Ratsprotokoll vom 22. Jänner 1904

6 Im Falle dieser Pflichtversäumnis hat der Bürgermeister die säumigen Mitglieder des Gemeinderates zur Erfüllung ihrer Pflichten schriftlich aufzufordern und hievon dem Gemeinderate Mitteilung zu machen. § 50. Abänderungen dieser Geschäftsordnung können nur be¬ schlossen werden, wenn mindestens zwei Drittel des Gemeinde¬ rates bei der Sitzung anwesend sind und die absolute Mehrheit aller Gemeinderatsmitglieder — also mindestens 15 der an¬ wesenden Mitglieder — diesen Abänderungen zustimmen. Nachdem sich über Umfrage des Herrn Vorsitzenden, ob Jemand zu der eben vorgetragenen Geschäftsordnung noch etwas vorzubringen, beziehungsweise einen Antrag zu stellen habe. Niemand zum Worte weldet, bringt derselbe den vollen Inhalt der Geschäftsordnung mit dem Sektionsantrage zur Abstimmung und werden beide einstimmig angenommen. 7. Gemeindejagd = Ausschreibung. Liegt folgender Amtsbericht vor: Die Gemeindejagd in Stadt Steyr ist bis Jahresschluß 1903 an Herrn Johann Berger verpachtet gewesen und es muß be¬ züglich derselben eine Verfügung getroffen werden. Nach § 15 des Jagdgesetzes vom 13. Juli 1895, L.=G.=Bl. Nr. 8, sind Gemeindejagden in der Regel im Wege der öffent¬ lichen Versteigerung zu verpachten. Zu diesem Zwecke hat die Gemeinde=Vertretung die wesentlichsten Verpachtungs=Bedingun¬ gen zu entwerfen, von der politischen Bezirksbehörde genehmigen zu lassen, dieselben sodann mittelst Anschlag auf der Gemeinde¬ tafel durch 14 Tage mit dem Beisatze verlautbaren zu lassen, daß es jedem Grundbesitzer freisteht, innerhalb dieser Frist seine Einwendungen gegen die Bedingungen schriftlich oder mündlich einzubringen. Bezüglich der Bedingungen erlaube ich mir auf den Vorakt zu verweisen und glaube, die dort aufgeführten Bedingungen genügen. Als Vadium schlage ich einen einjährigen Pacht¬ schilling vor. Franz Gall m. p., Stadtrat. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde die Gemeindejagd der Stadt Steyr im Sinne des § 15 des Jagd¬ gesetzes vom 13. Juli 1895 im Wege der öffentlichen Verstei¬ gerung verpachtet. Die vorgelegten Pachtbedingnisse werden ge¬ nehmigt und hat der Herr Bürgermeister wegen der Ausschreibung der Versteigerung und Vornahme derselben das Weitere im Sinne dieses Gesetzes zu veranlassen. Nach den Pachtbedingnissen wird die Gemeindejagd für die Zeit vom 1. Februar 1904 bis 31. Jänner 1910 vergeben und beträgt der Ausrufpreis 10 K. Wird einstimmig genehmigt. — Z. 1106. S. Statthalterei=Entscheidung über den Rekurs des * Michael Stiegler betreffs Aberkennung des Bürgerrechtes der Stadt Steyr. Der Herr Referent teilt mit die Entscheidung der k. k Statthalterei Linz vom 7. Jänner 1904, Z. 18.173/1, wonach erkannt wurde, daß Michael Stiegler durch die Aufnahme in den Heimatsverband der Gemeinde St. Ulrich zwar des Heimats¬ rechtes, nicht aber des Bürgerrechtes in der Stadt Steyr ver¬ lustig wurde und stellt sodann namens der Sektion folgenden Antrag: Obwohl diese Entscheidung infolge des mittlerweile erfolgten Ablebens des Rekurrenten keine Bedeutung mehr hat, so soll doch eine prinzipielle, rechtskräftige Entscheidung in dieser wichtigen Frage erwirkt werden, damit in Hinkunft in diesen Fragen nach derselben entschieden werden kann. Es stellt demnach die erste Sektion den Antrag: Der löbl Gemeinderat wolle beschließen: Es werde gegen die Rekurs=Entscheidung der hohen k. k. Statt¬ halterei vom 7. Jänner 1904, Z. 18.173, aus prinzipiellen Gründen der Rekurs an das hohe k. k. Ministerium des Innern eingebracht. Einstimmig nach Antrag. — Z. 854. 9. Beschlußfassung, ob gegen eine Ministerial¬ Entscheidung in einer Ausweisungs=Angelegenheit die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden soll. Der Herr Referent gibt bekannt, daß mit Entscheidung des k. k. Ministeriums des Innern vom 15. November 1903, Z 23.761, die vom Gemeinderate am 20. Februar 1903 beschlossene und mit Statthalterei=Entscheidung vom 14. August 1903, Z. 150.302, bestätigte Ausweisung des Roman Hirsch behoben hat, weil die Stadtgemeinde nicht nachzuweisen vermochte, daß Roman Hirsch ur Zeit der Ausweisung einen bescholtenen Lebenswandel geführt ätte und weil die demselben von der Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr in Handhabung des o.=ö. Armengesetzes verabfolgten momentanen Unterstützungen nicht unter den Begriff des „der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last fallen“ subsummiert werden können. Der Sektionsantrag hierüber lautet: In Anbetracht der vom k. k. Ministerium geltend gemachten Gründe und bei dem Umstande, als die Aufhebung von admi¬ nistrativen Entscheidungen seitens des k. k. Ministeriums auch bei vorhandener Rechtskraft zulässig erscheint, stellt die! Sektion den Antrag: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen: Es werde aus diesen Gründen von der Einbringung einer Beschwerde an den hohen k. k. Verwaltungsgerichtshof in Wien abgesehen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 25.199. Hierauf erbittet sich Herr G.=R. Dr. Franz Angermann das Wort zu folgendem Vortrage: Löbl. Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr! Unter den Mitteilungen der heutigen Sitzung wurde be¬ kannt gegeben, daß das vom Gemeinderate in der Sitzung vom 21. Juni 1901 beschlossene Landesgesetz betreffend die Abänderung der „Wahlordnung“ des Gemeindestatutes der Stadt Steyr die kaiserl. Sanktion erhalten hat. Da laut Art. II dieses Gesetzes dasselbe mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit tritt, so werden bereits die heurigen Gemeinderatswahlen nach der neuen Wahlordnung vorzu¬ nehmen sein. Die wichtigste Neuerung in dieser Wahlordnung ist die Einführung des IV. Wahlkörpers, in welchem auch Wählern das aktive und passive Wahlrecht zusteht, die bisher in dem 1, II. und III. Wahlkörper kein Wahlrecht besessen haben. Da nun seit der Verhandlung über diese neue „Wahl¬ ordnung“ im Gemeinderate (21. Juni 1901) nahezu 2¾ Jahre verflossen sind, ist es begreiflich, daß die Wählerschaft unserer Stadt mit der Konstruktion dieser Wahlordnung nicht derart vertraut ist, daß nicht ganz irrige Anschauungen über die Haupt¬ grundsätze dieser Wahlreform Platz greifen können, und derselben auch ein ganz anderer Zweck beigelegt wird, als wie solcher vom Gemeinderate bei Abfassung dieser Wahlreform beabsichtigt war. Tatsächlich wurden auch in verschiedenen Kreisen unserer Wählerschaft seit dem Bekanntwerden der Sanktion dieser Wahl¬ reform ganz irrige und unbegründete Anschauungen und Mei¬ nungen über dieselbe geäußert, die jedoch total unbegründet sind. Diese hochwichtige Angelegenheit wurde in der Rechtssektion zur Sprache gebracht und hat die Sektion im Interesse einer richtigen, dem Geiste und dem Zwecke dieses Gesetzes entsprechenden Klarstellung und Erörterung mich als Sektions=Obmann beauf¬ tragt, in der heutigen Sitzung das Wort zu ergreifen und diese neue Wahlreform einer Besprechung zu unterziehen, damit in den Kreisen der Wählerschaft unserer Stadt sowohl 1. über die recht¬ liche Konstruktion, als auch 2 über die Tendenz dieser neuen Wahlreform volle Klarheit geschaffen, in Hinkunft irrige und unbegründete Anschauungen und Meinungen nach Möglichkeit vermieden werden können. Bereits in der Sitzung vom 23. Dezember 1898 hat der Gemeinderat mit Rücksicht darauf, daß durch die Einführung der Personal=Einkommensteuer eine große Anzahl von Steuerträgern geschaffen wurde, welchen aber nach dem Gemeindestatute von Steyr ein Wahlrecht in die Gemeindevertretung nicht zusteht, beschlossen, dem Gebote der Billigkeit und Gerechtigkeit folgend einen Gesetzentwurf, also eine neue Wahlreform auszuarbeiten: „Auf Grund deren den neuen Steuerträgern, welche Kraft des geltenden Gemeindestatutes bisher vom Wahlrechte in die Gemeindevertretung ausgenommen waren, durch Schaffung eines IV Wahlkörpers das aktive und passive Wahlrecht für die Ge¬ meindevertretung eingeräumt werde.“ Schon in der Gemeinderatssitzung vom 24. Februar 1899 wurde diese Wahlreform vorgelegt, beraten und auch einstimmig zum Beschlusse erhoben. In dieser Wahlreform wurde die bestehende Wahlordnung ür den I., II und III. Wahlkörper vollkommen unberührt ge¬ lassen und nur für jene Steuerträger, welche vom Wahlrechte in den drei Wahlkörpern bisher ausgenommen waren, ein eigener IV Wahlkörper gebildet, in welchem nur diese Steuerträger, die sich hauptsächlich aus den Kreisen der Arbeiterschaft rekrutiert hätten und die bisher vom Wahlrechte in den drei Wahlkörpern als Gewerbsgehilfen ohne selbständigen Erwerb gemäß § 26 Ge¬ meindestatut ausgenonmen waren, das aktive und passive Wahl¬ recht zuerkannt worden wäre. Wenn diese Wahlreform vom Landtage genehmiget und von Sr. Majestät sanktioniert worden wäre, dann hätten in dem IV. Wahlkörper nur diese Steuerträger, also hauptsächlich die Arbeiterschaft 1. aktiv wählen und 2. auch nur Wähler aus diesem IV. Wahlkörper als Gemeinderäte gewählt werden können. Bei der Konstruktion dieser Wahlreform ging der Gemeinde rat von der Erwägung aus, daß bei dem Umstande, als der größte Teil jener, welchen nun das Wahlrecht in die Gemeinde¬ vertretung zuerkannt werden sollte, dem Arbeiterstande angehört, durch die Schaffung eines eigenen IV. Wahlkörpers, wo dieselben allein aktiv und passiv wahlberechtigt sein sollten, die möglichste Sicherheit geboten wird, daß dieselben ihre eigenen Vertreter in den Gemeinderat entsenden können. Diese Wahlreform wurde jedoch vom Landtage nicht ge¬ nehmigt und die hohe Regierung hat den Gemeinderat ange¬ wiesen, eine Wahlreform zu schaffen, in der der zu bildende vierte Wahlkörper analog nach der V. Kurie der Reichsrats Wahlordnung zu konstruieren sei, da die Bildung eines eigenen Wahlkörpers für die Arbeiterschaft den allgemeinen Grundsätzen der Wahlordnung widerspreche und daher unzulässig sei. Dadurch wurde die ehrliche Absicht des Gemeinderates — der bisher wahlrechtslosen Arbeiterschaft im Gemeinderate eine eigene entsprechende Vertretung zu sichern — vereitelt und der Gemeinderat mußte — wenn überhaupt die Wahlreform sanktio¬ niert werden sollte — die Bildung des IV. Wahlkörpers nach den Grundsätzen der V Kurie der Reichsratswahlordnung vor¬ nehmen, so daß im IV. Wahlkörper nicht blos die Arbeiterschaft, ondern auch alle Wähler des I., II und III. Wahlkörpers aktiv und passiv wahlberechtigt sind.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2