Ratsprotokoll vom 29. Juli 1904

2 der Landtag für die Übikationen der Equitation die gleichen Verbindlichkeiten eingeht, wie für die anderen Objekte der Ar¬ tillerie=Kaserne. Der Herr Vorsitzende erwidert, daß die Baukosten des Marodenhauses, wie er ja schon betont hat, nicht von den zwei Millionen Kronen bestritten werden können. Wie ja aus früheren Sitzungen bekannt ist, wurde der Bau des Marodenhauses wegen des Kostenpunktes halber das erste Mal vom löblichen Gemeinde¬ rate abgelehnt, bezw. dagegen Vorstellungen gemacht. Nun ist aber die Entscheidung, daß das Militärärar auf den Bau des Marodenhauses nach den vorliegenden Plänen unbedingt bestehe, für den Gemeinderat bestimmend gewesen, den Bau des Maroden¬ hauses schließlich zu beschließen. Schon damals wurde gesagt, daß die Kosten oder ein Teil derselben kaum aus dem Anlehen per 2 Millionen Kronen werde gedeckt werden können. Auch von der Brigade=Equitation war anfangs keine Rede und erst meinen mehrfachen Bemühungen war es zu danken, daß hohen Ortes dieselbe bewilligt wurde. In der Eingabe an den hohen Landtag wird es sich darum handeln, daß erstens derselbe die Aufnahme eines Nachtrags¬ darlehens in der beiläufigen Höhe von 500.000 bis 600.000 K bewilligt und daß er dieselbe Zinsengarantie leistet wie für das ursprüngliche Darlehen, und für die Gebäude der Equitation und des Marodenhauses dieselben Erhaltungskosten gewährt wie für die übrigen Objekte. Mit mathematischer Sicherheit läßt sich freilich nicht bestimmen, ob der hohe Landtag diesen Beschluß fassen wird, aber es ist kaum anzunehmen, daß derselbe mit der dislokation der Brigade=Equitation nach Oberösterreich nicht einverstanden sein sollte, weil hieraus dem Lande indirekter Nutzen erwächst und die ständige Unterbringung eines größeren Teiles der Heeresmacht in Oberösterreich ja immer angestrebt wurde und wird. Herr Vizebürgermeister Lang glaubt, daß die Anfrage des Herrn G.=R. Schachinger durch den Herrn Vorsitzenden voll¬ ständig beantwortet worden ist. Nachdem der Gemeinderat ein¬ mal den Bau der Unterkünfte für die Brigade=Equitation be¬ chlossen hat, so entstand hieraus die Obliegenheit, die nötigen Vorarbeiten in dieser Sache zu pflegen. Es ist absolut not¬ wendig, daß diese Unterkünfte gleichzeitig mit den übrigen Ob¬ jekten der Artillerie=Kaserne entstehen, namentlich auch wegen der Straßen=Anlagen. Er beantrage, daß der Gemeinderat dem Herrn Bürgermeister das Einverständnis dafür ausspricht, daß er in weiser Vorsicht den hohen Landesausschuß für die Be¬ willigung der Aufnahme eines neuen Darlehens zu diesem Zwecke günstig gestimmt hat, so daß nun bestimmt zu erwarten ist, daß der hohe Landtag das neue Darlehen bewilligen und für dasselbe dieselben Bedingungen eintreten lassen werde, wie für das ursprüngliche. Weiters beantrage er, daß dem Herrn Bürgermeister für seine Bemühungen der Dank des Gemeinde¬ rates zum Ausdrucke gebracht werde. Diesen Anträgen wird unter lebhaften Bravorufen zuge¬ stimmt. Auf die Interpellation des Herrn G.=R. Schertler, welche Stellung die Stadtgemeinde Steyr zur Fleischteuerung zu nehmen gedenkt, antwortet der Herr Bürgermeister, daß die Fleischver¬ teuerung die gesamte konsumierende Bevölkerung in gleichem Maße berührt und schwer trifft, daß es aber nicht so leicht möglich ist, in die Ursachen dieser betrübenden Erscheinung einen klaren Einblick zu erhalten. Die großen wirtschaftlichen Fragen und Uebelstände, welche sich nicht nur in Oesterreich, sondern in ganz Mitteleuropa abspielen, entziehen sich unserer Beurtei¬ lung und noch mehr unserem Einfluße, und es konnte nur Auf¬ gabe der Gemeinde sein, zu untersuchen, wie diese Angelegenheit in Steyr und in seinem Approvisionierungsgebiete liegt. Es wurde daher der berufene Sachverständige in dieser Angelegenheit, der städtische Tierarzt Herr Karl Prokop, zur Abgabe eines Gutachtens beauftragt, welches nunmehr vorliegt, und welches lautet: Steyr, am 6. Juli 1904. Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr. Zufolge erhaltenen Auftrages vom 23. Juni 1904, Z. 14.045, habe ich Erhebungen gepflogen, um die Ursachen der Erhöhung der Fleisch= und Speckpreise zu ermitteln und erlaube ich mir, hierüber Nachstendes zu berichten. Mit diesem Berichte halte ich mich nur auf den für die hierortigen Verhältnisse maßgebenden Viehverkehr von Schlacht¬ tieren mittelst der Eisenbahn und der Art und Form des Vieh¬ einkaufes von Seite der Fleischhauer, welche die Erhöhung der Rindfleischpreise bewirkt haben dürften. Die allgemeine Ansicht besteht darin, daß der Preis der Schlachttiere nur infolge der übergroßen Ausfuhr in das Aus¬ land seine Begründung findet. Die Ausfuhr von Schlachtvieh übertraf im Jahre 1903 die des Jahres 1904 um ein bedeu¬ tendes, weil im Vorjahre fast jeden Freitag 10—20 Ochsen nach Nürnberg zur Verladung gelangten, währenddem heuer solche Viehausfuhren monatlich fast nur einmal stattfanden. Eine ge¬ nauere Uebersicht über den Viehverkehr in der Eisenbahnstation Steyr könnte nach Einholung der Beschau=Protokolle, welche bei der k. k. Statthalterei in Linz hinterliegen, erzielt werden. Ich führe nur die zur Verladung gelangten Schlachttiere im Monate Juni l. J. an. Zum Export gelangten 6 Stück Ochsen; des weiteren wurden 18 Stiere und Beindlzieh nach Wien—St. Marx verladen. Betreffs letzterwähnter Ausfuhr muß angeführt werden, daß auch diese gegen das Vorjahr nachge¬ lassen hat. Ausgeführt wurden 24 Stück, denen gegenüber im Monate Juni l. J. 39 Stück Schlachtochsen zur Einfuhr, und zwar aus Kroatien und St. Marx gelangten. Erwähnt muß werden, daß gerade aus den Gemeinden Behamberg, Weistrach, St. Peter i. d. Au und Seitenstetten des polit. Bezirkes Amstetten, aus welchen Ortschaften hauptsächlich der Einkauf von Ochsen durch die hiesigen Fleischhauer besorgt wird, ein angeblich sehr starker Ochsenankauf durch fremde Händler stattfinden soll. In den umliegenden Gemeinden Gleink Losensteinleiten, Sierning und auch zum Teile in Garsten werden gar keine Ochsen gehalten, da die Bauern ihre Besitzungen nur durch Pferdegespanne bearbeiten lassen und der Aufzucht von Jungpferden Aufmerksamkeit widmen. In den Gemeinden Sankt Ulrich, Aschach, Ternberg und Losenstein ist der Stand an Ochsen ein großer, jedoch mästen die Bauern diese Tiere nicht und ver¬ aufen dieselben als Zugtiere zumeist nach dem Mühlviertel. Betreffs der Kühe kann gesagt werden, daß in früherer Zeit in der Umgebung die wenigsten Bauern Kühe zur Zucht ver¬ wendeten, beziehungsweise die geworfenen Kälber aufzogen. Durch die Nähe der Stadt wird wegen des leichten Absatzes nur ge¬ trachtet, von den Kühen viel Milch zu produzieren. Nach er¬ folgter Verringerung oder Sistieren der Milchabgabe werden diese Tiere zum Teile halbwegs gemästet, meist jedoch als soge¬ nanntes Beindlvieh an Fleischhauer verkauft und durch Ankauf der von Händlern aus anderen Kronländern eingeführten Nutz¬ kühe wieder ersetzt. Grund und Boden lassen die Bauern nur zum Ernteertrag und belassen nur wenig Weiden für Jungvieh. In den gebirgigen Gegenden, wie Neustift, Großraming 2c. ist dies wohl mehr der Fall, allein es kann auch dort eine Auf¬ ucht von Jungvieh nicht mehr in dem Maße stattfinden, wie früher, indem der Alpenauftrieb, welcher verhältnismäßig nicht kostspielig und für die Entwicklung dieser Tiere besonders ge¬ deihlich war, ziemlich eingeschränkt ist, da die Almen jetzt mehr als Jagdgebiete Verwendung finden und ein Viehauftrieb nur mehr in ganz beschränkterem Maße stattfinden kann. Tatsächlich herrscht ein Viehmangel und infolge dessen ist der Preis des Händler= resp. Nutzviehes in letzterer Zeit enorm gestiegen, glaube jedoch, daß dies alles nicht auf die Ausfuhr allein zurückzuführen ist. Seit mehreren Jahren herrschte kein besonderer Futtermangel, infolge dessen ein Bauer nur dann Vieh verkaufte, wenn dasselbe unproduktiv wurde. Im heurigen Jahre und insbesonders bis auf die letzten Wochen wurde die Wahrnehmung gemacht, daß ein Mangel an Stechkälbern herrschte, und daß infolge dessen der Preis auch dieser Fleischgattung ge¬ stiegen ist. Ursache derselben war jedoch, daß die Bauern Kälber zur Aufzucht behielten, da der Einkaufspreis des Nutzviehes durch Händler, wie bereits erwähnt wurde, gegen die Vorjahre gewiß um 30 % gestiegen ist. Die schwerere Beschaffung und die Er¬ höhung der Viehpreise dürften hauptsächlich durch letztangeführte Gründe bedingt worden sein. Die meisten Fleischhauer kaufen ihre Schlachttiere nicht nach Gewicht, sondern nach Kopf, d. i. nach Schätzung. In diesem Handel liegt oft der Vorteil, solche Tiere billiger zu erlangen, allein bei der derzeitigen gewaltigen Nachfrage wissen auch die Bauern die Tiere gut zu schätzen, weshalb angenommen werden kann, daß nur in wenigen Fällen ein größerer Reingewinn er¬ reicht werden kann. Betreffs der Kälberpreise kann angegeben werden, daß selbe jetzt von einigen Fleischhauern infolge der leichteren Beschaffung in allerletzter Zeit erniedrigt worden sind. Der Preis mit 1 K 28 k mit Zuwage würde zur Jetztzeit für diese Fleischgattung entsprechen. Dasselbe gilt auch für das Schweinefleisch. In den Vorjahren waren Schweine und ganz besonders in den Sommermonaten fast nicht zu haben, dadurch ging auch der Preis für diese Tiere in die Höhe. Durch die Mehreinnahmen angespornt, züchteten die Bauern Schweine und im heurigen Jahre kann ein auffälliger Mangel an diesen Tieren nicht mehr angegeben werden. Auch die Preise haben sich seit dem Vorjahre gemindert. Nach 1903 mußten Fleischhauer und Selcher gestochene Schweine um 1 K 16¼ bis 1 K 20 h kaufen. Heuer jedoch durchschnittlich 1 X das Kilo. Bezüglich des Speckes und Fettes ist die bestehende Teue¬ rung in absehbarer Zeit nicht zu beheben, da in Ungarn die Schweinepest noch nicht getilgt werden konnte und gerade Schweine dieser Provenienz (Bakonyer) zur Fettproduktion die besten sind, deren Stand durch das Bestehen der angeführten Seuche ganz gewaltig zurückgegangen ist. Die hier gezüchteten Schweine sind durchwegs deutscher Rasse resp. Produkte einer Kreuzung mit englischen, liefern jedoch nie in Qualität und Quantität so viel Fett als wie die ungarischen. Aus dem Angeführten wolle entnommen werden, daß die Rindfleischpreiserhöhung keine ganz unbegründete ist. Es wäre edoch auch auf die Fleischhauer einzuwirken, bei billigerem Ein¬ kaufe, wie dies jetzt bei Kälbern auferscheint und bei Schweinen tatsächlich der Fall ist, mit dem Preise zurückzugehen und dadurch eine Paralysierung mit dem Rindfleischpreise herbeizuführen. Sollte eine Futternot und hiedurch eine Verbilligung des Schlacht¬ viehes eintreten, so wäre darauf zu dringen, daß auch die Ver¬ kaufspreise entsprechend verringert werden sollen. Sollte, wie es auch anzunehmen ist, eine Vermehrung des Viehstandes eintreten und hiedurch eventuell eine Erleichterung im Einkaufe erfolgen, so wäre auch in diesem Sinne einzuwirken. Karl Prokop, Stadttierarzt. Aus einer tabellarischen Uebersicht, welche dem Gutachten beiliegt, geht hervor, daß bei dem heutigen Preise der Schlacht¬ tiere der Fleischhauer von einem fetten Ochsen im Gewichte von 500 Kilo und im Preise von 400 K einen Bruttogewinn von nicht mehr als 63 K 52 k erzielt. Aus den angedeuteten Gründen geht hervor, daß gegen die Verteuerung des Rind¬ fleisches dermalen nur mit Vorsicht Stellung zu nehmen ist, um die Kalamität nicht noch größer zu machen, wogegen bei Schweine¬

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