Ratsprotokoll vom 24. Februar 1911

Nachdem die Tagesordnung erledigt ist, macht Herr G.=R. Kollmann die Anregung, der Gemeinderat möge sich an die Erben, beziehungsweise an den Masseverwalter der Rothschild'schen 2,000.000 K=Spende mit der ergebensten Bitte wenden, für den Krankenhausbau in Steyr einen Betrag zu widmen. Der Herr Bürgermeister erwidert hierauf, daß er aus den Wiener Blättern informiert sei, daß diese Spende schon verteilt sei, doch werde er der Anregung des Herrn G.=R. Koll¬ mann entsprechen und wenigstens den Versuch machen, etwas zu erlangen. Der Herr Bürgermeister gibt bekannt, daß er sich heute eines höchst unangenehmen Auftrages zu entledigen habe. Es haben ihm die Herren Vizebürgermeister Köstler, die Herren Gemeinderäte Hanns Millner, Johann Kollmann, Karl Heindl und Viktor Stigler den Auftrag gegeben, bei der heutigen Ge¬ meinderatssitzung die Niederlegung ihrer Mandate anzumelden. Die Herren haben als Grund angegeben, daß sie glauben, den Mandataren der Deutschen Fortschrittspartei sei in nächster Zeit ein ersprießliches Wirken und eine erfolgreiche Tätigkeit im Ge¬ meinderate nicht möglich. Er bitte, von dieser Mandatsnieder¬ legung Kenntnis zu nehmen und das Nötige wegen den Er¬ gänzungswahlen zu verfügen und bittet die I. Sektion, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Sektionsobmann=Stellvertreter Herr G.=R. Gustav Stalzer verliest folgende Eingabe: Löblicher Gemeinderat in Steyr! Die Herren Gemeinderäte Karl Heindl, Leopold Köstler, Johann Kollmann, Hanns Millner und Viktor Stigler haben er¬ klärt, mit den durch Ablauf ihrer Mandate ausscheidenden Herren zugleich aus dem Gemeinderate auszutreten, resp. ihre inne¬ habenden Mandate zurückzulegen. Mit Rücksicht darauf, daß bei den bevorstehenden Wahlen auch für sie die notwendigen Ersatzwahlen vorgenommen werden können, haben mich die genannten Herren ermächtigt und be¬ auftragt, dem löblichen Gemeinderate von der Niederlegung ihrer Mandate Kenntnis zu geben. Um die notwendig werdenden Wahlen unter Einem vor¬ nehmen zu können, wolle der hochgeschätzte Gemeinderat be¬ schließen, daß für die im März austretenden fünf Herren die Ersatzwahlen zugleich mit den ordentlichen Wahlen, und zwar im I. Wahlkörper 3, im II. Wahlkörper 1, im III. Wahl¬ körper 1 Mandat auf die Dauer eines Jahres genehmigt und die sofortige Ausschreibung angeordnet werde. F. Llang m. p. Steyr, den 20. Februar 1911. Der Referent Herr Gustav Stalzer beantragt hierauf die dringliche Behandlung dieses Gegenstandes, was angenommen wird. Sodann stellt der Herr Referent den Antrag, die Aus¬ scheidung der Herren zur Kenntnis zu nehmen und die nötigen Ergänzungswahlen zu veranlassen. Herr G.=R. Tribrunner bittet um Aufklärung, in welchem Paragraph der Gemeindestatuten eine derartige Zurück¬ legung begründet sei. Der Herr Bürgermeister erwidert, daß schon wieder¬ holt Mandate zurückgelegt worden sind. Herr G.=R. Erb bemerkt hiezu, nachdem diese Frage auf¬ gerollt wurde, so müsse in die Debatte eingegangen werden. Seiner Ansicht nach habe Herr G.=R. Tribrunner recht, und war gebe ihm der § 39 der Gemeindestatuten das Recht hiezu. Jedes gewählte Gemeindemitglied sei verpflichtet, die auf ihn gefallene Wahl anzun hmen. Das Recht, die Wahl abzulehnen, haben nur die im § 39 von Punkt 1—5 bezeichneten Personen, welche er verliest. Wer ohne einen solchen Entschuldigungsgrund die Wahl anzunehmen oder das angenommene Amt fortzuführen verweigert, verfällt einer Geldstrafe bis zu 200 K. Die ge¬ nannten Herren haben zur Begründung ihrer Mandatsnieder¬ legung etwas vorgeschützt, was man nicht gelten lassen könne. Aber trotzdem diese Gründe nicht stichhältig sind, so könnte doch bei sehr milder Behandlung der Schlußbestimmung des § 39 den Herren ihr Wille erfüllt werden. Vizebürgermeister Herr Leopold Köstler gibt bekannt, daß seinerzeit der deutschnationale Gemeinderat Herr Sebastian Weber nach 14 Tagen schon sein Gemeinderatsmandat zurück¬ gelegt hat. Da habe sich niemand aufgehalten darüber, auch sei er nicht gestraft worden, während jetzt ein Langes und Breites gemacht werde. Herr G.=R. Millner: Wir haben in der Sektion be¬ sprochen, daß der Antrag ohne Debatte beschlossen werden soll. Jetzt sagt man uns, es sei nur eine Gnade, wenn man uns fortgehen lasse. Das geht zu weit. Sie, Herr Professor, kennen die Gründe unserer Demission ganz genau. Wir waren ruhig und verträglich. Sie haben fortwährend und bei jeder Gelegen¬ heit gegen uns gestichelt, Sie haben uns das Hiersein verleidet. Das haben Sie am Gewissen. Sie sagen in Ihren Organen, Sie hätten uns eine Brücke gebaut. Ich weiß nicht, wo diese Brücke war. Sie haben uns in Ihrem hiesigen Organe fort und fort angegriffen, als seien hier nur Personen, die alles verwirt¬ schaften. Sie haben diese Angriffe noch an eine größere Glocke jehängt, in ein Linzer Blatt, als hätte der Gemeinderat auf Generationen hinaus alles verwirtschaftet und jetzt wollen Sie uns gleichsam halten. Wir gehen aus unserem Schmollwinkel nicht mehr zurück. Herr G.=R. Erb sagt, er habe sich nur zu konstatieren erlaubt, daß man die Gründe für den Austritt, die ausgeführt wurden, nicht gelten lassen könne. Wir haben Sie gewiß nicht beleidigt, wir haben keinen Ordnungsruf, nicht einmal eine Ver¬ warnung erhalten; blicken Sie auf den Kampf in anderen Körperschaften. Der Gemeinderat war immer in ordentlicher Be¬ ratung, aber die Herren sind nicht gewohnt gewesen, Wider¬ prüche und Kritiken zu ertragen. Es ist sehr bedauerlich, daß es so gekommen ist, er habe ja auch einmal einen Vermittlungs¬ antrag gestellt. Sie sagen, Sie halten es neben uns nicht aus Sie hätten es ganz gut aushalten können, wenn Sie daran gewöhnt jewesen wären, in einem Beratungskörper Kritiken zu ertragen, welche im Parlamente oft viel heftiger aufeinanderplatzen. Da Sie nicht mehr die Majorität im Gemeinderate besitzen, freut es Sie nicht mehr hier, vielleicht auch deshalb nicht, weil die inanzielle Lage der Stadt keine glänzende ist. Sie lassen den Anderen über, was Sie zurücklassen müssen, und die es besser machen sollen, wenn sie es können. Wir werden über diesen Paragraph dann beraten, wenn ein neuer Gemeinderat kommt. Während diesen Ausführungen des Herrn G.=R. Erb ver¬ läßt Herr G.=R. Hanns Millner den Saal. Nachdem Herr G.=R. Erb seinen Antrag zurückzieht, bringt der Vorsitzende den Antrag der Sektion auf genehmigende Kenntnisnahme des Austrittes der fünf Herren Gemeinderäte und um sofortige Veranlassung der Ersatzwahlen hiefür zur Ab¬ stimmung, und wird dieser Antrag das erstemal abgelehnt, bei der zweiten Abstimmung jedoch mit großer Majorität ange¬ nommen. Der Herr Vorsitzende gibt bekannt, daß er den Be¬ schluß der fünf genannten Herren Gemeinderäte, als er seiner¬ zeit gefaßt wurde, schon als etwas Bedauernswertes bezeichnet habe. Er sei der Meinung, daß, wenn sich auch die Herren durch die vielleicht gar zu oft wiederholten Angriffe und Bemerkungen besonders empfindlich verletzt gefühlt haben, sie dieses hätten überwinden können, denn er ist der Ueberzeugung, daß die An¬ griffe immer weniger geworden wären, daß die Herren, die von Mißwirtschaft sprechen, wenn sie die Verhältnisse besser kennen werden, ein weit anderes, gerechteres Urteil über die Tätigkeit des früheren Gemeinderates abgeben werden. Er müsse vor allem anderen die Dauer der Arbeitsleistung der abtretenden Herren Gemeinderäte hervorheben; es sind Herren hier, welche in einem Zeitraum von 14 bis 17 Jahren ihre Tätigkeit dem Gemeinderate geliehen haben, und werden gewiß auch die Herren Gemeinderäte, welche keine Parteifreunde sind, die Geneigtheit haben, die Arbeitsleistung und das Wirken der abtretenden Herren Gemeinderäte dankend anzuerkennen. Persönlich müsse er der Unterstützung des Herrn Vize¬ bürgermeisters Köstler gedenken, er habe ihm in der treuesten Weise seine Unterstützung geliehen, er war als Obmann der III. Sektion eifrigst tätig. Er habe jede Sektionssitzung besucht und daher eine Summe von Arbeitsleistung hinter sich, das werden auch die anderen Herren dieser Sektion zugeben müssen. Er dankt nochmals für seine Bemühungen und Unterstützung und bedauert, daß er die Entschließung des Austrittes des Herrn Vizebürgermeisters bekannt machen muß. Er bittet sodann die anwesenden Herren Gemeinderäte zum Zeichen der Anerkennung der Dienstleistung der abtreten¬ den Herren Gemeinderäte sich seinem Danke anzuschließen. Der Gemeinderat bringt durch Erheben von den Sitzen zum Ausdrucke, daß er sich der Anerkennung und dem Danke anschließt. Hierauf Schluß der öffentlichen Sitzung.

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