Ratsprotokoll vom 22. Jänner 1904

§ 4. Die Sitzungen des Gemeinderates sind in der Regel öffentlich, doch kann ausnahmsweise über Antrag des Bürger¬ meisters oder über Antrag von wenigstens fünf Gemeinderäten die Ausschließung der Oeffentlichkeit der Sitzungen beschlossen werden mit Ausnahme jener, in welchen die Gemeinde=Rechnun¬ gen und der Gemeinde=Voranschlag verhandelt werden. § 5. Die Zuhörer haben sich jeder Aeußerung zu enthalten. Wenn sich dieselben herausnehmen, die Beratungen des Gemeinde¬ rates zu stören oder die Freiheit desselben zu beeinträchtigen, ist der Vorsitzende berechtiget und verpflichtet, nach vorausge¬ gangener fruchtloser Ermahnung die Zuhörer aus dem Sitzungs¬ saale entfernen zu lassen. Der Eintritt in den Sitzungssaal ist nur erwachsenen Per¬ sonen nach Zulänglichkeit des Raumes gestattet. § 6. Die Gemeindebeamten haben über Anordnung des Vor¬ sitzenden in der Sitzung anwesend zu sein und über Aufforderung desselben von Fall zu Fall die erforderlichen Auskünfte zu geben. 8 7. Mit Ausnahme von Verhinderungsfällen haben die Mit¬ glieder des Gemeinderates bei den Sitzungen regelmäßig zu erscheinen und ist ihnen ohne Urlaub oder Entschuldigung nicht gestattet, von der Sitzung wegzubleiben. § 8. Urlaubsgesuche für die Dauer eines Monates kann der Bürgermeister, längere Urlaube jedoch hat der Gemeinderat zu bewilligen. Von jeder Urlaubs=Erteilung hat der Vorsitzende dem Gemeinderate Mitteilung zu machen. § 9. Jeder Gemeinderat ist verpflichtet, unmittelbar nach seinem Eintritte in den Gemeinderat in öffentlicher Sitzung ein Gelöbnis abzulegen des Inhaltes: „Dem angestammten Kaiserhause und dem Vaterlande jederzeit unbedingt die Treue zu bewahren, den österreichischen Staatsgedanken stets hochzuhalten und den Bestimmungen des Gemeinde=Statutes der l. f. Stadt Steyr und der Geschäfts¬ ordnung des Gemeinderates stets nachzukommen.“ Das Gelöbnis ist mit den Worten: „Ich gelobe“ zu leisten. Ein Gelöbnis unter Bedingungen oder mit Zusätzen gilt als verweigert. § 10. Der Bürgermeister oder in seiner Verhinderung dessen Stellvertreter leitet die Verhandlung und hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß nur solche Angelegenheiten der Beratung und Beschlußfassung des Gemeinderates unterzogen werden, welche in den Wirkungskreis der Gemeinde gehören. Derselbe hat weiters für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung während der Sitzungen zu sorgen und hat Unge¬ hörigkeiten, die während der Verhandlung vorkommen, durch Mahnungen, Rügen und Verweisung zur Ordnung und Ent¬ ziehung des Wortes zu ahnden. Sollte ein Mitglied des Gemeinderates durch sein Ver¬ halten während der Sitzung das nach § 9 geleistete Gelöbnis gebrochen haben, so hat der Vorsitzende sofort die Einberufung des Disziplinar=Ausschusses zu verfügen. Es kann aber auch die Einberufung des Disziplinar=Ausschusses von jedem Mitgliede des Gemeinderates verlangt werden, über welchen Antrag sogleich ohne Debatte abzustimmen ist. Behufs Einberufung des Disziplinar=Ausschusses ist die Sitzung zu unterbrechen und hat sich sofort der Disziplinar¬ Ausschuß zu versammeln. Derselbe muß ohne Verzug über die Angelegenheit seinen Beschluß fassen und ist dieser Beschluß sogleich in wiedereröffneter Sitzung des Gemeinderates zu ver¬ künden. Der Disziplinar=Ausschuß ist berechtiget, auf Ausschluß des betreffenden Gemeinderats=Mitgliedes von dieser, im äußersten Falle auch von den nächstfolgenden drei Sitzungen zu erkennen. Einem solchen Ausspruche des Disziplinar=Ausschusses hat sich das ausgeschlossene Mitglied des Gemeinderates unbedingt zu fügen, widrigens dasselbe seines Amtes verlustig wird und in dem Zeitraume von zwei Jahren nicht wieder gewählt werden kann. Jeder solche Ausschluß muß in öffentlicher Sitzung bekannt gegeben werden. § 11. In der Regel müssen alle Angelegenheiten und Geschäfts¬ stücke, welche nach dem Gesetze in den Wirkungskreis des Gemeinde¬ rates gehören, ehevor sie zur Gemeinderats=Sitzung gelangen, in der betreffenden Sektions=Sitzung vorberaten und mit einem aus¬ gearbeiteten Antrag zur Gemeinderats=Sitzung gebracht werden. Diese also vorbereiteten Geschäftsstücke bilden die Tagesordnung der nächsten Gemeinderats=Sitzung. § 12. Zum Zwecke dieser Vorberatung und Ausarbeitung der Geschäftsstücke für den Vortrag in der künftigen Gemeinderats¬ Sitzung teilen die sämtlichen Gemeinderäte sich in die Geschäfte nach vier Abteilungen (Sektionen), so daß jeder Gemeinderat sich mindestens in einer Sektion verwenden lassen muß. § 13. Die vier Sektionen sind folgende: I. Sektion. Für die innere Verwaltung. Dahin gehören: 1. Die Uebersicht der Geschäftsführung der Gemeinde=Ver¬ waltungs=Organe (§ 59). 2 Die Ueberwachung der Gemeinde=Unternehmungen (§ 61). 3. Die Ueberwachung der Aufrechthaltung der Lokalpolizei (§ 56). 4. Aufnahme in den Gemeindeverband (§ 4). 5. Verleihung des Bürger= und Ehrenbürgerrechtes (§§ 7 u. 9). 6. Entscheidung über den Verlust des Bürgerrechtes (§ 7) und über das Verhältnis der Auswärtigen (§ 15). 7. Alle auf den Gemeindeverband sich beziehenden Angelegen¬ heiten (§ 47, Abs. 1). 8. Die Erledigung aller Angelegenheiten, welche sich auf die Sicherheit der Person und des Eigentumes, die Lebensmittel¬ Polizei, die Ueberwachung des Marktverkehres, insbesondere die Aufsicht auf Maß und Gewicht, die Gesundheits=Polizei, die Gesinde= und Arbeiter=Polizei und die Handhabung der Dienstboten=Ordnung und die Sittlichkeits=Polizei beziehen. Abs. 2, 4, 5, 6, 7 und 12 des § 47). 9. Die Ausübung des Petitionsrechtes (§ 59 des Statutes) 10. Die Prüfung der Berufungen gegen die Amtshandlungen des Bürgermeisters in Gegenständen des selbständigen Wirkungskreises (§ 64 des Statutes). 11. Prüfung des Wahlergebnisses nach § 38 des G.=St. 12. Die Entscheidung über die Annahme des Mandates und dessen Ablehnung (§ 39). 13. Anträge über die Anstellung, über die Bezüge, über Syste¬ misierung, Pensionierung und Entlassung von Beamten und Dienern der Stadtgemeinde. 14. Die Bewilligung zur Eingehung und Auflösung von Ver¬ trägen. 15. Die Einleitung und Aufhebung von Rechtsstreiten, die Ab¬ schließung von Vergleichen und Bestellung eines Rechts¬ anwaltes. II. Sektion. Für den städtischen Haushalt. Dahin gehören: 1. Die Ordnung und Ueberwachung des städt. Haushaltes, des Stammgutes und Stammvermögens der Gemeinde. 2. Die Vorsorge für die Bedeckung eines im Jahresvoranschlage nicht vorgesehenen Abganges oder einer solchen Auslage. 3. Die Aufnahme von Darlehen, die Verpfändung des Gemeinde¬ Vermögens und die Leistung von Bürgschaften im Interesse der Gemeinde. 4. Die Prüfung und Erledigung der Jahresrechnung (§ 50). 5. Die Antragstellung zur Abschreibung von zweifelhaften und uneinbringlich gewordenen Forderungen und Nachsicht von Ersätzen (§ 51). 6. Die Beaufsichtigung der Kassen und deren Skontrierung (§ 60). 7. Die Antragstellung über den Gehalt des Bürgermeisters und die Gebühren der Gemeinderäte (§ 44). Ueberwachung der städt. Mauten und Gefälle. III. Sektion Städtisches Bauwesen. Dahin gehören: 1. Die Erhaltung der städt. Gebäude und deren Inventarial¬ stücke und die städt. Gründe. 2. Ueberwachung der Gemeindebauten. 3. Einkauf und Verkauf von Materialien jeder Art zum Zwecke baulicher Herstellungen innerhalb der Grenzen des Präli¬ minares oder der vom Gemeinderate hiezu bestimmten Beträge. 4. Die Kontrolle der bauämtlichen Rechnungen 5. Die Vorsorge für die Pflasterung, Erhaltung der Straßen, Gassen und Wege der Gemeinde, für die öffentliche Be¬ leuchtung, ferners die Ueberwachung des Kanalwesens, der städt. Brücken, Brunnen und Wasserleitungen, sowie der sonstigen öffenlichen Anlagen und die Ueberwachung der Badeanstalten. 6. Die Handhabung der Feuerpolizei= und Bauordnung und die Vorerhebungen zur Erteilung der Baubewilligungen § 47, Abs. 10). 7. Die Vorsorge für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres auf Straßen und Gewässern; die Fluren=Polizei (§ 47, Abs. 3). IV. Sektion. Kultus=, Unterrichts= und Humanitätswesen. Dahin gehören alle Gegenstände: 1. Der Armenpflege (§ 54). 2. Des Lokal= Sanitätswesens. 3. Der Verwaltung der Stiftungen (§ 53 G.=St.) 4. Der Schul=, Kirchen= und Spitals=Angelegenheiten. § 14. Dem Bürgermeister steht das Recht zu, jeden Gemeinderat einer dieser Sektionen zuzuweisen, und er hat sich dabei auf diesfällige Wünsche und Qualisikation eines Gemeinderates für dieses oder jenes der obigen vier Hauptsächer zu richten. Werden gegen die Zusammensetzung der Sektionen Einwendungen gemacht, so entscheidet hierüber der Gemeinderat.

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