Ratsprotokoll vom 11. September 1903

2 Der Herr Referent stellt nun namens der I. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle den vorliegenden Gesetzentwurf genehmigen und den Herrn Bürgermeister beauf¬ tragen, das Weitere wegen der gesetzesmäßigen Behandlung dieses Gesetzentwurfes im oberösterreichischen Landtage zu veranlassen. Der Herr Vorsitzende bringt die Dringlichkeit dieses An¬ trages zur Abstimmung und wird dieselbe einstimmig anerkannt. Hierauf bringt der Herr Vorsitzende die Artikel 1 bis 5 des Gesetzentwurfes je einzeln zur Abstimmung und werden dieselben einstimmig angenommen. — Z. 16.197. 2. Beschlußfassung wegen Absendung einer Petition an die k. k. Regierung um Zurücknahme des Erlasses wegen Zurückhaltung der 3. Altersklasse im Präsenz¬ dienste. Der zweite Dringlichkeitsantrag lautet: Löblicher Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr! Die all¬ gemein bekannte Verordnung des hohen k. k. Reichs=Kriegsmini¬ steriums, nach welcher die im 3. Präsenzdienstjahre stehenden Soldaten heuer nicht beurlaubt, sondern noch weiter im Militär¬ dienste behalten werden sollen, hat bei uns in Oesterreich überall die größte Aufregung hervorgerufen, weil dadurch den meisten der zurückbehaltenen Soldaten die größten Nachteile entstehen viele Existenzen geschädiget und ganze Familien, insbesondere aber die Landwirte und Ge¬ werbetreibenden argen Schaden erleiden, wenn ihre Söhne, die in der Wirtschaft, im Gewerbe mithelfen sollen, noch länger in der militärischen Dienstleistung zurückbehalten werden. Dazu kommt noch, daß diese Verfügung lediglich deshalb erfolgte, weil die Ungarn durch ihre Obstruktion die Bewilligung der Rekruten=Aushebung verhinderten und noch verhindern, so daß wir Oesterreicher nun durch die Zurückbehaltung der drei¬ jährigen Militärdiener zu leiden haben. Von allen Faktoren, den Abgeordneten der Parteiverbände, von den meisten autonomen und sonstigen größeren Städten sind bereits Kundgebungen erfolgt, daß diese tief in das Familienleben, in das Geschäfts= und Verkehrs¬ leben Oesterreichs einschneidende Maßregel so schnell als möglich wieder behoben wird. Meiner Anschauung nach ist es auch eine Pflicht unserer Gemeinde=Vertretung, dagegen Stellung zu nehmen und im Wege einer Petition um rasche Abhilfe und Aufhebung dieser harten Maßregel einzuschreiten, da durch dieselbe jeden¬ falls auch Söhne unserer Bürgerschaft, unserer Gewerbs= und Geschäftsleute betroffen und in Mitleidenschaft gezogen sind. Ich glaube mich daher im Einverständnisse mit Ihnen, ehr geehrte Herren Gemeinderäte, zu befinden, wenn ich den Dringlichkeitsantrag stelle: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Der Gemeinde¬ rat der Stadt Steyr wendet sich im Wege einer Petition an die hohe k. k. Regierung in Wien, damit die ehemöglichste Zurücknahme des Erlasses wegen Zurückhaltung der dritten Altersklasse im Präsenzdienste erfolge. Steyr, am 11. September 1903. Dr. Franz Angermann. Der Herr Vorsitzende bringt die Dringlichkeit dieses Gegen¬ standes zur Abstimmung, welche allseits anerkannt wird, worauf der Dringlichkeitsantrag selbst einstimmig angenommen wird. Hierauf Erledigung der Tagesordnung. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Dr. Franz Angermann. 1. (Vertraulich.) Gesuche um Aufnahme in den Gemeindeverband und Zusicherung der Aufnahme behufs Erwerbung der österr. Staatsbürgerschaft und Bürger¬ rechts=Verleihungen. 2. (Vertraulich.) Personalansuchen. Die Punkte 1 und 2 werden vertraulich behandelt. 3. Zwei Petitionen um Einverleibung von um¬ liegenden Ortschaften in das Stadtgebiet Steyr. Der Herr Referent trägt vor: Bereits vor 10 Jahren, und insbesonders nach dem traurigen Ereignisse vom Jahre 1899, ist im Gemeinderate zur Sprache gekommen, ob es nicht im Interesse der Stadt liegen würde gewisse Gebiete aus den nachbarlichen Ortschaften in die Stadt einzubeziehen, um dadurch die Stadt zu vergrößern und die Einnahmen an Umlagen zu erhöhen. Die von Seite des Amtes mit den Bautechnikern ge¬ pflogenen Vorerhebungen und Vorarbeiten in dieser Angelegenheit liegen heute vor, und es wird Sache des löblichen Gemeinderates sein, darüber schlüssig zu werden, ob eine solche Gebietserweite¬ rung zu erfolgen hat oder nicht. Es liegen heute zwei Eingaben vor, um Einverleibung der Neuschönau und Jägerberg, sowie von Ramingsteg, und zwar sind diese Eingaben von 48 Hausbesitzern der ersteren Ortschaften und von 8 Hausbesitzern der letzten Ortschaft unterfertigt. Die Gründe für die angestrebte Einverleibung sind folgende: 1. Das unmittelbare Angrenzen dieser Ortschaften an das Stadtgebiet; 2. das Gepräge dieser Ortschaften als Stadtteile; 3. der Umstand, daß die Bewohner dieser Ortschaften fast ausnahmslos ihren Erwerb in der Stadt finden; 4. daß sie hieher eingeschult und eingepfarrt sind. Durch die Einverleibung dieser Ortschaften in das Stadt¬ gebiet von Steyr würde das letztere um 110 Hektar, 66 Ar und 98 Quadratmeter vergrößert und einen Zuwachs von 149 Häusern erfahren und würde sich die Einwohnerzahl um zirka 1300 Per¬ sonen erhöhen. Im Jahre 1901 waren für die einzuverleibenden Reali¬ täten 2c. vorgeschrieben: 1455 K 04 h An Grundsteuer Hauszinssteuer 8441 „ 13 Hausklassensteuer 72 „ — Erwerbsteuer 3439 „ 08 Rentensteuer... 108 „ 64 13515 K 89 h Zusammen Die zu erhoffende Umlagensumme würde sich stellen wie folgt: 4002 K Von der Grund=, Erwerb= und Rentensteuer 7072 „ der Hauszinssteuer An Mietzinskreuzer 3500 „ 3400 „ „ Bierauflage 17974 K Zusammen Laut Erlasses vom 28. Februar 1903, Z. 665/Pras., würde die k. k. o.=ö. Statthalterei in Linz aus öffentlichen Rücksichten jegen die beabsichtigte Einverleibung keinen Anstand erheben. Weiters ist noch die Bewilligung des o.=ö. Landesausschusses er¬ forderlich, und wenn dieser der Inkorporierung zustimmt, ist eine Einwilligung seitens der betreffenden Gemeinden nicht notwendig. Vor allem aber ist ein prinzipieller Beschluß des Gemeinderates darüber notwendig, ob die beabsichtigte Vergrößerung des Stadt gebietes überhaupt anzustreben ist oder nicht. Wenn sich auch die Vorteile der Einverleibung dieser Ortschaften noch nicht ziffermäßig feststellen lassen, so ist doch gewiß, daß ein größeres Gemeindewesen die Kosten seiner Verwaltung viel leichter be¬ treitet, als ein kleines, und daß ein größeres Gemeindewesen eine mehr Achtung gebietende Stellung einnimmt. Aus diesen angeführten Gründen stellt die 1. Sektion folgende Anträge: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: 1. Es werde die Inkorporierung von Gebietsteilen der an¬ grenzenden Ortschaften Jägerberg, Neuschönau und Raming¬ steg im Prinzipe beschlossen, und 2. wird die kommissionelle Erhebung zur definitiven Feststellung der einzuverleibenden Gebiete und die Erstattung eines Gutachtens darüber einer Spezial=Kommission von 8 Mit¬ gliedern im Sinne des § 9 der Geschäftsordnung des Ge¬ meinderates übertragen. 3. Diese Spezial=Kommission hat zu bestehen aus den 6 Mit¬ gliedern der Bausektion und und den Obmännern der Rechts= und Finanz=Sektion. Der Herr Vorsitzende bringt die Anträge 1—3 je einzeln zur Abstimmung und werden dieselben einstimmig angenommen. Z. 18.808. 4. Eingabe des Handelsgremiums und der Handels¬ Genossenschaft in Angelegenheit der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Liegt folgende Eingabe vor: An den löbl. Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr! Der gefertigte Ausschuß des Handels=Gremiums, vereint mit der Vorstehung der Handels=Genossenschaft, sehen sich ge¬ zwungen, einem wohllöblichen Gemeinderat die Bitte zu unter¬ breiten betreffs der allgemein einzuführenden Sonntagsruhe maßgebenden Orts Schritte zu tun, und mit allen möglichen Mitteln dahin wirken zu wollen, daß hierorts eine gänzliche Sonntagsruhe nicht eingeführt wird und es bei der gegen¬ wärtigen Sperrzeit zu verbleiben habe. Sollte eine gänzliche Sonntagsruhe eingeführt werden, so wäre es gewiß für unsere Stadt eine enorme Schädigung, indem sich das Hauptgeschäft in allen Branchen hier an einem Sonntage entfaltet, da Steyr hauptsächlich mit der Landbevölkerung rechnen muß. Ueberzeugt, daß die löbliche Gemeindevertretung unsere Anschauung vollkommen teilt, erwarten wir die größtmöglichste Unterstützung und zeichnen Für das Handels=Gremium: Für die Handels=Genossenschaft: Ferdinand Reitter m. p. M. Pilat m. p. L. S L. S Steyr, den 17. August 1903. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Nachdem die von den Petenten geltend gemachten Gründe vollkommen zutreffen, und tatsächlich durch die Einführung der gänzlichen Sonntags¬ ruhe oder auch nur durch weitere Verminderung der bis jetzt gesetzlich zulässigen Sonntagsarbeit im Handelsgewerbe eine enorme Schädigung der Geschäftsleute des Handelsgewerbes ein¬ treten müßte, da sich das Hauptgeschäft aller Branchen in Steyr gerade an den Sonntagen abzuwickeln pflegt, stellt die 1. Sektion Antrag: den Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde seitens der Stadtgemeinde Steyr eine Petition an das hohe Herrenhaus des Reichsrates gerichtet, in der mit allem Nach¬ drucke für die Beibehaltung der mit Gesetz vom 16. Jänner 1895, R.=G.=Bl. Nr. 21, normierten Sonntagsarbeit und gegen die Einführung der gänzlichen Sonntagsruhe, resp. gegen jede Ver¬ kürzung der bisherigen Sonntagsarbeit im Handelsgewerbe ein¬ getreten werden solle, weil durch diese Abänderungen der be¬ stehenden gesetzlichen Bestimmungen das Handelsgewerbe, resp. die Geschäftsleute in unserer Stadt einer enormen Schädigung ausgesetzt werden würden. Diese Petition ist dem Herrenhausmitgliede und Ehren¬ bürger von Steyr, Sr. Exzellenz Freiherrn von Czedik behufs Ueberreichung im Herrenhause zu übersenden. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. — Z. 17.648.

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