2 Der Herr Vorsitzende erteilt dem Herrn Antragsteller das Wort zur Begründung seines Antrages. Herr G.=R. Dr. Franz Angermann führt aus: Wie bekannt, hat die hohe k. k. Regierung die Vorlage einer neuen Wahlreform auf Grund des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes für Februar d. J. in bestimmte Aus¬ sicht gestellt. Infolge dessen beschäftigen sich alle politischen Parteien, Gemeinde=Vertretungen, autonomen Behörden und Korporationen mit der Frage der Wahlrechtsreform, und die hohe k. k. Regie¬ rung steht fortwährend mit den Vertretern dieser Korporationen in Verbindung und Verhandlung, um die Wünsche derselben entgegenzunehmen und praktisches Material für die Ausarbeitung der Wahlreform zu sammeln. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der Einteilung der Wahl¬ bezirke und der Verteilung der Mandate für das neu zu wählende Abgeordnetenhaus, nachdem diese Frage für die Wählerschaft von besonderer Wichtigkeit ist. Wie verlautet, sollen die bisherigen 425 Mandate auf 440 erhöht werden, und daher haben sich insbesondere größere Städte, welche bisher leider verurteilt waren, mit kleinen Ort¬ schaften auf dem flachen Lande zu wählen, mit denen die Stadt sehr wenig Interessen=Gemeinschaft hatte, darum angenommen, daß ihnen ein eigener Abgeordneter zugeteilt werde, und wir haben erst bei dem großen Parteitag der deutschen Fortschritts¬ partei, welcher am 14. Jänner 1906 in Prag abgehalten wurde, erfahren, daß die deutsche Fortschrittspartei im Parlamente resp. bei der hohen k. k. Regierung energische Schritte einleiten wird, daß die größeren deutschen Städte in Böhmen, wie Reichen¬ berg, Aussig, Teplitz und andere, je einen eigenen Abgeordneten zugeteilt erhalten sollen. Die Stadt Steyr hatte bisher, obwohl dieselbe die zweit¬ größte Stadt Oberösterreichs ist, keinen eigenen Abgeordneten, und mußte gemeinsam mit 13 anderen, von ihr teilweise weit abseits gelegenen Ortschaften, wovon einige fast gar keine Ver¬ bindung mit der Stadt haben, den Abgeordneten wählen, und da die Wählerschaft des äußeren Bezirkes so zahlreich wurde als die der Stadt Steyr, so entsprach das Resultat dieser Wahlen in letzterer Zeit nicht der Mehrheit der Wählerschaft des Haupt¬ wahlortes Steyr. Da nun seitens der hohen k. k. Regierung anläßlich der Wahlreform eine Vermehrung der Abgeordnetenmandate geplant sein soll, empfiehlt es sich auch für unsere Stadt, wie es eine Reihe anderer größerer Städte bereits ins Werk gesetzt haben, daß seitens der Gemeinde=Vertretung Schritte bei der hohen k. k. Regierung eingeleitet werden, um die Zuteilung eines eigenen Wahlbezirkes für einen eigenen Reichs¬ rats=Abgeordneten der Stadt Steyr zu erreichen. Wenn die Landeshauptstadt Linz mit rund 50.000 Ein¬ wohnern für sich drei Abgeordnete in Anspruch nehmen will, so ist der Wunsch der Stadt Steyr, welche heute rund 18.000 Einwohner zählt und bei größerer Beschäftigung der Waffenfabrik auch eine Einwohnerzahl von 20.000 und noch darüber aufweisen kann und die durch die größte Waffenfabrik der Monarchie als Industriestadt eine ganz besondere Be¬ deutung besitzt, wohl kein übertriebener, sondern ein ganz begreiflicher und bescheidener, wenn auch seitens der Stadt Steyr bei der hohen k. k. Regierung um die gedachte Berücksichtigung eingeschritten wird. Hierauf bringt der Herr Vorsitzende den Dringlichkeitsan¬ trag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Mitteilungen. Der Herr Stadtrat Franz Gall gibt bekannt: 1. den Dank des Herrn Michael Heindl für seine Beförderung in die X Rangsklasse; 2. daß Herr Landesgerichtsrat Schmiedel zwei Verzeichnisse über bestimmte Archivakten vorgelegt habe, mit der Erklä¬ rung, daß er bis Jnni 1906 mit sämtlichen von ihm übernommenen Arbeiten im Archive fertig sein werde. Diese Mitteilungen werden zur Kenntnis genommen. Hierauf Erledigung der Tagesordnung: Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Franz Angermann. 1. (Vertraulich.) Gesuche um Aufnahme in den Gemeindeverband und Bürgerrechts=Verleihung. 2. (Vertranlich.) Personalansuchen. 3. (Vertraulich.) Exerzierplatz=Angelegenheit. Diese Punkte werden vertraulich behandelt. 4. Rekurse gegen Armenrats=Entscheidungen. a) Liegt vor der Rekurs der Therese Grabmüller in Letten gegen die Entscheidung des städt. Armenrates vom 13. November 1905, Z. 23.875, womit das Ansuchen um Gewährung eines Erziehungsbeitrages für das nach Steyr zuständige Kind Josefa Scheindl abgewiesen wurde. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem dem jetzigen Ehegatten der Rekurrentin nicht die Pflicht obliegt, für das außereheliche Kind seiner Gattin zu sorgen, der Vater des Kindes total vermögenslos gestorben ist, so erscheint es wohl begründet, daß der in Steyr zuständigen Grabmüller für dieses Kind ein Alimentationsbeitrag bewilligt werde. Deshalb stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse der Therese Grabmüller gegen die Entscheidung des tädt. Armenrates vom 13. November 1905, Z. 23.875, statt¬ gegeben und derselben für dieses Jahr eine monatliche Unter¬ stützung von 4 K bewilligt. Einstimmig nach Antrag. — Z. 26.630. b) Liegt vor der Rekurs des Johann Wegmayr, Inwohner am Ramingsteg Nr. 20, gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 25. Dezember 1905, Z. 24.112, wegen ver¬ weigerter Unterstützung. Die 1. Sektion stellt hierüber folgenden Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Johann Wegmayr gegen die Entscheidung des städt. Armenrates vom 25. Dezember 1905, Z. 24.112, punkto Ab¬ weisung der angesuchten Unterstützung, aus den Gründen der ersten Instanz keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 537. e) Liegt vor der Rekurs der Elisabeth Pferzinger, In¬ wohnerin in Steyr, wegen Verweigerung einer Unterstützung anstatt der Aufnahme ins Armenverpflegshaus. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem der städt. Armenrat ohnedies die Uebernahme der Rekurrentin in die vollständige Erhaltung im städt. Armen¬ verpflegshause bewilligt hat, erscheint die Ablehnung und das Ersuchen um Gewährung eines Armengeldes nicht begründet, und stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse der Elisabeth Pferzinger gegen die Entscheidung des tädt. Armenrates vom 30. November 1905, Z. 19.751, punkto Verweigerung eines Armengeldes, aus den Gründen der ersten Instanz keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 28.238. d) Liegt vor der Rekurs des Alois Kirchner, Inwohner am Ramingsteg Nr. 5, gegen den Beschluß des städt. Armen¬ rates, womit sein Ansuchen um Gewährung einer Unterstützung für seinen blöden Sohn Franz abgewiesen wurde. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem auf Grund der gepflogenen Erhebungen festge¬ stellt wurde, daß Rekurrent tatsächlich gar kein Vermögen besitzt und sich nur eine Krone per Tag verdient, seine Gattin gleich¬ falls nichts verdienen kann, da sie noch für drei unversorgte Kinder zu sorgen hat und laut ärztlichem Zeugnis der Sohn Franz Kirchner als total blödsinnig erklärt wird, so erscheint die Bewilligung eines Alimentationsbetrages begründet, und tellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Alois Kirchner gegen die Entscheidung des städt. Armenrates vom 14. Oktober 1905, Z. 19.750, wegen Ver¬ weigerung eines Alimentationsbetrages, stattgegeben, und dem Alois Kirchner für seinen blödsinnigen Sohn Franz ein monat¬ licher Alimentationsbeitag von 5 K für das Jahr 1906 bewilligt. Herr G.=R. Köstler beantragt eine monatliche Unter¬ stützung von 8 K. Bei der Abstimmung bleibt der Antrag des Herrn G.=R. Köstler in der Minorität, worauf der Sektionsantrag mit Majorität angenommen wird. — Z. 24.847. *) Liegt vor der Rekurs des Wenzel Mentlik in Baierdorf gegen den Bescheid des Armenrates Steyr wegen Verweigerung der nachgesuchten Unterstützung von monatlich 5 K. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Da aus den gepflogenen Erhebungen sich ergibt, daß Rekurrent als ländlicher Dienstbote nicht erwerbsunfähig ist, und außerdem gar nicht feststeht, ob derselbe tatsächlich in Steyr zuständig ist, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Wenzel Mentlik gegen die abweisliche Entscheidung des städt. Armenrates vom 18. November 1905 Z. 23.726, aus den Gründen der ersten Instanz, und weil dessen Zuständigkeit in Steyr überhaupt noch nicht feststeht, keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 28.403. )Liegt vor der Rekurs der Eheleute Andreas u. Franziska Schröpfer, Unterstandler im Herrenhause, gegen die abweisliche Entscheidung des städt. Armenrates punkto Erhöhung ihrer Unterstützung. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem es durch das ärztliche Parere festgestellt ist, daß beide Rekurrenten infolge des hohen Alters und der Krankheit total erwerbsunfähig sind, und ein Betrag von 6 K für beide Ehegatten außer der Verpflegung im Armenhause nicht hinreicht, um die notwendigsten Erfordernisse an Nahrung und Kleidung zu schaffen, erscheint die Erhöhung des Armengeldes wohl be¬ gründet und stellt daher die 1. Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse der Ehegatten Andreas und Franziska Schröpfer gegen die vom städt. Armenrate mit Entscheidung vom 18. Dez. 1905, Z. 27.750, verweigerte Erhöhung des Armengeldes von 6 K stattgegeben, und den Rekurrenten eine solche Erhöhung des Armengeldes von 6 auf 10 K monatlich für beide auf ihre Lebensdauer bewilligt. Einstimmig nach Antrag. — Z. 27.750. *) Liegt vor der Rekurs der Hebamme Frau Barbara Prevratil gegen die Entscheidung des Herrn Bürgermeisters, womit ihr Anspruch auf Entschädigung von 20 K für Verkösti¬ gung und Beistellung von Kindswäsche an die Wöchnerin Anna Kronberger abgewiesen wurde.
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