Ratsprotokoll vom 11. Oktober 1909

Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am Montag den 11. Oktober 1909. I. Sektion. Beschlußfassung über nachträgliche Aenderung der Stili¬ sierung des Gesetzentwurfes wegen der Gemeinde=Wahlordnung Tages=Ordnung: infolge seitens der Regierung gegen die Formulierung erhobener Bedenken. 2. Beschlußfassung wegen Aenderung des Gesetzentwurfes punkto Mauteinhebung. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Bürgermeister Franz Lang. Die Herren Gemeinderäte: Leopold Anzengruber, Ludwig Binder¬ berger, Alexander Busek, Leopold Erb, Ferdinand Gründler, Ferdinand Handstanger, Karl Heindl, Josef Hiller, Johann Koll¬ mann, Hans Millner, Franz Nothhaft, Viktor Ortler, Ludwig Reisinger, Johann Rotter, Otto Schönauer, Peter Steinhuber, Viktor Stigler, Anton Stippl, Franz Tribrunner und Josef Tureck. Ferner sind anwesend: Herr Stadtrat Franz Gall und als Schriftführer Hans Bayer. Entschuldigt sind Herr Vizebürgermeister Leopold Köstler und die Herren Gemeinderäte Dr. Franz Angermann und Rudolf Sommerhuber. Zu Verifikatoren werden gewählt Herr Ludwig Binder¬ berger und Herr Alexander Busek. Der Herr Vorsitzende erteilt dem Obmann=Stellvertreter der I. Sektion, Herrn Hans Millner, das Wort zu folgen¬ den Ausführungen: Seitens des k. k. Regierungsvertreters im o.=ö. Landtage wurden gegen die Textierung des Gesetzentwurfes betreffend einige Abänderungen bezw. Ergänzungen des Gemeindestatutes der Stadt Steyr, wie solche nach dem letzten Gemeinderatsbeschlusse vom Dienstag den 28. September l. J. beschlossen wurden, aber¬ mals einige Bedenken erhoben, die eventuell die Vorlage dieses Gesetzentwurfes zur kaiserlichen Sanktion verhindern könnten. Diese Bedenken bestehen darin, daß im § 2 des Gesetzent¬ wurfes, Absatz 1, angeordnet ist, daß acht Tage vor der Wahl das Wahlausschreiben samt Stimmzettel und erforderlichen Wahl¬ vollmachten zuzustellen ist, und daß es im Absatze 3 am Schlu߬ satze lautet: . . . . . „und sind nur diese amtlich ausgegebenen Wahlvollmachten giltig.“ Der Regierungsvertreter ist nun der Anschauung, daß bei dieser Textierung das Gesetz möglicherweise auch dahin ausgelegt werden könnte, als ob nur die 8 Tage vor der Wahl ausge¬ gebenen Wahlvollmachten giltig wären und nicht auch die nach Absatz 4 drei Monate vor dem Wahlmonate von den Gemeinde¬ wählern selbst erhobenen Wahlvollmachten. Um einer solchen eventuellen Auslegung vorzubeugen, soll im § 2, Absatz 1, die Bestimmung, daß 8 Tage vor der Wahl auch die Wahlvollmachten amtlich zuzustellen sind, ausbleiben. Es sollen einfach die Worte . . . .. „und erforderlichen Wahl¬ vollmachten“ . . . . weggelassen werden, so daß dann der Ab¬ satz 1 des § 2 zu lauten hätte: „Zur Vornahme der Wahl sind 8 Tage vorher sämtliche wahlberechtigten Mitglieder der Ge¬ meinde in der Art einzuladen, daß das Wahlausschreiben, in welchem Zeit und Ort der Hauptwahl und der eventuellen engeren Wahl, sowie die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Gemeinderates genau angegeben find, samt den Stimmzetteln den Wahlberechtigten zugestellt wird.“ Damit ist nun zweifellos festgestellt, daß eine ämtliche Zu¬ stellung der Wahlvollmachten überhaupt nicht erfolgt, sondern nur die ämtlich abgestempelten Vollmachten von den Gemeinde¬ wählern drei Monate vor dem Wahlmonate bei der Stadt¬ gemeinde erhoben werden können. Schließlich wurde auch seitens des Regierungsvertreters geltend gemacht, daß die Bestimmung bezüglich der Zeit zur Er¬ hebung der ämtlichen Wahlvollmachten präziser abgefaßt werden soll, als dies im § 2, Absatz 4, des Gesetzentwurfes vorliegt und daß ein bestimmter Termin (Tag) festgesetzt werden solle, von welchem Tage angefangen die Erhebung der Wahlvollmachten geschehen könne. Um diesen Bedenken zu entsprechen, wäre der Absatz 4 des § 2 des Gesetzentwurfes dahin abzuändern, daß er zu lauten hätte: „Aemtliche Vollmachtsformularien können vom 1. Dezember des der Wahl vorausgehenden Jahres angefangen von den Gemeindewählern bei der Stadtgemeinde erhoben werden.“ Damit ist der Termin, von welchem angefangen die ämt¬ lichen Wahlvollmachtsformularien erhoben werden können, klar und deutlich ausgedrückt. Die I. Sektion stellt nun den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde für den Fall, als diese Abänderungen im Landtage beantragt werden sollten, seitens der Stadtgemeinde Steyr hiezu im Voraus die Zustimmung erteilt. Herr G.=R. Erb wendet sich gegen die Vornahme der be¬ antragten Abänderungen und wiederholt seine bereits in der letzten Gemeinderatssitzung vorgebrachten, auf diese Angelegenheit bezüglichen Anträge: 1. Die Gemeindevorstehung hat jedem Wahlberechtigten über dessen bis spätestens 20. November jeden Jahres einzu¬ bringende Bestellung die von ihm gewünschte Anzahl von ge¬ stempelten Vollmachtsformularien ab 1. Dezember jeden Jahres gegen Ersatz der Kosten auszufolgen. 2. Die Gemeindevorstehung hat jedem Wahlberechtigten über dessen spätestens 14 Tage vor der Gemeinderatswahl ein¬ zubringende Bestellung bis längstens 8 Tage vor der Wahl die von ihm gewünschte Anzahl Stimmzettel gegen Ersatz der Kosten auszufolgen. 3. Der Gemeinderat beschließe, die einschränkenden Be¬ stimmungen des Gemeindewahlrechtes betreffend die weiblichen Wahlberechtigten derart abzuändern, daß diese selbst ihr Wahl¬ recht durch persönliche Stimmabgabe ausüben können und die Rechtssektion zu beauftragen, das Gemeindestatut gemäß diesem Beschlusse abzuändern, dem Gemeinderate hierüber Bericht zu erstatten und Anträge zu stellen, und begründet in längerer Rede diese seine Anträge. Herr G.=R. Erb schlägt schließlich vor, einen bestimmten Termin dafür festzusetzen, wann das neue Gesetz in Wirksamkeit treten soll und meint, es sei folgender Passus anzufügen: „Dieses Gesetz tritt am 1. April 1910 in Wirksamkeit.“ Herr G.=R. Viktor Stigler spricht gegen die Aus¬ führungen des Herrn G.=R. Erb, da es sich im vorliegenden Falle nicht um meritorische Aenderungen des Gesetzes, sondern nur um eine Verbesserung der Stilisierung desselben handle. Was bezüglich eines Termines für die Wirksamkeit dieses Gesetzes vorgebracht worden sei, könne er nicht als richtig aner¬ kennen, weil die gerügte Unklarheit auch bei Feststellung eines Termines eintreten könne Um die vom Herrn G.=R. Erb bezüglich der Beschränkung des Frauenwahlrechtes vorgebrachten Bedenken zu zerstreuen, könne im § 2, Absatz 3 und 4, statt „diese“ einfach nur „die“ gesagt werden. Der Herr Vorsitzende erklärt die Sitzung zum Zwecke der neuerlichen Beschlußfassung der Rechtssektion auf drei Minuten zu unterbrechen.

2 Nach Wiederaufnahme der Sitzung beantragt die Rechts¬ sektion folgende Fassung für den neuen Gesetzentwurf: Gesetz vom . . . . . betreffend einige Abänderungen bezw. Ergänzungen des Gemeindestatutes der Stadt Steyr. Ueber Antrag des Landtages meines Erzherzogtumes Oester¬ reich ob der Enns finde ich anzuordnen wie folgt: Artikel I. Das auf Grund der Landesgesetze vom 18. Jänner 1867, G.= u. V.=Bl. Nr. 8 und vom 22. Dezember 1903, L.=G. u. V.=Bl. Nr. 7 ex 1904, bestehende Gemeindestatut der Stadt Steyr wird nach folgenden Bestimmungen abgeändert, bezw. ergänzt: § 1. Bei § 25 hat der Schlußsatz: „und muß eine in gesetz¬ licher Form ausgestellte Vollmacht vorweisen“ zu entfallen und dafür hat derselbe zu lauten: „und muß eine gemäß § 34 amt¬ lich ausgegebene, mit dem Amtssiegel der Stadtgemeinde ver¬ sehene und von dem Wahlberechtigten unterfertigte Vollmacht vorweisen, welche dem Wahlakte beigelegt wird.“ § 2. Bei § 34 hat der erste Absatz gänzlich zu entfallen, dafür hat derselbe zu lauten: „Zur Vornahme der Wahl sind acht Tage vorher sämtliche wahlberechtigte Mitglieder der Gemeinde in der Art einzuladen, daß das Wahlausschreiben, in welchem Zeit und Ort der Haupt¬ wahl und der eventuellen engeren Wahl sowie die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Gemeinderates genau angegeben sind, samt den Stimmzetteln und erforderlichen Wahlvollmachten den Wahlberechtigten zugestellt wird Die Stimmzettel sind mit dem Amtssiegel der Stadtge¬ meinde zu versehen und sind nur die amtlch ausgegebenen Stimmzettel gltig. Die Wahlvollmachten, auf Grund deren gemäß §§ 21, 23 und 24 die Ausübung des Wahlrechtes durch einen Bevoll¬ mächtigten gestattet ist, sind gleichfalls mit dem Amtssiegel der Stadtgemeinde zu versehen und sind nur die amtlich ausgegebe¬ nen Wahlvollmachten giltig. Amtlicke Wahlvollmachtsformularien können vom 1. De¬ zember des dr Wahl vorausgehenden Jahres angefangen von den Gemeindewählern bei der Stadtgemeinde erhoben werden. Auf den Stimmzelt ln und den Wahlvollmachten ist aus¬ drücklich zu bemerken, daß nur solche amtlich ausgegebene, mit dem Amtssiegel der Stadtgemeinde versehene Stimmzettel und Wahlvollmachten giltig sind. § 3. Bei § 37 hat der dritte Absatz zu entfallen und dafür zu lauten: „Die Stimmengebung geschieht durch Abgabe der amtlich ausgegebenen, mit dem Amtssiegel der Stadtgemeinde versehenen Stimmzett l, auf welchen die in dem Wahlausschreiben angege¬ benen Zahl von zu wählenden Gemeindemitgliedern mit Vor¬ und Zunamen, mit Beruf oder Beschäftigung verzeichnet sind.“ § 4. Bei § 37 hat Absatz 5 zu lauten: „Die Wähler sind auf¬ merksam zu machen, zu der für die engere Wahl festgesetzten Zeit sich am Wahlorte wieder einzufinden, um bei der even¬ uellen engeren Wahl die Stimmabgabe erneuern zu können.“ § 5. Bei § 37 hat der Absatz 9 zu entfallen und dafür zu lau¬ ten: „Zu dieser engeren Wahl werden die mit dem Amtssiegel de: Stadtgemeinde versehenen Stimmzettel im Stadtgemeinde¬ amte odr am Tage der engeren Wahl vor der Wahlkommission am Wahlorte ausgegeben. Wahlberechtigte sind deshalb, weil sie bei der Hauptwahl ihr Stimmrecht nicht ausgeübt haben, bei der engeren Wahl von der Ausübung dieses Wahlrechtes nicht ausgeschlossen. Die Wähler haben sich bei der engeren Wahl auf jene Personen zu beschränken, die bei der Hauptwahl nach denjenigen, welche die absolute Mehrheit erlangten, die relativ meisten Stimmen für siy hatten.“ Artikel II. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit. Artikel III. Mein Minister des Innern ist mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt, Herr G.=R. Erb setzt in läng rer Rede das Wesen der in Steyr bestehenden Frauenvollmachten auseinander und sagt, es scheine ihm, daß dasselbe den Herren in der Rechtssektion nicht genau b. kannt sei. Das in Steyr bestehende System be¬ züglich der Frauenvollmachten sei sonst nirgends zu finden und sei auch den Behörden nicht bekannt; die Regierung mache des¬ halb Anstände. Schließlich stellt er der Erwägung des Gemeinde¬ rates anheim, ob es nicht zweckmäßig wäre, die ganze Ange¬ legenheit wieder an die Rechtssektion zur neuerlichen Beratung zurückzuverweisen. Herr G.=R. Stigler spricht sich dagegen aus. Her G.=R. Tribrunner teilt die Bedenken des Herrn G.=R. Erb und wünscht die Einberufung einer besonderen Sitzung, in welcher über die vorliegenden Fragen eingehend zu beraten sei. Herr G.=R. Erb macht darauf aufmerksam, daß es sich hier um die Abänderung des Gesetzentwurfes handle, und daß gegen den diesbezüglich gefaßten Beschluß eine 14tägige Be¬ rufungsfrist offen stehe worauf Herr G.=R. Stigler er¬ widert, daß eine meritorische Aenderung des Gesetzentwurfes nicht vorliege, und daß wegen der Aenderung von zwei Worten eine Berufung nicht statthaft sei. Hierauf wird der Gesetzentwurf in der von der Rechts¬ sektion beantragten Fassung in getrennter Abstimmung mit Stimmenmehrheit angenommen, während die Anträge des Herrn G.=R. Erb, für welche sich 4 Stimmen finden, in der Minorität bleiben. 2. Punkt. Der Obmannstellvertreter bringt Folgendes vor: In der Sitzung des Gemeinderates vom 5. März 1909 wurde beschlossen, bei dem oberösterr. Landtage um Bewilligung zur Forteinhebung der städt. Brücken= und Pflastermaut für weitere fünf Jahre vom 1. Jänner 1910 bis 31 Dezember 1914 einzuschreiten und wurde in den Tarif auch aufgenommen, daß für ein Automobil eine Maut von 40 k zu entrichten sein wird. Nachdem nun seitens der Vertretung der Regierung bei den Vorbesprechungen über das im Landtage vorzulegende Gesetz B.denken gegen die Bewilligung einer Mautgebühr für Auto¬ mobile ausgedrückt worden sind, und das Gesetz selbst, wenn der o=ö. Landtag diese Automobilmaut bewilligen würde. eventuell Anstände bei der kaiserlichen Sanktion finden könnte, und dadurch auch die Forteinhebung der übrigen Mauten ab 1. Jänner 1910 nicht rechtzeitig bewilligt werden könnte und damit für die Stadtgemeinde ein nicht zu ersetzender bedeutender Ausfall von öffmlichen Einnahmen eintreten müßte, erscheint es geboten, von dem Ansuchen der Stadtgemeinde um Fortein¬ hebung der Mauten dermalen die Bestimmungen des Texies: „Daß von Automobilen eine Mautgebühr von 40 Hellern ent¬ richtet werden solle“ auszuschliden und davon den o.=ö. Landtag sogleich zu verständigen. Die erste Sektion stellt deshalb den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde das mit Beschluß vom 5. März 1909 dem o.=ö Landtage zur Be¬ willigung vorgelegte Ansuchen, um Forteinhebung der städtischen Brücken= und Pflastermaut für weitere fünf Jahre, vom 1 Jänner 1910 bis 31 Dezember 1914 dahin abgeändert, daß die im Tarife sub Zahl 5 enthaltene Bestimmung: „Für ein Automobil 40 Heller“ zu entfallen hat. Nach kurzer Debatte, an welcher sich die Herren Viktor Stigler und Franz Tribrunner beteiligen, wird obiger Sektions¬ antrag einstimmig angenommen. Hierauf Schluß der Sitzung. Druck von G. Bruckschweiger in Steyr. 09 10

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