„§ 26. Ausgenommen vom activen Wahlrechte sind alle Personen, welche eine Armenversorgung genießen, oder in einem Gesindeverbande stehen. „§ 31. Behufs der Wahl der Mitglieder des Gemeinde¬ rathes werden sämmtliche wahlberechtigte Gemeindemitglieder in vier Wahlkörper eingetheilt, von denen der I., II. und III. Wahlkörper je acht und der IV. Wahlkörper drei Mitglieder in den Gemeinderath zu wählen hat. „Im I. Wahlkörper wählen: 1. Die Wahlberechtigten, die an ihnen in der Gemeinde vorgeschriebenen directen Steuern 40 fl. ö. W. entrichten, 2. die beiden katholischen Pfarrer, 3. die Ehrenbürger, 4. Doctoren, welche ihren akademischen Grad an einer inländischen Universität erlangt haben. „Im II. Wahlkörper wählen: Die Wahlberechtigten, welche an ihnen in der Gemeinde vorgeschriebenen directen Steuern 10 fl. ö. W. bis ausschließlich 40 fl. ö. W. entrichten. „Im III. Wahlkörper wählen: 1. Gemeindebürger, welche weder nach der Steuerzahlung noch nach ihren persönlichen Eigenschaften in den einen oder anderen Wahlkörper gehören; 2. die Wahlberechtigten, welche die in der Gemeinde vorgeschriebene directe Steuer bis ausschließlich 10 fl. ö. W. entrichten. Die nach § 19, Abs. 2, sube, d, e, f, wahlberechtigten Gemeinde¬ mitglieder werden in den I., II. und III. Wahlkörper vertheilt. Es wird über dieselben ein genaues Verzeichnis angelegt, in welchem sie nach der Höhe und unter Beisetzung ihrer Besoldungen und Ruhegenüsse, in absteigender Ordnung gereiht, angesetzt werden. Kommen zwei oder mehrere Wahlberechtigte mit gleichen Bezügen vor, so ist der an Rang höhere oder an Dienstjahren ältere vorzusetzen. Diejenigen Wahlberechtigten, welche nach fortlaufenden Zahlen das erste Drittel der sämmtlichen Besoldungen und Ruhe¬ genüsse beziehen, wählen in dem I., jene, welche das zweite Drittel beziehen, in dem II., und die übrigen in dem III. Wahlkörper. „Im IV. Wahlkörper wählen: Die Wahlberechtigten, welche als Gewerbsgehilfen oder sonstige Lohnarbeiter vom Wochen= oder Taglohne leben, ohne Rücksicht auf die Höhe der von ihnen in der Gemeinde zu entrichtenden directen Steuer. „§ 36. Die Wahlkörper haben an abgesonderten Tagen, und zwar der vierte zuerst, dann der dritte, der zweite und endlich der erste zu wählen. Wer von einem Wahlkörper bereits gewählt ist, kann von dem folgenden nicht mehr gewählt werden, und es sind die auf ihn gefallenen Stimmen ungiltig. „§ 65. Damit der Gemeinderath einen giltigen Beschluss fassen kann, müssen, insoweit dieses Gemeindestatut nicht eine andere Bestimmung entkält, wenigstens 14 Mitglieder ver¬ sammelt sein. Art. II. „Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit. Art. III. „Mein Minister des Innern ist mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.“ Der Herr Vorsitzende bringt diesen Entwurf zur Ab¬ stimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Weiters ersucht der Obmann der Rechtssection Herr Dr. Franz Angermann um die Annahme der dringlichen Erledigung bezüglich einer in der „Bierquelle“ gefassten Resolution, da dieser Gegenstand mit dem vorhergehenden im Zusammen¬ hange ist. Nach einstimmiger Annahme der Dringlichkeit verliest Referent folgende Eingabe: „Löbliche Gemeinde=Vorstehung Steyr! Ueber Auftrag der am Montag den 4. December 1899 in der Bierquelle in Steyr stattgefundenen Volksversammlung erlauben sich die Unterzeichneten folgende esolution einem löblichen Gemeinderathe der Stadt Steyr zu unterbreiten. „Resolution: Die heute den 4. December 1899 in der „Bierquelle von mehr als 2000 Personen besuchte Volks¬ versammlung protestiert in entschiedenster Weise gegen eine etwaige beabsichtigte Verschleppung der Gemeinde=Wahlreform, ie verlangt von dem löblichen Gemeinderathe Steyr, dass er unverzüglich ans Werk gehe, einen neuen Entwurf auszuarbeiten, um endlich auch den Arbeitern ein Mitbestimmungsrecht in der Gemeinde einzuräumen. In Erwägung des Umstandes, dass auch andere Gemeinden den bisher Rechtlosen ein Wahlrecht zugestehen und kein objectiv Denkender sich dieser Anforderung gänzlich verschließen kann, hoffen wir, dass auch ein löblicher Gemeinderath Steyr der Zeitströmung Rechnung tragen wird. Sollte gegen jedes Erwarten der löbliche Gemeinderath auf dem Standpunkt beharren, dass den Arbeitern das Wahlrecht in der Gemeinde nicht eingeräumt werden soll, so erklären die heute hier Ver¬ ammelten, mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln den Kampf um dieses Recht in der entschiedensten Weise fortzusetzen, bis sie eine entsprechende Reform der Gemeinde=Wahlordnung durch¬ gesetzt. Steyr, am 6. December 1899. Für das Präsidium: Johann Zuschratter. Johann Schirmböck.“ Der Herr Referent bemerkt hiezu, dass die vorliegende Resolution auf einer falschen Grundlage beruhe, da der Gemeinderath schon in seiner Sitzung vom 24. Februar 1899 daran¬ gegangen sei, den Arbeitern ein Wahlrecht zu geben, und verliest sodann nachstehenden Sectionsantrag: Nachdem der Gemeinderath in seiner Sitzung vom 24. Februar 1899 ohnedies bereits die Aenderung der Gemeinde=Wahlordnung dahin einstimmig beschlossen, dass für die Gewerbsgehilfen und sonstigen Lohnarbeiter, welche bisher laut § 26 des Gemeinde¬ statutes vom Wahlrechte ausgeschlossen waren, ein IV. Wahlkörper gebildet werden soll, welcher drei Gemeinderäthe zu wählen hätte, somit derselbe dem gewiss berechtigten Streben der Arbeiterschaft nach einer Vertretung im Gemeinderathe nach Thunlichkeit und unter Berücksichtigung der Steuerleistung der Gemeinde=Wählerschaft und im Verhältnisse nach derselben entgegengekommen ist, somit für denselben kein Anlass einer Aenderung des am 24. Februar 1899 einstimmig gefassten Be¬ schlusses vorliegt, so wolle der löbliche Gemeinderath beschließen: Es werde auf diese Petition der Volksversammlung vom 4. d. M. nicht eingegangen und dieselbe lediglich auf den einstimmigen Gemeinderathsbeschluss vom 24. Februar 1899 verwiesen. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Zum Schlusse kommt Referent darauf zu sprechen, dass dem Gemeinderathe seinerzeit in Arbeiterversammlungen öffentlich eine Fälschung des § 26 des Gemeindestatuts vorgeworfen worden ist, indem behauptet wurde, dass es im authentischen Texte nicht „Gewerbsgehilfe“ sondern „Erwerbsgehilfe“ heißt. Es wurde sich diesbezüglich an die k. k. Statthalterei Linz gewendet, welche mit Kundmachung vom 18. Mai 1899, Z. 8250 II im Landesgesetz= und Verordnungsblatte Nr. 12 folgendes publi¬ cierte: Der § 26 des mit dem Landesgesetze vom 18. Jänner 1867. L.=G.=Bl. Nr. 8, erlassenen Gemeindestatuts für die Stadt Steyr hat nach dem Originale richtig zu lauten: Ausgenommen vom activen Wahlrechte sind alle Personen, welche eine Armen¬ versorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen oder als Taglöhner oder als Gewerbsgehilfen einen selbständigen Erwerb nicht haben. Der Herr Referent bemerkt noch, er habe sich als Obmann der Rechtssection veranlasst gefühlt, diese ämtliche Richtigstellung dem löblichen Gemeinderathe zur Kenntnis zu bringen. Hierauf Schlufs der Sitzung.
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