu erwidern: Was die Forderung der christlichsozialen Partei wegen der Frauenvoll¬ machten anbelangt, muß es uns wohl freistehen, den Zeitpunkt hiefür selbst zu bestimmen, eine solche Frage zu lösen. Die Voll¬ machtenfrage ist von allem Anfange an eine harte Nuß gewesen. Wenn es nicht möglich war, das selbständige Frauenwahlrecht einzuführen, so ist das in der Herrschaft der früheren Partei gelegen, wo wir keine Aussicht gehabt hätten, mit einem solchen Antrage durchzudringen. Jetzt aber halten wir den richtigen Zeitpunkt hiefür gekommen. Wegen der erwähnten Waffenbrüderschaft mit der früher herrschenden Partei will ich bemerken, daß dieses Märchen schon benso oft widerlegt worden ist. Wenn mitunter bei Wahlen ein stillschweigendes Kompromiß stattgefunden, so lag dies in der Natur der momentanen Verhältnisse. Durch das Proportional¬ wahlrecht wird dies dann eben alles wegfallen. Was die Gemeindewahlordnung in Niederösterreich anbe¬ langt, lasse ich mich weiter nicht darauf ein, weil ich dieselbe zu wenig kenne. Das Eine weiß ich, daß verschiedene Punkte in dieser sind, die selbst die Majorität besser gewollt hätte, aber im Kompromißwege angenommen werden mußten. Was das Proportionalwahlrecht für Linz im III. und IV. Wahlkörper anbelangt, so ist es ein offenes Geheimnis, daß die Linzer dort überrascht worden sind. Ich meine auch, daß unser ieuer Entwurf vom Landtage nicht bewilligt wird. Ich kann nur nochmals betonen, daß es nur halbe Schritte sind, die mit diesem Entwurfe gemacht wurden. Betreffs der Forderung, daß der IV. Wahlkörper ein reiner Wahlkörper sein soll, möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß im Landtage Vorsorge getroffen werden wird, daß die Städte Urfahr, Wels 2c. auch einen reinen IV. Wahlkörper bekommen sollten; warum sollte Steyr eine Ausnahme machen. Bezüglich den 100 Unterschriften für den Wahlvorschlag glaube ich, daß dies ein Sanktionshindernis sein dürfte. Ich stehe auf dem Standpunkte, daß 30 Unterschriften vollkommen genügen. Ich bitte daher nochmals, im Interesse der Wähler der Stadt Steyr meine drei vorgebrachten Anträge annehmen zu wollen. Die Herren Gemeinderäte Dantlgraber und Binder¬ berger unterstützen die Ausführungen und Anträge des Herrn G.=R. Wokral bezüglich Herabsetzung der notwendigen Unter¬ schriften für einen giltigen Wahlvorschlag auf 50, sowie daß der IV. Wahlkörper ein reiner Arbeiter=Wahlkörper sein soll. Herr G.=R. Erb: Ich hätte mir nicht gedacht, daß sich wegen der 100 Unter¬ chriften eine so lebhafte Debatte entwickeln würde. Wir haben die Sache so aufgefaßt, daß es ein Leichtes sein wird, von 3500 Wählern 100 Unterschriften für den Wahlvorschlag zu erhalten. Die Herren Vorredner stehen immer auf dem Standpunkte, daß nur aus dem betreffenden Wahlkörper die 100 Unterschriften ge¬ nommen werden können. Das ist wohl klar, daß dies schwer gehen wird. Es ist uns nie eingefallen, für einen Wahlkörper 100 Unterschriften zu verlangen. Wir wollen nur aus 3600 Wählern 100 Unterschriften haben. Wenn aber die Herren Vor¬ redner auf ihrem Standpunkt verharren, so habe ich für meine Person auch nichts dagegen, für jeden Wahlkörper 50 Unter¬ schriften vorzuschreiben. Auch ist vorhin erwähnt worden, daß der III. Wahlkörper an Wählerzahl schwächer wird. Ich betone dagegen, daß der III. Wahlkörper eine bedeutende Zunahme an Wählern erfahren wird.
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