Ratsprotokoll vom 6. Oktober 1899

2 gasse ans Land zu bringen, wobei sich derselbe und der Waffen¬ abriksarbeiter Karl Spitaler, namentlich als sie die in der Neuen Weltgasse Nr. 15 zurückgebliebene 65 Jahre alte Francisca Hrysak retteten — welche Rettung über das Hausdach erfolgen in größter Lebensgefahr befanden. Die Genannten musste brachten circa 50 Personen ans Land Dem Wachmann Kern wurde am 13. früh der Wachmann ranz Eder und die des Wasserfahrens kundigen Jäger Ferdinand Schlerter, Karl Severin und Alois Reichl mit einer Zille zur Unterstützung gesendet. Obwohl die Gefahr eine große war, wagten sie sich doch in die Fluten und drangen unter Lebensgefahr bis zum Haus Nr. 8 der Schwimmschulstraße vor, aus welchem sie fünf Personen ans Land brachten. Die Strömung war so stark, dass die Zille mit den Haken und Rudern nicht mehr dirigiert zu werden vermochte. Die Jäger Severin und Reichl hielten und lenkten die Zille, selbst im Wasser watend, bis zum Hals im Wasser stehend, und obwohl sie den Boden unter den Füßen verloren, war es doch diesen zu danken, dass die Zille sammt den Geretteren, welche bei Uebersetzung der Leopoldgasse von der reißenden Strömung erfasst und mitgerissen worden war, nicht in den Steyrfluss getragen wurde, in welchem Falle alle ein Opfer der Wellen geworden wären Wachmann Franz Mörtenhuber hatte mit den Jägern Josef Schüller, Karl Wessely und N. Dittrich den Auftrag, den durch das Hochwasser am Wehrgraben Bedrohten zu Hilfe zu eilen. Die Jäger schafften eine Zille aus der Badgasse in die Fabriksstraße, während der Wachmann mit dem Bürsten¬ abrikanten Josef Mayr die Familie des Victualienhändlers Johann Schmidtbauer, in deren im 1. Stock befindliche Wohnung das Wasser schon einzudringen begann, aus ihrer gefährlichen Lage retteten. Im Vereine mit dem Jäger Schüller und dem Waffenfabriksarbeiter Johann Riedl wurde sodann an die Rettung der im Hause Nr. 15, Wehrgrabengasse, befind¬ lichen Personen, welche arg bedrängt um Hilfe riefen, geschritten. Dieses Rettungswerk wurde dadurch außerordentlich erschwert, ass die beim Hause Nr. 15 über den Wehrgrabencanal gelegte Brück in dem Momente weggerissen wurde, als die Zille beim Hause Nr. 15 glücklich angelangt war. Die Strömung wurde nämlick durch das Wegreißen der Brücke eine sehr starke. Von der Zille aus wurde eine Leiter an das Dach des Kazda'schen Gastsalons gelegt, über welche die dort befindlichen drei Personen in die Zille kletterten, während die Bemannung die Zille und die Leiter nit größter Mühe festhielten. Die Rettung dieser Personen und ihr Ueberführen über den reißenden Wehrgrabencanal war mit der größten Lebensgefahr verbunden, weil ein einziger Fehlgriff genügt hätte, um die Geretteten und die Bemannung der Zille dem sicheren Tode in den Wellen zu überliefern Das Wasser stieg immer noch höher, so dass Gefahr für die drei eisernen Brücken eintrat und dass für die Aufrechthaltung eines beschränkten Verkehres am Stadtplatz bei der Stadtapotheke und in Zwischenbrücken gesorgt werden musste. Ich ließ die Brücken durch die Wachorgane und Jäger absperren und Herr Leutnant Bianu errichtete mit einem Theil seiner Leute einen orovisorischen Uebergang über die überfluteten Theile des Stadt¬ platzes und in Zwischenbrücken In Zwischenbrücken konnt chließlich der Verkehr nur mehr mittelst eines Kahnes aufrecht¬ rhalten werden Es ist mir nicht möglich, alle jene Verfügungen anzuführen, die die schrecklichen Verhältnisse am 13. September nöthig machten. Genügen möge es, wenn ich sage, dass bis zum 14. September mittags an eine wenn auch nur kurze Ruhe aller jener, die am Rettungswerke betheiligt waren, gar nicht mehr gedacht werden konnte. Ich hebe hervor, dass nicht nur ich, sondern die beiden Freiwilligen Feuerwehren, Herr Leutnaut Bianu mit seinen jägern, der Stadtsecretär, der Polizeicommissär, die gesammte Sicherheits= und Reservemannschaft bis 14. September mittags ununterbrochen im Dienste gestanden haben, und dass alle mit Selbstverleugnung, ja viele mit Hintansetzung ihrer Gesundheit und mit Lebensgefahr jenen Anforderungen gerecht zu werden suchten, die die außerordentliche Lage von ihnen erforderte Am 14. September um halb 3 Uhr früh langte endlich nack beschwerlichem Marsche das Pionnier=Hilfsdetachement bestehend aus einem Officier und 21 Mann, über Enns in Steyr ein. Ich hatte Vorsorge getroffen, dass dasselbe in der Jäger¬ kaserne Unterkunft fand, weil bei der herrschenden Finsternis und bei der Unkenntnis der Localverhältnisse von einem Eingreifen bei Nacht nicht die Rede sein konnte. Mit Tagesanbruch dirigierte ich das Detachement zur Kalkofenbrücke, um von dort aus mit den Pontons den noch im Eysnfeld befindlichen Ueberschwemmten Hilfe bringen zu lassen. Mittlerweile kam mir durch den Herrn Stadtsecretär um 6 Uhr die Meldung zu, dass soeben die Kalk¬ ofenbrücke dem Drucke der vorgelagerten Holzmassen nicht Stand gehalten habe und weggerissen worden sei. Von dieser Seite war eine Rettung der nunmehr eingeschlossenen Personen am Eysnfelde nicht mehr möglich. Das Hilfsdetachement musste daher zurückbeordert werden, um durch die Sierningerstraße über den Annaberg von der Wehrgrabengasse aus Hilfe zu bringen. Unter den schwierigsten Verhältnissen und mit Gefährdung es eigenen Lebens holten die Pionniere, welchen die Wach¬ leute Franz Mörtenhuber und Josef Seisberger zugetheilt waren, 26 Personen aus dem überfluteten Eysnfeld. Da aber endlich das Wasser stark fiel und die Gefahr für die Ueber¬ hwemmten deshalb geschwunden war, beschränkten sich die Pionniere darauf, den vom Wasser Eingeschlossenen Lebensmitte und Trinkwasser zuzuführen, später die ganz verschobenen Brücker vom Objeet IX zum Eysnfeld und die Gsangbrücke gangbar herzurichten und mehrere andere provisorische Verbindungsstege herzustellen. Da für einen Ersatz der zerstörten Kalkofenbrücke gesorgt werden musste, wurde der Commandant des Hilfs¬ detachements Leutnant Stanislaus Ritter von Starzewsk vom 2. Pionnier=Bataillon in Linz) ersucht, für die Herstellung einer Drahtseilfähre zu sorgen. In kürzester Zeit war diese ähre mittels der Pontons hergestellt und functionierte in völlig klagloser Weise, als der Befehl kam, das Hilfsdetachement habe sofort nach Linz einzurücken. Weil bezüglich des eingerissenen Dammes beim Kugelfange am Eysnfeld ein Provisorium sofort geschaffen werden musste, durch welches das Eindringen des Wassers der Steyr in die Straßen des Eysnfeldes verhindert werden sollte, wurde telegraphisch das Statthalterei=Präsidium ersucht, die Pionniere hierzulassen, welches Ersuchen wegen der durch das Hochwasser bewirkten schlechten Verbindung mit Lin erst abends bewilligend beantwortet wurde. Da die Pionniere sich reisefertig machen mussten, war ich genöthigt, für einen Ersatz der Pontons bei der Fähre und ür eine andere sachverständige Bemannung dieser Fähre Sorge u tragen. Die Pionniere ersetzten die Pontons durch Zillen und richteten die Fähre ein, während Herr Karl Reder über mein Ersuchen vier erfahrene Schiffleute zum Betriebe dieser Fähre beistellte. Wie nothwendig diese Ueberfuhr war, lässt sich aus der Frequenz derselben schließen. Als die telegraphische Bewilligung einlangte, dass die Pionnierabtheilung noch bleiben könne, war es meine erste Aufgabe, durch dieselbe einen provisorischen Verbau des ingerissenen Dammes am Eysnfeld herstellen zu lassen. Die Pionniere haben sich unter sachkundiger Leitung des Herrn Leutnants dieser Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit entledigt und sind leider zu früh von hier geschieden, wo die von ihnen bewiesene Arbeitslust noch so vielfache Bethätigung gefunden hätte. Zu erwähnen habe ich noch, dass das k. k. Statthalterei¬ präsidium in Linz die Uebersendung von Conserven und Lager decken über Verlangen zusicherte, von welchem Anerbieten ch nothgedrungen sofort Gebrauch machte. Wir erhielten je 1500 Portionen Suppen= Gemüse= und Fleischconserven, die heute alle vertheilt und gewiss schon verzehrt sind, ohne dass die Nachfrage darnach nachgelassen hätte. Als die Hochwassergefahr vorüber war, begab ich mich ofort nach Linz, um sowohl Sr. Excellenz dem Herrn Statt¬ halter als auch dem Herrn Landeshauptmann über die Katastrophe Mittheilung zu machen und Hilfe für die Stadt zu erbitten. Doch waren der Herr Statthalter und der Herr Landeshauptmann von Linz abwesend, weshalb ich nur Gelegenheit hatte, mit dem Herrn Hofrath Freiherrn v. Hein zu sprechen ich ersuchte, es möchte der Herr Statthalter oder der Herr Vicepräsident zur Besichtigung der enormen Schäden nach Steyr ommen, und wurde diese Bitte durch Se. Excellenz den Herrn Statthalter persönlich erfüllt. Derselbe theilte mir mit, dass er bereits 1000 fl. zur Linderung der momentanen größten Noth aus der Spende Sr. Majestät für Steyr angewiesen habe und dass nach Möglichkeit getrachtet werden werde, den durch das Hochwasser Geschädigten helfend beizuspringen. die Verpflegung der im Bürgerschulgebäude unter¬ gebrachten Delogierten musste seitens der Stadt erfolgen, weshalb ich die hiezu nothwendigen Vorkehrungen zu treffen mich verpflichtet hielt. Sonntag haben die letzten dort unter¬ jebrachten Parteien theils neue Wohnungen gefunden, theils ihre alten Wohnungen wieder aufgesucht Um die Verpflegung der Kinder der Delogierten hat sich Herr Hans Millner in ganz besonderer Weise angenommen, ndem er dieselbe während der ganzen Zeit, also vom 14. bis 30. September, auf eigene Rechnung bestritt. Auch haben sich nehrere Damen gefunden, welche die Stadt in diesem Liebeswerke durch Spenden an Lebensmitteln und in anderer Weise sehr dankenswert unterstützten. Am 14. September erließ ich eine Kundmachung, welche die nothwendigen Vorkehrungen bei den überschwemmten Wohnungen im Stadtgebiete zum Gegenstande hatte. Diese Kundmachung machte jedoch auch nothwendig, dass für die Beschaffung von Frinkwasser für die Ueberschwemmten und von Holz und Kohlen zum Ausheizen der nassen Wohnungen ausreichend esorgt werde. Ich habe deshalb verfügt, dass den Ueber chwemmten täglich so oft als nöthig frisches Trinkwasser zu¬ geführt werde und dass sie mit Holz und Kohle versehen werden Am 15. September erließ ich einen Aufruf, mit welchem ich zur Sammlung von milden Beiträgen, von Wäsche und Kleidern für die Ueberschwemmten einlud. Der oft bewährte Wohlthätigkeitssinn der Steyrer Bevölkerung hat sich hiebei in ganz außerordentlicher Weise bethätigt und es ist mir auch an Kleidern, Wäsche und Einrichtungsgegenständen eine sehr stattliche Menge zugesendet worden, welche jedoch noch immer nicht enügend war, dem vorhandenen Bedürfnisse abzuhelfen. Ganz besonderes Verdienst für die eingeleitete Geldsammlung hat sich derr Josef Wolf mit einigen Herren erworben, welchen hier der beste Dank aussprochen wird. Die zur Wiedererrichtung der abgerissenen Brücken, Stege und sonstigen Verbindungen, Ausfüllung von Auskalkungen auf den Straßen und Wegen 2c. nöthigen einleitenden Schritte und Vorkehrungen hat mir der Herr Vicebürgermeister in entgegenkommendster Weise abgenommen und mich in diesen Tagen schwerer und verantwortlicher Arbeit in jeder Beziehune auf das thatkräftigste unterstützt, wofür ich ihm hiemit öffentlich Dank zu sagen mich verpflichtet halte. Herrn Stadtseeretär, welcher während der ganzen Zeit Tag und Nacht ununterbrochen m Dienste war, sei hier der beste Dank und Anerkennung ausgedrückt

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