Rats-Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der k. k. l. f. Stadt Steyr am 3. August 1903. Tages=Ordnung: Beschlußfassung über die Form der Aufnahme des Darlehens von 2 Millionen Kronen zum Baue einer Korps=Artillerie =Kaserne. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Bürgermeister Viktor Stigler, Der Vizebürgermeister Herr Franz Lang. Die Herren Gemeinderäte: Leopold Anzengruber, Gottlieb Bruckschweiger, Alexander Büsek, Ferdinand Gründler, Josef Hack, Ferdinand Handstänger Karl Heindl, Josef Hiller, Josef Huber, Leopold Köstler, Mathias Perz, Dr. August Redtenbacher, Ferdinand Reitter, Josef Schachinger, Rudolf Sommerhuber, Gottfried Sonnleitner und Josef Tureck. Ferner sind anwesend: Herr Stadtrat Franz Gall und als Schriftführer Herr Franz Schmidbauer. Entschuldigt sind die Herren Gemeinderäte Dr. Franz Angermann, Johann Kollmann, Otto Schönauer, und Anton Stippl. Der Herr Vorsitzende konstatiert die Beschlußfähigkeit und die Zweidrittel=Majorität der anwesenden Gemeinderäte im Sinne der heutigen Tagesordnung, ersucht zur Verifikation dieses Pro¬ tokolles die Herren Gemeinderäte Leopold Köstler und Mathias Perz und erklärt um 3 Uhr nachmittags die Sitzung für eröffnet. Der Herr Vorsitzende betont, daß die heutige Sitzung nicht den Charakter einer vertraulichen Sitzung habe. Daß die Ver¬ treter der Presse heute nicht anwesend sind, sei nur dem Um¬ stande zuzuschreiben, daß die öffentliche Bekanntmachung dieser Sitzung in den Lokalblättern nicht mehr möglich war. Die An¬ gelegenheit, welche heute verhandelt werden soll, sei dringlich und lasse sich nicht hinausschieben. Gegenstand der Tagesordnung sei die Beschlußfassung über die Form der Aufnahme des Darlehens von 2 Millionen Kronen zum Baue einer Korps=Artillerie=Kaserne, zu dessen Auf¬ nahme der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 27. Juni d J. bereits seine Zustimmung gegeben hat und ersucht den Referenten das Wort zu ergreifen. Herr G.=R. Heindl verliest nun folgenden Sektionsbericht und Antrag: In der Sitzung des löblichen Gemeinderates vom 27. Juni 1903 wurde beschlossen, das zum Baue der Korps¬ Artillerie=Kaserne in Steyr nötige Kapital bis zum Betrage von 1 Million Kronen bei der oberösterr. Landes=Hypotheken¬ bank als Hypothekar=Darlehen gegen Sicherstellung auf der Kasernrealität, den weiters benötigten Betrag von 1 Million Kronen bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt unter den von der Direktion dieser Anstalten in der Note vom 22. Juni 1903, Z. 338 bekannt gegebenen Bedingungen aufzunehmen. Dieser Beschluß wurde unter dem Eindrucke des Inhaltes der von der Direktion der Kommunal=Kreditanstalt in Linz hieher gerichteten Note vom 22. Juni 1903, Z. 338, der zur Annahme führen mußte, daß der Bezug des ganzen Darlehens von 2 Millionen Kronen bei der Kommunal=Kreditanstalt nicht durchführbar sei. Da zur Bewilligung eines Hypothekardarlehens die Kauf¬ verträge, Grundbuchsextrakte und Besitzbogen bezüglich der er¬ worbenen Kaserngründe, ferners die Kostenvoranschläge bezüglich sämtlicher Baulichkeiten vorgelegt werden müssen, da nach Auf¬ nahme eines Hypothekardarlehens die Belastung des neuerwor¬ benen Gemeinde=Eigentums grundbücherlich durchgeführt werden muß, also die neue Kaserne sofort nach Fertigstellung eine bücherliche Belastung erhält, war es das Bestreben des Herrn Bürgermeisters, bei Aufnahme des zum Kasernbau nötigen Dar¬ lehens diesen augenscheinlichen Schwierigkeiten zu entgehen und manche Kosten zu ersparen, die mit der Beschaffung dieser Nach¬ weise verbunden sind. Die hieramts gepflogenen Korrespondenzen mit der ober¬ österreichischen Kommunal=Kreditanstalt haben nun zu dem Er¬ gebnisse geführt, daß die Aufnahme eines Kommunal=Darlehens von 2 Millionen Kronen zugestanden wird, daß also die Ge¬ meinde vorläufig der Schwierigkeiten und Kosten, die ein Hypo¬ thekardarlehen verursacht, enthoben werden kann. Mit Rücksicht hierauf stellt die Sektion den Antrag, der löbliche Gemeinderat möge in Abänderung des Gemeinderats¬ beschlusses vom 27. Juni 1903 beschließen: Es sei das zum Baue einer Kaserne für ein Korpsartillerie=Regiment bewilligte Darlehen von 2 Millionen Kronen in seiner Gänze als Kom¬ munal=Darlehen bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt unter den in der Gemeinderatssitzung vom 27. Juni bereits beschlossenen Bedingungen aufzunehmen und er habe die Zuzählung dieses Darlehens nicht wie beschlossen auf einmal, sondern nur nach dem durch den Ankauf der Bau= und Exerzierplatzgründe und dem Fortschreiten des Baues der Kaserne sich ergebenden Be¬ darf zu erfolgen. Der Herr Vorsitzende eröffnet hierüber die Debatte. Nachdem sich niemand zum Worte meldet, gibt der Herr Vorsitzende nähere Aufklärungen über die Notwendigkeit und Vorteile der Aufnahme des ganzen Darlehens per 2 Millionen Kronen bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt, indem er darauf hinweist, daß die Gemeinde die Bedingungen der Hypo¬ thekenanstalt dermalen gar nicht erfüllen könne, weil noch keine Gründe gekauft sind und auch noch keine Objekte gebaut sind, somit die Gemeinde auch nichts zu verpfänden habe, anderer¬ seits werden durch die Aufnahme des ganzen Darlehens bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt Kosten erspart, da es sich hier blos um die Ausstellung eines Schuldscheines handelt, be¬ züglich welchem auch die Gebührenfreiheit erlangt werden dürfte. Im Großen und Ganzen stellt sich die Aufnahme des Darlehens bei der Landes=Kommunal=Kreditanstalt durchaus nicht billiger, als das diesfällige Anbot der Sparkasse in Steyr, aber die in¬ direkten Vorteile, die sich bei Aufnahme des ganzen Darlehens bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt ergeben, sind so mannigfacher Art und so in die Augen springend, daß die Auf¬ nahme des Darlehens auf diesem Wege für die Gemeinde am vorteilhaftesten ist. Herr G.=R. Schachinger bemerkt, er halte den Antrag der Sektion nach den Ausführungen des Herrn Bürgermeisters für sehr vorteilhaft und unterstütze daher den Sektionsantrag, nur halte er es für sehr wünschenswert, daß auch der Schuld¬ schein zur Verlesung gelange. Herr G.=R. Heindl verliest den Schuldschein. Der Herr Vorsitzende bemerkt noch, daß er seinerzeit er¬ mächtigt wurde, den Betrag von 2 Millionen Kronen auf ein¬ mal zu beheben. Diesen Vorgang halte er jedoch in finanzieller Beziehung für unpraktisch, weil die Gemeinde für das Darlehen bei der oberösterr. Kommunal=Kreditanstalt 4¼ % Zinsen und Gebarungs¬ gebühr zahlen müsse, während sie bei dessen Anlage in Steyr nur 3¾% hiefür erhalten würde. Nachdem heuer nicht mehr viel Geld benötigt werde, em¬ pfehle es sich aus dem angeführten Grunde, das Darlehen nur successive zu beziehen und auch in dieser Richtung dem Sektions¬ antrage zuzustimmen. Herr G.=R. Schachinger spricht sein Bedenken aus, daß es im Schuldschein heißt, daß der Gemeinde die 2 Millionen Kronen auf einmal überwiesen wurden. Herr G.=R. Dr. Redtenbacher zerstreut die Bedenken des Herrn Gemeinderates Schachinger, indem er darauf hinweist, daß es im geschäftlichen Leben öfters vorkommt, daß Darlehen ratenweise bezogen werden, ohne daß dadurch dem Aufnehmer Nachteile erwachsen. Herr G.=R. Sommerhuber stellt an den Vorsitzenden die Anfrage, wie es mit der Verzinsung des Darlehens steht, bevor die Gemeinde für die Kaserne ihre Einkünfte bezieht. Der Herr Vorsitzende erwidert hierauf, die Zinsen müssen natürlich bezahlt werden, das sind Interkalar=Zinsen, die ja bei
2 jedem größeren Unternehmen vorkommen und zur Kapitals¬ anlage gerechnet werden müssen. Diese Interkalar=Zinsen sind natürlich schon im vorhinein in Rechnung gezogen worden. Nachdem sich zum Sektions=Antrage niemand mehr zum Worte meldet, bringt der Herr Vorsitzende den Sektionsantrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Der Herr Vorsitzende bemerkt, er möchte noch eine Frage erledigen, nämlich die wegen des Exerzierplatzes. Die Verträge über den Ankauf der Gründe für den Exer¬ zierplatz müssen im Oktober d. J. abgeschlossen werden. Diese Gründe würden nun das nächste volle Jahr brachliegen. Er halte es daher für angezeigt, die Gründe zu verpachten und würde für die Aecker= und Wiesengründe des „Taschlmayrgutes“ ein Pacht von etwa 600 fl. erzielt werden, für die Gründe des kleinen „Harrergutes“ natürlich weniger. Er stelle daher die Anfrage, ob der löbliche Gemeinderat geneigt sei, ihn zu ermächtigen, solche Pachtverhältnisse abzu¬ schließen. Herr G.=R. Sommerhuber macht die Anregung, daß in den Pachtverträgen die Bedingung gestellt werde, daß, wenn die Gemeinde auf diesen Gründen Schotter gewinnen will, die Pächter nichts dagegen haben dürfen, womit sich der Herr Vorsitzende vollkommen einverstanden erklärt. Der Herr Vizebürgermeister Lang stellt den Antrag, der löbliche Gemeinderat möge sich für die Verpachtung der Exerzier¬ platzgründe aussprechen und den Herrn Bürgermeister ermächtigen, die Pachtverträge abzuschließen. Weiters werde in Betreff des Darlehens von 2 Millionen Kronen für den Bau der Korps=Artillerie=Kaserne der Herr Bürger¬ meister ermächtigt, die Höhe der von der oberösterr. Kommunal¬ Kreditanstalt zu beziehenden Quoten selbst zu bestimmen. Herr G.=R. Sommerhuber macht die Anregung, daß die „Trakterien“ auf dem Kasernbauplatze nicht von dem Unter¬ nehmer, sondern von der Gemeinde vergeben werden sollen. Herr Vizebürgermeister Lang hält die Beschlußfassung über diese Frage für verfrüht. Herr G.=R. Perz beantragt Schluß der Debatte. Der Herr Vorsitzende bringt hierauf die vom Herrn Vizebürgermeister Lang gestellten Anträge zur Abstimmung und werden dieselben einstimmig angenommen. Hierauf Schluß der Sitzung.
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