„Aemtliche Wahlvollmachts=Formularien können drei Monate vor dem im § 44 des Gemeindestatutes festgesetzten Wahlmonate (März) von den Gemeindewählern bei der Stadt¬ gemeinde erhoben werden. Faf Hiemit erscheint ausdrücklich erklärt, daß in diesem Zeitpunkte keine ämtliche Zustellung der ämtlichen Wahlvoll¬ machten stattfindet, sondern daß nur die Gemeindewähler be¬ rechtigt sind, solche ämtliche Formularien bei der Stadtgemeinde zu erheben. Mit Rücksicht auf diese Interpretation stellt die 1. Sektion den Antrag: Der Gemeinderat wolle beschließen: Es werde der vom oberösterr. Landtage in der Sitzung vom 12. Oktober 1908 bereits beschlossene Gesetz=Entwurf betreffend einige Abänderungen, respektive Ergänzungen des Gemeinde=Statutes der Stadt Steyr unter Belassung aller übrigen Bestimmungen nur dahin abgeändert, daß in demselben der Absatz 4 des § 2 dieses Gesetz=Entwurfes zu lauten habe: „Aemtliche Wahl vollmachts=Formula¬ rien können drei Monate vor dem im § 44 des Gemeinde=Statutes der Stadt Steyr festge¬ setzten Wahlmonate (März) von den Ge¬ meindewählern bei der Stadtgemeinde er¬ hoben werden.“ Der Herr Bürgermeister wird beauftragt, die legis¬ latorische Genehmigung dieser Abänderung des Gesetz=Entwurfes durch den oberösterr. Landtag ohne Verzug einzuholen. Herr G.=R. Erb bemerkt, daß es ihm schon früher klar war, daß der § 2 der Wahlordnung unmöglich die Sanktion erhalten könne, weil dieser Paragraph Widersprüche enthalte. Diese Widersprüche zeigen sich deutlich in der Vollmachten¬ gebarung, welche seit Jahrzehnten in Steyr Platz gegriffen hat, daß nämlich zweierlei Vollmachten geduldet wurden. Ein Wider¬ spruch ist es, wenn man liest, daß die amtlich ausgegebenen Vollmachten den Wahlberechtigten 8 Tage vor der Wahl zuge¬ stellt werden solle, während anderseits es wieder heißt, daß die Wahlvollmachten 3 Monate vor der Wahl behoben werden können. Es sei fraglich, ob der neu zusammengesetzte Landtag diesen Gesetzentwurf wieder bestätigen wird, und es ist möglich, daß er noch einige Aenderungen beschließt. Aber auch der Ge¬ meinderat Steyr hätte das Recht, noch weitere Abänderungen zu treffen. Es soll bezüglich der Ausgabe von Stimmzetteln eine objektivere Handhabung platzgreifen, wie bisher, und zwar da¬ durch, daß jede Partei die gewünschte Anzahl Stimmzettel gegen Bezahlung der Kosten erhalten könne. Bisher war die Ver¬ teilung der Stimmzettel an die verschiedenen Parteien eine un¬ gleichmäßige. Um ein ganz objektives Vorgehen bei Ausgabe von Voll¬ machten und Stimmzetteln zu ermöglichen, ersuche er um An¬ nahme folgender Zusatzanträge: 1. Die Stadtgemeinde=Vorstehung hat jedem Wahlberechtigten über dessen spätestens bis 20. November jeden Jahres einzubrin¬ gende Bestellung die von ihm gewünschte Anzahl von Wahlvoll¬ machten vom 1. Dezember ab jeden Jahres gegen Ersatz der Kosten auszufolgen. 2. Die Stadtgemeinde=Vorstehung hat jedem Wahlberechtigten über dessen spätestens 14 Tage vor der Gemeinderatswahl an¬ zubringende Bestellung diesem 8 Tage vor der Wahl die von ihm gewünschte Anzahl von Stimmzettel gegen Ersatz der Kosten auszufolgen. Was seinen prinzipiellen Standpunkt anbelangt, so sei er für das persönliche aktive Wahlrecht der Frauen überhaupt. Die sämtlichen Gemeinden Niederösterreichs, mit Ausnahme der auto¬ nomen Gemeinden, haben sich für das aktive Frauenwahlrecht ausgesprochen. Er stelle daher noch folgenden Zusatzantrag: Der Gemeinderat der Stadt Steyr beschließe, die ein¬ schränkenden Bestimmungen des Gemeindewahlrechtes betreffend die weiblichen Wahlberechtigten derart abzuändern, daß diese selbst ihr Wahlrecht durch persönliche Stimmenabgabe ausüben können und die Rechtssektion zu beauftragen, das Gemeindestatut gemäß diesem Beschlusse abzuändern. Herr G.=R. Tribrunner ist auch für die Einführung des direkten Wahlrechtes für die Frauen. Das Gemeindewahl¬ recht in Steyr sei noch das reaktionärste geblieben, Land¬ gemeinden hätten die Stadt Steyr schon überflügelt. Herr Altbürgermeister Stigler bemerkt auf den Aus¬ druck „reaktionär“, daß die Stadtgemeinde Steyr die erste Ge¬ meinde in Oberösterreich gewesen ist, die die vierte Wahlkurie eingeführt hat und dieser fortschrittlichen Entschließung verdanke Herr G.=R. Tribrunner sein Amt hier. Er sei entschieden gegen das direkte Wahlrecht der Frauen, weil dadurch die Frauen in die Wahlagitation hineingezogen und noch mehr molestiert würden. Er sei überzeugt, daß die meisten Frauen das direkte Wahlrecht selbst nicht wollen. Diese Angelegenheit wegen dem direkten Wahlrechte der Frauen sei heute auch gar nicht aktuell und hätten solche Positionen nur den Zweck, die ganze Ange¬ legenheit zu verschleppen. In der Landeshauptstadt ist den Frauen das Gemeindewahlrecht ganz entzogen. Bestimmungen bezüglich der Ausfolgung der Stimmzettel und Vollmachten involvieren ein durch nichts gerechtfertigtes Mißtrauen und des¬ halb stimme er dagegen. Der Herr Referent bezeichnet den Antrag des Herrn Ge¬ meinderates Erb punkto Ausübung des persönlichen Wahlrechtes der Frauen als geschäftsordnungswidrig. Dieser Antrag habe mit der Tagesordnung gar nichts zu tun, deshalb solle sich der Gemeinderat in das merito des An¬ trages nicht einlassen, sondern denselben ablehnen. Herr G.=R. Erb erwidert, daß sein Zusatzantrag mit der Tagesordnung wohl im Zusammenhange stehe, denn auf der Tagesordnung steht das Stichwort „Wahlordnung“ und zu diesem Stichworte könne er ganz gut einen Zusatzantrag stellen. Nach weiterer kurzer Debatte bringt der Herr Vorsitzende den Antrag des Herrn G.=R. Erb auf Schaffung des persönlichen Wahlrechtes für die Frauen zur Abstimmung und wird derselbe als geschäftsordnungswidrig mit allen gegen 5 Stimmen ab¬ gelehnt. Der Sektionsantrag wird hierauf mit allen gegen 5 Stimmen angenommen. Die beiden Zusatzanträge des Herrn G.=R. Erb betreffend Ausgabe der Vollmachten und Stimmzettel werden mit allen gegen 6 Stimmen abgelehnt. 5 Rekurs gegen eine erteilte Baubewilligung. Ueber den vorliegenden Rekurs des Franz Stohl jun., Baumeisters in Steyr, gegen die Erledigung vom 26. Juli 1909, Z. 17.787, stellt die Sektion folgenden Antrag: Nachdem dieser Rekurs mit den Vorschriften der Bau¬ ordnung der Stadt Steyr nicht begründet werden kann und nach 16 der Bauordnung auch die Herstellung offener Balkons zu¬ ässig erscheint, ist diesem Rekurse schon deshalb keine Folge zu geben. Ueberdies ist derselbe aber gegenstandslos geworden, nach¬ dem Frau Anna Schrader freiwillig den errichteten Balkon mit Mattglas versehen hat. Die I. Sektion stellt deshalb den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Herrn Franz Stohl gegen die Entscheidung der Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr vom 26. Juli 1909, Z. 17.787, keine Folge gegeben, weil derselbe in den gesetzlichen Bestim¬ mungen der Bauordnung von Steyr nicht begründet erscheint. Ueberdies ist derselbe auch gegenstandslos geworden, nach¬ dem der Balkon ohnedies mit Mattglas versehen wurde. Einstimmig nach Antrag. — Z. 20.409. 6. Mietanbot für das Gewölbe im Eyermaunhause. Der Herr Referent gibt bekannt, daß der katholische Arbeiterverein das Mietanbot für dieses Gewölbe wieder zurück¬ gezogen hat und stellt namens der Sektion den Antrag: Der Gemeinderat wolle von der Rückziehung dieses Offertes Kenntnis nehmen. — Nach Antrag. — Z. 21.643. 7. Rekurs gegen eine Armenrats=Entscheidung. Ueber den Rekurs des Franz Melber gegen die Entschei¬ dung des städtischen Armenrates vom 13. August 1909, Z. 18.193, stellt die Sektion folgenden Antrag: Nachdem der Rekurrent freiwillig die städtische Versorgung verlassen hat, erscheint die Verfügung des städtischen Armenrates begründet. Da jedoch derselbe in seinem Rekurse bittet, daß ihm der¬ elbe wieder bewilligt werde und Rekurrent ohne Unterstützung nicht leben kann, so erscheint die Wiederaufnahme desselben in das Josef=Lazaret geboten und stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Franz Melber gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 13. August 1909, Z. 18.193, mit Rücksicht auf dessen Bitte um Wiederaufnahme in das Josef=Lazaret insoferne stattgegeben, daß dem Franz Melber die Wiederaufnahme in das Josef=Lazaret und das monatliche Armengeld von 6 K vom Tage seines Eintrittes in dasselbe bewilligt werde. Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.400. II. Sektion. Referent: Sektionsobmann=Stellvertreter Herr G.=R. Ferdinand Reitter. 8. Amtsbericht betreffs notwendiger weiterer Be¬ willigung eines Betrages von 203 K 34 h für die Telephonlinie Steyr—Weyer. Nachdem die Stadt Steyr die Garantie für die Aufbrin¬ jung des Betrages per 4000 K für die Telephonlinie Steyr— Weyer übernommen hat, stellt die Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle den Fehlbetrag von 203 K 34 k für die Telephonlinie Steyr—Weyer genehmigen. 9. Stadtkasse=Journals=Abschlüsse pro April und Mai 1909. Die städt. Rechnungs=Kanzlei berichtet über die Einnahmen und Ausgaben der Stadtkasse wie folgt: Es betrugen die Einnahmen im Monate 19.126 K 71 h April 1909 Kasserest vom Vormonate 44.501 „ 24 Gesamt=Einnahmen im Monate April 1909 63.627 K 95 h 37.480 „ 43 Ausgaben im Monate April 1909 . 26.147 K 52 h Kasserest für den Monat Mai 1909 Es betrugen die Einnahmen im Monate 81.109 K 58 h Mai 1909 26.147 " 52 Hiezu Kasserest vom Vormonate .. Gesamt=Einnahmen im Monate Mai 1909 107.257 K 10 h 56.007 „ 52 Ausgaben im Monate Mai 1909 51.249 K 58 k Kasserest für den Monat Juni 1909
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