Ratsprotokoll vom 6. März 1908

3 auf den Rechtsweg zu verweisen waren, weil sie nicht „privat¬ rechtlicher“ sondern „öffentlichrechtlicher“ Natur seien, und daß omit über die Berechtigung derselben die politischen Behörden hätten entscheiden sollen, und erst dann, je nachdem diese Ent¬ cheidung ausfiel, die Kabelanlage auch für Beleuchtungszwecke hätte genehmigen oder nicht genehmigen können. Wie aus dem angeschlossenen Berichte des zur Verhand¬ lung beim k. k. Verwaltungsgerichtshofe bestellten Substituten Herrn Dr. Karl R. von Sääf, Hof= und Gerichtsadvokaten in Wien, hervorgeht, hat sich aber der Verwaltungsgerichtshof auf einen Standpunkt gestellt, welcher alle Beteiligten inklusive des Ex offo - Vertreters des k. k. Handelsministeriums in Wien auf das äußerste überraschte. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in eine meritorische Untersuchung des Prozesses gar nicht eingelassen, sondern ledig die Entscheidung nach der formellen Seite getroffen. Der Verwaltungsgerichtshof hat gesagt: Die beiden Be¬ schwerdeführer (Stadtgemeinde und Elektrizitätswerk) sind über den Inhalt der Entscheidung der l. Instanz im Irrtum. Die Entscheidung der I. Instanz spricht aus, daß die Stadtgemeinde=Vorstehung als Gewerbebehörde ausdrücklich er¬ klärt habe, daß diese Beleuchtungsanlage (!) in gewerbepolizei¬ licher Richtung zulässig ist, und daß ihre Ausführung aus öffent¬ lichen Rücksichten nicht untersagt werden kann. Dieser Ausspruch sei der Konsens auch für die Beleuch¬ tungszwecke, denn „zulässig erklären“ sei identisch mit „ge¬ nehmigen“! Bei dieser Auffassung sei auch der Rekurs der Waffen¬ fabrik an die k. k. Statthalterei überflüssig gewesen, da die An¬ lage schon nach der Entscheidung der 1. Instanz auch für Be¬ leuchtungszwecke als „genehmigt“ anzusehen war. Da nun gegen diese Entscheidung der 1. Instanz weder die Stadtgemeinde noch die Elektrizitätswerke den Rekurs er¬ griffen haben, so ist diese Entscheidung „rechtskräftig“ geworden und erscheinen daher die Rekurse der Stadtgemeinde und der Elektrizitätswerke an das k. k. Handelsministerium und die Be¬ schwerde an den k. k. Verwaltungsgerichtshof nicht begründet. Dieser Urteilsspruch des Verwaltungsgerichtshofes ist faktisch eine Neuheit in der Jurisprudenz und hat mit Fug und Recht unter den bei der Verhandlung anwesenden Juristen die größte Ueberraschung hervorgerufen. Bis heute haben die Prozeßparteien nur dann einen Rekurs oder ein sonstiges Rechtsmittel gegen eine Entscheidung eingebracht, wenn dieselbe gegen ihren Anspruch oder gegen ihre Einwendung ausgefallen, niemals aber, wenn die Entscheidung gemäß ihrem Antrage oder unter Berücksichtigung ihrer Ein¬ wendungen erfolgte, in einem solchen Falle liegt ja gar keine Veranlassung vor, einen Rekurs einzubringen und eine Abände¬ rung der Entscheidung zu verlangen! Und so war es auch in der vorliegenden Prozeßsache! In der Entscheidung der l. Instanz wurde ausdrücklich die Legung des elektrischen Kabels über den Steyrfluß zum Objekt XIII der österreichischen Waffenfabrik nur unter dem Vor¬ behalte bewilligt, daß damit die elektrische Energie nur zu Kraftzwecken und nicht zu Beleuchtungszwecken verwendet werden darf. So lautet wörtlich die Entscheidung der I. Instanz. Nachdem damit dem Standpunkte der Stadtgemeinde und der Elektrizitäts¬ werke ausdrücklich Rechnung getragen war, denn dieser Vor¬ behalt wurde von den genannten beiden Interessenten bei den Verhandlungen verlangt, so hatte weder die Stadtgemeinde noch die Elektrizitätswerke Grund oder Veranlassung, dagegen mit einem Rekurse aufzutreten und eine Abänderung der Entschei¬ dung der 1. Instanz zu verlangen. Wohl hatte die österreichische Waffenfabrik Anlaß zum Rekurse, weil eben die Entscheidung der 1. Instanz gegen einen Teil ihres Petitums lautete, da dieselbe auch um Bewilligung zu Beleuchtungszwecken angesucht hatte, was ihr aber nicht ge¬ nehmigt wurde. Aber auch diesen Rekurs hat der k. k. Verwaltungsgerichts¬ hof als überflüssig erklärt, weil er von dem ganz eigentümlichen, juridisch und logisch kaum zu erklärenden Standpunkte ausging, daß mit der Entscheidung der I. Instanz, welche in abstrakto die „Zulässigkeit“ der Kabelleitung in gewerbepolizeilicher und in öffentlicher Rücksicht auch für Beleuchtungszwecke aussprach, in konkreto die „Genehmigung“ der Kabelleitung auch für Beleuchtungszwecke erteilt worden sei, wenn auch nur — (das ist das Merkwürdigste und Auffallendste in dem Urteile des k. k. Verwaltungsgerichtshofes) — in der Entscheidung der I. Instanz die Genehmigung zur Ausführung der Kabelleitung ausdrücklich nur für Kraftzwecke und nicht für Beleuchtungs¬ zwecke faktisch erteilt worden ist. Zwischen der Sentenz des k. k. Verwaltungsgerichtshofes und dem Wortlaute der Entscheidung der I. Instanz ist ein derartiger großer Widerspruch, daß derselbe jedem Laien auf¬ fallen muß und man annehmen muß, daß weder die Stadt¬ gemeinde noch die Elektrizitätswerke nach der Aktenlage und nach derem Wortlaute der Entscheidung der 1. Instanz auch nur ahnen konnten, daß der oberste Verwaltungsgerichtshof einen derartigen, mit der Entscheidung der l. Instanz offenbar im Widerspruche stehenden Urteilsspruch fällen wird. Hätten die beteiligten Prozeßparteien, die Stadtgemeinde Steyr und die Elektrizitätswerke nur eine Ahnung von diesem Standpunkte gehabt, welcher sowohl von diesen Prozeßparteien als auch von der II. und III. Instanz gar nicht in den Bereich der Möglichkeit gezogen worden ist, so wäre jedenfalls rechtzeitig der Rekurs eingebracht worden und hätte zu einer meritorischen Entscheidung in dieser Frage führen müssen, welche für diese Prozeßparteien von besonderer Wichtigkeit gewesen wären. Nun müssen sich dieselben mit dieser benannten Entschei¬ ung, gegen welche ein weiteres Rechtsmittel unzulässig ist, be¬ gnügen, daraus ist ihnen aber für alle zukünftigen Fälle in dieser wichtigen Angelegenheit die Richtschnur gegeben, welche Auffassung bei dem obersten Verwaltungsgerichtshofe besteht und wird deren Verhalten und Vorgehen bei Erledigung von künftigen Fragen, welche die Stadtgemeinde und die Elektrizitätswerke wegen Ausbreitung der elektrischen Anlage der österreichischen Waffenfabrik gleichmäßig interessieren, darauf einzurichten sein. Steyr, am 12. Februar 1908. Dr. Franz Angermann m. p. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Die I. Sektion beantragt, diesen Bericht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Gleichzeitig aber sieht sich dieselbe veranlaßt, infolge eines im Steyrer „Alpenbote“ vom 23. Februar d. J. erschienenen Artikels: „Wiederum ein verlorener Prozeß der Stadtgemeinde Steyr zur Richtigstellung der in diesem Artikel enthaltenen Anwürfe zu konstatieren: 1. daß überhaupt kein Prozeß zwischen der Stadtgemeinde Steyr und der Waffenfabrik stattgefunden hat, 2. daß somit die Stadtgemeinde auch keinen Prozeß ver¬ lieren konnte, 3. daß der Rekurs und die Beschwerde der Stadtgemeinde nötig waren, um den rechtlichen Standpunkt der Stadtgemeinde zu wahren und über die Benützung der öffentlichen Straßen und Wege, überhaupt des öffentlichen Stadtgebietes zu Privat¬ unternehmungen im eigenen Wirkungskreise nach freiem Er¬ messen entscheiden zu können, 4. daß deshalb der Gemeinderat aus diesem prinzipiellen Grunde in der Sitzung vom 28. September 1906 einstimmig beschlossen hat, diese Rechtsmittel zu ergreifen 5. daß es total unwahr ist, daß die angeblichen Proze߬ kosten einige tausend Kronen verschlungen haben, 6. daß es nur wahr ist, daß die ganzen Kosten des politi¬ chen Verfahrens einzig und allein in den Vertretungskosten bei der Verhandlung am 5. Februar l. J. in Wien bestanden, welche für die Stadtgemeinde 150 Kronen gemäß des vorgelegten Expensars des Herrn Dr. Karl R. von Sääf ausmachen, nach¬ dem der Rekurs und die Beschwerde kostenlos vom Obmann der Rechtssektion verfaßt worden sind. Nachdem dadurch festgestellt ist, daß die in diesem Artikel des „Alpenbote“ gegen die Stadtgemeinde=Vertretung und ein¬ zelne Mitglieder erhobenen Anwürfe ungerechtfertigt sind und insbesondere die Angaben wegen der Kosten total unwahr sind, beantragt die 1. Sektion: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, es werden diese Anwürfe des „Alpenbote“ mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen. Einstimmig nach Antrag. II. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Josef Tureck. 9. Amtsbericht über den Stadtkasse=Journals¬ Abschluß pro November 1907. Die städt. Rechnungskanzlei berichtet über die Einnahmen und Ausgaben bei der Stadtkasse wie folgt: Einnahmen im Monate November 1907 . . 113.887 K 37 h Hiezu Kasserest vom Vormonat 56.124 „ 24 „ Gesamt=Einnahmen im Monate November 170.011 K 61 h 85.952 „ 90 „ Ausgaben im Monate November 1907 84.058 K 71 h Kasserest pro Dezember 1907 Das Kasse Journal wurde durch die Herren Gemeinderäte Reitter und Tureck geprüft und richtig befunden. Zur Kenntnis. — Z. 4452. 10. Beschlußfaffung betreffs Beitragsleistung zur Telephon=Verbindung Steyr — Weyer—Leoben. Der Herr Referent berichtet über die bisherigen Verhand¬ lungen in dieser Angelegenheit und stellt namens der Sektion folgenden Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, 2000 K hiefür zu bewilligen in der sicheren Erwartung, daß die Interessenten sich neuerdings tatkräftigst bei der neuerlichen Subskription be¬ teiligen, um nicht der Gefahr zu laufen, diese so wichtige Tele¬ phonstrecke für die Stadt und deren Interessenten zu verlieren. Einstimmig nach Antrag. 11. Gesuche um Theater=Verleihung für die nächste Saison. Um die Verleihung des Stadttheaters sind drei Bewerber eingeschritten, und zwar Emerich Nastor, Oberregisseur am Stadttheater in Leoben, Albert Krasinsky, Direktor des Kur¬ theaters in Arco, und Wilhelm Waldmüller, Theaterdirektor in Krems. Die Sektion beantragt, das Stadttheater für die Saison 1908/1909 dem Bewerber Wilhelm Waldmüller unter den in der Offertlegung vom 6. Februar 1908 zugesagten Verpflich¬ tungen und unter den bisherigen Vertragsbedingungen zu über¬ lassen. — Einstimmig nach Antrag. — Z. 5909. 12. Eingabe der Realschul=Direktion in Theater¬ angelegenheit. Liegt vor ein Schreiben der k. k. Oberrealschul=Direktion Steyr, worin das Ersuchen gestellt wird, es möge bei Aus¬ schreibung des Stadttheaters dem neuen Direktor die Bedingung gestellt werden, daß er in jeder Spielzeit mindestens sechs Klassiker¬

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