Ratsprotokoll vom 6. März 1908

b) Herr Karl Wöll erhebt Einwendung wegen Nichtauf¬ nahme der Marie Lieb in die Wählerliste. Hausiergewerbe die direkte Steuer zahlt und deren Mann im Jahre 1907 gestorben ist, welcher eine Armenunterstützung genoß, mehr bezieht, so erscheint dieselbe laut § 19 des Gemeinde¬ statutes wahlberechtigt und stellt die Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde der Reklamation stattgegeben und Frau Marie Lieb in die Wähler¬ liste des III. Wahlkörpers aufgenommen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 5913. 4. Wahl eines Mitgliedes in den Schnlausschuß der gewerblichen Fortbildungsschule. Für diese notwendig gewordene Wahl wird seitens der Kreisgerichts=Gebäudes in Steyr. Sektion Herr Vizebürgermeister Leopold Köstler vorgeschlagen. Bei der hierauf mit Stimmzetteln vorgenommenen Wahl erhielt von 25 abgegebenen Stimmen Herr Vizebürgermeister Leopold Köstler 24 Stimmen, welcher somit einstimmig gewählt erscheint. 5. Versorgungs=Verträge. a) Liegt vor der Entwurf eines Versorgungs=Vertrages, wonach sich die Stadtgemeinde Steyr verpflichtet, den Kuranden Josef Lüftinger gegen Abtretung seines in der Waisenkasse er¬ liegenden Barvermögens per 3788 K 80 h in die lebensläng¬ liche Versorgung zu übernehmen. Nach Verlesung des vorliegenden Entwurfes stellt die Sektion den Antrag, der löbliche Gemeinderat wolle diesen Ver¬ sorgungs=Vertrag genehmigen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 3364. b Liegt vor der Entwurf eines Versorgungs=Vertrages betreffs lebenslänglicher Versorgung der Kurandin Juliana Hörzig gegen Abtretung ihres Vermögens per 480 K an den Armenfond Steyr. Die Sektion stellt den Antrag, den vorliegenden Ent¬ wurf des Versorgungs=Vertrages zu genehmigen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 3633. 6. Rekurs gegen eine Armenrats=Entscheidung. Liegt vor der Rekurs des Ferdinand Mayrhofer als Vor¬ mund des minderjährigen Kindes der Rosina Mayrhofer gegen die abweisliche Entscheidung des städtischen Armenrates vom 23. Jänner 1908, Z. 24.380, punkto Gewährung eines Er¬ ziehungsbeitrages. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem aus den Erhebungen ersichtlich, daß Rosina Mayrhofer tatsächlich für ihren Sohn Josef Mayrhofer allein zu sorgen hat und keine Unterstützung bezieht und nur einen Monatslohn von 24 K hat, so erscheint die Bewilligung eines Beitrages begründet und stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Vormundes Ferdinand Mayrhofer gegen die Ent¬ scheidung des städtischen Armenrates vom 23. Jänner 1908 in¬ soferne Folge gegeben, daß der Mutter Rosina Mayr für den minderjährigen Sohn Josef, welcher sich in deren Pflege befindet, für ein Jahr ein Erziehungsbeitrag von monatlich 5 K be¬ willigt wird. Einstimmig nach Antrag. — Z. 3730. 7. Zuschrift der k. k. Postdirektion in Linz in betreff der Erbauung eines neuen Postgebäudes in Steyr. In dieser Zuschrift wird mitgeteilt, daß das k. k. Ober¬ landesgerichts=Präsidium in Wien das Projekt eines Neubaues für ein k. k. Kreisgericht in Steyr definitiv aufgegeben hat. Da die dermalige Unterbringung des Postamtes in Steyr in sanitärer und betriebsdienstlicher Hinsicht für die Dauer un¬ haltbar ist, so wird an die Stadtgemeinde Steyr das Ersuchen gestellt, in eingehende Erwägung zu ziehen, ob es denn nicht möglich wäre, daß sie selbst, wie dies bei anderen Stadtverwal¬ tungen durchgeführt wurde, durch Aufführung eines Neubaues, in dem die erforderlichen Amtsräume zu einem angemessenen Mietzinse auf lange Frist an das Postärar abgetreten würden, Abhilfe schaffen könnte, da das k. k. Finanzministerium auf die Errichtung eines Amtsgebäudes mit staatlichen Mitteln noch weniger als auf die Verwendung des Kreisgerichts=Gebäudes für Postzwecke eingehen dürfe. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Ueber die Zuschrift der k. k. Post= und Telegraphen=Direktion in Linz vom 19. Februar 1908, Z. 6157, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Nachdem es Pflicht der Staatsverwaltung ist, für die Errichtung und Her¬ haltung von ordentlichen, den hygienischen und geschäftlichen Bedürfnissen entsprechenden Postamtsgebäuden zu sorgen, da die Post das wichtigste Verkehrsmittel des Staates ist und ein Er¬ trägnis von vielen Millionen dem Staate abwirft, so kann die Stadtgemeinde auf die Aufforderung der k. k. Post= und Tele¬ graphen=Direktion in Linz wegen Aufführung eines neuen Post¬ gebäudes durch die Stadtgemeinde Steyr gegen Zusicherung eines angemessenen Mietzinses auf lange dauernd nicht eingehen, weil die Stadtgemeinde nicht die Mittel besitzt, ein solches neues Post¬ gebäude herzustellen, wenn ihr auch ein angemessener Zins auf lange dauernd zugesichert würde. In eine Verhandlung wegen Erbauung des neuen Post¬ gebäudes oder wegen Adaptierung eines bestehenden passenden Hauses könnte seitens der Stadtgemeinde nur eingegangen werden, wenn das k. k. Postärar der Stadtgemeinde volle Schadloshaltung zusichern würde, so daß seitens des Postärars der Stadtgemeinde Nachdem die Reklamierte bereits seit fünf Jahren für das gegenüber die vertragsmäßige Verpflichtung eingegangen würde, einen solchen Mietzins für das neue Postamtsgebäude zu be¬ zahlen, wodurch die Reklamierte aber seit dessen Tod keine Armenunterstützung 1. die Verzinsung und die Amortisation des Bankapitales, 2. die Erhaltungskosten des Gebäudes und 3. die Steuern und Umlagen während der ganzen Zeit und bis zur vollen Amortisation des aufzunehmenden Bau¬ kapitales gedeckt würden, so daß der Stadtgemeinde Steyr aus dieser Bauführung keinerlei Auslagen erwachsen dürften. Einstimmig nach Antrag. — Z. 29/ Präs. S. Zuschrift des k. k. Kreisgerichts=Präsidiums in Steyr betreffs des Unterbleibens des Neubaues eines In dieser Zuschrift wird mitgeteilt, daß das Justiz¬ ministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium nicht in der Lage ist, das Projekt der Errichtung eines neuen Kreis¬ gerichts=Gebäudes und Gefangenhauses in Steyr weiter zu ver¬ folgen und nimmt daher lediglich die Errichtung eines Zubaues zum Kreisgerichts=Gebäude und die Instandsetzung des Gefangen¬ hauses in Steyr nach den vom Hochbaudepartement im Ministerium des Innern verfaßten Projektskizzen in Aussicht. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem laut Entscheidung des k. k. Finanzministeriums in Wien vorläufig die Erbauung des neuen Kreisgerichts=Ge¬ bäudes abgelehnt wurde, so erübrigt der Stadtgemeinde Steyr vorläufig nichts anderes, als diesen Entschluß des k. k. Finanz¬ ministeriums mit lebhaftem Bedauern zur Kenntnis zu nehmen und abzuwarten, bis die Detailprojekte für den beabsichtigten Zu¬ bau beim alten Kreisgerichts=Gebäude und für die Adaptierungen in der Fronfeste vorgelegt werden. Nach Vorlage dieser Projekte wird es aber der Stadt¬ gemeinde möglich sein, auf Grund der Kostenberechnungen eventuell nochmals auf das fallengelassene Projekt des Neubaues zurückzukommen und neuerdings die nötigen Schritte zur Ver¬ wirklichung des Projektes einzuleiten. Deshalb stellt die I. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde die Entscheidung des k. k. Finanzministeriums, womit die Erbauung eines neuen Kreisgerichts-Gebäudes in Steyr abgelehnt wurde, vorläufig mit lebhaftem Bedauern zur Kenntnis genommen, der Gemeinderat behält sich aber vor, nach Einlangen der Detail¬ projekte für die Adaptierungen am Kreisgerichts=Gebäude und an der Fronfeste und nach Maßgabe der Kostenberechnungen eventuell nochmals das Projekt eines Neubaues des Kreisgerichts¬ Gebäudes aufzugreifen und die hiezu nötigen Schritte einzuleiten. Einstimmig nach Antrag. — Z. 5406. Dringlichkeitsantrag. Im Wege der Dringlichkeit verliest Herr G.=R. Dr. Franz Angermann folgende Eingabe: An die löbliche Stadtgemeinde in Steyr! In dem Prozesse der Stadtgemeinde Steyr und der Elektrizitätswerke in Steyr gegen die österreichische Waffenfabriks¬ Gesellschaft in Steyr betreffend die Genehmigung der Erweite¬ rung des Elektrizitätswerkes der österreichischen Waffenfabrik durch Kabellegung über den Steyrfluß zum Objekt XIII der Waffen¬ fabrik zu Kraft= und Beleuchtungszwecken hat über die Be¬ schwerde der Stadtgemeinde Steyr und der Elektrizitätswerke in Steyr vor dem k. k. Verwaltungsgerichtshofe in Wien am 5. Februar 1908 die Verhandlung stattgefunden und wurde bei derselben diese Beschwerde aus „rein formellen Gründen“ abge¬ wiesen, deren Motivierung eine geradezu überraschende war. Wie bekannt, wurde mit Entscheidung der Stadtgemeinde¬ Vorstehung vom 19. Juli 1906, Z. 15.826, ausgesprochen, daß gegen die angesuchte Kabellegung zum Objekte XIII der Waffen¬ fabrik vom technischen und gewerbepolizeilichen Standpunkte keine Einwendung besteht, daß aber seitens der Stadtgemeinde und des Elektrizitätswerkes in Steyr Einwendungen dagegen er¬ hoben wurden, daß dieses Kabel auch zu Beleuchtungszwecken verwendet werde und wurde in der Entscheidung ausdrücklich gesagt, daß die projektierte Anlage nur zu Kraftzwecken und nicht zu Beleuchtungszwecken dienen darf. Damit war nach dem klaren Wortlaute der Entscheidung die Kabelanlage zu Kraftzwecken genehmigt worden, nicht aber zu Beleuchtungszwecken. Dagegen hat die österreichische Waffenfabrik den Rekurs an die k. k. Statthalterei eingebracht und dieselbe hat mit Erlaß vom 2. September 1906, Z. 18.728, entschieden, daß diese Kabel¬ anlage auch zu Beleuchtungszwecken verwendet werden kann, weil Einwendungen der Stadtgemeinde und des Elektrizitäts¬ werkes privatrechtliche Einwendungen seien und dieselben daher auf den Zivilrechtsweg gehören. Die Stadtgemeinde Steyr und das Elektrizitätswerk haben dagegen den Rekurs an das k. k. Handelsministerium überreicht, weil beide Interessenten der Ansicht waren, daß diese Einwen¬ dungen nicht privatrechtliche, sondern öffentlichrechtliche sind und daher die Entscheidung darüber nicht vor das Gericht ge¬ hört, sondern den politischen Behörden zusteht. Das k. k. Handels¬ ministerium hat jedoch mit Erlaß vom 25. November 1906, Z. 28.925, denselben Standpunkt wie die k. k. Statthalterei ein¬ genommen und diese Rekurse abgewiesen. Die Stadtgemeinde und die Elektrizitätswerke in Steyr haben dagegen die Beschwerde an den k. k. Verwaltungsgerichts¬ hof eingebracht und haben darin in erster Linie den bisherigen Standpunkt vertreten, daß die vorgebrachten Einwendungen nicht

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2