Ratsprotokoll vom 6. Oktober 1907

Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am 6. Oktober 1907. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Vizebürgermeister Franz Lang. Die Herren Gemeinderäte: Dr. Franz Angermann, Leopold Anzengruber Ludwig Binderberger, Gottlieb Bruckschweiger, Alexander Busek, Gottlieb Dantlgraber, Ferdinand Gründler, Ferdinand Handstanger, Rudolf Haslinger, Karl Heindl, Josef Hiller, Johann Kollmann, Leopold Köstler, Michael Meditz, Franz Nothhaft, Ferdinand Reitter, Johann Rotter, Wilhelm Schertler, Otto Schönauer, Rudolf Sommerhuber, Peter Stein¬ huber, Viktor Stigler, Anton Stippl, Franz Tribrunner, Josef Tureck und Karl Wöll. Ferner sind anwesend: Herr Stadtrat Franz Gall und als Schriftführer städt. Offizial Herr Franz Schmidbauer. Entschuldigt abwesend ist Herr Gemeinderat Hans Millner, welcher wegen Krankheit einen 14 tägigen Urlaub erhalten hat. Der Herr Vorsitzende begrüßt die vollzählig erschienenen Herren Gemeinderäte und erklärt um 10 Uhr vormittags die Sitzung für eröffnet. Mitteilung: Herr Stadtrat Franz Gall verliest folgendes Schreiben des Herrn Landeshauptmannes Dr. Ebenhoch: An Seine Hochwohlgeboren Herrn Viktor Stigler, Landtagsabgeordneter, Altbürgermeister 2c., Steyr. Mit dem aufrichtigsten Bedauern habe ich die von Ihnen mit geschätztem Schreiben vom 30. v. M., Z. 202, V.-P., an mich gerichtete Mitteilung zur Kenntnis genommen, daß Euer Hochwohlgeboren von der Stelle des Bürgermeisters der Stadt Steyr zurückgetreten sind. Indem ich für die in dem Schreiben zum Ausdrucke ge¬ brachte gütige Anerkennung meines Bestrebens, Sie in Ihrer Aufgabe als Bürgermeister kräftigst zu unterstützen, bestens danke, ist es mir als Landeshauptmann ein Bedürfnis, Euer Hochwohlgeboren meinen ergebensten Dank und meine vollste Anerkennung für Ihre auch unter schwierigen Verhältnissen so überaus ersprießliche Tätigkeit als Bürgermeister der l. f. Stadt Steyr zum Ausdrucke zu bringen. Die Stadt Steyr kann Ihren Entschluß, von der allerdings sorgen= und opfervollen Stelle des Bürgermeisters zurückzutreten, nur bedauern und wird Euer Hochwohlgeboren als einen ihrer hervorragendsten Bürgermeister gewiß stets ein gutes Andenken bewahren, das Ihnen übrigens die objektive Geschichtsschreibung für alle Zeiten sichern wird. Ich darf es auch nicht unterlassen, beizufügen, wie an¬ genehm sich der amtliche Verkehr zwischen Stadtgemeinde=Vor¬ stehung und Landesausschuß gestaltet hat durch die Art und Weise, wie Sie auch schwierige Fragen zu behandeln verstanden. Indem ich Euer Hochwohlgeboren vom Herzen wünsche, daß Sie lange Jahre die ersehnte Ruhe nach anstrengender Tätigkeit genießen mögen, bitte ich Sie, auch mir ein gutes Andenken zu bewahren. Genehmigen Euer Hochwohlgeboren den Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung. Vom Präsidium des Landesausschusses im Erzherzogtume Oesterreich ob der Enns. Dr. Ebenhoch. Wird unter Bravorufen zur Kenntnis genommen. Z. 213 V. P. Der Herr Vorsitzende bemerkt hiezu: Ich glaube in Ihrem Sinne zu sprechen, wenn ich dem Herrn Stigler zu dieser von kompetenter Seite ausgesprochenen Anerkennung beglück¬ wünsche. Diese Anerkennung ist ein Beweis, welch große Arbeits¬ kraft wir mit dem abgetretenen Herrn Bürgermeister verloren haben, und es wird seinem Nachfolger schwer sein, ihn ganz zu ersetzen. Hierauf werden die Herren Gemeinderäte Josef Tureck und Karl Wöll zu Verifikatoren und die Herren Gemeinderäte Ferdinand Reitter und Karl Heindl zu Skrutatoren für die vorzunehmenden Wahlen gewählt. Sodann wird zur Wahl des Herrn Bürgermeisters geschritten. Herr G.=R. Dautlgraber erbittet sich vor Vornahme des Skrutiniums das Wort und sagt: Wir haben gestern eine Zuschrift erhalten, worin ausdrücklich betont wurde, daß von Seite der Majorität des deutsch=fortschrittlichen Gemeinderates eine Besprechung stattgefunden hat, in welcher jene Herren nominiert wurden, welche als Bürgermeister und Vizebürger¬ meister zur Wahl vorgeschlagen sind. Wir hätten ein großes Interesse gehabt, an dieser Besprechung teilzunehmen, weil ja auch jener Teil der Bevölkerung, welcher uns in den Gemeinde¬ rat entsendet hat, an der Wahl des Herrn Bürgermeisters und Vizebürgermeisters ein Interesse hat. Nachdem es uns nicht gegönnt war, an dieser Besprechung teilzunehmen, muß ich die Erklärung abgeben, daß wir leere Stimmzetteln abgegeben haben. Herr G.=R. Dr. Angermann erwidert hierauf, daß er die vom Herrn G.=R. Dantlgraber angeführten Gründe zur Abgabe von leeren Stimmzetteln nicht für der Wahrheit ent¬ sprechend halte. Die Herren der sozialdemokratischen Partei haben ja auch bei der Wahl des Herrn Bürgermeisters Stigler leere Stimmzetteln abgegeben, obwohl damals eine Vorbe¬ sprechung nicht stattgefunden hat. Diese Gründe scheinen ihm nur deshalb vorgebracht worden zu sein, um die Fortschritts¬ partei nach außen zu verdächtigen. Im ganzen politischen Leben ist es Gebrauch, daß in wichtigen Angelegenheiten die Majorität einer Partei Beratungen abhält, ohne die gegnerische Partei hiezu einzuladen. Wenn die Herren von der sozialdemo¬ kratischen Partei hier im Gemeinderate die Majorität hätten, würden sie dasselbe getan haben. Herr G.=R. Dantlgraber weist den Vorwurf der Ver¬ dächtigung zurück. Der Herr Vorsitzende gibt hierauf bekannt, daß laut vor¬ genommenem Skrutinium von 27 abgegebenen Stimmen 23 Stimmen auf seine Person, und 1 Stimme auf Herrn G.=R. Tureck entfielen; drei Stimmzettel waren leer. (Lebhafte Bravorufe.) Der Herr Vorsitzende sagt hierauf: In diesem für mich so ernsten Augenblicke bewegt mich vor allem die Empfin¬ dung des lebhaften Dankes für die hohe Ehrung und für das große Vertrauen, welches mir der löbl. Gemeinderat durch die Wahl zum Bürgermeister der Stadt Steyr zuteil werden ließ. So oft mir durch das Vertrauen meiner Mitbürger ein Amt zugewiesen wurde, habe ich die übernommenen Pflichten nach Kräften erfüllt und werde die mir neu auferlegte große Ver¬ pflichtung nach besten Kräften, mit unermüdlichem Fleiße und mit regstem Eifer zu erfüllen trachten und hoffe ich auf eine aufrichtige Unterstützung des löblichen Gemeinderates und der pflichttreuen Beamtenschaft. Nur in dieser Voraussetzung und in der Voraussetzung der Allerhöchsten Bestätigung habe ich den Mut, die auf mich gefallene Wahl anzunehmen. (Bravorufe.) Durch meine 20jährige Tätigkeit im Gemeinderate und mein siebenjähriges Wirken als Vizebürgermeister habe ich die Bedürfnisse und Verhältnisse unseres Gemeinwesens kennen ge¬ lernt und habe stets nach Kräften fördernd gewirkt. Ich kann heute nicht versprechen, daß alle Wünsche der Mehrheit der Be¬ völkerung in Bezug auf Wohlfahrts=Einrichtungen und in Bezug auf fortschrittliche Ausbildung unseres Gemeindewesens in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen, aber ich verspreche, daß ich dem Bau eines neuen Spitals meine vollste Aufmersamkeit widmen und angestrengt bemüht sein werde, für die Aufbrin¬ gung der Bausumme das Erreichbare zu leisten. (Bravo.) Ich werde auch jederzeit bemüht sein, Ihre Beschlüsse einer ge¬ wissenhaften Ausführung zu unterziehen und es wird mein Be¬ streben sein, im Vereine mit Ihnen das Gemeindewesen so zu

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