Ratsprotokoll vom 12. November 1909

2 Durch den hochherzigen Wohltäter der Stadt Herrn Johann Haratzmüller, wurde 1902 ein Spitalbaufond gegründet und betrug derselbe mit Jahresschluß 1906 237.122 K 54 J. Die Sammlung des Frl. Hedwig Werndl und Primarius Herrn Dr. Viktor Klotz per zirka 50.000 K, die Kaiser=Jubi¬ läumsspenden im Jahre 1908 der löblichen Sparkassa und der Stadtgemeinde in Steir, des o.=ö. Landesausschusses und vieler warmherziger Damen und Herren, ferners die Widmung von 100.000 K durch die General=Direktion der österr. Waffenfabrik und daß von der hohen k. k. oberösterr. Statthalterei diesem Fonde das Notstandsdarlehen per 45.000 K überlassen wurde brachte den Stand des Spitalbaufondes per 1. Juli 1909 auf 619.476 K 70 h. Außerdem ist von Seite der Allerh. Kabinetts=Kanzlei Sr. Majestät des Kaisers die Berücksichtigung dieses Fondes bei Verteilung des Erträgnisses aus der österr. Staats=Wohltätig¬ keits=Lotterie zugesagt. Mit aufrichtigem Danke an alle Spender und Förderer kann konstatiert werden, daß bereits drei Viertel des Erforder¬ nisses für den Bau eines neuen Spitales vorhanden sind. Wenn man die dringende Notwendigkeit einer besseren Unterbringung unserer Kranken berücksichtigt und der Hoffnung Raum gibt, daß bei Beginn des Spitalbaues die öffentliche Wohltätigkeit wieder zu weiteren geneigten Spenden angeregt werden wird, muß empfohlen werden, daß die vorbereitenden Beschlüsse für den Spitalbau gefaßt werden mögen. Um über die Spitalbauten der letzteren Zeit eine Ueber¬ icht zu gewinnen, wurden der steiermärkische Landesausschuß, die Städte Kremsier, Meran, Saaz u. a. um die geneigte Ueber¬ lassung von Plänen und Kostenberechnungen ihrer neu erbauten Krankenhäuser zu Studienzwecken ersucht, und haben dieselben mit dankenswerter Bereitwilligkeit diesem Ansuchen Folge gegeben. In Steiermark hat das Land den Bau der notwendig werdenden Krankenhäuser übernommen und viele Bezirksspitäler zu sehr mäßigen Baukosten hergestellt, u. zw.: 1895: In Judenburg für 130 Betten zu 340.000 K (per Bett K 2615 —). 898: In Radkersburg für 170 Betten zu 536.150 K (per Bett K 3153•— 1900: In Knittelfeld für 170 Betten zu 530.024 K (per Bett K 3120•—) 1906: In Hartberg mit 152 Betten zu 628.000 K, somit 4132 K per Bett. Letzteres ist den modernen Anforderungen entsprechend in getrennter Bauweise mit allen neueren Einrichtungen, wie Dampfheizung, Wasserleitung, Liegehallen, elektrische Beleuchtung, Telegraph, Telephon 2c. 2c. hergestellt, und wurde auch vom steiermärkischen Landesausschusse gewissermaßen als das modernst gebaute empfohlen. 1905 baute die Stadt Meran ein Spital, äußerst geräumig, allen neuen Forderungen entsprechend und mit allen Bequemlich¬ keiten ausgerüstet, für 150 Betten. Die Kosten waren auf 609.000 K präliminiert. Nach Mitteilung des Bürgermeister¬ amtes Meran kam dasselbe samt Grunderwerb auf 700.000 K, somit per Bett auf 4667 K. 1899 errichtete die Stadt Saaz ihr neues Kaiserin Elisabeth=Spital, welches aus dem Verwaltungsgebäude, 6 Kranken¬ pavillons, 1 Operationspavillon, Wirtschaftsgebäude, Infektions¬ Abteilung und Leichenhaus besteht und Raum für zusammen 125 Betten hat. Bei der Baueinteilung wurde auf den Anbau von weiteren zwei Krankenpavillons mit je 25 Betten Belags¬ raum Rücksicht genommen. Die Kosten beliefen sich wie folgt: K 40.000•— Für Grunderwerb * * „ 280.000•— „ Baukosten „ Heizung, Wasserleitung, Maschinen, elektrische Beleuchtung, Anschaffungs¬ kosten, für Instrumente, Möbel, Betten, Wäsche „ 180.000•— Ie „ „ „ Zusammen. K 500.000•— Somit per Bett 4000 K. Die Stadt Kremsier hatte die Güte, drei Krankenhaus¬ Projekte, welche bei der Ausschreibung für den Bau des dortigen Spitales Preise erhalten haben, zu Studienzwecken zu überlassen. Das mit dem ersten Preise bedachte Projekt ist von be¬ stechender Schönheit, für 222 Betten berechnet. Zu den Bau¬ kosten nur die Einfriedung, Gartenherrichtung und Weganlage eingerechnet zu K 630.000•— Das zweite Projekt nimmt neben dem Administrations¬ Gebäude einen chirurgischen Pavillon, 6 Krankenpavillons, einen Epidemie=Pavillon und eine Kapelle in Aussicht zu 362.000 K Baukosten. Das dritte Projekt: 1 Verwaltungsgebäude, 1 chirurgischen Pavillon, 4 Krankenpavillons, Isolier=Pavillon, Totenkammer und Infektions=Station zu K 351.264·92 Baukosten. Bei vergleichender Durchsicht all dieses sehr umfangreichen Materiales ergeben sich für ein aufzustellendes Spital=Projekt schätzenswerte Beobachtungen. Bezüglich des Belagsraumes der Spitäler im Vergleiche mit der Einwohnerzahl weist eine Tabelle, von Oswald Kuhn zusammengestellt, aus 35 deutschen Städten für je 10.000 Ein¬ wohner 50 Betten als Durchschnittsziffer aus, wobei aber z. B. in Köln auf 10.000 Einwohner 91·5, in Kiel 15·7, in Hannover gar nur 11°4 Betten entfallen. Das Krankenhaus in Karlsbad, welches zum größeren Teile neu erbaut und vortrefflich einge¬ richtet ist, hat einen Belagsraum von 127 Betten; es entfallen sohin bei einer Einwohnerzahl von 15.000 83·3 Betten auf 10.000 Einwohner. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Zahl der Kurgäste bei obiger Bevölkerungsziffer außeracht ge¬ lassen wurde. Aus den Spitalsberichten in Steyr ist zu entnehmen, daß der Belag per Tag von 70 Kranken hie und da im Winter bis auf 130 Kranke steigt. Es wäre darum die Durchschnittsziffer von 50 Betten auf 10.000 Einwohner für unsere Verhältnisse als zu gering, mindestens auf 80 Betten anzunehmen. Es erscheint für das neue Krankenhaus in Steyr ein Be¬ lagsraum für 160 Betten und 20 Betten für die Isolier¬ Abteilung als genügend. Besonders wenn bei der Anlage des Baues für die leichte Möglichkeit eines Zu= oder Anbaues vor¬ gesorgt würde. Diese Vorsorge beobachtet man beinahe bei allen neueren Krankenhausbauten. Für die Beheizung der Krankenhäuser wird meist eine zentrale Niederdruck=Dampfheizung mit Kohlen= oder Koksfeuerung gewählt, in den Isolier=Abteilungen jedoch Ofenheizungen vor¬ gezogen, weil dieselben nur vorübergehend und nie permanent belegt sind. Die Beleuchtung geschieht in den meisten Fällen durch elektrisches Glühlicht, selbst auch dann, wenn zu Heizzwecken in Teeküchen, Wasser= und Wäschewärmern Gas verwendet wird. In einigen Anstalten ist mit der Hochdruck=Dampfanlage für den Betrieb der Wäscherei und Küche eine Dynamo= und Akkumu¬ latoren=Anlage für Lichterzeugung verbunden Aus dem vorliegenden Materiale ergibt sich, daß bei dem Baue eines modernen Krankenhauses die Kosten zu 4000 K per Bett angenommen werden müssen und es wäre in unserem Falle begründete Hoffnung, damit auszureichen, weil die im bestehen¬ den Spitale vorhandene Einrichtung (über 100 Betten, Wäsche, Instrumente) bei Verwendung im neuen Spitale die Kosten für Spitalseinrichtung erheblich vermindern wird. Schon im Jahre 1904 wurde durch den Ankauf des Flader¬ gutes für einen geeigneten Raum zum Baue eines neuen Krankenhauses vorgesorgt. Im Laufe dieses Jahres beschloß der löbliche Gemeinderat die Erwerbung des Schacherlehnergutes (resp. Plattnergutes) und wird dasselbe mit 31. Dezember in das Eigentum der Stadt¬ gemeinde übergeben werden. Es sind somit die Gründe dieser beiden Anwesen zur Wahl für Verwendung zum Baue des neuen Spitales vorhanden. Um Projekte für die betreffenden Bauten zu erlangen, würden entweder mehrere Herren Architekten oder Baumeister zur Ausarbeitung solcher eingeladen, oder es würde eine all¬ gemeine Ausschreibung zur Einreichung solcher Projekte beschlossen und zwei bis drei Preise für Prämiierung der als die Besten erkannten bestimmt. Für Erlangung solcher Arbeiten wäre ein Termin während der Wintermonate besonders günstig. Zum Schlusse meines in gedrängter Kürze gegebenen Berichtes ersuche ich das löbliche Spitalbau =Komitee, dem hoch¬ geehrten Gemeinderate gütigst Anträge über a) Wahl des Bauplatzes für das neue Krankenhaus, b) Bestimmung der Größe und Zahl der Baulichkeiten und c) die Art der Einholung des Bau= und Ausführungsprojektes zur gefälligen Beschlußfassung vorlegen zu wollen. Steyr, im Oktober 1909. F. Lang. Der Herr Vorsitzende übergibt diesen Bericht dem Obmann des Spitalbau=Komitees, Herrn Dr. Franz Angermann, mit dem Ersuchen, in dieser Angelegenheit weiters zu referieren. Herr G.=R. Dr. Angermann gibt bekannt, daß der Bericht des Herrn Bürgermeisters in der Sitzung des Spitalbau¬ Komitees am 4. November d. J. einer eingehenden Erörterung unterzogen wurde, verliest das bezügliche Sitzungs=Protokoll sowie die Gutachten der Herren Doktor Viktor Klotz und Doktor Richard Klunzinger über die Eignung des Fladergutes und Plattnergutes für den Spitalbau und stellt namens des Spitalbau¬ Komitees folgende Anträge: Auf Grund des vom Herrn Bürgermeister über den Stand der Spitalbau=Angelegenheit erstatteten Berichtes und mit Rück¬ sicht auf den Umstand, als nach diesem Berichte die Kosten für die Erbauung des neuen Krankenhauses in Steyr zum größten Teile und insoweit geführt sind, daß die nötigen Vorarbeiten eingeleitet werden können, um so bald als möglich dann zur Ausführung des Neubaues schreiten zu können, stellt das Spitalbau=Komitee folgende Anträge: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: 1. Es werde als Bauplatz für das neue Krankenhaus in Steyr das von der Stadtgemeinde Steyr angekaufte soge¬ nannte Plattner=, resp. Schacherlehnergut bestimmt, weil sich dessen Gründe nach dem einverständlichen Gutachten der beiden städt. Aerzte und auch aus anderen maßgebenden Gründen besser eignen, als das Fladergut. 2. Es werde im Prinzipe festgesetzt, daß das neue Krankenhaus n Steyr mit einem Belagraum von 150 Betten und 20 Betten für die Infektions=Abteilung, sohin zusammen aus 170 Betten erbaut werde. 3. Es werde das Projekt für die Erbauung des neuen Kranken¬ hauses in Steyr im Wege der öffentlichen Konkurrenz=Aus¬ chreibung eingeholt und sind für die besten Projekte drei Preise zu bestimmen, und zwar als I. Preis 1000 K, als II. Preis 700 K und als III. Preis 500 K. Steyr, am 12. November 1909. Für das Spitalbau=Komitee: Der Referent: Dr. Angermann m. p.

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