Ratsprotokoll vom 21. Juli 1911

2 Derselbe lautet: Löblicher Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr! In Erwägung der Tatsache, daß die Volksschulen der Stadt Steyr eine Ueberfüllung mit Kindern aufweisen, die zu pädagogischen wie auch hygienischen Bedenken Anlaß gibt, stellt der Gefertigte den Antrag: Der Gemeinderat beschließe, der Frage der Erbauung einer neuen Volksschule näher zu treten und beauftrage die II. und III. Sektion, geeignete Anträge zu unterbreiten. Zur Begründung des Antrages erlaubt sich der Gefertigte darauf hinzuweisen, daß einzelne Klassen der Volksschulen mit 80 bis 89 Schülern besetzt sind, obwohl die Räumlichkeiten kaum zur Unterbringung von 50 bis 60 Schülern geeignet erscheinen. Daß die einzelnen Volksschulen überfüllt sind, beweist ferner die Tatsache, daß zu Beginn des Schuljahres 1910/11 für die fünf Volksschulen der Stadt 1043 Knaben und 1011 Mädchen, zusammen 2054 Schüler gemeldet waren, so daß auf eine Schule im Durchschnitt 411 und auf eine Klasse 82 Schüler entfallen. Es wird unter diesen Umständen jedem einsichtigen Menschen klar sein, daß der Bau einer neuen Volksschule eine zwingende Notwendigkeit ist, die nicht länger hinausgeschoben werden kann, zumal darunter nicht nur die Kinder, sondern auch die Lehr¬ kräfte und der ganze Unterricht empfindlich leiden. Steyr, am 20. Juli 1911. Josef Wokral. Wird der II. und III. Sektion zur weiteren Behandlung und Berichterstattung an den Gemeinderat zugeteilt. — Z. 19.264/11. Der Herr Vorsitzende geht sodann zur Erledigung der Tagesordnung über. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Karl Harant jun. 1. Personalien. 2. Ansuchen um Zusicherung der Aufnahme in den Gemeindeverband der Stadt Steyr und Bürgerrechts¬ verleihungen. 3. Erhöhung der Remuneration des Forstaufsichts¬ organes der Gemeinde. Diese Punkte werden vertraulich behandelt. 4. Antrag des Herrn G.=R. Kirchberger um Ein¬ setzung einer Kommission zum Studium der Gemeinde¬ verwaltung. Dieser lautet: An den Gemeinderat tritt in kürzerer Zeit die Aufgabe heran, das Präliminare des Stadthaushaltes aufzustellen. Nachdem der Gemeinderat aus fast durchwegs neuen Mit¬ gliedern besteht, welche sich in der kurzen Zeit ihres Wirkens noch nicht so eingehend mit dem Verwaltungs=Apparate vertraut machen konnten, zur Aufstellung des Präliminares jedoch eine gründliche Kenntnis sämtlicher den Stadthaushalt berührenden Fragen notwendig ist, so stelle ich den Antrag: Der Gemeinderat beschließe: Es wolle eine Kommission aus Mitgliedern sämtlicher Sektionen eingesetzt werden, welche sich mit dem Studium der Gemeindeverwaltung auf allen Gebieten zu befassen hat. Die Kommission hat den hierüber zu verfassenden Bericht ehemöglichst zu erstatten und eventuell auf die Vereinfachung der Geschäftsgebarung 2c. abzielende Anträge seinerzeit vorzubringen. Steyr, am 20. Juni 1911. Franz Kirchberger. Der Sektionsbericht hierüber lautet: Die Erstellung eines möglichst genauen und sorgfältigen Präliminares gehört fragelos zu den wichtigsten Aufgaben des Gemeinderates. Das Präliminare wird umso genauer ausge¬ arbeitet werden können, je verirauter der Gemeinderat mit der Gebarung in den einzelnen Verwaltungszweigen ist. Zum Zwecke des Studiums des gesamten Verwaltungs¬ Apparates erweist sich die Einsetzung einer entsprechend autori¬ ierten Kommission wohl als förderlich. Wenn sich bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit ergibt, die Verwaltung im Sinne der Einfachheit und Uebersichtlichkeit zu reformieren, so wird auch die Ausnützung einer solchen Möglichkeit für den Stadt¬ haushalt von Vorteil sein. Die Sektion stellt daher den Antrag: Der Gemeinderat wolle zum Zwecke des Studiums des ge¬ samten Verwaltungs=Apparates der Gemeinde eine Kommission, bestehend aus den Gemeinderäten Franz Kirchberger, Friedrich Landsiedl, Anton Sighart und Franz Tribrunner bestellen. Die Kommission sowohl wie auch jedes einzelne Mitglied derselben werde im Sinne des § 59 des Gemeindestatutes er¬ mächtigt, Einsicht in alle Akten 2c. zu nehmen und sich seitens des Amtes alle gewünschten Aufklärungen geben zu lassen. Sohin habe die Kommission dem Gemeinderate über das Ergebnis ihres Studiums und ihrer Wahrnehmungen fallweise Bericht zu erstatten. Wird einstimmig angenommen. — Z. 18.485/11. 5. Rekurs in Armenangelegenheit. Es liegt vor ein Rekurs des Johann Herndl, Taglöhner, wegen verweigerter Aufnahme in das Armenverpflegshaus. Der Sektionsbericht lautet: Die gepflogenen Erhebungen haben ergeben, daß dermalen im Armenverpflegshause in der Sierningerstraße Nr. 156 absolut kein Raum zur Unterbringung des Gesuchstellers Johann Herndl verfügbar ist. Die I. Sektion stellt daher den Antrag: Der Gemeinderat wolle mit Rücksicht auf den herrschenden Raummangel das Ansuchen des Johann Herndl dermalen ab¬ weisen. Derselbe werde aber für die Aufnahme in das erwähnte Armenverpflegshaus in Vormerkung gehalten und es werde ihm die Aufnahme für jenen Zeitpunkt zugesichert, in welchem sich der hiezu erforderliche Raum ergibt. Bis dahin werde Johann Herndl weiter an die Verpfle¬ gung im Herrenhause gegen Verabreichung von Suppe und Brot und eine vom Armenrate zu bestimmenden Armenunterstützung in Geld gewiesen. Einstimmig angenommen. — Z. 18.353/11. 6. Authentische Interpreiation des Gesetzes be¬ treffend Quartiergelder für Lehrpersonen. Mit Beschluß des Gemeinderates der Stadt Steyr vom 28. April l. J. wurde das Amt beauftragt, beim k. k. Landes: chulrat für Oberösterreich in Linz Erkundigungen einzuziehen, betreffend die Bestimmungen des § 40 des Gesetzes vom 19. De¬ zember 1907, L.=G.=Bl. Nr. 39, im Zusammenhalte mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes hinsichtlich der Bemessung des Quartiergeldes von Remunerationen für Lehrpersonen, nach¬ dem diese Gesetzesbestimmungen zu verschiedenen Auslegungen Anlaß geben. Die I. Sektion stellt im Sinne des hierauf eingelangten Schreibens des k. k. Landesschulrates in Linz folgenden Antrag: Der Gemeinderat wolle die in der Zuschrift des k. k. Landesschulrates in Linz vom 8. Juni 1911, Z. 4635, ent¬ haltene Aufklärung zur Kenntnis nehmen und beschließen, daß im Sinne dieser Aufklärung künftighin das Quartiergeld der im § 16 des Gesetzes vom 29. Dezember 1907, L.=G.=Bl. Nr. 39, bezeichneten Lehrpersonen lediglich aus dem Grundgehalte, das Quartiergeld der im § 27 des Gesetzes bezeichneten Lehrpersonen aber von der sogenannten fixen Jahresremuneration pro 800 K bezw. 1000 K bemessen werde. Bezüglich jener Lehrpersonen des städtischen Schulbezirkes, bei denen bisher ein ihnen günstigerer Modus eingehalten wurde, hat es bei dem Gemeinderatsbeschlusse vom 28. April 1911 zu bleiben. Einstimmig angenommen. — Z. 12.689/11. 7. Amtsbericht betressend die Sonntagsruhe im Warenverkaufe der Fleischselcher. Derselbe lautet: Laut des Erlasses der k. k. o.=ö. Statthalterei vom 9. Juni 1911, Z. 3086//III, ist die Gemeinde der l. f. Stadt Steyr hinsichtlich der Sonntagsruhe im Warenverkaufe im Betriebe der Fleischselcher einzuvernehmen. Nach den Statthaltereiverordnungen vom 20. Juni 1907, L.=G.=Bl. Nr. 17, und vom 21. September 1910, L.=G.=Bl. Nr. 47, ist dem Fleischselcher der Verkauf seiner Ware an Sonn¬ tagen nur von 8 bis 11 Uhr, dem Fleischhauer dagegen ohne Beschränkung bis 11 Uhr gestattet Die Genossenschaft der Fleischhauer und Fleischselcher in Steyr hat die verlangte Aeußerung bereits abgegeben, die der k. k. o.=ö. Statthalterei am 3. Juli vorgelegt wurde. Diese Genossenschaft strebt an, daß die Sonntagsruhe der Fleischselcher mit der der Fleischhauer hinsichtlich des Verkaufes ihrer Artikel, also bis 11 Uhr vormittag, unbeschränkt gleich sein soll. Es empfiehlt sich, daß der Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr eine gleiche Aeußerung zum Beschlusse erhebe. Steyr, am 14. Juli 1911. Franz Gall, Stadtrat. Die Sektion berichtet hierüber: Da die Gleichstellung der Fleischselcher mit den Fleisch¬ hauern bezüglich des sonntägigen Warenverkaufes sowohl im Interesse der Fleischselcher als auch im Interesse der Konsu¬ menten gelegen erscheint, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der Gemeinderat wolle das gegenständliche Ansuchen der Fleischselcher befürworten. Wird angenommen. — Z. 16.030/11. 8. Ausuchen des Herrn Mathias Kern um Auf¬ nahme in das Armenverpflegshaus gegen Zahlung eines Kapitales von 4000 K. Dieser Punkt wird von der Tagesordnung abgesetzt, nach¬ dem der Gesuchsteller für dauernd von Steyr weggezogen ist. Z. 17.072/11. Herr G.=R. Landsiedl meldet sich zum Worte. Er nimmt nochmals Bezug auf den Antrag des Herrn G.=R. Kirchberger betreffend Einsetzung einer Kommission zum Studium der Gemeindeverwaltung und dankt zugleich für seine Wahl in diese Kommission. Er könne diese Stelle jedoch nur unter der Bedingung annehmen, daß für ihn keine weiteren Kommissionen hiebei verbunden sind. Redner sei sonst gewiß gerne bereit, seine Dienste und sein Wissen in dieser Angelegen¬ heit zur Verfügung zu stellen und daran teilzunehmen, damit auf Grund dieser Kommissionen etwas ausgearbeitet werde, was zum Vorteile der Gemeinde gereiche. Sollte man jedoch auf seine Anwesenheit bei diesen Kommissionen bestehen, müsse er seine Wahl ablehnen.

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