Ratsprotokoll vom 25. August 1899

24. Liegt folgender Amtsbericht vor: „Die Stiftung der Brüder Josef und Ludwig Werndl für verarmte Arbeiter der Waffen¬ fabrik und deren Frauen (Capital 40.000 fl., jährliche Interessen 1600 fl.) wird nach meinem Dafürhalten nicht dem Stiftsbriefe ge¬ mäß verwendet. Seitdem dieselbe besteht, werden die jährlichen In¬ teressen derselben an alle Waffenfabriksarbeiter und deren Frauen, welche darum einschreiten, in Beträgen von 2 fl. bis 10 fl. ver¬ theilt, wodurch es kommt, dass aus dieser doch namhaften Stiftung eigentlich niemand eine wirkliche Unterstützung genießt. Nach dem Stiftsbrief sind die jährlichen Interessen zu vertheilen: In erster Linie an die verarmten Arbeiter sammt Frauen, welche bereits bei der Firma Werndl, dann bei der irma Josef und Franz Werndl und Comp., in zweiter Linie an die verarmten Arbeiter sammt Frauen, welche unter Leitung des General=Directors Josef Werndl gedient haben; in dritter inie an Unterstützungsbedürftige der Waffenfabrik im all¬ gemeinen; endlich in Ermanglung solcher an die Armen der Stadt Steyr. Im Stiftbriefe heißt es ferner wörtlich wie folgt: „Der Maßstab der Betheilung wird sich nach der Länge der ienstleistung, insbesondere in ununterbrochener Reihefolge, nach dem Alter, nach dem Grade der Gebrechlichkeit, Unbescholtenheit und der Kopfzahl der Familie richten und bleibt auch für die Folge der reiflichen Ueberlegung der Gemeinde überlassen. Um mit der Betheilung weiter ausgreifen zu können, wird bestimmt, dass keinem einzelnen Mann aus diesem Fonde eine größere Betheilung als wöchentlich 4 fl. und keiner Frau eine größere Betheilung als wöchentlich 2 fl., ausgefolgt werden darf. Aus diesem Wortlaut des Stiftbriefes geht unzweifelhaft hervor, dass die jährlichen Interessen dieser Stiftung in wöchentlichen Unterstützungsbeträgen bis zu 4 fl., beziehungsweise zu 2 fl. an die Anspruchsberechtigten vertheilt werden sollen, und dass, so lange eine genügende Zahl von Anspruchsberechtigten der ersten Linie vorhanden ist, die Anspeuchsberechtigten der zweiten und dritten Linie nicht Berücksichtigung finden können. Trotzdem wird hierauf nie Rücksicht genommen. Da Stiftbriefe streng aus¬ ulegen sind und da bei strenger oder besser gesagt richtiger Auslegung dieses Stiftbriefes 10 bis 12 Arbeiter mit wöchentlich auszuzahlenden jährlichen Unterstützungen von 100—200 fl. be¬ theilt werden könnten, wodurch diesen Arbeitern wirklich genützt wird und deren Heimatsgemeinden überdies entlastet werden, telle ich den Antrag, der löbliche Armenrath möge sich bei Er¬ tattung von Anträgen für die Vertheilung der Interessen aus der Stiftung der Brüder Josef und Ludwig Werndl künftighin enau an die Bestimmungen des Stiftbriefes halten und dem löblichen Gemeinderathe von diesem Beschlusse mit dem Ersuchen Kenntnis geben, auch seinerseits über die künftige Vertheilung dieser Stiftungs=Interessen principiellen Beschluss zu fassen. — Steyr, am 14. August 1899. — Franz Gall, Stadtsecretär.“ Der Sectionsantrag lautet: Um dieser großherzigen Stiftung gerecht zu werden, erlaubt sich die Section dem löb¬ lichen Gemeinderath zur Beschlufsfassung zu empfehlen, anstatt der jetzt in kleinen Gaben von 2 fl. bis 10 fl. zur Vertheilung gekommenen Stiftung, womit niemandem so recht geholfen wurde, wie es eigentlich die edlen Spender im Sinne hatten, in der Folge das Stiftungserträgnis in nicht kleineren Gaben als mindestens 50 fl. zur Vertheilung zu bringen und hiebei sich strenge an den Stiftbrief zu halten, und wäre dies in der je¬ weiligen Ausschreibung dieser Stiftung genau bekanntzugeben. Einstimmig nach Antrag. — Z. 16.851. Hierauf Schluss der öffentlichen Sitzung.

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