Ratsprotokoll vom 9. Dezember 1911

Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am Samstag den 9. Dezember 1911. Tages=Ordnung: Aenderung des bisherigen Gemeindestatutes. Gegenwärtig: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Gustav Stalzer. Die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Ludwig Binderberger, Gottlieb Dantlgraber, Wilhelm Denkmayr, Leopold Erb, Paul Fendt, Leopold Haller, Dr. Karl Harant jun., Josef Huber jun., Franz Kirchberger, Anton Kurz, Josef Langoth, August Mitter, Franz Nothhafte Karl Oberngruber, Franz Schwertfelner, Anton Sighart, Emil Stephan, Franz Tribrunner, Karl Wöhrer, Josef Wokral. Ferner sind anwesend: Herr Stadtrat Franz Gall und als Schriftführer der städt. Diurnist Gustav Wania. Entschuldigt abwesend sind die Herren Gemeinderäte: Otto Dunkl, Franz Kattner, Friedrich Landsiedl, Franz Lang und Viktor Ortler. Beurlaubt ist Herr Vize=Bürgermeister Julius Gschaider. Der Herr Vorsitzende begrüßt die Herren Gemeinderäte, konstatiert die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates und erklärt die Sitzung um 2 Uhr nachmittags für eröffnet. Zu Verifikatoren dieses Protokolles werden die Herren Ge¬ meinderäte Karl Oberngruber und Franz Schwertfelner gewählt. Der Herr Bürgermeister ersucht hierauf Herrn G.=R. Dr. Karl Harant jun., als Referent der l. Sektion, das Wort in dieser Angelegenheit zu ergreifen. Herr G.=R. Dr. Karl Harant führt hierauf aus, daß sich der Gemeinderat in der heutigen Sitzung, wie bereits be¬ kannt sei, mit der Beschlußfassung über das neue Gemeinde¬ statut zu befassen habe. Da der Entwurf den Herren seit einer Reihe von Tagen vorliege, sei anzunehmen, daß sie über den¬ selben genügend orientiert sind, und daß es daher kaum not¬ wendig sein wird, in die einzelnen Punkte einzugehen. Er werde daher den neuen Entwurf über das Gemeindestatut nur in seinen hauptsächlichsten Bestimmungen erörtern. Bevor Redner jedoch in die eigentliche meritorische Be¬ handlung derselben eingehe, erlaube er sich noch vorher, über die geschäftsmäßige Behandlung dieser Angelegenheit einiges zu bemerken. Die l. Sektion ist in dieser Frage zusammengetreten und hat über den Modus beraten, der bei der Behandlung im Ge¬ meinderate über diese Frage einzuschlagen wäre. Die Mitglieder derselben haben sich dahin geeinigt, dem Gemeinderate folgenden Vorgang zu empfehlen: Es soll nach dem Vortrage des Referenten jedem Herrn Gemeinderate die Möglichkeit gegeben sein, das Wort in dieser Angetegenheit zu ergreifen und die Vorschläge in der Richtung einer Abänderung zu machen. Die betreffenden Herren mögen ihre bezüglichen Anträge stellen, es werde dann hierüber abge¬ stimmt, wobei auf diesem Wege eine Spezialdebatte vermieden werden könne. Sodann könnte über den vorliegenden Entwurf en bloe abgestimmt werden. Er ersucht daher die Herren Gemeinderäte, sich an diesen Modus halten zu wollen, um so das Ganze wesentlich zu er¬ leichtern. Der Herr Referent geht hierauf zur Besprechung der meritorischen Teiles über. Der ganze Entwurf zerfalle in drei Abschnitte, und zwar lautet der erste Abschnitt (§ 1 bis 16) über das Gemeindegebiet und deren Bewohner, der zweite (§ 17 bis 52) von der Ge¬ meindevertretung, der dritte (§ 53 bis zum Schlusse) vom Wir¬ kungskreise der Gemeinde. Die einschneidensten Veränderungen gegenüber dem bis¬ herigen Gemeindestatut habe der zweite Abschnitt, und zwar die Gemeindewahlreform erfahren, und glaube er, daß sich der Ge¬ meinderat hauptsächlich mit dieser Frage zu befassen haben werde. Im § 19 dieses Abschnittes sei die Einführung eines neuen Wahlfaktors, nämlich das selbständige Frauenwahlrecht, be¬ merkenswert. Diese Neueinführung rechtfertigt sich dadurch, daß die Frau im Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle einnimmt, daß die Frau nicht mehr bloß die Besitzerin einer Realität, sondern oft genug die Leiterin eines selbständigen Betriebes ist, sie erscheint als Angestellte in Privatunternehmungen u. dgl. Es sei daher selbstredend, daß auch den Frauen die Möglichkeit gegeben werden solle, ihrer Meinung darüber Ausdruck zu geben, nach welcher Richtung hin die Gemeinde vertreten werden solle. Es würde durch das selbständige Wahlrecht der Frauen das Vollmachtenwesen aufgehoben werden, und zwar jenes Voll¬ machtenwesen, über dessen Uebelstände alle Herren Gemeinderäte einig sein dürften. Eine Ausnahme vom selbständigen Frauenwahlrecht ist vorgesehen für Ehefrauen, welche in ehelicher Gemeinschaft leben (§ 21, P. 2), während Frauen, welche geschieden sind, ihr Wahlrecht persönlich auszuüben haben. Die Vertretung der Ehefrau durch ihren Gatten sei kein Vollmachtswahlrecht, da der Gatte zur Ausübung des Wahl¬ rechtes keiner Vollmacht bedürfe, sondern als gesetzlicher Ver¬ treter seiner Frau auftrete, der er auch sonst im Rechtsleben sei. Würde die verehelichte Frau neben ihrem Gatten selbständig das Wahlrecht ausüben, so könnte dies zu bedauerlichen Unzu¬ kömmlichkeiten führen, indem dadurch die Politik in den Schoß der Familie getragen würde und die Quelle von Unfrieden in derselben werden könnte. Ein weiterer Punkt, welchem ebenfalls eine einschneidende Wirkung zukommt, ist die Erhöhung der Mandate des IV. Wahl¬ körpers von vier auf acht Mandate. (§ 32.) Weitere Aenderungen wurden getroffen im § 26. Hier heißt es im alten Statut, daß vom aktiven Wahlrechte im I., II. und III. Wahlkörper jene Personen ausgeschlossen sind, welche eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen oder als Taglöhner oder als Gewerbegehilfen keinen selbständigen Erwerb haben. Hier verfügt das neue Statut eine wesentliche Erweiterung des Wahlrechtes, wobei vorausgeschickt werden kann, daß als Armenversorgung in Bezug auf das Wahlrecht in allen vier Wahlkörpern nicht anzusehen seien: Unterstützungen aus Kranken¬ kassen, Unfalls=, Alters= oder Invaliditätsrenten, unentgeltliche Verpflegung in den öffentl. Krankenanstalten, die Befreiung vom Schulgeld, die Beteilung mit Lehrmitteln oder mit Stipendien sowie auch Notstandsaushilfen. Betreffend den Personen, welche in einem Gesindeverbande stehen, oder als Taglöhner oder als Gewerbegehilfen einen selbständigen Erwerb nicht haben, ist im neuen Statut vorge¬ sehen, daß selbe vom Wahlrecht in allen vier Wahlkörpern nicht auszuschließen wären. Wie zu ersehen ist sieht der neue Entwurf eine wesent¬ liche Erweiterung des Wahlrechtes vor, da von den früheren drückenden Bestimmungen mit Recht abgegangen werden soll, nachdem auch allen jenen, welche nicht einen selbständigen Er¬ werb haben, das Wahlrecht gegeben wird. Im Zusammenhange mit diesen Bestimmungen des § 26 war die Einführung eines Zensus notwendig für solche, welche mit einer Personaleinkommensteuer von wenigstens 15 K 20 h seit mindestens einem Jahre in Vorschreibung stehen. Eine Abweichung hievon findet sich für jene Personen, welche keine Personaleinkommensteuer oder Landesumlage zahlen, sondern mit einer direkten Steuer belastet sind. Diese Bestimmungen sind im § 19, P. 1, enthalten. Im § 46 (Dauer der Amtsführung) ist die Mandatsdauer der Gemeinderäte von drei auf sechs Jahre festgelegt. Die Gemeinderatswahlen hätten nicht mehr alljährlich statt¬ zufinden, sondern nur mehr alle drei Jahre, wodurch die mit jeder Neuwahl verbundenen Aufregungen der Wählerschaft und ebenso die damit verbundenen Auslagen eingeschränkt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt neben dem selbständigen Frauenwahlrecht ist die Neueinführung des Proportionalwahl¬ rechtes. Der Zweck dieser neuen Wahlordnung soll der sein, daß hiedurch ein Schutz größerer Minderheiten platzgreifen soll. Es werde in Zukunft das vermieden, daß solche Minderheiten ein¬ fach mundtot gemacht werden, und dieses wird durch das neu¬ einzuführende Proportionalwahlrecht erreicht. Die Majorität des jetzigen Gemeinderates hat hiedurch ihr Entgegenkommen gegen¬ über den anderen Parteien bewiesen indem sie anstatt der ver¬ alteten Bestimmungen ein modernes Wahlrecht, das Proportional¬ wahlrecht, welches auch für Steyr Geltung haben soll, einführen will. Jedoch soll diese Einführung der Verhältniswahl nur für den III. und IV. Wahlkörper Geltung haben, weil man sich sagen müsse, daß durch die Einführung dieses Wahlsystems in. allen vier Wahlkörpern im Gemeinderate wahrscheinlich Zu¬ stände eintreten würden, welche die Amtsführung des jeweiligen Herrn Bürgermeisters ganz besonders erschweren würden. Es würde sich herausstellen, daß eine feste Majorität, die dem Herrn Bürgermeister die Deckung gewähren soll, nur schwer zu finde

2 sein wird, so daß ein ruhiges, sachliches Arbeiten sehr leicht ver¬ hindert werden könnte. Von Bedeutung für dieses Proportionalwahlrecht sind die Bestimmungen über den Wahlvorschlag. In dem betreffenden § 37 ist vorgesehen, daß der Wahl¬ vorschlag von mindestens 100 Unterschriften (sämtliche müssen Wahlberechtigte sein) versehen sein muß. Die Sektion war der Ansicht, daß es nicht schwer sein wird, diese 100 Unterschriften zu sammeln. Es würde dies dann den größeren Verbänden die Mög¬ lichkeit geben, selbständig in die Wahlbewegung eingreifen zu können, während es kleinen, nichtssagenden Verbänden unmöglich ist, eventuelle Verwirrung und Unzufriedenheit in die Wähler¬ schaft zu tragen. Es ist das Wahlrecht, wie es für die ersten drei Wahl¬ körper vorgesehen ist, ein Besitzwahlrecht, also mit dem Besitze verbunden. Die Sektion habe dieses Besitzwahlrecht aus Prinzip nicht allen lassen wollen. Dieses Wahlrecht kommt juristischen Per¬ onen, Vereinen, Körperschaften u. dgl. und nicht eigenberechtigen Personen zu und versteht es sich von selbst, daß für solche Per¬ sonen ein Vollmachtenwahlrecht einzuführen ist, weil dieselben nicht selbständig wählen können. Was noch § 19 betreffe, so wurde in demselben das soge¬ nannte Intelligenzwahlrecht beibehalten, beziehungsweise dieser Paragraph ausführlicher in den einzelnen Punkten gehalten. Im großen und ganzen ist zu erkennen, daß die ver¬ schiedenen Wahlkörper im übrigen in der bisherigen alten Ein¬ teilung belassen worden sind, weil die Sektion glaubt, daß eine Aenderung wohl kaum notwendig sein wird und weil eine solche höchstens eine Verstimmung in die Wählerschaft tragen würde. Interessant sei noch darauf hinzuweisen, daß im neuen Statute das Recht über die Veräußerung des Ge¬ meinde vermögens ein erweitertes ist. Im alten Statute heißt es hierüber im § 50, Punkt 1, daß für die Veräußerung des Gemeindevermögens oder =Gutes im Werte von 10.000 K oder darüber ein Landesgesetz not¬ wendig ist. Um über den Antrag der Veräußerung eines Ge¬ meindevermögens bis zu 10.000 K und darüber abstimmen zu können, mußte derselbe in der Sitzung von wenigstens zwei Dritt¬ teilen des Gemeinderates beraten und mit absoluter Stimmenmehr¬ heit sämtlicher Gemeinderatsmitglieder angenommen worden sein. Das neue Statut erhöht den Betrag, über welchen der Gemeinderat selbst verfügen kann, von 10.000 K auf 30.000 K und sei hiezu die absolute Mehrheit der bei der betreffenden Sitzung anwesenden Gemeinderäte ausreichend. Zu einer gültigen Beschlußfassung über die Veräußerung eines Gemeindevermögens oder =Gutes im Werte von mehr als 30.000 K ist erforderlich, daß mindestens zwei Drittel der Ge¬ meinderäte anwesend sind und daß überdies die absolute Mehrheit der Anwesenden zustimmt, und erst bei einer Veräuße¬ rung eines Gemeindevermögens oder =Gutes von 80.000 K und darüber sei die Genehmigung des Landesausschusses einzuholen und erst wenn dieser seine Zustimmung versagt, durch Landtags¬ beschluß, welcher der Allerhöchsten Genehmigung zu unterziehen ist, die Bewilligung hiezu zu erwirken. Es ist daraus zu ersehen, daß dem Gemeinderate ein größerer Spielraum geboten wäre, welcher auch notwendig er¬ schien, um im heutigen Wirtschaftsleben erfolgreich wirken zu können. Der Gemeinderat erscheine hiedurch selbständiger als bisher, nachdem er früher schon bei einer Veräußerung von mehr als 10.000 K um die Genehmigung des Landesausschusses einkommen mußte. Es werden aber jetzt, weil der Spielraum ein größerer ist, gewiß auch keine leichtsinnigen Beschlüsse gefaßt werden. Dies erscheine wohl so ziemlich ausgeschlossen. Der Herr Referent bemerkt hierauf noch, er glaube, daß dieser neue Entwurf über die Gemeindewahlreform und die sonstigen Statuten allen billigen. Anforderungen entsprechen werden, und bittet er zugleich die Herren Gemeinderäte, um unveränderte Annahme des Entwurfes. Herr G.=R. Nothhaft: Sehr geehrte Herren! Als Vertreter der christlichsozialen Partei im Gemeinderate und infolge des in dieser Frage ge¬ faßten Beschlusses, nehme ich mir die Freiheit, als erster Redner die Anschauung meiner Gesinnungsgenossen zur Kenntnis zu bringen. Löblicher Gemeinderat: Die Erkenntnis der Tatsache, daß der Entwurf einer neuen Gemeindewahlordnung in Steyr ein Bedürfnis für alle Wahlberechtigten ist, hat die christlichsoziale Partei in Steyr veranlaßt, bereits im Mai vorigen Jahres dem Gemeinderate eine diesbezügliche Eingabe zu unterbreiten, und hat bekanntlich drei Grundsätze aufgestellt, nach welchen die neue Gemeindewahlordnung aufgebaut werden sollte. Es sind dies: 1. Abschaffung des Vollmachtenwesens, 2. Schaffung eines reinen IV. Wahlkörpers für jene Seßhaften, welche keine direkten Steuern zahlen, und 3. Einführung des Proportional¬ wahlrechtes in allen vier Wahlkörpern. Der Gemeinderat versprach damals, der aufgerollten Frage näher zu treten und hat die I. Sektion beauftragt, daß sie sich damit befassen und dann dem Gemeinderate Bericht erstatten olle. Leider blieb mein damals sofort gestellter Zusatzantrag, die Sache innerhalb 3 bis 4 Monaten zu behandeln, über Ver¬ anlassung des Herrn G.=R. Erb in der Minorität. Herr Ge¬ meinderat Erb hat beantragt, das gesamte Steyrer Gemeinde¬ statut einer größeren Reform zu unterziehen und hat hiebei be¬ hauptet, daß so viele Aenderungen notwendig seien, daß man der 1. Sektion einen bestimmten Zeitpunkt für die Fertigstellung nicht vorschreiben könne. Eine Frist von 3 bis 4 Monaten sei überhaupt zu kurz. Wie man nun aus der Durchsicht dieses neuen Statutes ersieht, sind keine so wesentlichen Aenderungen vor sich gegangen, daß selbe so eine lange Zeit beansprucht hätten, und könne er ich daher über die Behauptung des Herrn G.=R. Erb eines kleinen Lächelns nicht erwehren. (Herr G.=R. Erb unterbricht den Herrn Redner und be¬ merkt, daß laut Geschäftsordnung das Herablesen von schrift¬ lichen Aufsätzen unzulässig sei.) Herr G.=R. Nothhaft erwidert, daß er seine Rede nicht herablese, sondern sich nur einzelne Schlagworte aufnotiert habe. Jeder der Herren Gemeinderäte werde wissen, daß dies dem be¬ treffenden Redner erlaubt ist. Uebrigens sei er in der Sache so gut versiert, daß er es nicht notwendig habe, seine Rede herunterzulesen. Der Herr Vorsitzende macht Herrn G.=R. Nothhaft aufmerksam, daß es im § 32 der Geschäftsordnung des Gemeinde¬ rates heißt: Den Sprechern in der Debatte ist die Ablesung von schriftlichen Aufsätzen nicht erlaubt. Herr G.=R. Dantlgraber erklärt, daß es bei der Wichtigkeit der heutigen Verhandlungen wohl einigermaßen not¬ wendig ist, sich irgend welche Stichwörter zu notieren und sehe er hierin keinen Anstoß gegen die Geschäftsordnung des Ge¬ meinderates. Herr G.=R. Erb erwidert, eine Geschäftsordnung sei dazu da, daß sie auch gehalten werde. Es ist dem Redner laut § 32 nicht erlaubt, seine Ausführungen herunterzulesen. Es sei dies auch ganz selbstverständlich, denn sonst könnte es passieren, daß eder Redner mit schriftlichen Aufzeichnungen von ganz be¬ deutender Länge kommt und in Zukunft jeder Gemeinderat einen chriftlichen Vortrag hält. Dieser Paragraph ist daher auch gewiß im Interesse des gesamten Gemeinderates. Es werde gewiß dem Herrn G.=R. Nothhaft nicht schwer fallen, aus freien Stücken an der Hand von Stichwörtern seine Rede fortzusetzen. Herr G.=R. Nothhaft erwidert, er habe sich, wie schon erwähnt, nur Stichwörter notiert und gehe er in seinen Aeuße¬ rungen nach denselben vor. Der Herr Vorsitzende ersucht hierauf Herrn Gemeinde¬ rat Nothhaft seine Rede fortzusetzen. Herr G.=R. Nothhaft: Ich möchte noch bezüglich Befristung über die Aenderung des Statutes kurz bemerken, daß das neue Gemeindestatut gerade so gut noch im Vorjahre dem Gemeinderate hätte vorgelegt werden können, damit es noch rechtzeitg in der Jännersession des Landtages hätte zur Sprache gebracht werden können und wäre es daher schon bei den Gemeinderatswahlen im Jahre 1912 möglich gewesen, ohne allen unnötigen Aufregungen und Unzukömmlichkeiten an die Wahlurne schreiten zu können. Ich erlaube mir nun auf den eigentlichen Teil dieser An¬ gelegenheit überzugehen. Nachdem naturgemäß nur das Resultat der Majorität der Rechtssektion in diesem Entwurf des neuen Statutes auferscheint, o will ich die Wünsche der christlichsozialen Partei hier im Ge¬ meinderate zur Sprache bringen. Vor allem will ich bemerken, daß unseren drei Haupt¬ forderungen nur in einer Richtung Rechnung getragen worden ist, und zwar ist dies die Abschaffung von Frauenvollmachten. Die Klagen der Frauen über die vielfachen Belästigungen wurden bereits derart laut, daß sich die Partei veranlaßt sah, den Wünschen der Frauen Rechnung zu tragen. Ich begrüße daher freudigst diese neue Wahlordnung, mit welcher die Frau selbst zur Urne schreiten muß, um ihr Wahlrecht ausüben zu können. Unserer zweiten Forderung, der Einführung des Propor¬ tionalwahlrechtes, wurde nur teilweise entsprochen, nachdem das¬ selbe nur für den III. und IV. und nicht auch für den l. und II. Wahlkörper eingeführt werden soll. Ich habe mir in der Sektion Mühe gegeben, dieser meiner Anschauung Gehör zu ver¬ schaffen, daß nicht auf halbem Wege stehen geblieben werden olle, sondern dem Gerechtigkeitsgefühle Rechnung getragen werden möge, daß den Minoritäten nicht nur im III. und IV. Wahl¬ körper, sondern auch im I. und II. Wahlkörper Gelegenheit ge¬ geben werden solle, Vertreter je nach dem Verhältnis ihrer Stärke in den Gemeinderat entsenden zu können. Damit sind wir dort angelangt, welches man den spannenden Punkt nennt. Nach dem Verhältnis der Kräfte soll gewählt werden und darin besteht eben das Proportionalwahlrecht. Das System der bisher ge¬ pflogenen Mehrheitswahl mag in den früheren Jahrzehnten, wo die Bevölkerung sowohl den politischen als den Kommunal¬ wahlen noch viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt hat, am Platze gewesen sein, heute aber, wo die Erkenntnis der Wichtigkeit aller Wahlen bereits in alle Schichten gedrungen ist und auch die Schulung der Wähler eine ganz andere geworden ist — schreiten a selbst bei Wahlen ohne Wahlzwang schon zirka 90% zur Wahlurne — heute wollen auch die politisch gereiften und organisierten Minoritäten in den gesetzgebenden Körperschaften wenigstens nach ihrer Stärke vertreten sein. Dies ist aber nur nöglich bei Anwendung des gerechten und ausgleichenden Wahl¬ rechtssystems. Während die Minoritäten bis jetzt ganz an die Wand gedrückt wurden und somit keine Vertretung im Ge¬ meinderate hatten, ist ihnen durch die Verhältniswahl die Mög¬ lichkeit geboten, ihren Anschauungen Geltung zu verschaffen, was auch bei finanziellen Fragen von großer Bedeutung ist. Wir haben hier zugleich zwei Vorteile zu verzeichnen. Einerseits die größere Gerechtigkeit und zweitens die damit zu¬ sammenhängende Abschwächung des Wahlkampfes selbst. Wenn Minoritäten schon im Voraus wissen, daß sie in der betreffen¬ den Körperschaft nur die ihrer Stärke entsprechende Anzahl von Mandaten erreichen können, so wird der Wahlkampf naturgemäß an Heftigkeit verlieren, und welchen Wert dies für kleinere Städte, so z. B. für Steyr, hat, wo die Bürgerschaft aufeinander angewiesen ist, werden die Herren wohl selbst ermessen können.

3 Ein dritter und ebenfalls nicht zu unterschätzender Vorteil ist der gänzliche Wegfall der Stichwahlen und die damit zu¬ sammenhängenden Kompromisse. In ersterer Hinsicht wird nicht nur der oftmals noch heftigere zweite Wahlkampf gänzlich über¬ flüssig, wobei nebstdem auch der Gemeinde selbst bedeutende Mehr¬ kosten erspart bleiben, und in letzterer Hinsicht kann es schließlich jeder Partei nur erwünscht sein, keine zweifelhaften Kompromisse mehr eingehen zu dürfen. Ein vierter Vorteil wäre noch der, daß beim Proportional¬ wahlrecht auch noch für Ersatzmänner vorgesehen ist und bei dem eventuellen Ableben eines Gemeinderatsmitgliedes immer der bestimmte Ersatzmann von der betreffenden Liste der Partei nachrückt, so daß niemals eine besonders große Verschiebung in der bisherigen Gruppierung eintreten wird. Ich komme nun auf die Ausführungen des Herrn Referenten zu sprechen. Vor allem anderen freut es mich, aus dem Munde des Herrn Referenten gehört zu haben, daß auch er das neue Statut als ein modernes bezeichnet und außerdem freut mich das teil¬ weise Entgegenkommen der herrschenden Majorität gegenüber den Minderheiten. Umso mehr muß es auffallen, daß dieses Entgegenkommen gegenüber den Minderheiten im l. und II. Wahlkörper, wo die Anzahl der Steuerpflichtigen noch größer ist, als in den anderen Wahlkörpern, nicht gepflogen worden ist und finde ich, daß dem Gerechtigkeitsgefühle hiebei nicht in dem Maße gehuldigt worden ist, wie es zu wünschen wäre. Was die Befürchtung anbelangt, daß damit eine Einschränkung in der Amtsführung des jeweiligen Herrn Bürgermeisters vorkommen könnte, dadurch, das keine feste Majorität zu finden wäre, die dem Herrn Bürgermeister die nötige Deckung gewähren soll, treffe wohl nicht zu. In finanziellen Fragen, die der Gemeinderat zu berücksichtigen hat; wird sich auch die Minorität immer für eine gesunde finanzielle Politik aus¬ sprechen und den Herrn Bürgermeister im Gemeinderate unter¬ stützen. Die Herren wissen dies von mir selbst. Die Minorität wird auch künftighin, so wie bisher, in einer gesunden finanziellen Politik die Majorität des Gemeinderates unterstützen. Wenn wir politische Fragen im Gemeinderate nicht aufrollen, ist dies auch kein Unglück, nachdem meiner Ansicht nach politische Fragen überhaupt nicht in den Gemeinderat gehören und derselbe so wie so genug mit seinen eigenen Angelegenheiten zu tun hat. Meine Herren! Bleiben Sie daher, wie gesagt, nicht auf halbem Wege stehen und geben Sie dem l. und II. Wahlkörper das gleiche Recht und den gleichen Vorteil, wie dem III. und IV. Wahlkörper, indem Sie das Proportionalwahlrecht auch hier einführen. Ich bitte, diesen meinen Antrag zum Beschlusse er¬ heben zu wollen. Was die weitere Forderung der christlichsozialen Partei anbelangt, so ist dies die Schaffung eines reinen IV. Wahl¬ körpers für jene seßhaften wahlberechtigten Personen, welche der Stadtgemeinde keine direkten Steuern zahlen, und glaube ich, daß die Majorität auch diesem Wunsche Folge leisten könne, und zwar speziell hier in Steyr, wo eine große Arbeiterschaft ist, wäre es doppelt empfehlenswert, für diese Gruppe Vertreter zu reservieren. Daß auch die Bürgerschaft von allen drei Wahl¬ körpern dieser Ansicht ist, ist der beste Beweis dafür gewesen, daß sie sich bei der letzten Wahl im IV. Wahlkörper nicht mehr beteiligt hat. Weiters will ich zu den Bestimmungen des § 37, wonach ein gültiger Wahlvorschlag von mindestens 100 Wahlberechtigten unterfertigt sein muß, einen Gegenantrag stellen. Diese Ziffer ist viel zu hoch und beantrage ich, daß die notwendige Zahl für einen gültigen Wahlvorschlag auf 30 Stimmen festgesetzt werde. Es ist allerdings nicht schwierig für eine Partei, welche zur Geltung kommen will, 100 Stimmen aufzubringen, ich sehe aber in diesen 100 Stimmen einen Eingriff in die Freiheit der Wahl und in die geheim sein sollende Abstimmung. Durch das Voraus¬ unterschreiben von solchen Wahlvorschlägen ist diese aber nicht mehr geheim und sogar gegen die Vorschriften der Gemeinde¬ wahlordnung. Ich glaube, mit 30 Unterschriften ist die Zahl hoch genug gegriffen. Es hat aber diese Bestimmung noch einen Widerspruch in sich, und zwar deshalb, weil innerhalb einem Jahre nur zwei Wahlkörper zur Urne schreiten und liegen in diesem Falle auch die Wählerlisten der anderen Wahlkörper nicht auf, daher man nicht weiß, wer diesesmal Wähler ist und wer nicht. Ich meine 20 h Personaleinkommensteuer gezahlt haben. daher, daß diese Gründe genügen werden, die gültige Zahl der Unterschriften für den Wahlvorschlag auf 30 herunterzusetzen. Ich habe in der Sektionssitzung noch verschiedene andere Wünsche vorgebracht, über welche ich jedoch keine direkten An¬ träge stelle, sondern auf die ich nur kurz hinweisen will. Es wäre z. B. zu wünschen, daß die außerhalb Steyr wohnhaften Wahlberechtigten selbst an der Wahlurne erscheinen sollen, nachdem es sich nicht vereinbaren läßt, daß man für diese statutarisch eine Wahlmöglichkeit sichert, während Einheimische, wenn sie aus Zufälligkeit sich an der Wahl nicht beteiligen können oder krank sind, nicht wählen können. Weiters wurde gesprochen über das Intelligenzwahlrecht. Nach diesem soll jeder Wahlberechtigte auf Grund seiner Stellung in die einzelnen Wahlkörper sofort eingeteilt werden, während doch bei solchen auch eine wenigstens einjährige Seßhaftigkeit gerechtfertigt wäre. Ueber die Reklamationsfrist an politischen Behörden wäre wohl auch noch einiges zu sagen, ebenso über verschiedene weitere Punkte, die alle einer anderen Fassung bedürftig wären, doch will ich nicht weiter darauf eingehen, damit die ganze Sache nicht noch länger hinausgeschleppt werde und bitte ich schließlich nur, daß über meine Hauptanträge abgestimmt werde, und er¬ suche ich zugleich die Herren Gemeinderäte, im Sinne meiner Ausführungen zu stimmen. Herr G.=R. Wokral: Nachdem mein Vorredner Herr G.=R. Nothhaft im Namen der Christlichsozialen gesprochen hat, so will ich im Namen der Sozialdemokraten unseren Standpunkt zum vorliegenden Ent¬ wurf des neuen Gemeindestatutes kennzeichnen. Vorausschicken möchte ich nur das eine, daß das Verlangen nach einer Aenderung der Gemeindewahlordnung schon ein längeres ist, und daß dieses Verlangen nicht nur von einer Partei, sondern von allen Parteien, wie sie hier sitzen, schon lange Zeit geäußert worden ist. Ih möchte jedoch noch den Wunsch aussprechen, daß dieser neue Entwurf nicht halbe, sondern ganze Arbeit sein soll, und dem Ausdruck geben, daß, wenn der Entwurf gerecht sein soll, er nicht halb gerecht, sondern ganz gerecht sein muß. Was uns Sozialdemokraten am meisten am Herzen liegt, ist die Gemeindewahlordnung. Vorher möchte ich jedoch noch auf einen Punkt des ersten Abschnittes hinweisen, der mir nicht recht geeignet erscheint, und zwar ist es vor allem § 5, welcher vom Bürgerrecht handelt. Ich möchte mir erlauben, hierüber einiges zu bemerken. Hier heißt es nämlich: „Das Bürgerrecht darf nur solchen Gemeindeangehörigen verliehen werden, welche" u. s. w. Daß dieses nur dem Gemeinderate unter Umständen in große Verlegenheit bringen kann, ist klar. Es handelt sich hauptsächlich hierin um Punkt 1, wo es heißt, daß das Bürgerrecht nur jenen Personen verliehen werden darf, welche deutscher Nationalität sind. Meine sehr geehrten Herren! Ich mußte dies hier zur Sprache bringen, weil ich nicht klar bin darüber, wie man dies nachweisen kann. Ich bin mir nicht klar darüber, wer deutscher Nationalität ist. Ist jener deutscher Nationalität, welcher sich der deutschen Umgangssprache bedient, oder jener, welcher in einer deutschen Gemeinde das Heimatsrecht besitzt. Kurz es wird niemand wissen oder mit Bestimmtheit behaupten können, wer deutscher Nationalität ist. Ich bin der Ansicht, daß die Bestimmung „deutscher Nationalität“ so quasi Kautschuk ist, und daß derartige Be¬ stimmungen nicht in ein Gemeindestatut gehören. Dazu kommt noch, daß man sagen muß, wenn die Gemeinde für richtig hält, daß sie von allen Gemeindeangehörigen Steuern einhebt, sie auch bei Verleihung von Bürgerrecht nicht so vorgehen soll Eine weitere Bestimmung, die hier ausgelassen ist, die aber im früheren Statute enthalten war, ist die, daß das Bürgerrecht auch anderen als im Statute Verzeichneten verliehen werden kann. Ich erlaube mir zu § 5 den Antrag zu stellen, daß die Worte „darf nur“ gestrichen werden sollen, und Punkt 1 „deutscher Nationalität sind“ ganz weg bleiben solle. Ich komme jetzt zum Entwurfe über die neue Grmeinde¬ wahlordnung. Wir stehen als Sozialdemokraten auf dem Standpunkte des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes. Nachdem wir aber überzeugt sind, daß eine solche Wahlreform von der Regierung nicht sanktioniert wird, gehen wir auf die Vorlage ein. Hier ist vor allem § 19. Ich möchte mir da die Bemer¬ kung erlauben, daß bei der Einführung des Proporzes möglichst mit allen Privilegien aufgeräumt werden solle. Ich finde es nicht ganz gerechtfertigt, wenn man Personen das Wahlrecht gibt, welche nicht in Steyr wohnen, und die erst kurze Zeit hier sind. Dabei muß man noch in Betracht ziehen, daß es für die se߬ haften Wähler notwendig ist, daß sie das 24. Lebensjahr zurück¬ gelegt haben, während bei diesen Leuten eine Volljährigkeit nicht vorgeschrieben ist. Es ist dies meiner Auffassung nach ein Punkt, welcher nicht gerecht erscheint. Weiters kommt noch, daß durch die Einführung eines Zensuses für den III. Wahlkörper gewaltige Verschiebungen Platz greifen. Wir haben in der Vorlage eine Personalsteuer von 15 K 20 h angeführt, die zum Wahlrecht im III. Wahlkörper berechtigt. Hiedurch werden einzelne Arbeiter, welche mehr als 15 K 20 h Personaleinkommensteuer zahlen, in diesem Wahl¬ körper wahlberechtigt. Außerdem hat die Einführung dieses Zensuses noch eine andere Wirkung. In dem § 19 des früheren Statutes hat es geheißen, daß diejenigen österreichischen Staatsbürger im I., II. und III. Wahlkörper wahlberechtigt sind, welche von ihrem Real¬ besitze, Gewerbe oder Einkommen eine direkte Steuer entrichten. Damit war einer ganzen Reihe von Beamten das Wahlrecht in diesen Wahlkörpern gegeben, wenn sie auch weniger als 15 K Durch die neuen Bestimmungen wird das eine erreicht, daß einzelne Beamte aus dem III. Wahlkörper ausgeschlossen und in den IV. Wahlkörper eingereiht werden. Es hat aber mit dem IV. Wahlkörper ein eigenes Be¬ wandtnis und bin ich der Meinung, daß der Zensus von 15 K 20 k zu hoch gegriffen ist und niedriger angesetzt werden soll. Ich komme jetzt auf § 20 zu sprechen, der von der Ein¬ teilung der Wahlkörper handelt und da möchte ich gerade, weil es mit dem vorhin Erwähnten zusammenhängend ist, bemerken, daß durch die Festsetzung des Zensuses diejenigen Wähler, welche im III. Wahlkörper wahlberechtigt waren, aus diesem heraus¬ kommen und jetzt im IV. Wahlkörper eingereiht werden eigent¬ lich benachteiligt sind, nachdem sie früher im III. und IV. Wahl¬ körper wählen konnten. Ich muß mich aber entschieden dagegen aufhalten, daß der V. Wahlkörper wieder ein allgemeiner werden soll. Ich bin der Meinung, daß in dieser Einteilung von einer Gleichheit keine Spur ist, und zwar deshalb nicht, weil alle Wähler nicht gleich behandelt werden, sondern immer ein Teil derselben privilegiert. ist. Vom Standpunkte der politischen Gerechtigkeit ist es nicht zu rechtfertigen, daß der IV. Wahlkörper ein allgemeiner Wahl¬ körper werden solle, nachdem die anderen drei Wahlkörper be¬ rechtigt sind, auch im IV. Wahlkörper zur Urne zu schreiten. Es ist damit ein Pluralwahlrecht geschaffen worden.

Ich würde deshalb beantragen, daß die im § 20, erster Absatz, enthaltenen Worte: „wobei die Wahlberechtigung im I., I. oder III. Wahlkörper die Ausübung des Wahlrechtes im IV. Wahlkörper nicht ausschließt“ zu entfallen hätten. Des weiteren möchte ich mich noch dahingehend aussprechen, daß man meiner Auffassung nach das Wahlrecht von den Per¬ onen nicht lossagen solle. Es sollen sich auch diejenigen Per¬ onen, welche unter väterlicher Gewalt stehen, oder ihr Wahl¬ recht durch den Vormund ausüben, an der Wahl in Zukunft persönlich beteiligen können, wenn sie das 24. Lebensjahr über¬ schritten haben. Das gleiche ist bei der in ehelicher Gemeinschaft lebenden Frau der Fall, welcher ebenfalls das Recht eingeräumt werden soll, ihr Wahlrecht persönlich ausüben zu können, nicht daß deren Mann für sie die Stimme abgibt. Weiters möchte ich bemerken, bezüglich dem Wahlrechte von größeren Unternehmungen (Aktiengesellschaften', welche ihren Hauptsitz nicht hier in Steyr haben, daß diesen das Wahlrecht nicht gebührt. In diesem Sinne weist auch das Statut der Stadt Linz darauf hin, und glaube ich, daß dies nicht ungerecht¬ fertigt ist. § 29 handelt davon, wer wählbar ist. Dieses ist wieder ein Punkt, der eine Bestimmung enthält, die nur halb ist, und zwar aus dem Grunde, weil ein Unterschied darin gemacht wird, wer im I., II., III. Wahlkörper und wer im IV. Wahlkörper wählbar ist. Hienach wären im I., II. und III. Wahlkörper jene Personen wählbar, welche den Vorschriften entsprechen, während eine ganze Reihe von Wählern des IV. Wahlkörpers im I., II. und III. Wahlkörper nicht wählbar wären, weil nach dem Be¬ griffe des Wortes Gemeindemitglieder“ diese nur solche sind, welche eine Erwerbsteuer auf Grund ihres Gewerbes entrichten. Im IV. Wahlkörper würde es wohl Leute geben, welche schon langjährige Inwohner sind, die aber hier nicht heimatsberechtigt sind, daher dem Begriffe „Gemeindemitglieder“ nicht entsprechen. Diese Steuerzahler würden daher lediglich nur im IV. Wahl¬ körper wählbar sein. Diese Bestimmung ist ungerecht und beantrage ich, daß Punkt a gänzlich gestrichen werde und Punkt b dahinlautend, daß jede in der Gemeinde wahlberechtigte Person männlichen Geschlechtes, welche das 24. Lebensjahr vollendet hat und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, wählbar ist, aufrecht er¬ halten bleibe. Weiters sollen nur in Steyr wohnhafte Personen wähl¬ bar sein. Im § 32 beantrage ich, daß es heißt: „Im IV. Wahl¬ körper sind alle übrigen Wahlberechtigten, die im I., II. und III. Wahlkörper kein Wahlrecht besitzen, wahlberechtigt“, um so einen reinen IV Wahlkörper zu schaffen. Außerdem bean¬ trage ich noch zu diesem § 32, wo es heißt, „daß für die Auf¬ nahme eines Wählers in den IV. Wahlkörper seine im städtischen Meldeamte erfolgte Meldung und deren Zeitpunkt maßgebend ist“ u. s. w., dies auch für den I., II. und III. Wahlkörper An¬ wendung finden solle. Im § 34 ist vorgesehen, daß im l. und II. Wahlkörper die Mehrheitswahl, im III. und IV. Wahlkörper die Verhältnis¬ wahl in Anwendung zu bringen sei. Ich will hier dem Ausdruck geben, daß das Proportional¬ wahlrecht das gerechteste Wahlrecht ist, so soll es schon so weit gerecht sein, daß dasselbe nicht nur für den III. und IV. Wahl¬ körper eingeführt wird, sondern auch auf die anderen Wahl¬ körper ausgedehnt wird. Wenn hiebei Befürchtungen gehegt werden, so sind dieselben meiner Auffassung nach nicht so groß weil im Gegenteil die Mehrheitswahl für eine Partei weit mehr Gefahren in sich birgt, nachdem es dadurch leicht möglich werden kann, daß eine Partei einen halben Wahlkörper verlieren kann. Das haben Sie auch bei den vorjährigen Gemeinderatswahlen gesehen, wo im II. Wahlkörper eine Majorität gänzlich beseitigt worden ist, und nicht nur hier, sondern auch in Wien, wo die stolze christlichsoziale Partei bei einer Wahl gründlich dezimiert worden ist. Wenn die Verhältniswahlen zur Anwendung kommen, so ind hiedurch auch die Majoritäten geschützt gegen solche Zu¬ älligkeiten, gegen solche gewaltige Erschütterungen Ich glaube daher, daß es von dem Standpunkte aus praktisch wäre, wenn das Proportionalwahlrecht auch auf alle vier Wahlkörper ausgedehnt werden würde. Die Partei der heutigen Majorität brauche deswegen keine Furcht zu hegen, daß sie bei einem Proportionalwahlrecht in allen vier Wahlkörpern keine feste Majorität zustande bringen würde. Ich bin der Auf¬ fassung, daß sie die Majorität zusammenbringen wird, daß sie kompakter und sicherer sein wird durch das Proporz, während eine Wahl auf Grund des Mehrheitswahlrechtes durch bloße momentane Aenderung in der Stimmung der Wählerschaft leicht von Folgen begleitet werden kann. Daß es bei Einführung des Proportionalwahlrechtes weit schwieriger sein wird, die Geschäfte zu leiten, glaube ich, doch bin ich überzeugt, daß die Minoritäten nicht so rücksichtslos sein werden, demagogisch zu wirken. Ich würde deshalb nochmals empfehlen, den § 34 dahin abzuändern, daß das Proportionalwahlrecht in allen vier Wahl¬ körpern zur Anwendung zu bringen sei. 35, dritter Abschnitt, handelt von der Reklamationsfrist an den Gemeinderat in Wahlangelegenheiten. Ich bin der Meinung, daß, wie es in einer ganzen Reihe von anderen Statuten der Fall ist, über eine zulässige Be¬ schwerde gegen eine vom Gemeinderate abgewiesene Reklamation die Statthalterei hierüber endgiltig entscheiden soll. Ich lanbe, daß damit wohl kein Angriff gegen die Autonomie der Stadt verbunden ist. Ich würde deshalb beantragen, daß es im § 35, dritter Absatz, heißt: „Ueber die innerhalb der Frist von drei Tagen beim Bürgermeister einzubringende Beschwerde gegen die Entscheidung des Gemeinderates entscheidet die k. k. Statthalterei endgiltig.“ Ein weiterer Punkt in diesem Paragraph handelt über die Ausfolgung der Wählerliste, wo vorgeschrieben ist, daß die ver¬ vielfältigten Exemplare derselben längstens 8 Tage nach der Aus¬ schreibung der Wahl an die einzelnen Parteien hinauszugeben seien. Ich bin der Ansicht, daß es praktischer wäre, wenn gleich¬ zeitig mit der Ausschreibung der Wahl die Wählerlisten an die Parteien hinausgegeben werden würden. Weiters hätte ich den Wunsch, zwischen Stichtag und Wahl¬ tag keinen so großen Zeitraum verstreichen zu lassen, weil während dieser Zeit größere Veränderungen unter der Wählerschaft vor¬ kommen können, und daher die angelegten Listen vielfach an Wert verlieren. Ich beantrage daher, daß zwischen Stichtag und Wahltag höchstens ein Zeitraum von drei Monaten liegen solle. Zu § 37, über die Wahlvorschläge, erlaube ich mir zu be¬ merken, daß ich mich dagegen aussprechen muß, daß für einen giltigen Wahlvorschlag die Unterschriften von 100 Wahlberech¬ tigten verlangt werden, weil meiner Auffassung nach damit etwas erreicht wird, was sich mit meiner Anschauung nicht deckt. Wir stimmen für die Geheimhaltung des Wahlrechtes. Man kann von den Gewerbetreibenden nicht verlangen, daß sie ihre Namen auf den Wahlvorschlag setzen, was dann auf den Angehörigen der anderen Parteien vielleicht einen schlechten Ein¬ druck machen würde, und man im Vorhinein schon weiß, welcher Partei dieser oder jener angehört, und er dadurch leicht wirt¬ schaftlich geschädigt werden könnte. Weiters wurde vom Herrn Referenten erklärt, daß durch die Einführung des Proportionalwahlrechtes ein Entgegenkommen gegenüber den anderen Parteien bewiesen wurde, und daß da¬ durch eine gerechte Vertretung der Minoritäten im Gemeinderate platzgreifen soll. Also auf der einen Seite will man den Minori¬ täten eine Vertretung im Gemeinderate sichern, auf der anderen Seite will man durch die Bestimmungen über den Wahlvorschlag verhindern, daß dieselben überhaupt zur Geltung kommen. Wir haben das bei den letzten Wahlen gesehen, wo einzelne Gruppen von Wählern mit der Tätigkeit einer Partei nicht zufrieden waren, ohne daß sie jedoch deshalb zu einer anderen Partei übergegangen sind. Wir haben es gesehen an den sogenannten Wirtschaftsparteien bei den letzten Reichsratswahlen. Man würde dann solchen Minoritäten das Lebenslicht ausblasen, weil es äußerst schwer ist, 100 Wahlberechtigte zu finden, die diesen Wahlvorschlag unterschreiben. Im übrigen bin ich schon der Meinung, daß, wenn sich schon die Majorität im I. und II. Wahl¬ körper die Mandate sichert, sie beim Proportionalwahlrechte doch so weit gerecht sein könnte, daß sie die Zahl der notwendigen Unterschriften für einen giltigen Wahlvorschlag herabsetzt. Wenn dann einzelne Gruppen in den Wahlkampf eingreifen und Geld hiefür hinauswerfen wollen, so kann man ihnen ja diesen Spaß gönnen. Ich beantrage deshalb, daß im § 37 die Zahl der not¬ wendigen Unterschriften für einen giltigen Wahlvorschlag von 100 auf 50 herabgesetz werde. § 42 handelt von den Wahlvorschlägen, und zwar von der Liste. Hier heißt es, daß derjenige von jedem Wahlvorschlag als jewählt erklärt ist, welcher die größte Zahl von Stimmen auf sich vereinigt. Ich möchte erklären, daß dieser Vorgang nicht praktisch ist. Es soll dagegen erreicht werden, daß durch eine gebundene Liste das sogenannte „Köpfen“ beseitigt wird, daß eine Partei der anderen die Wortführer nicht niederstimmen kann. Ich bin daher der Ansicht, daß dies der betreffenden Partei überlassen bleiben solle, wer von dem betreffenden Wahlvorschlag als gewählt zu betrachten ist, und stelle ich den Antrag, daß es im § 42 heißen soll: Die Liste der Wahlvorschläge ist eine ge¬ bundene, und zwar werden nur jene Wahlbewerber als gewählt betrachtet, welche auf dem betreffenden Wahlvorschlag an erster Stelle stehen. § 43, dritter Absatz, handelt davon, daß die Wahlhand¬ lung unterbrochen werden kann. Ich möchte mich dagegen aus¬ sprechen, weil ich der Ansicht bin, daß die Wahlhandlung selbst durch nichts gestört werden solle, und beantrage deshalb, daß im § 43 der 3., 4. und 5. Absatz gestrichen werde. Bezüglich Mandatsdauer (§ 46) will ich bemerken, daß ein Zeitraum von 6 Jahren etwas zu lang ist, nachdem wir bis jetzt jedes Jahr eine Gemeinderatswahl gehabt haben. Man soll nicht von einem Extrem ins andere fallen. Ich glaube des¬ halb, daß es vollständig genügen würde, die Mandatsdauer auf vier Jahre festzusetzen. Bei § 50, Punkt 3, wo es heißt, daß bei Besorgung von Gemeindeangelegenheiten außerhalb des Gemeindebezirkes die dazu abgeordneten Mitglieder des Gemeinderates auf eine an¬ gemessene Entschädigung aus der Gemeindekasse Anspruch haben, über deren Höhe der Bürgermeister oder dessen Stellvertreter bestimmt, bin ich der Ansicht, daß dies Sache des Gemeinde¬ rates sein sollte, und zwar wäre es gut, hiefür eine bestimmte Norm festzusetzen. Es könnte dieser Punkt im Statute in der Weise ausgestaltet werden, daß für solche Entschädigungen der Herr Bürgermneister die Anweisung zu geben hat, während die Bestimmmung über die Höhe derselben dem Gemeinderate vor¬ behalten bleibt. Betreffend den dritten Abschnitt dieses Statutes, welcher om Wirkungskreis der Gemeinde handelt, will ich keine weiteren Bemerkungen mehr machen, weil hier keine besonderen Umände¬ rungen notwendig waren und von keiner Partei besondere prin¬ ipielle Bedenken erhoben worden sind. Ich möchte jetzt die sehr geehrten Herren bitten, unsere Anträge zu erwägen, nicht auf halbem Wege mit diesem Ent¬ wurfe stehen zu bleiben, und wenn Sie schon für das Propor¬

5 tionalwahlrecht sind, dieses womöglich gründlich durchzuführen. Das Eine möchte ich nochmals besonders betonen, daß damit aufgeräumt werden soll, daß der IV. Wahlkörper wieder ein allgemeiner Wahlkörper bleibt. Wenn schon die Majorität imstande ist, sich in den ersten drei Wahlkörpern die Mandate zu sichern, so meine ich, daß es doch nicht recht angängig ist, daß sie sich auch im IV. Wahl¬ körper, mit Zuhilfenahme der Wahlberechtigten aus den anderen Wahlkörpern, einen neuerlichen Anteil sichert. Das wäre das reinste Pluralwahlrecht. Wir wünschen daher, daß der IV. Wahl¬ körper als ein reiner Wahlkörper erhalten bleiben möge. Herr G.=R. Erb: Meine sehr geehrten Herren! Ich erlaube mir ebenfalls einen kurzen Ueberblick über die gesamte Wahlreform zu geben. o muß ich mich vor allem dagegen aussprechen, daß mein sehr geehrter Vorredner Herr G.=R. Wokral sich ausgedrückt hat, alle Parteien hätten eine Aenderung der Gemeindewahlordnung haben wollen. Ich kann nicht umhin zu berichtigen, daß die Partei, welche die Einführung des selbständigen Frauenwahlrechtes vor allen anderen verlangt hat, die deutschnationale Partei war. Ich erinnere hiebei an jene Kämpfe, welche seinerzeit im Gemeinderate auszufechten waren, wegen des Frauenwahlrechtes und möchte Herrn G.=R. Nothhaft sagen, daß seine Partei, als ich gegen das Frauenvollmachtenwesen auftrat, gegen mich ge¬ kämpft hat, und daß noch vor sehr kurzer Zeit diese Partei eine andere Stellung in dieser Frage einnahm, und zwar erst mit jenem Tage, als sie sah, daß ihre befreundete Partei aus der Ratsstube entfernt war und die deutschnationale Partei als Mehrheit einzog. Dies muß hier zur Feststellung der Wahrheit festgelegt werden. Wir, die deutschnationale Partei, haben unter dem Drucke einer einseitigen rücksichtslosen Herrschaft in dieser Rats¬ stube, und zwar besonders in Bezug auf das Frauenvollmachten¬ wesen, sehr lange Zeit schwer gelitten. Die Partei des Herrn G.=R. Nothhaft hat doch bis zum letzten Augenblicke sehr treue Waffenbrüderschaft mit jenen Herren gehalten, welche mit einer Aenderung des Gemeindestatutes nicht einverstanden waren. Ich glaube nicht unbescheiden zu sein, wenn ich erkläre, daß wir es sind, welche die weitgehendsten Abänderungen im Gemeindestatute nicht bloß versprochen, sondern auch darnach ge¬ trachtet haben, dieselben so rasch als möglich zur Durchführung zu bringen. Meine verehrten Herren! Wie wenig wir bei dem, was wir hier vorschlagen, von Parteieinseitigkeit oder Parteiherrschaft ausgegangen sind, zeugt davon, daß wir in einem Zeitpunkt wo wir von Seite unserer gegnerischen Parteien als Allein¬ herrscher und ich in einem Blatte, das in Steyr erscheint, sogar als König von Steyr bezeichnet worden sind, darangingen, den Minderheiten eine gerechte Vertretung in der Ratsstube zu geben. Wir haben wohl hiefür in der Oeffentlichkeit von den betreffen¬ den Parteien keine Anerkennung, sondern nur ganz ungerecht viel Schimpf erleiden müssen. Umso angenehmer muß es mich und meine Parteifreunde berühren, daß die Herren Gemeinderäte Nothhaft und Wokral, wenn sie auch von ihrem Standpunkte aus eine Kritik an der Wahlreform geübt haben, doch anerkannt haben, daß wesentliche Verbesserungen durch uns eingeführt werden. Es ist meiner Ansicht nach immer am Platze, daß die Verdienste der Partei¬ gegner anerkannt werden, und das ist geschehen durch die Ver¬ treter der zwei gegnerischen Parteien und dies muß gegenüber der Oeffentlichkeit festgelegt werden. Herr G.=R. Nothhaft konnte es nicht unterlassen, seines seinerzeitigen Befristungsantrages Erwähnung zu tun. Ich möchte darauf verweisen, daß es bei allem Arbeitseifer, und wir sind sehr fleißig gewesen in der Rechtssektion, es nicht eher möglich war, im Gemeinderate endgiltig über die Wahlreform zu sprechen und Beschluß zu fassen, weil die Arbeit infolge der vielen Para¬ graphe keine leichte war und weil der zweite Abschnitt dieses Statutes ganz besondere Umgestaltungen notwendig machte. Wir haben zu Beginn der Verhandlungen geglaubt, die Einführung des selbständigen Frauenwahlrechtes und des Proportionalwahl¬ rechtes werde sich sehr leicht durchführen lassen; aber daß die Sache nicht so im Handumdrehen geht, weil verschiedene Um¬ stände zu berücksichtigen waren, sehen Sie aus der Kritik der heutigen Verhandlungen und den verschiedenartigsten Möglich¬ keiten, ein solches Wahlrecht einzuführen. Wir hätten auch um keinen Tag früher eine neue Wahlreform bekommen, weil es unmöglich ist, in vier Monaten damit fertig zu werden. Der Landtag hätte daher diesen Entwurf kaum mehr bekommen können, und wenn dies doch der Fall gewesen wäre, so wäre dieser nicht zur Sanktion gekommen. Seit dieser Zeit habe aber kein Landtag mehr stattgefunden. Also von einer Verzögerung zu sprechen, war hier nicht am Platze, und glaube ich überdies, daß es ziemlich gleich ist, ob ein so wichtiges Werk, wie dieses, um ein Jahr früher oder später fertig ist. Die Hauptsache ist, daß dieser Entwurf recht durchdacht ist; und in diesem Sinne ist die Arbeit geleistet worden und meine ich auch, daß dies unsere Partei mit großer Genugtuung erfüllen kann. Nun hat Herr G.=R. Nothhaft im Namen der Christlich¬ sozialen hier gesprochen. Nun, meine Herren, glaube ich, daß ich dies nur auf die christlichsoziale Partei in Steyr beziehen kann und nicht für ganz Oesterreich; denn, meine Herren, es ist eine Wahlreform von der christlichsozialen Partei für Nieder¬ österreich zu einer Zeit gemacht worden, wo diese Partei nock allmächtig war, in welcher alle diese scheinbaren Mängel, welche uns vom Herrn G.=R. Nothhaft vorgeworfen werden, in noch viel größerem Maßstabe enthalten sind. Ja, dieses christlich¬ soziale Statut ist also nach den Ausführungen des Herrn Ge¬ meinderates Nothhaft noch viel schlechter, denn diese christlich¬ soziale niederösterreichische Wahlordnung enthält nicht einmal das Proportionalwahlrecht. Auch für viele Orte in Oberösterreich enthält die christlichsoziale Wahlreform weder das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht im IV. Wahlkörper, noch die Pro¬ portionalwahl. Das Pluralwahlrecht im IV. Wahlkörper, welches ier so angegriffen wurde, ist also auch im Lande Niederöster¬ reich von der christlichsozialen Partei eingeführt worden und alle diese Sachen, welche Herr G.=R. Nothhaft angegriffen hat, hat seine eigene Partei erst vor zwei Jahren in Niederösterreich ein¬ geführt, und will sie in nahezu 450 Gemeinden Oberösterreichs äußerst schlecht aufrechterhalten! Deshalb muß auch die christlich¬ oziale Partei in den Augen des Herrn G.=R. Nothhaft sehr schlechte Gemeindewahlordnungen machen wollen und gemacht haben! In Wien ist den Frauen sogar kein Wahlrecht gegeben und kein Proportionalwahlrecht eingeführt, während wir den Frauen im Wahlrechte das Möglichste geben. Meine Herren, da müssen Sie erkennen, daß wir gegen¬ über den Wahlreformen der christlichsozialen Partei ein weitaus besseres, fortschrittlicheres und freieres Wahlrecht vorgelegt haben. Wir haben den Frauen das selbständige Wahlrecht gegeben, das Proportionalwahlrecht teilweise eingeführt, wir haben den § 26 des alten Statutes aufgehoben, den IV. Wahlkörper auf acht Mandate erhöht, auf vielen anderen Gebieten wesentliche Ver¬ besserungen eingeführt, so die Mandatsdauer auf sechs Jahre erhöht, für jede Partei freie Stimmzettel bereit gestellt u. s. w., u. s. w. Wer erinnert sich noch daran, welcher Kampf damals auszufechten war, um ämtliche Stimmzettel zu bekommen? Von uns bekommt jede Partei Stimnzettel, soviel sie verlangt. Weiters mußte vielfach um die Wählerlisten gebettelt werden und war es überhaupt eine Gnade, eine solche zu erhalten. Von uns be¬ kommen Sie Wählerlisten, so viel Sie haben wollen. Es wird daher in dieser Richtung gegenüber jeder Partei das größte Ent¬ gegenkommen bewiesen. Wir haben auch schon längst vor Jahren betont, daß die Wahlreform notwendig ist und haben auch darum gekämpft. Ich erlaube mir diesbezüglich auf einzelne Kritiken zurückzukommen. Vor allem möchte ich über die verlangte Verhältniswahl im 1. und II. Wahlkörper sprechen und da haben wir ein Vorbild an der Wahlordnung der Stadt Linz. Linz hat dermalen ein Ge¬ meindewahlrecht, mit welchem die Wählerschaft ohne Unterschied der Partei zufrieden ist. Linz hat im III. und IV. Wahlkörper die Verhältniswahl eingeführt. Was will die Verhältniswahl Eine Verhältniswahl will, daß jede der größeren Parteien in dem betreffenden Körper, in welchen gewählt werden soll, ver¬ treten sei. Die Verhältniswahl will durchaus nicht, daß in jedem Wahlkörper die betreffenden Wählerschaften vertreten sind. Denn dadurch, daß im IV. und III. Wahlkörper die Verhältniswahl eingeführt wird, soll es jeder größeren Partei ermöglicht sein, mit Sicherheit Mandate zu erringen. Das ist der Gedanke, welchen wir bei der Durchführung dieser neuen Wahlordnung verfolgt haben. Meine Herren! Gerade mit Rücksicht auf die Sozialdemo¬ kraten haben wir auch im III. Wahlkörper die Verhältniswahl eingeführt, damit das, was dieser Partei im IV. Wahlkörper weggenommen werden würde, ihr gleichsam im III. Wahlkörper rsetzt wird. Man hätte ja sonst, wie es auch in anderen Städten der Fall ist, nur im IV. Wahlkörper die Verhältniswahl ein¬ ühren können. Ich komme nun auf einen sehr gewaltigen Fortschritt in diesem Entwurfe. Das ist die Erhöhung der Mandate im IV. Wahl¬ körper von 4 auf 8 Mandate, und muß anerkannt werden, daß eine alte Ungerechtigkeit durch diese Neueinführung beseitigt ist. Ein weiterer Fortschritt ist im § 26, wo bei den im Lohn¬ verhältnisse stehenden Personen alte Ungerechtigkeiten in Bezug auf Vorenthaltung der Wahlberechtigung aufgehoben wurden. Dadurch wird eine bedeutende Vermehrung der Wahlberechtigten im III. Wahlkörper herbeigeführt. Was den Personaleinkommensteuerzensus für den III. Wahl¬ körper anbelangt, so möchte ich hier betonen, daß derselbe vom Herrn G.=R Nothhaft nicht berührt wurde. Und ich weiß warum. Weil der oberösterreichische Landtag in den Gemeindewahlord¬ nungen, die von der christlichsozialen Partei gemacht wurden, einen viel höheren Zensus, und zwar 20 K, vorschreibt. Wir agegen sind im Zensus auf 15 K 20 h zurückgegangen, wodurch viele Steuerzahler, welche früher nicht im III. Wahlkörper, sondern nur im IV. Wahlkörper wahlberechtigt waren, jetzt auch im ersteren wahlberechtigt sind. Hier muß festgehalten werden, was für ein Unterschied zwischen Personaleinkommensteuer und den anderen Steuern ist. Auf die erstere bezieht sich ja der Zensus. Die Personaleinkommensteuer ist nicht umlagepflichtig, daher bringt diese Steuer für die Gemeinde keine Einnahme, während die Erwerbsteuer, die Grundsteuer, die Hauszinssteuer, die Be¬ oldungssteuer und die Rentensteuer bekanntlich umlagepflichtige Steuern sind, warauf eine Last von 80% Gemeindeumlagen und 50% Landesumlagen, also zusammen eine Belastung von 130% gelegt ist. Wenn 10 K direkte Steuern vorgeschrieben ind, müssen mit der Landesumlage und Gemeindeumlage 23 K bezahlt werden. Infolgedessen ist die Hälfte einer Erwerbsteuer mehr als einer doppelt so hohen Personaleinkommensteuer gleich¬ nachten. Wer nur Personaleinkommensteuer bezahlt, hat keine Zuschläge zu entrichten. Infolgedessen ist der Zensus berechtigt. Die Vertretung der Wählerschafts=Minderheiten im Gemeinderate ist, wie schon erwähnt, dadurch gesichert, daß durch die Einführung des Pro¬ porzes im III. und IV. Wahlkörper selbe in bedeutend größerer Zahl als bisher vertreten sein werden. Das ist ein Entgegen¬ kommen der jetzigen Mehrheit im Gemeinderate, welches nicht unterschätzt werden sollte. Wenn aber im I. und II. Wahlkörper ebenfalls das Pro¬ portionalwahlrecht eingeführt würde, so wäre der Gemeinderat fortgesetzt der Gefahr einer Auflösung außerordentlich nahe. Der

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