2 Hieraus ist zu entnehmen, daß in absehbarer Zeit eine Aussicht auf Fleischpreisermäßigung durch Nachlassen der Vieh¬ preise wohl nicht zu erwarten ist. Unter den Maßnahmen, die die verschiedenen Stadtver¬ tretungen zur Bekämpsung der Fleischteuerung vorschlagen, be¬ findet sich fast durchwegs an erster Stelle die Zulassung der Vieheinfuhr aus Rußland und Rumänien. Der Erfüllung dieses Wunsches dürften aber zur Zeit so bedeutende wirtschaftspolitische und veterinärpolizeiliche Hinder¬ nisse entgegenstehen, daß diese Zulassung der Vieheinfuhr kaum zu erwarten steht. Insolange Oesterreich und Ungarn ein ge¬ meinsames Zollgebiet bilden und sich die Viehproduktion der beiden Länder derart ergänzt, daß neben der Fleischversorgung der heimischen Märkte noch immer ein Schlachtviehexport möglich ist und stattfindet, wird das Verlangen nach Eröffnung der Grenzen gegen Rußland und Rumänien keine Aussicht auf Er¬ folg haben, da sie zu den heftigsten Protestbewegungen der über¬ wiegend landwirtschaftlichen Bevölkerungskreise führen würde. Aus den ganz gleichen Gründen dürfte eine, wenn auch zur zeitweilige Sperrung der Grenze gegen das Deutsche Reich bezüglich des Viehexportes wohl nicht zu erwarten sein. Es bleibt daher gegenwärtig nichts übrig, als auf Mittel zu sinnen, die geeignet sind, mit ausschließlicher Inanspruch¬ nahme der heimischen Vieh= und Fleischproduktion eine Verbilli¬ gung der Fleischpreise herbeizuführen. Diesem Bestreben verdankt die Wiener Aktien=Gro߬ schlächterei ihr Entstehen, die die Aufgabe erfüllen will, durch eine Zusammenfassung des Betriebes eine Verbilligung der Regie herbeizuführen und hiedurch dem Kleinverkäufer das Fleisch zu En gros- Preisen zu liefern, die sich für ihn niederer als beim Selbsteinkaufe stellen. Die erwartete Verbilligung des Fleisches ist aber bis jetzt durch diese Großschlächterei auch nicht eingetreten, im Gegenteile, die Fleischpreise sind trotz ihrem Bestehen immer höher geworden. Mir liegt eine Kundmachung des Ministeriums des Innern vom 5. Oktober 1905, Z. 45.025, vor, nach welcher die Vieh¬ einfuhrsbeschränkungen erlassen wurden: 1. Wegen des Bestandes der Maul= und Klauenseuche des Rindviehes aus 29 Komitaten des Königreiches Ungarn; 2. wegen des Bestandes der Schweinepest aus 40 Komi¬ taten dieses Königreiches: 3. wegen des Bestandes des Stäbchenrotlaufes bezüglich der Schweine aus 38 Komitaten; 4. wegen des Bestandes der Schafpocken bezüglich der Ein¬ fuhr von Schafen aus 11 Komitaten; 5. wegen des Bestandes der Schweinepest aus Kroatien und Slavonien die Einfuhr von Schweinen von 6 Komitaten dieses Gebietes. Fünf Komitate sind für die Einfuhr wegen des Ausbruches verschiedener Seuchen noch verboten, und nun darf die Frage gestellt werden: wäre der Viehmangel heute noch in seinem Um¬ fange vorhanden, wenn alle diese heute gesperrten Komitate ihr Vieh auf den Markt zu bringen in der Lage wären? Ich glaube daher, daß das so schwer zu tragende Unheil der Verteuerung der Fleischpreise hauptsächlich in den Verhält¬ nissen, die in Ungarn und in Kroatien und Slavonien bestehen, liegt, und ich bin der Meinung, daß eine große Abhilfe in einer Verbesserung diesfälliger dortiger Zustände zu suchen ist, daß ferner durch staatliche Subvention der Viehaufzucht, eventuell durch die Schaffung von staatlichen Zuchtstationen 'selbst, die die Abgabe billigen Zuchtviehes bezwecken, endlich durch Hebung und Begünstigung der Alpenwirtschaft eine absehbare Verbilligung der Fleischpreise herbeigeführt werden könnte Ich bin nach all dem selbstverständlich außerstande, Mittel für die Verbilligung der Fleischpreise in loko in Vorschlag zu bringen. Geschäftsordnungsmäßig eingebrachte Anträge aus Ihrer Mitte sind selbstverständlich willkommen. V. Stigler, Bürgermeister. Der Gemeinderat nimmt diese Interpellations=Beantwor¬ tung zur Kenntnis. Hierauf Erledigung der Tagesordnung. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Franz Angermann. 1. Bericht des Stadtkasseamtes über den Erlag von 4000 Kronen seitens des Herrn Leopold Werndl zu Gunsten der Ferdinand Redtenbacher=Stiftung. Der Herr Referent verliest folgenden Bericht: Es wird dem löblichen Gemeinderat zur Kenntnis gebracht, daß Herr Leopold Werndl, Realitätenbesitzer in Steyr und Hörer der Hoch¬ schule für Bodenkultur in Wien, mit Genehmigung seines Vor¬ mundes Herrn Hans Millner und der hiesigen Vormundschafts¬ behörde, zur Vermehrung des in der Verwaltung der Stadt¬ gemeinde Steyr befindlichen Ferdinand Redtenbacher'schen Sti¬ pendien=Stiftungskapitales im derzeitigen Betrage von 8651 K 35 k einen Barbetrag von 4000 K gespendet hat, so daß dieses Kapital zusammen 12.651 K 35 h ausmacht. Da laut Gemeinderatsbeschluß vom 31. Jänner 1890, Z. 20.593, dieses Stipendium erst dann aktiviert werden kann, wenn die Zinsen des Stiftungskapitales, zu 4% gerechnet, min¬ destens 300 fl. = 600 K jährlich betragen, das heutige Stiftungs¬ kapital jedoch dieses Zinsenerträgnis noch nicht ergibt, wird seitens des Gefertigten im Sinne dieses Gemeinderatsbeschlusses vorgeschlagen: 1. Diese Spende des Herrn Leopold Werndl per 4000 K, welche laut Kassabericht vom 16. Oktober 1905, Z. 1323, bereits bei der Stadtkasse bar erlegt wurde, mit Dank für die Ferdinand Redtenbacher'sche Stipendienstiftung in Empfang, Verwahrung und Verwaltung zu nehmen. 2. Den Herrn Bürgermeister zu beauftragen, dem Spender Herrn Leopold Werndl für diesen Wohltätigkeitsakt den Dank des Gemeinderates zum Ausdrucke zu bringen 3. Zugleich zu beschließen, daß von der Aktivierung dieses Stipendiums abgesehen wird laut obigem Gemeinderatsbeschluß vom 31. Jänner 1890, Z. 20.593, da das festgesetzte mindeste Zinsenerträgnis von jährlich 300 fl. = 600 K nicht erreicht ist. V. Stigler. Steyr, am 20. Oktober 1905. Hierüber stellt die l. Sektion folgende Anträge: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: 1. Es werde die Spende von 4000 K des Herrn Leopold Werndl zum Ferdinand Redtenbacher'schen Stipendien=Stiftungs¬ onde mit Dank in Empfang und in die Verwahrung und Ver¬ waltung der Stadtgemeinde Steyr genommen. 2. Es werde der Herr Bürgermeister beauftragt, dem Spender Herrn Leopold Werndl für diesen Wohltätigkeitsakt den Dank des Gemeinderates zum Ausdrucke zu bringen. 3. Es werde von der Aktivierung dieses Stipendienfondes dermalen noch abgesehen, da das laut Gemeinderatsbeschluß vom 31. Jänner 1890, Z. 20.593 festgesetzte mindeste jährliche Er¬ trägnis von 300 fl. = 600 K nicht erreicht ist. Diese Anträge werden einstimmig angenommen. 2. Rekurs des Herrn Franz Brodetz gegen die Verweigerung von Offenhaltungs=Bewilligungen an allen Samstagen und Sonntagen bis 3 Uhr morgens. Ueber den vorliegenden Rekurs verliest der Herr Referent olgenden Sektionsbericht und Antrag: Mit Rücksicht auf den Bericht des städt. Polizei=Inspekto¬ rates, daß die beiden Kaffeehäuser in Steyrdorf bisher stets für den allgemeinen Verkehr zur Nachtzeit vollkommen genügt haben und tatsächlich infolge der mißlichen Erwerbs= und Geschäfts¬ Verhältnisse in der Waffenfabrik dermalen ein gesteigertes Be¬ dürfnis für ein Nachtlokal nicht vorliegt, außerdem das Geschäft des Herrn Brodetz nicht als Kaffeehaus, sondern als Gasthaus ausgeübt wird, und andere Gasthausbesitzer respektive Gastwirte solche Erlaubnis zum regelmäßigen Offenhalten dermalen nicht eingeräumt wurde, daher durch diese Gestattung ein Präjudiz geschaffen würde, auf welches sich dann alle anderen Gastwirte berufen könnten, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde dem Rekurse des Herrn Franz Brodetz, Gastwirt in Steyr, gegen die abweisliche Entscheidung der Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr vom 11. September 1905, Z. 19.918, aus den Gründen der ersten Instanz und aus den obigen Erwägungen keine Folge gegeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.586. V. Sektion. Referent: Sektions=Obmann Herr G.=R. Leopold Köstler. 3. Verleihung einer Haratzmüller=Pfründe. Ueber Vorschlag des städtischen Armenrates wird über Antrag der Sektion der Frau Anna Dlauhy der Fortbezug der Johann Haratzmüller=Pfründe bis 1. Februar 1906 bewilligt. Z. 18.306. 4. Verleihung von vier Interessenbeträgen aus der Josef und Ludwig Werndl= Stiftung. Ueber Vorschlag des städtischen Armenrates und Antrag der Sektion werden die vier erledigten Pfründen von je 100 K jährlich aus der Josef und Ludwig Werndl=Stiftung nachstehen¬ den Bewerbern verliehen: Therese Schwind, Marie Hofner, Michael Hofmann und Marie Stöger. — Z. 15.784. 5. Ansuchen des Fechtklubs in Steyr um Wieder¬ überlassung des Turnsaales im Bürgerschulgebäude zu Fechtübungen. Ueber das vorliegende Ansuchen stellt die Sektion folgen¬ den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, daß dem Steyrer Fechtklub die angesuchte Benützung des Turnsaales m Bürgerschulgebäude an den Abenden des Montag, Mittwoch und Samstag von 6—7 Uhr in den Monaten vom Oktober bis April wie immer gegen Vergütung der Gasbeleuchtung und Be¬ orgung der Reinigung des Saales bewilligt werde. Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.510. 6. Ansuchen des Schulausschusses der gewerblichen Fortbildungsschule in Steyr um Wiederüberlassung der Schullokalitäten und Gewährung der bisherigen Sub¬ vention. Ueber das vorliegende Ansuchen stellt die Sektion folgen¬ den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, es sei dem Schulausschusse der gewerblichen Fortbildungsschule für Lehrlinge für das Schuljahr 1905/06 ein Erhaltungsbeitrag von 200 K, sowie die Benützung der angesuchten Lokale im Bürger¬ schulgebäude nebst Beheizung wieder zu bewilligen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 23.664. Antrag über die Erbauung der Brigade=Werkstätte im Komplexe der Artillerie=Kaserne. Der Herr Vizebürgermeister Franz Lang übernimmt den Vorsit Der Herr Bürgermeister referiert in Angelegenheit der Erbauung einer Brigade=Werkstätte im Komplexe der Artillerie¬ Kaserne wie folgt: Schon im ursprünglichen Bauprogramm für die Artillerie kaserne wurde die Erbauung einer Werkstätte in Aussicht ge¬
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