2 1907 wurde der Erlaß des k. k. Finanz=Ministeriums in Wien vom 16. Oktober 1907, Z. 57.561, bekannt gegeben, womit das k. k. Finanz=Ministerium mitteilte, daß dasselbe mit Rücksicht auf den verhältnismäßig geringen Auslands=Verkehr der Stadt Steyr und Umgebung und die Nähe einer Anzahl bereits bestehender Zollämter (Passau, Wels, Linz, Simbach) sich nicht bestimmt gefunden, auf die Errichtung eines Zollamtes in Steyr einzugehen. Diese Entscheidung des k. k. Finanz=Ministeriums hat der Reichsratsabgeordnete des IV. Wahlbezirkes Steyr dazu benützt, um in einer von ihm gezeichneten öffentlichen Erklärung im Steyrer Lokalblatt „Der Alpenbote“ vom 17. November 1907 sowohl dem Gemeinderate der l. f. Stadt Steyr, als auch insbesondere den dieser Körperschaft angehörenden Mitgliedern, den Gemeinderäten Herrn Altbürgermeister Viktor Stigler, Herrn Rudolf Haslinger und dem Referenten Dr. Franz Angermann ungerechte Vorwürfe zu machen und unbegrün¬ dete Anschuldigungen an den Kopf zu werfen, weil der Gemeinde¬ rat und das Handelsgremium in Steyr die Aktion wegen Er¬ richtung eines Zollamtes in Steyr auf eigene Faust eingeleitet und betrieben haben, ohne den Abgeordneten Herrn Erb zu derselben heranzuziehen. Obwohl der Erlaß des k. k. Finanz=Ministeriums aus¬ drücklich und deutlich die Gründe der Ablehnung der Er¬ richtung eines Zollamtes erwähnt, ist der Inhalt dieser Erklärung des Abgeordneten Erb geeignet, in der Oeffentlichkeit den An¬ schein zu erwecken, als ob diese Ablehnung der Gemeinderat sowie die genannten Gemeinderäte verschuldet hätten und geht dies insbesondere aus dem Passus der Erklärung des Abg. Erb hervor, in welchem derselbe dem Gemeinderate als solchen und den Gemeinderatsmitgliedern den total unbegründeten und un¬ gerechtfertigten Vorwurf zu machen sich erlaubte, daß durch dieselben eine nicht zu verantwortende schwere politische und wirtschaftliche Schädigung und Herabsetzung des Ansehens der Stadt Steyr ver¬ ursacht worden sei. Nachdem der Gemeinderat von Steyr und dessen Mitglieder stets mit allen Kräften und nach Tun= und Möglichkeit für die Interessen der Bewohnerschaft Steyrs eingetreten sind, wodurch selbst bei den schlechten Geschäftsverhältnissen in Steyr der Ge¬ meinde=Haushalt stets intakt erhalten und noch außerdem ein namhafter Reservefond zurückgelegt werden konnte und insbe¬ sondere die außerordentlichen Verdienste des Altbürgermeisters Herrn Viktor Stigler um das Wohl der Stadtgemeinde Steyr nicht nur von der Bevölkerung der Stadt, sondern auch seitens der hohen Regierung anerkannt und gewürdigt erscheinen, muß die Vertretung der Stadtgemeinde Steyr diese Vorwürfe und An¬ schuldigungen des Herrn Abgeordneten Erb mit vollem Rechte als ungehörig und unbegründet zurückweisen und stellt die 1. Sektion gemäß § 28 der Geschäftsordnung den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen folgende Resolution: Der Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr weist die in der öffentlichen Erklärung des Abgeordneten Herrn Professors Erb vom 17. November 1907 enthaltenen Vorwürfe und An¬ schuldigungen gegen den Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr und einzelne Mitglieder desselben als ungehörig und unbe¬ ründet mit aller Entschiedenheit zurück und bedauert dieses Vorgehen des Herrn Abgeordneten unseres Wahlbezirkes, weil durch dessen Vorgehen gegenüber der Gemeindevertretung unserer Stadt die Interessen derselben geschädigt werden können, der Abgeordnete unseres Wahlbezirkes aber verpflichtet ist, ohne Rücksicht auf seine politische Angehörigkeit die Interessen aller Gemeinwesen seines Wahlbezirkes zu wahren und dessen Haltung durchaus nicht geeignet erscheint, die bestehenden Gegensätze zu mildern, sondern höchstens noch zu verschärfen.“ Steyr, am 13. Dezember 1907. Für die l. Sektion: Der Obmann: Dr. Angermann m. p. Die Dringlichkeit wird mit Majorität angenommen. Der Herr Referent bemerkt hiezu: In dem Erlasse des k. k. Finanzministeriums ist nichts anderes enthalten, als daß die Errichtung eines Zollamtes in Steyr deshalb nicht erfolgen könne, weil die Stadt Steyr einen zu geringfügigen Verkehr mit dem Ausland habe. Für diesen Umstand kann niemanden ein Verschulden treffen, weder die Stadtgemeinde, noch den Herrn Professor Erb. Die Verhältnisse liegen einmal so. Der Herr Referent verliest nun die Erklärung des Herrn Professor Erb im „Alpenbote“ vom 17. November d. J. und bemerkt hiezu: Herr Professor Erb, welcher in dieser Frage selbst tätig war, aber einen Mißerfolg hatte, will nun diesen auf andere überwälzen, nämlich auf die Liberalen, die ihm gegnerisch gegen¬ überstehen. Weil der löbl. Gemeinderat Herrn Professor Erb zu dieser Aktion nicht beigezogen hat, benützt er diesen Anlaß, um gegen den Gemeinderat und einzelne Mitglieder desselben schwere ungerechtfertigte Anschuldigungen zu erheben. Man könnte auch die Frage aufwerfen, warum denn der Herr Abge¬ ordnete Erb, der seinen Antrag im Parlamente einbrachte, sich nicht vorher an den Gemeinderat und das Handelsgremium ge¬ wendet hat, um mit diesen Faktoren gemeinsam vorzugehen? Wenn in der Erklärung angeführt ist, daß in anderen Orten die politischen Verhältnisse nicht so sind wie in Steyr, so muß man darauf erwidern, daß der Kampf in politischer Beziehung nirgends so geführt wird, wie in Steyr, wo es soweit gekommen ist, daß man sogar den persönlichen Verkehr mit unseren Gegnern meiden muß. Dafür kann aber nicht der Gemeinderat, sondern nur jene Partei und deren Führer verantwortlich gemacht werden, die eine solche persönliche Gehässigkeit seit Jahren betrieben haben. Wenn der Kampf auf der einen Seite eingestellt werden würde, würde dies auch auf der anderen Seite der Fall sein. Wir können mit Freude konstatieren, daß unsere wirt¬ schaftlichen Verhältnisse in den letzten zehn Jahren nicht schlechter, sondern besser geworden sind. Trotz des schlechten Geschäfts¬ ganges ist es doch gelungen, für den Stadthaushalt einen Re¬ ervefond zu schaffen und es ist in letzter Zeit ein Riesenwerk, die Artilleriekaserne, geschaffen worden. Wo soll dann das un¬ verantwortliche, schwer schädigende Gebaren des Gemeinderates liegen? Es ist daher Pflicht des löbl. Gemeinderates, diese un¬ begründeten Vorwürfe zurückzuweisen Herr G.=R. Haslinger berichtet über die Vorkommnisse im Handelsgremium in Angelegenheit der Errichtung eines Zoll¬ amtes in Steyr und widerlegt die in der Erklärung im „Alpen¬ boten“ vom 17. November d. J. gegen ihn gerichteten Anwürfe. Redner bezeichnet es als eine Unwahrheit, daß er gesagt hätte: Wir können an den Abgeordneten Herrn Erb nicht herantreten, weil wir ihm sonst danken müßten. Er habe nur im Ausschusse gesagt: Ihr habt den Antrag wegen Herantretung an den Ab¬ geordneten Herrn Erb nur eingebracht, um für denselben eine Dankeskundgebung zu erhalten, die Herr Professor Erb für seine Partei ausnützen will. Die Bevölkerung von Steyr sehnt sich nach Ruhe und Frieden und ist der ewigen Hetzereien müde. Aber durch ein derartiges Vorgehen, wie in der Erklärung des Herrn Abg. Erb beliebt wird, wird der Friede nicht erreicht werden. Herr G.=R. Tribrunner findet es begreiflich, daß die Herren, die angegriffen wurden, sich verteidigen, aber er sehe nicht ein, warum der Gemeinderat sich mit dieser Sache be¬ fassen soll. Herr Altbürgermeister Stigler kann die Ansicht des Herrn G.=R. Tribrunner nicht teilen. Wenn fortwährend per¬ sönliche Anrempelungen gegen einzelne Mitglieder des Gemeinde¬ rates und gegen den früheren Bürgermeister in einer Zeitung aufscheinen und ihnen der Vorwurf gemacht wird, daß sie durch ihr Verhalten die Stadt schädigen, so halte er es für gut, wenn im Gemeinderate über solche Angriffe gesprochen und Beschluß gefaßt wird. Ihm mache das Vorgehen des Herrn Professors Erb den Eindruck einer Wahlagitation und da ist ihm die Ab¬ lehnung des Zollamtes wünschenswert. Herr Professor Erb will in seiner Erklärung dem Publikum glauben machen, wenn er persönlich ersucht worden wäre, wäre die Sache anders ausge¬ gangen. Dagegen müsse man entschieden auftreten. Es sind schon in den Siebziger Jahren Schritte wegen Erlangung eines Zollamtes gemacht worden und die Abweisung erfolgte aus dem gleichen Grunde. Der prinzipielle Standpunkt des Ministeriums ist, die Zollämter an die Peripherie des Landes zu legen Der Herr Abgeordnete Erb will in Steyr der Tonan¬ gebende und Maßgebende sein; der Gemeinderat soll sich ihm unterwerfen oder doch Hand in Hand mit ihm gehen. Es ist aber schwer, mit Leuten Hand in Hand zu gehen, welche seit zehn Jahren nichts anderes als persönliche Schimpfereien und Wahlagitation getrieben haben. Herr G.=R. Schönauer konstatiert, daß die Oesterr. Waffenfabrik, welche speziell in den Siebziger=Jahren ins Ausland lieferte, wiederholt Schritte wegen Errichtung eines Zollamtes in Steyr getan hat, aber ebenfalls ohne Erfolg. Herr G.=R. Dantlgraber wundert sich, daß diese Frage so tief einschneide, wogegen die seinerzeitigen Angriffe gegen die Sparkasse im Gemeinberate gar nicht berührt worden sind. Der Herr Referent erwidert hierauf, daß damals Funktio¬ näre der Sparkasse angegriffen worden sind, daher jene Ange¬ legenheit vor das Forum des Sparkasse=Ausschusses gehörte, welcher damals diese Angriffe auch gebührend zurückgewiesen hat. Bei der Abstimmung wird die Resolution mit allen gegen 3 Stimmen angenommen. Hierauf Erledigung der Tagesordnung. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Franz Angermann. 1. Gesuche um Aufnahme in den Gemeindever¬ band, Zusicherung dieser Aufnahme und Bürgerrechts¬ verleihungen. 2. Personalien. 3. Besetzung der ausgeschriebenen Sicherheits¬ wachmann = Stelle. Diese Punkte werden vertraulich behandelt. 4. Amtsbericht betreffs Ausstellung eines Armuts¬ zeugnisses füc eine heimatlose Person zwecks Spitals¬ kosten=Berichtigung Hierüber liegt folgender Sektionsantrag vor: Nachdem auf Grund der gepflogenen Erhebungen und infolge eines letzten Aufenthaltes von zwei Jahren in Steyr die heimatlose Karoline Pichler der Stadt Steyr bis zu ihrer Verehelichung als zuständig zugesprochen wurde und diese Frage infolge ihrer Verehelichung für die Stadt Steyr weiter keine Bedeutung hat, so erscheint ein weiteres Erhebungsverfahren überflüssig und stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde die Zuständigkeit der Karoline Pichler bis zu ihrer mit Max Moser erfolgten Verehelichung anerkannt, das mit Zuschrift des allgemeinen öffentlichen Krankenhauses in Linz vom 17. Juni 1905 abverlangte Armutszeugnis ausgefertigt und von den in Anspruch genommenen Verpflegskosten per 64 K der Ein Fünftel¬ Anteil per 12 K 80 k an das allgemeine öffentliche Kranken¬ haus in Linz berichtigt. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Z. 23645.
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