2 da die Tschechen mit allen Mitteln die Stadt Budweis für sich erobern wollen, um dann von dort aus den Vorstoß gegen die Südgrenze Böhmens zu unternehmen, wodurch auch Oberöster¬ reich und Niederösterreich von einer tschechischen Invasion be¬ droht würde. Die Deutschen in Budweis haben diesen Kampf bisher wacker bestanden, indem die Gemeindevertretung von Budweis deutsch war, doch den neuen Ansturm der Tschechen, welcher bei den eben stattfindenden Gemeindewahlen in Budweis in der schärfsten Weise entbrannt ist, können die Deutschen nur dann mit Erfolg zurückweisen, wenn sie von den Deutschen der anderen Länder materiell unterstützt werden. da die Anforde rungen zur Erhaltung der deutschen Schulen, der deutschen Schutzvereine und sonstigen nationalen Institutionen immer größer werden und dieselben von den Deutschen in Budweis nicht mehr allein bestritten werden können. Deshalb ist rasche Hilfe notwendig, denn wenn nicht bald von den Deutschen im gesicherten Sprachgebiet den an der Sprachgrenze kämpfenden Deutschen beigesprungen wird, muß Stück um Stück des deutschen Besitzstandes verloren gehen und müssen die hochfliegenden Pläne der Tschechen immer mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Budweis ist eine der gefährlichsten deutschen Städte für Böhmen und ist der dort um den deutschen Charakter der Ge¬ meindevertretung eben geführte Kampf für die Deutschen in Oberösterreich von ganz besonderer Bedeutung, weil sich derselbe an der Grenze des Landes abspielt und durch ein Unterliegen der Deutschen in Budweis selbst für Oberösterreich sehr leicht eine nationale Schädigung eintreten könnte. Deshalb ersuchen die Deutschen in Budweis dringendst um Hilfeleistung seitens der Stadt Steyr und wolle möglichst rasch eine Widmung als Budweiser Spende bewilligt werden und auch für die nächste Zeit in dem Präliminare der Stadtgemeinde solche Beträge vor¬ gesehen werden. Nach Annahme der Dringlichkeit dieses Gegenstandes ver¬ liest der Herr Referent die bezügliche Eingabe des Ortsrates Budweis, des deutschen Volksrates für Böhmen, und stellt namens der Sektion folgenden Antrag: Mit Rücksicht darauf, daß die Stadt Budweis am meisten gefährdet ist, den deutschen Charakter zu verlieren und damit eine Invasion seitens der Tschechen vom ganzen südlichen Böhmen verbunden wäre, welche sehr leicht auch nach Oberösterreich über¬ greifen könnte, erscheint es als eine nationale Pflicht der deutschen Stadt Steyr, der Stadt Budweis nach Möglichkeit eine nationale Hilfeleistung angedeihen zu lassen, indem für die dort bestehen¬ den deutschen Einrichtungen sogleich eine Spende bewilligt werde und auch für die kommenden Jahre im Budget für eine solche Spende Vorsorge getroffen werde. Der löbliche Gemeinderat wolle daher beschließen: Es werde als nationale Hilfeleistung eine Budweiser Spende zuhanden des Bürgermeisters Herrn Josef Taschek im Betrage von 300 K bewilligt und ist dieser Betrag aus der Budget=Post „Außer¬ ordentliche Ausgaben“, XVII, Post 9, sogleich flüssig zu machen. Gleichzeitig werde beschlossen, daß die Präliminar=Kommission bei der Festsetzung des Budgets pro 1907 auf die Einsetzung einer Budweiser Spende Bedacht nehmen wolle. Herr G.=R. Nothhaft stellt den Antrag, daß mit Rück¬ sicht auf die finanzielle Lage der Gemeinde und um kein Präjudiz zu schaffen, der Betrag von 300 K auf 150 K reduziert werde. Herr G.=R. Dantlgraber ist mit dem Sektionsantrage überhaupt nicht einverstanden, weil nach seiner Anschauung Parteiangelegenheiten im Gemeinderate nicht verhandelt werden sollen. Er gebe zu, daß die Deutschen in Budweis von den Tschechen hart bedrängt werden, aber die Gemeinde brauche ihr Geld für eigene Zwecke. Der Herr Referent wendet sich zunächst gegen die Aus¬ führungen des Herrn G.=R. Dantlgraber und betont, daß es sich hier nicht um eine Partei=, sondern um eine nationale An¬ gelegenheit handle und der Gemeinderat habe die Pflicht, für nationale Angelegenheiten einzutreten. Herr G.=R. Dantlgraber ist als Sozialdemokrat international, daher seine ablehnende Haltung gegen den Sektionsantrag. Auf die Bemerkungen des Herrn G.=R. Nothhaft müsse er erwidern, daß durch die Bewilligung der beantragten nationalen Hilfe durchaus kein Präjudiz geschaffen werde. Mit Rücksicht darauf, daß die Stadt Budweis nahe an der oberösterreichischen Grenze liegt und eine Tschechisierung der Stadt Budweis eine große Gefahr für Oberösterreich bedeute, so sei es klar, daß auch die deutsche Stadt Steyr mitwirken müsse, um eine solche Mög¬ lichkeit abzuwenden. In einer so hochwichtigen nationalen Frage seien 300 K gewiß nicht viel und der Sektionsantrag vollkommen gerechtfertigt. Bei der Abstimmung wird der Antrag des Herrn G.=R. Nothhaft mit allen gegen zwei Stimmen abgelehnt, worauf der Antrag der Sektion mit allen gegen eine Stimme ange¬ nommen wird. Hierauf Erledigung der Tagesordnung. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Franz Angermann. 1. Gesuche um Aufnahme in den Gemeindeverband und Bürgerrechts=Verleihung. Wird vertraulich behandelt. 2. Rekurse gegen Armenrats=Entscheidungen. a) Liegt vor der Rekurs der Magdalena Baumgartner, Taglöhnersgattin in Ternberg, gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 3. September 1906, Z. 16.348, wegen verweigerter Erhöhung der Unterstützung. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem Rekurrentin ohnedies eine Unterstützung von monatlich 6 K bezieht, deren Mann außer der Verköstigung noch einen täglichen Verdienst von 1 K, also per Woche 6 K, im Monat 24 K, bezieht, derselbe seine Frau leicht unterstützen kann, stellt die Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse der Magdalena Baumgartner gegen die Entscheidung des städtischen Amenrates vom 3. September 1906, Z. 16.348, aus den Gründen der ersten Instanz keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 22.066. b) Liegt vor der Rekurs der Ida Zeller, Inwohnerin in Marburg, gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 3. September 1906, Z. 15.903, wegen verweigerter Er¬ höhung des Erziehungsbeitrages. Mit Rücksicht darauf, daß Rekurrentin nach den gepflogenen Erhebungen erst 25 Jahre alt ist und daher jedenfalls sich einen Verdienst verschaffen kann, außerdem die Großeltern derselben ohnedies die unentgeltliche Wohnung gewähren und sie auch unterstützen können, stellt die l. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse der Ida Zeller gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 3. September 1906, Z. 15.903, aus den Gründen der ersten Instanz keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 22.963. 3. Vornahme einer Ersatzwahl in den Sparkasse¬ Ausschuß. Die Direktion der Sparkasse in Steyr ersucht um Vor¬ nahme einer Ersatzwahl für das verstorbene Mitglied Herrn Gottfried Sonnleitner. Die Sektion beantragt, den Herrn Ferdinand Gründler in den Sparkasse=Ausschuß zu entsenden. Bei der hierauf mit Stimmzetteln vorgenommenen Wahl wurde Herr Ferdinand Gründler einstimmig als Sparkasse¬ Ausschußmitglied gewählt. 4. Vornahme einer Ersatzwahl in den k. k. Stadt¬ schulrat Steyr. Ueber die vorliegende Zuschrift des k. k. Stadtschulrates Steyr stellt die Sektion folgenden Antrag: Es wolle die Ersatzwahl für das verstorbene Mitglied des k. k. Stadtschulrates Herrn Edmund Aelschker vorgenommen werden und wird für diese Stelle der Gemeinderat und Bahn¬ amtsvorstand i. P. Herr Ferdinand Handstanger in Vorschlag gebracht. Bei der mittelst Stimmzetteln vorgenommenen Wahl wurde Herr Ferdinand Handstanger fast einstimmig als Mitglied in den k. k. Stadtschulrat gewählt. — Z. 24.113. 5. Eingabe des Vereines zur Förderung des Ge¬ werbes und der Marktfieranten um Abänderung der Stunden, an welchen an Jahrmarktstagen die Sonntags¬ arbeit gestattet ist. Ueber die vorliegende Eingabe stellt die Sektion den Antrag: Mit Rücksicht darauf, daß die Verkaufszeit für die Markt¬ besucher und Marktfieranten von 7 Uhr früh bis 3 Uhr nach¬ mittags am Marktsonntag nicht günstig erscheint, weil sich der Hauptverkehr erst in den späten Morgenstunden und in den päten Nachmittagsstunden erfahrungsgemäß abzuwickeln pflegt, also etwa von 8—12 Uhr und von 2—6 Uhr abends, so er¬ scheint das Ansuchen der Marktfieranten und des Vereines zur Förderung des Gewerbes und der Marktfieranten nicht unbe¬ gründet und beantragt daher die 1. Sektion: Der Gemeinderat wolle sich über die Eingabe des Vereines zur Förderung des Gewerbes und der Marktfieranten, sowie der unterfertigten Marktfieranten des Steyrer Marktes dahin aus¬ prechen, daß an den Steyrer Markt=Sonntagen die achtstündige Sonntagsarbeit im Handelsgewerbe derart eingeteilt werde, daß der Verkauf von 8 Uhr früh bis 12 Uhr mittags und von 2 Uhr nachmittags bis 6 Uhr abends gestattet werde. Hierüber sind die Aeußerungen des hiesigen Handels¬ gremiums und der Handelsgenossenschaft binnen vier Wochen einzuholen und ist über das Ergebnis dem Gemeinderate sodann zur weiteren Beschlußfassung wegen Genehmigung dieser Abände¬ rung der Arbeitsstundeneinteilung seitens der k. k. Statthalterei in Linz Bericht zu erstatten Herr G.=R. Hiller hält die von der Sektion vorge¬ chlagene Stundeneinteilung für undurchführbar. Es sei nicht zu kontrollieren, ob der Marktfierant während des Ein= und Aus¬ packens, was je eine Stunde beanspruche, nicht auch verkaufe. Herr G.=R. Haslinger schließt sich der Anschauung des Herrn G.=R. Hiller an und bemerkt noch, diese Art der Arbeits¬ stundeneinteilung bezwecke nichts anderes, als eine Umgehung des Gesetzes. Man solle nicht aus Liebe zu den Marktfieranten die hiesigen Geschäftsleute schädigen. Er stellt den Antrag, daß die Sonntagsruhe bei dem heutigen Modus verbleibe. Herr G.=R. Heindl schlägt eine Arbeitsstundeneinteilung von 8 Uhr früh bis 4 Uhr nachmittags vor, welcher Anschauung sich Herr Vizebürgermeister Lang und Herr G.=R. Schertler anschließen Bei der Abstimmung wird der Antrag des Herrn G.=R. Haslinger mit allen gegen zwei Stimmen abgelehnt. Der Antrag des Herrn G.=R. Heindl wird mit allen gegen zwei Stimmen angenommen. Der übrige Antrag der Sektion wird einstimmig angenommen. — Z. 22.555.
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