Ratsprotokoll vom 3. April 1908

2 Nachdem durch die Verleihung des Bürgerrechtes an Heimatsberechtigte nach der allgemeinen Anschauung über die Bedeutung des Bürgerrechtes und mit Rücksicht auf die mit dem Bürgerrechte verbundenen besonderen Befugnisse (Wahlrecht) ge¬ wissermaßen eine Auszeichnung und Anerkennung ausgedrückt werden solle, was sich auch aus dem Worte „Verleihung“ ergibt o ergibt sich daraus als Grundlage für die Verleihung des Bürgerrechtes, daß dasselbe in der Regel nur in jenen Fällen tatsächlich verliehen werden soll, in welchen hinlängliche Gründe für eine solche Auszeichnung und Anerkennung für einen Ge¬ meinde=Angehörigen vorliegen und nachgewiesen werden. Nur ausnahmsweise soll von diesen allgemeinen Voraussetzungen ab¬ gegangen werden und die Verleihung des Bürgerrechtes auch bewilligt werden können, wenn wirklich bedürftige Gemeinde¬ Angehörige darum ansuchen, um aus den Stiftungen Unter¬ stützungen zu erhalten, bei denen das Bürgerrecht als Voraus¬ setzung der zu bewilligenden Pfründe oder Unterstützung stift¬ briefmäßig festgesetzt ist. Mit Rücksicht auf diese prinzipiellen Modalitäten bei Verleihung des Bürgerrechtes stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Das Bürger¬ recht der Stadt Steyr ist im Sinne des § 5 des Gemeinde statutes in Hinkunft nur an solche Gesuchsteller zu verleihen, welche 1. in der Stadt Steyr heimatsberechtigt sind und einen mindestens zehnjährigen ununterbrochenen, tadellosen Aufenthalt nachweisen: 2. einen entsprechenden Besitz oder hinlänglichen Erwerb, omit eine gesicherte Existenz ausweisen; 3. eine entsprechende soziale Stellung haben: 4. für den Staat, das Land oder die Stadtgemeinde sich Verdienste erworben haben, insbesondere durch eine 25jährige ununterbrochene Tätigkeit im Verbande der städtischen oder Waffenfabriks=Feuerwehr, oder durch besondere Leistungen im Wirkungskreise humanitärer Vereine und Anstalten, oder im Verbande des k. k. priv. bewaffneten Steyrer Bürgerkorps. 5. Ausnahmsweise kann die Verleihung des Bürgerrechtes auch an solche in Steyr heimatsberechtigte Gesuchsteller erfolgen, welche das Bürgerrecht deshalb anstreben, um hiedurch einen Anspruch auf eine solche Pfründe, ein Stipendium oder eine sonstige Stiftung für sich oder ihre Familienangehörigen zu er¬ langen, bei welchen das Bürgerrecht Voraussetzung der Ver¬ leihung derselben ist, wenn die Gesuchsteller einer solchen Unter¬ stützung wirklich bedürftig sind und deren Verhalten stets ein tadelloses war. Weiters hält die I. Sektion auch dafür, daß bei Festlegung der Modalitäten für die Verleihung des Bürgerrechtes, auch die Bestimmungen über den Verlust des Bürgerrechtes, welche im Gemeindestatute nicht ausdrücklich vorgesehen sind, praktisch aber durch endgültige Entscheidung des hohen oberösterr. Landesaus¬ schusses vom 2. Dezember 1904, Z. 25.346, vorgezeichnet wurden, estzulegen, damit über diese Frage stets konform entschieden werden kann. Nachdem der Gemeinderat von Steyr in seiner Sitzung vom 20. Februar 1903 prinzipiell erklärt hat, daß gemäß des § 5 des Gemeindestatutes der Verlust des Heimatsrechtes in der Stadt Steyr den Verlust des Bürgerrechtes von Steyr nach sich zieht, weil das Heimatsrecht gemäß § 5 des Gemeindestatutes eine unerläßliche Voraussetzung zur Verleihung des Bürger¬ rechtes bildet, und dieser Beschluß des Gemeinderates über Rekurs vom hohen oberösterr. Landesausschusse mit Entscheidung vom 2. Dezember 1904, Z. 25.346 cx 1903, vollinhaltlich be¬ tätigt wurde, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Das Bürger¬ recht der Stadt Steyr geht zu Verlust, sobald der Bürger das Heimatsrecht der Stadt verliert. Schließlich schlägt die 1. Sektion noch vor, um dem Akte der Verleihung des Bürgerrechtes eine gewisse Feierlichkeit zu eben und deshalb auch den Charakter der Auszeichnung und Anerkennung hervorzuheben, daß auch bei Verleihungen des Bürgerrechtes der Stadt Steyr die Ablegung des Bürgereides in die Hände des Herrn Bürgermeisters eingeführt werde und stellt die I. Sektion deshalb den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Jeder neu¬ ernannte Bürger der Stadt Steyr hat den üblichen Bürgereid in die Hände des Herrn Bürgermeisters abzulegen. Herr G.=R. Schertler stellt den Antrag, daß auch die Dienstleistung bei der Waffenfabriks=Feuerwehr dieselbe Berück¬ sichtigung findet. Herr G.=R. Sommerhuber stellt den Antrag, daß den Feuerwehrmännern bei 25jähriger Dienstzeit das Bürgerrecht taxfrei verliehen werde. Nach dem Schlußworte des Herrn Referenten, welcher sich dem Antrage des Herrn G.=R. Schertler anschließt, sich jedock dem Antrage des Herrn G.=R. Sommerhuber entgegenstellt, wird der Antrag des Herrn G.=R. Schertler angenommen, dagegen der Antrag des Herrn G.=R. Sommerhuber abgelehnt. Der Herr Vorsitzende bringt sodann die Anträge der Sektion bezüglich Verleihung des Bürgerrechtes, bezüglich Verlustes des Bürgerrechtes, sowie bezüglich Ablegung des Bürgereides je einzeln zur Abstimmung und werden diese Anträge einstimmig angenommen. — Z. 6511. 5. Zuschrift des Reichsrats=Abgeordneten G. Schachinger betreffs Erlassung einer Petition an den o.=ö. Landtag hinsichtlich Erhaltung der Bauerngüter. Der Herr Referent gibt den Inhalt der Petition bekannt und stellt namens der Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Der Gemeinde¬ rat der Stadt Steyr schließt sich der Petition vollinhaltlich an und ist selbe an den hohen Landesausschuß einzusenden. Die Herren Gemeinderäte Triebrunner und Dantl¬ graber weisen den im Begleitschreiben des Abgeordneten Schachinger gemachten Angriff gegen die Sozialdemokraten, daß diese an der fortschreitenden Vernichtung der Bauerngüter schuld¬ tragend sind, energisch zurück. Hierauf wird der Antrag der Sektion einstimmig ange¬ nommen. — Z. 6658. 6. Rekurs gegen eine Armenrats=Entscheidung. Ueber den vorliegenden Rekurs des Franz Stögmüller gegen die abweisliche Entscheidung des städtischen Armenrates wegen Vergütung restlicher Verpflegskosten für Karl Stögmüller liegt folgender Sektionsbericht und Antrag vor: Nachdem der Rekurrent die Anzeige wegen Uebernahme des Karl Stögmüller in das Armenverpflegshaus in Steyr bereits am 8. Dezember 1907 erstattet hat und die faktische Uebernahme dieses Pfleglings aber ohne dessen Verschulden erst am 5. Februar 1908 erfolgte, während dieser Zeit aber der Pflegling versorgt werden mußte, so erscheint der Anspruch des Rekurrenten auf Ersatz der Verpflegskosten für diese Zeit gesetzlich begründet, wenn auch derselbe nicht vorher um den Weiterbezug der Sustentation angesucht hatte. Die Sektion stellt daher den Antrag: Der löbliche Ge¬ meinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Franz Stögmüller gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 19. Februar 1908, Z. 5016, Folge gegeben und sind dem Rekurrenten die für den Armeupflegling Karl Stögmüller für die Zeit vom 1. Jänner bis 4. Februar 1908 ausgelegten Ver¬ pflegskosten mit 20 K 40 h zu ersetzen. Dieser Antrag wird mit Majorität angenommen. Z. 7221. 7. Amtsbericht betreffs Aenderung der Sicherheits¬ und Straßenpolizei=Ordnung für die Stadt Steyr. Der Herr Referent verliest folgenden Amtsbericht: In der mit Gemeinderatsbeschluß vom 24. November 1899 erlassenen Sicherheits= und Straßenpolizei=Ordnung der Stadt Steyr ist keine Vorschrift bezüglich des Ausstaubens 2c. enthalten, obwohl sich häufig Klagen über das Ausstauben und Ausklopfen der Abwischtücher und Fußdecken 2c. von den Fenstern der Häuser oder auf den Gassen und Plätzen im Stadtgebiete ergeben haben. Ganz abgesehen von der Gesundheitsschädlichkeit, ist es gewiß auch nicht zu dulden, daß die Passanten, wenn sie ahnungslos die Gasse durchschreiten, von den Fenstern aus mit Staub und Kehricht überschüttet werden, wodurch auch ihre Kleider, zum Verkaufe ausgestellte Waren und vorübergetragene Lebensmittel schweren Schaden leiden können. Mit Rücksicht auf das im Akte erliegende Gutachten des Herrn Stadtphysikus und mit Rücksicht auf die vorliegenden Polizei=Anzeigen und die Polizei=Relation erlaube ich mir auf die Erlassung nachstehender Kundmachung einzuraten. Kundmachung betreffend das Verbot des Ausstaubens und Ausklopfens von den Fenstern der Häuser und auf öffentlichen Plätzen im Stadt¬ gebiete Steyr. Aus sanitäts= und sicherheitspolizeilichen Rücksichten wird das Ausstauben und Ausklopfen der Abwischtücher, Teppiche, Fußdecken, Betten und anderen Gegenständen von den in der Gassenfront der Häuser befindlichen Fenstern oder auf den öffent¬ ichen Straßen und Gassen im Stadtgebiete über Beschluß des Gemeinderates der l. f. Stadt Steyr vom 3. April 1908, aus¬ drücklich mit dem Beisatze untersagt, daß die Dawiderhandelnden nach den Bestimmungen der kais. Verordnung vom 20. April 1854, R.=G.=Bl. Nr. 96, mit Geldstrafen von 2 bis 200 Kronen eventuell mit angemessenen Arreststrafen geahndet und die Dienst¬ und Arbeitsgeber hiebei für die Handlungen ihrer Dienstleute oder sonstigen Beauftragten verantwortlich gemacht werden. Steyr, den 3. April 1908. Der Bürgermeister: Lang m. p. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Der löbliche Gemeinde¬ rat wolle beschließen: Es werde die vorliegende Kundmachung betreffend das Verbot des Ausstaubens und Ausklopfens von den Fenstern der Häuser und auf öffentlichen Plätzen und Gassen im Stadtgebiete Steyr erlassen und der Herr Bürgermeister mit der Publikation derselben beauftragt Einstimmig nach Antrag. — Z. 28.980. Dringlichkeitsantrag. Liegt vor ein Dringlichkeitsantrag wegen ämtlicher Aus¬ gabe von Wahlvollmachten. ### Nach Annahme der Dringlichkeit verliest der Herr Referent folgende Eingabe: Löblicher Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr Die Gemeinderatswahlen sind kaum eine Woche beendet und schon werden die Inhaberinnen von Frauen=Vollmachten neuerdings für die erst in einem Jahre stattfindenden Ge¬ meinderatswahlen mit Zuschriften überschwemmt und von Agi¬ tatoren heimgesucht, durch welche die Vollmachtträgerinnen auf¬ gefordert werden, schon jetzt die Vollmachten für die Wahlen im Jahre 1909 an den „Deutschen Volksverein in Steyr“ zu Handen des Herrn Professors Leopold Erb auszufolgen. Nachdem sich eine Reihe von Vollmachtträgerinnen über diese vorzeitige neuerliche Vollmachten=Einsammlung be¬ schwert haben, da dermalen, ein ganzes Jahr vor den Wahlen, noch gar keine Veranlassung zur Vollmachtsausstellung vorliegt und durch solche vorzeitige Ausstellungen es sehr leicht vorkommt, daß eine Vollmacht=Inhaberin zwei= oder drei¬ mal eine solche Vollmacht unterschreibt, weil sich dieselben auf ein ganzes Jahr gar nicht zurückerinnern können und damit

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