Ratsprotokoll vom 30. September 1907

2 Die Stadtgemeinde hatte also bisher fünf Vertreter im Stadtschulrate, somit die Hälfte der Stimmen in demselben und war der Gemeinde ein gewisser Einfluß gewährleistet. Nach der zweiten Gesetzvorlage soll das Gesetz dahin ab¬ geändert werden: Daß der o.=ö. Landesausschuß in den Stadtschulrat auch vier Mitglieder entsendet Dadurch würde der Einfluß der Stadtgemeinde auf die hierortigen Schulangelegenheiten total paralisiert und die Folge würde sein, daß schon im Stadtschulrate, insbesondere bei Lehrer¬ ernennungen, die Absichten des Landesausschusses vertreten werden und der möglichste Druck von Oben ausgeübt wird. Dadurch wird somit die eigentliche Wirksamkeit des Stadt¬ schulrates als autonome Körperschaft in Schulfragen lahm gelegt und illusorisch gemacht und muß dieselbe in Abhängigkeit von der politischen Strömung kommen, welche jeweilig im Landes¬ ausschusse herrscht! Deshalb ist es Pflicht der Stadtgemeindevertretung, gegen diese Gesetzesvorlagen Stellung zu nehmen und schlägt die! Sektion Folgendes zur Annahme vor: Nachdem die Fragen über die Besetzung von Lehrerstellen und die Zusammensetzung des k. k. Stadtschulrates für die Städte mit eigenem Statut, somit auch für die Stadt Steyr, von größter Wichtigkeit sind und durch die seitens des oberösterreichischen Landesausschusses dem hohen oberösterr. Landtage vorgelegten Schulgesetzentwürfe betreffend die Abänderung des § 20 des Gesetzes vom 4. Jänner 1885, resp. des Gesetzes vom 21. Fe¬ bruar 1870, und des § 88 des Gesetzes vom 1. Dezember 1901 die nach den bisherigen Gesetzen bestehenden Rechte der k. k. Stadt¬ chulräte im hohen Maße eingeschränkt werden und dadurch der Einfluß der Stadtgemeinde auf die Schulfragen illusorisch ge¬ macht würde, die Stadtgemeinde aber an den Schulfragen, ab¬ gesehen von der politischen Seite derselben, auch deshalb sehr interessiert ist, weil dieselbe außer anderen Schulausgaben für das 35%ige Quartiergeld der städtischen Lehrerschaft jährlich einen Betrag von 25.000 K aufwenden muß, stellt die! Sektion nach eingehender Beratung folgenden Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle gegen diese Gesetzentwürfe entschiedenst Stellung nehmen und sohin beschließen folgende Resolution: „Der Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr erklärt hiemit daß in dem durch die Schulgesetzvorlagen des o.=ö. Landes¬ ausschusses beim hohen o.=ö. Landtage beantragten Abände¬ rungen der bestehenden Schulgesetze vom 4. Jänner 1885, L.=G.=Bl. Nr. 2, vom 21. Februar 1870, L.=G.=Bl. Nr. 9, und vom 1. Dezember 1901, L.=G.=Bl. Nr. 59, betreffend „Die Ernennung der Lehrpersonen durch Erstattung eines eigenen Besetzungsvorschlages“ und in der weiters beantragten Abände¬ rung des § 20 des Gesetzes vom 21. Februar 1870, L.=G.=Bl. Nr. 9, betreffend „die bisherige Zusammensetzung des k. k. Stadtschulrates“ eine Verletzung der bisherigen gewährleisteten Rechte und eine bedeutende Einschränkung der Wirksamkeit des k. k. Stadtschulrates gelegen sei, weil diese Gesetzesvorlagen die Funktionen des k. k. Stadtschulrates bei Ernennung der Lehrpersonen nahezu illusorisch machen und dieselben geeignet erscheinen, die Wirksamkeit des k. k. Stadtschulrates in dieser Frage lediglich einer parteipolitischen Richtung zu unterwerfen.“ Die Stadtgemeinde Steyr beauftragt daher den Abgeord¬ neten der Stadt Steyr im o.=ö. Landtage, Herrn Bürgermeister Viktor Stigler, gegen diese Schulgesetz=Abänderungsanträge des o.=ö. Landesausschusses im o.=ö. Landtage entschiedenst Stellung zu nehmen und gegen die Annahme dieser Anträge zu stimmen. Herr G.=R. Schertler unterstützt den Antrag der Sektion Herr G.=R. Dantlgraber schließt sich ebenfalls dem Sektionsantrage an, da nach seiner Ansicht die Hauser'schen Ge¬ setzesvorlagen nur die Klerikalisierung der Schulen des Landes bezwecken. Weiters stelle er an den Herrn Bürgermeister Stigler in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter die Bitte, auch gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, welcher den Halbtagsunter¬ richt vorschreibt, wodurch viele Unterrichtsstunden verloren gehen und die Kinder in ihrer Bildung verkürzt werden. Der Halb¬ tagsunterricht sei nur geplant, um die Volksverdummung zu verbreiten. Herr G.=R. Nothhaft bezeichnet die Ausdrücke „Volks¬ verdummung“ und „Klerikalisierung“ als leere Phrasen, über die er hinweg gehen wolle. Er begreife den Wunsch des Landes¬ schulrates nach einer entsprechenden Vertretung im Stadtschulrate ganz gut, wie dies auch im Bezirksschulrate der Fall sei. Er werde aber als Vertreter der Gemeinde für den Sektionsantrag stimmen, weil es sich um die Beibehaltung eines lang erworbenen Rechtes des k. k. Stadtschulrates handle. Herr G.=R. Tribrunner sagt, es sei jedem denkenden Menschen klar, daß die Hauser'schen Gesetzesvorschläge nur reaktionäre Anschläge gegen die Schule seien, mit deren Hilfe jede freie Meinung unterdrückt werden solle. Er stimme deshalb für den Sektionsantrag. Nach weiterer Debatte, an welcher sich die Herren Ge¬ meinderäte Rotter Dantlgraber und Binderberger beteiligen, wird der Sektionsantrag einstimmig angenommen. Der Herr Vorsitzende sagt, daß er im Sinne der heute beschlossenen Resolution im Landtage stimmen werde. Auf den Wunsch des Herrn G.=R. Dautlgraber wegen Stellungnahme gegen den geplanten Halbtagunterricht müsse er erwidern, daß er diesbezüglich noch nicht informiert, bezw. ihm ein bezüglicher Gesetzentwurf bisher nicht zur Kenntnis gekommen sei. Der Herr Referent verliest weiters eine Eingäbe des Deutschen Volksvereines für den Traunkreis in Steyr, worin der Gemeinderat ersucht wird, gegen die Hauser'sche Gesetzesvor¬ lage Stellung zu nehmen und verliest namens der Sektion fol¬ genden Antrag: Nachdem ohnedies seitens des Herrn Bürgermeisters bereits am 14. Septemder 1907 zur Stellungnahme der Gemeindever¬ tretung der Stadt Steyr gegen die inbezeichnete Gesetzesvorlage im o.=ö. Landtage betreffend die Schulfrage die heutige außer¬ ordentliche Gemeinderatssitzung einberufen wurde und diese Fragen durch den heutigen Beschluß die entsprechende Erledigung gefunden haben, so wird seitens der 1. Sektion über die Auf¬ orderung des Ausschusses des Deutschen Volksvereines für den Traunkreis, die erst am 18. September, also 5 Tage nach der Einberufung des Gemeinderates, überreicht wurde, überflüssig erscheint, der Antrag gestellt: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde über diese Aufforderung des Ausschusses des Deutschen Volksvereines für den Traunkreis einfach zur Tagesordnung übergegangen. Dieser Antrag wird mit allen gegen eine Stimme ange¬ nommen. — Z. 20.791. 2. Entscheidung der k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr betreffend die Bewilligung des Wochenmarktes in Sierning. Der Herr Referent verliest folgende Entscheidung der k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr: An die Gemeindevorstehung Sierning! Auf Grund der Bestimmungen des § 71 der Gewerbe¬ ordnung vom 5. Februar 1907, R.=G.=Bl. Nr. 26, verleihe ich der Gemeinde=Vorstehung die Berechtigung zur Abhaltung eines auf den Verkauf der im § 66 der Gewerbeordnung angeführten Gegenstände beschränkten Marktes an Sonntagen in der Zeit von 7 bis 9 Uhr morgens und mit der Bedingung, daß am Ostersonntag, am Pfingstsonntag und am ersten Weihnachtsfeier¬ tag, wenn dieser auf einen Sonntag fällt, kein Markt abge¬ halten werden darf. Der Markt selbst darf nur auf den in der Marktordnung festzusetzenden Straßen und Plätzen abgehalten werden und ist es Pflicht der Gemeinde=Vorstehung, die sanitätspolizeiliche Ueberwachung des Marktes durchzuführen. Andererseits ist die Gemeinde=Vorstehung berechtigt, von den Verkäufern Markt¬ gebühren einzuheben. Gegen die Verleihung dieses Marktprivilegiums steht der binnen 14 Tagen bei der k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr einzubringende Rekurs an die k. k. o.=ö. Statthalterei Linz offen. Der k. k. Bezirkshauptmann: Walderdorff. Weiters verliest der Herr Referent die Aeußerung des Handelsgremiums und der Handelsgenossenschaft in Steyr, welche sich dahin aussprechen, daß gegen diese Entscheidung ein Rekurs nicht ergriffen werden solle. Der Majoritätsantrag der Sektion lautet: Mit Rücksicht darauf, daß das Handelsgremium und die Handelsgenossenschaft die Rekursüberreichung nicht für angezeigt halten, hat die 1. Sektion mit drei gegen drei Stimmen, infolge Dirimierung des Vorsitzenden, beschlossen, den Antrag zu stellen: Der löbliche Gemeinderai wolle beschließen: Es werde egen die Bewilligung des Sonntagmarktes in Sierning kein Rekurs überrricht. Dieser Antrag wird mit allen gegen vier Stimmen ab¬ gelehnt. Der Minoritätsantrag der Sektion lautet: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde mit Rücksicht auf die zweimal einstimmig gefaßten Beschlüsse, welche ich gegen die Bewilligung des Marktes aussprechen, doch der Rekurs eingebracht, da der Gemeinderat nicht auf einmal eine andere Haltung einnehmen, sondern konsequent bleiben muß und daher das Rechtsmittel nicht unversucht lassen soll. Dieser Antrag wird nach kurzer Debatte mit Majorität angenommen. — Z. 20.423. Dringlichkeitsantrag betreffend die Zuschrift der Stadtgemeinde Wels um Anschluß an eine Petition wegen Einhebung eines städt. Zuschlages zu den staat¬ ichen Gebühren, welche von den Eigentumsübertragungen vom unbeweglichen Gute eingehoben werden. Nach Annahme der Dringlichkeit stellt die Sektion folgenden Antrag: Nachdem durch einen solchen Zuschlag zu den staatlichen Uebertragungsgebühren für die Stadtgemeinde eine neue nicht unbedeutende Einnahmsquelle zu erzielen wäre, welche der Stadt¬ emeinde sehr willkommen wäre und durch diese Zuschläge nicht die Bevölkerung, sondern der Realitätenverkehr getroffen würde, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde im Prinzipe die Zustimmung zur Einleitung der nötigen Schritte vegen Erlangung der Konzession zur Einhebung eines städt. Zuschlages zur ärarischen Uebertragungsgebühr bei Realitäten¬ übertragungen unter Lebenden erteilt und hat sich die Stadt¬ gemeinde Steyr mit der Stadtgemeinde Wels wegen Festsetzung der bezüglichen näheren Bestimmungen und wegen eines gemein¬ samen Vorgehens im Landtage ins Einvernehmen zu setzen. Die vereinbarten Bestimmungen sind dem Gemeinderate zur Genehmigung vorzulegen. Herr G.=R. Tribrunner unterstützt den Sektionsantrag und stellt den Zusatzantrag auf gleichzeitige Einhebung einer Wertzuwachssteuer.

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