Ratsprotokoll vom 23. Oktober 1903

Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am 23. Oktober 1903. Tages=Ordnung: Beschlußfassung über die Erbauung des Marodenhauses zur Artillerie-Kaserne. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Bürgermeister Viktor Stigler. Der Vizebürgermeister Herr Franz Lang. Die Herren Gemeinderäte: Edmund Aelschker, Dr. Franz Angermann, Leopold Anzengruber, Gottlieb Bruckschweiger, Alexander Busek, Ferdinand Gründler, Josef Hack, Ferdinand Handstanger, Karl Heindl, Josef Hiller, Josef Huber, Johann Kollmann, Leopold Köstler, Mathias Perz, Dr. August Redtenbacher, Ferdinand Reitter, Josef Schachinger, Gottfried Sonnleitner und Josef Tureck. Ferner sind anwesend: Herr Stadtrat Franz Gall und als Schriftführer Herr Franz Schmidbauer. Entschuldigt sind die Herren Gemeinderäte Otto Schönauer, Rudolf Sommerhuber und Anton Stippl. Der Herr Vorsitzende konstatiert die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates, ersucht um die Verifikation dieses Protokolles die Herren Gemeinderäte Gottfried Sonnleitner und Josef Schachinger und erklärt um 3 Uhr nachmittags die Sitzung für eröffnet. Tagesordnung: Beschlußfassung über die Erbauung eines Maroden¬ hauses zur Artillerie=Kaserne. Der Herr Vorsitzende erteilt dem Referenten des Kasern¬ baukomitees, Herrn Dr. Franz Angermann, das Wort: Herr G.=R. Dr. Angermann referiert zum Gegenstande der Tagesordnung wie folgt: Ich hatte bereits in der Sitzung vom 27. Juni d. J. die Ehre, über die Erbauung eines Marodenhauses zur Artillerie¬ kaserne zu referieren. Wie bekannt, wurde ursprünglich die Erbauung eines Marodenhauses nicht ins Auge gefaßt, sondern erst durch eine nachträgliche Verfügung des k. k. Reichskriegs¬ ministeriums mußte sich der Gemeinderat mit diesem Projekte beschäftigen, welches nach den vorliegenden Plänen auf 160.000 K berechnet wurde. Der Gemeinderat hat damals die unbedingte Notwendigkeit der Erbauung eines Marodenhauses in so großem Stile nicht anerkannt und hat in seiner Sitzung vom 27. Juni d. J. einstimmig beschlossen, an die Kriegsverwaltung mit der Bitte heranzutreten, von der Erbauung eines Marodenhauses in so großem Stile Umgang zu nehmen, weil die Herstellung eines solchen Marodenhauses mit Rücksicht auf den Stand der Gar¬ nison und nachdem im Kasernbauprojekte ohnehin für Maroden¬ zimmer genügend vorhergesehen wurde, nicht notwendig sein dürfte. Das k. k. Reichskriegsministerium hat diesem Ansuchen keine Folge gegeben, sondern die Entscheidung getroffen, daß auf die Beistellung eines Marodenhauses in dem angesprochenen Umfange für jeden Fall beharrt werden müsse, und daß von dem Neubau eines solchen nur dann abgestanden werden könnte, wenn die Stadtgemeinde ein anderes bereits bestehendes Objekt für die Unterbringung des Marodenhauses beizustellen in der Lage ist. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß beim Neu¬ bau des Garnisonsspitales in Linz auf die bevorstehenden Neu¬ aufstellungen und Dislokationsänderungen, nämlich Verlegung des Korps=Artillerie=Regimentes Nr. 14 nach Steyr, eines Divi¬ sions=Artillerie=Regimentes nach Linz 2c., keine Rücksicht ge¬ nommen worden ist, und daß die Beistellung eines Maroden¬ hauses in Steyr für die vermehrte Garnison umso notwendiger erscheint, als dem daselbst dislozierten Jägerbataillon nur zwei Zimmer mit dem Belagraum von acht Kranken im städtischen Anna=Spitale zur Verfügung stehen. Der erhobene Einwand, daß das projektierte Marodenhaus nicht einfach genug, sondern ein den neuesten hygienischen Anforderungen entsprechendes, förmliches Truppenspital sei, wurde als nicht stichhältig erkannt, da für Marodenhäuser und Truppenspitäler in bautechnischer Hinsicht dieselben Bestimmungen gelten. Da durch jede weitere Zurückhaltung die Entwicklung des Baues der Kaserne noch weiter hinausgeschoben oder gar in Frage gestellt wird, so wird dem Gemeinderate nichts anderes übrig bleiben, als der Erbauung des Marodenhauses nach den vorgelegten Plänen zuzustimmen. Was die Geldbeschaffung für diesen Bau, welcher nach der Berechnung des Militär=Aerars auf 160.000 K zu stehen kommt und vielleicht noch mehr kosten dürfte, anbelangt, so muß diese Frage separat behandelt werden, da für diesen Neubau in dem Darlehen von 2 Millionen Kronen nicht vorgesehen ist. Die Frage, ob und welcher Nachtragskredit für das Marodenhaus in Anspruch zu nehmen sein wird, kann erst im Laufe des nächsten Frühjahres entschieden werden, weil erst bis dahin eine genaue Kostenberechnung des Kasernbaues und Marodenhauses möglich sein wird. Mit Rücksicht auf diese Erörterungen erlaubt sich das Kasernbaukomitee folgenden Antrag zu stellen: Mit Rücksicht darauf, daß das k. k. Reichskriegsministerium auf die Erbauung eines Marodenhauses nach dem vorgelegten Projekte absolut besteht, der Stadtgemeinde Steyr ein anderes Haus für die Zwecke eines Marodenhauses nicht zur Verfügung ist und die ganze Kasernbau=Angelegenheit im Falle einer abermaligen Ablehnung der Erbauung des geforderten Marodenhauses zum mindesten noch weiter hinausgeschoben, ja möglicherweise fraglich gemacht werden könnte, stellt das Kasernbaukomitee den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, es werde der vom hohen k. k. Reichskriegsministerium vorgeschriebenen Er¬ bauung eines Marodenhauses in Steyr nach dem vorgelegten Projekte zugestimmt und wird das Kasernbaukomitee angewiesen, seinerzeit wegen Aufnahme eines Nachtragskredites zur Deckung der Kosten dieses Marodenhauses die geeigneten Anträge zu stellen. Der Herr Referent bemerkt noch, er möchte vorEröffnung der Debatte über den Antrag des Kasernbaukomitees noch über zwei Fragen vom Herrn Bürgermeister eine Aufklärung erhalten, nämlich ob der Landtag für das Marodenhaus die Zinsen¬ garantie übernehmen und auch einen Erhaltungskostenbeitrag bewilligen werde, und zwar für die Zeit von 25 Jahren. Der Herr Vorsitzende gibt bekannt, daß der ursprüngliche Beschluß des Landtages dahin geht, daß er einen gewissen, auf Grund des Einquartierungsgesetzes schon im Jahre 1887 ge¬ faßten Beschluß entsprechend, für die Artilleriekaserne und was damit zusammenhängt, also auch für die Baugründe, den ge¬ wissen perzentuellen Landesbeitrag auf 25 Jahre hinaus leistet. Als damals der Landtag diesen Beschluß faßte, war von einer bestimmten Anzahl von Objekten für die Artilleriekaserne keine Redé. Nachdem aber der Beschluß des Landtages dahin lautet, daß die gesammten Baukosten für die Kaserne inklusive Grund¬ erwerbung vom Lande subventioniert werden, so sei es wohl außer Zweifel, daß der oberösterreichische Landtag keinen An¬ stand nehmen werde, diese Subvention auch auf das Maroden¬ haus auszudehnen, da auch keine Ursache vorhanden wäre, die¬ selbe zu verweigern, da dasselbe eben hergestellt werden müsse. Eine bestimmte Summe für den Bau der Artilleriekaserne konnte damals nicht genannt werden und auch heute nicht, weil sowohl durch Ereignisse, wie das heutige, wie auch durch die Last von Interkalarzinsen über die berechnete Zeit hinaus, so wie bei

2 den Baukosten selbst Ueberschreitungen vorkommen können. Der Stadt Wels wurde auch anläßlich der Erweiterung der Land¬ wehrkaserne unter anderem auch der Bau eines Marodenhauses aufgetragen, und es wurde der Stadt Wels anstandslos die übliche Subvention bewilligt, und es liegt kein Grund vor, die Stadt Steyr anders zu behandeln. Ich glaube, darüber dürfen wir uns keiner Sorge hingeben, weil ja auch bei der kom¬ missionellen Verhandlung, wo das erstemal von dem Maroden¬ haus die Rede war, der anwesende Vertreter des Landes sich geäußert hat, daß wohl nichts übrig bleiben werde, als das Marodenhaus zu bauen. Somit glaube ich, die vom Herrn Referenten aufgeworfenen Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben. Herr G.=R. Hiller bemerkt, daß nach den Ausführungen des Herrn Referenten und des Herrn Bürgermeisters der Bau des Marodenhauses nicht mehr abgelehnt werden könne und er erwarte sich die Beitragsleistung des Landes für das Maroden haus in dem Maße, wie sie für den Bau der Artilleriekaserne selbst zugesichert wurde. Ihn interessiere bei der Sache etwas anderes, nämlich die Gegenleistung des Kriegsministeriums, und er möchte daher an den Herrn Bürgermeister die Anfrage stellen, ob er mit Bestimmtheit sagen könne, daß mit dem 14. Korps=Artillerie=Regiment auch die Equitation und die Ein¬ jährig=Freiwilligenschule mit nach Steyr kommt, wenn nicht, so möchte er den Herrn Bürgermeister ersuchen, in dieser Richtung zeeignete Schritte einzuleiten. Es falle ihm auf, daß nur eine Reitschule gebaut werde, was befürchten lasse, daß die Equitation und Freiwilligenschule vielleicht nicht hieher komme. Der Herr Vorsitzende erwidert, die Ausgestaltung der Artillerie ist maßgebenden Ortes nicht endgiltig abgeschlossen, und er kann daher nicht sagen, was von den erwähnten Insti¬ tutionen diesem Korps=Artillerie=Regiment in Steyr zugewiesen werden wird. Bezüglich der Reitschule befindet sich der Herr Vorredner im Irrtum, denn es werden vier Reitschulen gebaut, drei offene und eine gedeckte, welch' letztere namentlich von einer solchen Ausdehnung ist, daß sie den gesteigertsten Anforderungen genügen dürfte. Die Verhandlungen mit der Kriegsverwaltung bezüglich der Kaserne sind noch nicht endgiltig abgeschlossen. Die¬ selbe wartet noch auf die heutige Entschließung des Gemeinde¬ rates, bevor sie das letzte Wort spricht. Wenn wir die endgiltige Zustimmung haben und das Bauprogramm erledigt ist, dann werde er sich an maßgebender Stelle in Wien gewiß bemühen, für Steyr zu erreichen, was möglich ist. Das eine glaube er, daß die Erbauung des Marodenhauses für Steyr kein ungünstiges Ereignis ist, weil man in Zukunft darauf Rücksicht nehmen wird und wenigstens nach dieser Seite für eine eventuelle Vermehrung der Garnison schon Vorsorge getroffen ist. Da sich Niemand mehr zum Worte meldet, bringt der Herr Vorsitzende den Antrag des Kasernbaukomitees zur Ab¬ stimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Herr Vizebürgermeister Lang ersucht um Beschlußfassung über einen dringlichen Gegenstand, nämlich bezüglich des An¬ kaufes der Weinzierlquellen. Die Dringlichkeit dieses Gegenstandes wird angenommen. Der Herr Referent führt aus, daß der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 29. April d. J. beschlossen habe, die Steiner¬ wiese am Weinzierlgute in Gleink mit drei darauf befindlichen Quellen anzukaufen. Eine vierte auf dieser Wiese befindliche Quelle wollte der Besitzer der Stadtgemeinde kostenlos über¬ lassen, habe aber dieses Versprechen wieder zurückgenommen, da er diese Quelle nicht entbehren könne. Die Bausektion habe die Ergiebigkeit der drei Quellen längere Zeit geprüft und ist zu dem Resultate gekommen, daß diese Quellen, von denen eine so niedrig liegt, daß sie nicht leitungsfähig ist, für den Bedarf der Artillerie=Kaserne nicht ausreichen. Diese Quellen würden selbst in der wasserreichen Zeit nicht mehr als 500 Hektoliter in 24 Stunden geben. Dieses Wasserquantum stehe nicht im Verhältnisse zu den Kosten der Erwerbung und Verwertung derselben und erlaubt sich somit die Sektion folgenden Antrag zu stellen: Die Sektion stellt den Antrag, der löbliche Gemeinderat wolle in Erwägung, daß teils durch die niedrige Lage der Quellen und weil der Eigentümer eine zugesagte Quelle nicht einbeziehen läßt, das zur Leitung verfügbare Wasserquantum so gering wird, daß es in keinem günstigen Verhältnisse zu den Kosten der Erwerbung und Zuleitung steht, den am 29. April d. J. gefaßten Beschluß auf Ankauf der Steinerwiese des Zehetnergutes, Gemeinde Gleink, zurücknehmen. Dem Besitzer der Wiese und der für die Leitung in Betracht kommenden Grundbesitzer wird für ihr freundliches Entgegenkommen gedankt. Herr G.=R. Schachinger bemerkt, er war für den An¬ kauf dieser Quellen schon früher nicht begeistert. Er möchte aber auch wissen, wie es mit der gegenwärtigen Wasserleitung steht, ob der neue Brunen am Schlüsselhofe genügend Wasser gebe, um eventuell auch Steyrdorf damit versorgen zu können. Der Herr Referent erwidert, daß der für die Wasser¬ beschaffung zur Artillerie=Kaserne hergestellte Brunnen so viel Wasser liefere, daß derselbe kaum erschöpft werde. Die Anlage der Pumpe ist derart, daß das 1500 Hektoliter fassende Reservoir in 10 Stunden vollständig gefüllt sei. Der Antrag, diese Wasser¬ leitung für andere Zwecke als für die Artillerie=Kaserne nutzbar zu machen, halte er für verfrüht. Die Wasserleitung könne als eine vollkommen gelungene bezeichnet werden, aber dieselbe sei nur für die Artillerie=Kaserne gebaut worden und kann vorläufig nicht für andere Zwecke verwendet werden. Der Herr Vorsitzende bemerkt, man könne heute noch nicht von einem Wasserüberschusse aus der für die Kaserne hergestellten Wasserleitung sprechen. Um die Ergiebigkeit einer solchen Wasser¬ leitung auszuproben, braucht man mehrere Jahre. Es können trockene Sommer und lange dauernder Frost kommen, wo das Wasser erheblich weniger wird. Die Gemeinde muß die über¬ nommene Verpflichtung, der Artillerie=Kaserne das nötige Wasser¬ quantum das ganze Jahr hindurch zuzuführen, erfüllen, und wenn die Wasserleitung hiezu nicht ausreichen sollte, müßte sie auf andere Art das Wasser beschaffen, was eine ebenso peinliche als kostspielige Sache wäre, daher von einer anderweitigen Ver¬ wendung der Wasserleitung gar nicht gesprochen werden kann. Nach weiterer kurzer Debatte wurde der Antrag der Sektion einstimmig angenommen. Druck v. G. Bruckschweiger, Steyr. 1903-10.

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